Blutdruckmessung

Allgemeine Informationen

  • Eine nichtinvasive Messung des arteriellen Blutdrucks ist die wichtigste Methode für die Diagnose einer sehr häufigen und prognostisch bedeutsamen Erkrankung.
    • Im Regelfall wird alle 2 Jahre eine Blutdruckmessung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung empfohlen.
    • Zur Diagnosesicherung einer arteriellen Hypertonie mittels konventioneller Blutdruckmessung sollten 3 Messungen an mindestens 2 verschiedenen Tagen durchgeführt werden, wobei die 3. Messung in zeitlichem Abstand z. B. zum Ende des 2. Termins erfolgen sollte.
  • Fehlerhafte Messungen bergen die Gefahr der:
    • Übertherapie (Hypotonien und Nebenwirkungen verzichtbarer Medikation)
    • Untertherapie (vermeidbare Endorganschäden).
  • Die Standardmethode in der Blutdruckdiagnostik ist die Praxisblutdruckmessung.
    • geringer apparativer Aufwand
    • relativ geringer Zeitaufwand
    • kostengünstig
  • Für valide und reproduzierbare Messwerte sollte die Praxisblutdruckmessung standardisiert unter sorgfältiger Einhaltung der notwendigen Untersuchungsbedingungen erfolgen.
  • Auch bei korrekter Durchführung der Praxisblutdruckmessung können die häufigen Phänomene der „Weißkittelhypertonie“ und der „maskierten Hypertonie“ aber zu einer Fehleinschätzung des Blutdrucks führen.
    • Weißkittelhypertonie: 30–40 % der Patient*innen mit erhöhtem Praxisblutdruck (am häufigsten bei Hypertonie Grad 1)1
    • maskierte Hypertonie: 15 % der Patient*innen mit normalem Praxisblutdruck1
  • Der Heimblutdruckmessung und der ambulanten 24-Stunden-Blutdruckmessung (ABPM = Ambulatory Blood Pressure Monitoring) wurden daher in den vergangenen Jahren ein zunehmender Stellenwert eingeräumt.
    • Gemäß den aktuellen ESC/ESH-Leitlinien erfolgt die Diagnose einer arteriellen Hypertonie entweder auf der Basis wiederholter Praxisblutdruckmessungen oder durch Heimmessung und/oder ABPM.1

Messgeräte

  • Manuelle Sphygmomanometer
    • Erfordern die Auskultation mit dem Stethoskop.
    • Aneroidmanometer (mechanisches Sphygmomanometer mit Messscheibe): War lange das am häufigsten eingesetzte Blutdruckmessgerät im medizinischen Alltag, wird mittlerweile aber zunehmend verdrängt durch oszillometrische Messgeräte
    • Quecksilbermanometer: früher Goldstandard, heutzutage nicht mehr gebräuchlich
  • Oszillometrische Messgeräte
    • Schwingungen des pulsierenden Blutes werden zur Blutdruckmessung erfasst.
    • automatische Messung am Oberarm oder Handgelenk
      • daher auch gut für Heimmessung geeignet
      • nur eingeschränkt geeignet bei Vorhofflimmern
      • Handgelenkmessgeräte bei ausgeprägter Atherosklerose oder anatomischen Besonderheiten evtl. weniger zuverlässig

Messmethoden und ihre Durchführung

Praxisblutdruckmessung

  • Für die Erhebung verlässlicher Messergebnisse ist eine sorgfältige, standardisierte Durchführung der Blutdruckmessung erforderlich.1
  • Messung mit geeichtem Standard-Sphygmomanometer oder einem automatischen Messgerät
  • Bei der Basisuntersuchung Messung an beiden Armen: bei Abweichungen ≥ 10 mmHg künftig Messung am Arm mit dem höheren Wert
  • Messung im Sitzen nach mindestens 5-minütiger Ruhepause
  • Ruhige Umgebung
  • Entspannte Platzierung des Armes z. B. auf einem Tisch
  • Füße nebeneinander stellen (kein Überkreuzen der Beine).
  • Harnblase sollte entleert sein.
  • 3 Messungen mit 1–2 min Abstand, Mittelwert der beiden letzten Messungen sollte verwendet werden
    • evtl. weitere Messungen (z. B. bei Vorhofflimmern)
    • Bei Vorhofflimmern eine auskultatorische Methode verwenden, da automatische Geräte für Messungen bei Vorhofflimmern nicht validiert sind. Automatisierte Geräte zeichnen bei Vorhofflimmern eher die höchste individuelle systolische Druckwelle auf, dies führt zu einer Überschätzung des Blutdrucks.
  • Im Allgemeinen Anwendung einer Standardmanschette (12–13 cm breit und 35 cm lang)
    • Größere und kleinere Manschetten sollten verfügbar sein.
  • Manschette auf Herzhöhe während der Messung
    • Rücken und Arm sollten entlastet sein, um einen Blutdruckanstieg durch isometrische Belastung zu vermeiden.
  • Unterrand der Manschette 2–3 cm über der Ellenbeuge
  • Bei der auskultatorischen Methode Bestimmung anhand der Korotkow-Geräusche (Phase I und V)
    • Aufpumpen der Manschette bis 30 mmHg über den systolischen Druck (beim systolischen Druck verschwindet der Puls am Handgelenk)
    • Ablassrate des Manschettendruckes höchstens 2–3 mmHg/sec
    • Erfassen, bei welchem Druck der erste Ton bzw. erstes Blinkzeichen (= systolischer Druck) und bei welchem Druck der letzte Ton bzw. Blinkzeichen (= diastolischer Druck) hörbar ist, Werte auf 2 mmHg genau dokumentieren.
  • Puls tasten zum Ausschluss von Arrhythmien.
  • Zur Erkennung von orthostatischen Hypotensionen ergänzende Messung im Rahmen der Erstmessung nach 1 und 3 Minuten im Stehen, v. a. bei:
    • älteren Patient*innen
    • Menschen mit Diabetes
    • sonstigen Krankheiten mit Neigung zu Orthostase.

Beaufsichtigte vs. unbeaufsichtigte Messung

  • Mit Veröffentlichung der SPRINT-Studie begann eine Diskussion, ob eine unbeaufsichtigte Praxisblutdruckmessung (separater Raum, automatische Messung, kein Personal anwesend) zu besseren Ergebnissen mit insbesondere weniger Fällen von Weißkittelhypertonie führt.2
  • Neben der Frage der Praktikabilität in einer hausärztlichen Praxis ist die wissenschaftliche Diskussion über den Stellenwert noch im Gange, sodass es derzeit keine diesbezüglichen Empfehlungen gibt.

Empfohlene Manschettengröße

  • Folgende Manschettengrößen in Abhängigkeit vom Oberarmumfang werden empfohlen:
    • Oberarmumfang < 24 cm: 10 cm
    • Oberarmumfang 24–32 cm: 12–13 cm
    • Oberarmumfang 33–41 cm: 15 cm
    • Oberarmunfang > 41 cm: 18 cm.

Heimblutdruckmessung

  • Die Heimblutdruckmessung als Ergänzung zur Praxisblutdruckmessung weist einige Vorteile auf:
    • repräsentativere Werte durch größere Stichproben
    • Identifizierung von Patient*innen mit „Weißkittelhypertonie“ bzw. „maskierter Hypertonie“
    • bessere Abschätzung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse1,3
    • Ob eine langfristige Selbstmessung zu einer besseren Blutdruckeinstellung und weniger Folgeerkrankungen führt, ist allerdings noch unklar.4
  • Wichtig ist eine Unterweisung der Patient*innen zum standardisierten Vorgehen, die allerdings wegen Zeitmangels und fehlender Vergütung manchmal zu kurz kommen kann.
  • Durchführung der Heimmessung:
    • Messung mit halbautomatischem, validiertem Blutdruckmessgerät
    • mindestens für 3 Tage, besser über 6–7 Tage vor jedem Praxisbesuch
    • Messungen morgens und abends (immer zur gleichen Zeit)
      • morgendliche Messung vor der Einnahme blutdrucksenkender Medikamente (Erfassung auch des Blutdrucks in den frühen Morgenstunden)
    • Patient*in sitzend in ruhigem Raum, mit Rückenlehne und unterstütztem Arm (z. B. auf Tisch ablegen)
      • Bei Messung am Handgelenk ist besonders darauf zu achten, dass sich das Gerät in Herzhöhe befindet (z. B. Unterarm auf Tisch ggf. mit zusätzlichem Kissen oder Hand des Messarms auf gegenüberliegendem Schlüsselbein).
    • nach zunächst 5 min Ruhe 2 Messungen mit 1–2 min Abstand
      • Der Wert der 2. Messung (meistens der niedrigere Wert) sollte notiert werden.
      • Messung mit Datum und Uhrzeit dokumentieren.
    • Beim Messen nicht bewegen, nicht reden, keine Ablenkung durch z. B. Nachrichten/Musik etc.
  • U. a. zur Dokumentation der Messwerte werden neuerdings auch Blutdruck-Apps angeboten.

Ambulante Blutdruckmessung (24-Stunden-Blutdruckmessung)

  • Die ambulante Blutdruckmessung hat eine höhere prognostische Genauigkeit als die Praxisblutdruckmessung.5
  • Im Gegensatz zur Heimmessung ermöglicht sie auch Messungen bei alltäglichen Aktivitäten und während der Nachtstunden.
  • Durchführung der ambulanten Blutdruckmessung
    • Dauer 24 h
    • Messung alle 15–30 min, üblicherweise am nicht dominanten Arm
    • Mindestens 70 % verwertbare Messungen sollten vorliegen.
    • normale Aktivitäten der Patient*innen
    • Dokumentation von Aktivitäten, Medikamenteneinnahmen und Symptomen in einem Tagebuch

Vor- und Nachteile der Heimmessung bzw. ambulanten Blutdruckmessung

Heimmessung1

  • Vorteile
    • Identifizierung von Weißkittelhypertonie oder maskierter Hypertonie
    • Messung unter häuslichen Bedingungen, Patient*in evtl. entspannter als in der Praxis
    • Einbeziehung der Patient*innen in die Diagnostik
    • Messungen über längere Zeiträume möglich, Erfassung von Variabilitäten
  • Nachteile
    • nur Messwerte unter Ruhebedingungen
    • keine Messungen während des Schlafs

Ambulante Blutdruckmessung1

  • Vorteile
    • Identifizierung von Weißkittelhypertonie oder maskierter Hypertonie
    • prognostische Evidenz
    • nächtliche Aufzeichnungen mit Erfassung von „Non-Dipping“
    • Messungen unter Alltagsbedingungen
    • umfangreiche Informationen aus einer Messperiode
  • Nachteile
    • Kosten
    • limitierte Verfügbarkeit
    • unbequem

Patienteninformation

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Williams B, Mancia G, Spiering W, et al. 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. Eur Heart J 2018; 39: 3021-3104. doi:10.1093/eurheartj/ehy339 www.escardio.org
  2. The SPRINT Research Group. A Randomized Trial of Intensive versus Standard Blood-Pressure Control. N Engl J Med 2015; 373: 2103-2116. doi:10.1056/NEJMoa1511939 DOI
  3. Verberk W, Kroon A, Kessels A, et al. Home blood pressure measurement. A systematic review. J Am Coll Cardiol 2005; 46: 743-51. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Uhlig K, Patel K, Ip S, et al. Self-measured blood pressure monitoring in the management of hypertension: A systematic review and meta-analysis. Ann Intern Med 2013; 159: 185-94. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. O'Brien E, Parati G, Stergiou G, et al. European Society of Hypertension position paper on ambulatory blood pressure monitoring. J Hypertens 2013; 31:1731. PubMed

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.

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