Allgemeine Informationen
Definition
- Unter Nahrungsmittelreaktionen werden alle nichttoxischen, unerwünschten Reaktionen auf Lebensmittel zusammengefasst. Sie werden in zwei Hauptgruppen eingeteilt:1
- Allergien
- Unverträglichkeiten.
- Allergien werden in IgE-vermittelte und nicht-IgE-vermittelte Reaktionen eingeteilt.2-3
- Zu den Unverträglichkeiten zählen Enzymdefekte, pharmakologische Wirkungen und psychische Wirkungen bestimmter Nahrungsmittel sowie eine Reihe unspezifischer Prozesse.
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden häufiger vermutet, als sie objektiv nachweisbar sind.
- Ein entsprechender Verdacht lässt sich nicht immer durch verlässliche Laborparameter bestätigen.
Häufigkeit
- Sehr variabel
- Die Häufigkeit ist abhängig von Alter und Geschlecht, familiärer Atopieanamnese, geografischer Lage, Ernährungsgewohnheiten sowie dem Vorhandensein anderer allergischer Erkrankungen.
- Die häufigsten Auslöser einer Nahrungsmittelunverträglichkeit sind bei Kindern und Jugendlichen Milch und Hühnereiweiß, Soja, Weizen, Erdnuss und Baumnüsse.
- Eine Nahrungsmittelallergie/-unverträglichkeit äußert sich meist vor dem Ende des zweiten Lebensjahres.
- Eine Ausnahme sind Reaktionen auf Nahrungsmittel infolge von Kreuzallergien mit Pollen bei Personen mit Pollenallergie, die später auftreten können.4
ICD-10
- R19.8 Sonstige näher bezeichnete Symptome, die das Verdauungssystem und das Abdomen betreffen
- R19.- Sonstige Symptome, die das Verdauungssystem und das Abdomen betreffen
Differenzialdiagnosen
Nahrungsmittelintoleranz oder Nahrungsmittelallergie
- Siehe Artikel Nahrungsmittelallergie und Nahrungsmittelunverträglichkeit.
- Nahrungsmittelallergie: unerwünschte Immunreaktion
- Nahrungsmittelunverträglichkeit: Das Immunsystem ist nicht beteiligt, sondern es liegen z.B. Kohlenhydratverwertungsstörungen vor.
- Häufigkeit: Prävalenz der Nahrungsmittelallergie von 4,2 % bei Kindern und 3,7 % bei Erwachsenen
- Symptome: Bei Allergie treten Reaktionen am ganzen Körper auf, oft kutan (Urtikaria, Flush), möglich; bei Unverträglichkeit zeigen sich rein gastrointestinale Symptome.
- Befunde: Es kommt selten zu klinisch relevanten Befunden. Atopiezeichen können vorliegen (z. B. Hertoghe-Zeichen); bei Kindern ggf. Gedeihstörungen.
- Diagnostik: Anamnese und Ernährungs- und Symptomtagebuch zur Identifikation der auslösenden Nahrungsmittel. Bei Allergie ist ein Nachweis der Sensibilisierung mittels spezifischer IgE-Bestimmung oder Prick-Test der Haut möglich.
- Therapie: Symptomverursachende Nahrungsmittel vermeiden; aufgrund der natürlichen Toleranzentwicklung bei Kindern jedoch alle 2 Jahre Reevaluation der diätetischen Maßnahmen.
Laktoseintoleranz
- Siehe Artikel Laktoseintoleranz.
- Das Enzym Laktase wird in der Schleimhaut des Dünndarms nicht oder nur gering produziert.
- Eine primäre Intoleranz ist genetisch bedingt. Eine sekundäre Intoleranz kann bei einer unbehandelten Zöliakie (Sprue) oder anderen Dünndarmerkrankungen auftreten.
- Häufigkeit: ca. 15–20 %
- Symptome: Bauchkrämpfe, Völlegefühl. Bei einigen Betroffenen können teilweise Meteorismus, starke Bauchschmerzen oder Diarrhö auftreten.
- Befunde: Klinisch tritt ein geblähtes Abdomen auf, tympanischer Klopfschall, lebhafte Darmgeräusche.
- Diagnostik: Mit einem Gentest kann die angeborene Laktoseintoleranz nachgewiesen werden. Mit Funktionstests (Laktosetoleranztest, Atemgastest) können andere Formen der Intoleranz nachgewiesen werden.
- Therapie: Laktosehaltige Lebensmittel sollten vermieden oder reduziert werden. Einnahme von Laktase bei Bedarf.
Milcheiweißallergie
- Siehe Artikel Kuhmilchallergie.
- Immunologische Überempfindlichkeitsreaktion auf Kuhmilcheiweiß, die sowohl IgE-vermittelt als auch nicht-IgE-vermittelt sein kann.
- Häufigkeit: Inzidenz in den ersten 2 Lebensjahren in Europa etwa 0,5 %. Tritt bei Erwachsenen sehr selten auf.
- Symptome: Symptombeginn meist im 1. Lebensjahr mit Einführung von Kuhmilchprodukten. Typischerweise sind verschiedene Organsystem betroffen, u. a. kutan (Urtikaria), respiratorisch (Dyspnoe) und gastrointestinal (Spucken, Koliken).
- Befunde: Der Befund ist meist klinisch unauffällig; manchmal flüssiger/wässriger Stuhl; bei schwerer Mangelernährung durch Allergie Perzentilenknick.
- Diagnostik: Anamnese der Eltern (Ernährungs-/Symptomtagebuch), klinischer Score (CoMiSS) und oraler Provokationstest; ggf. spezifische IgE-Bestimmung
- Therapie: Eliminationsdiät mit regelmäßigen Versuchen der Wiedereinführung (hohe Toleranzentwicklung im Verlauf); Milchersatz bei Säuglingen durch Extensivhydrolysate oder alternativ Aminosäurenformula
Orales Allergiesyndrom
- Pollenallergiker*innen können bei Aufnahme von Nahrungsmitteln eine Kreuzreaktivität auf Pollen, insbesondere Birkenpollen, entwickeln.
- Symptome können von Juckreiz und Schwellungen im Mund bis hin zu einem Angioödem reichen.
- Unterschiedliche Sorten von Obst und Gemüse sind in der Regel mit verschiedenen Arten von Pollen assoziiert.
- Häufig werden Nahrungsmittel gekocht besser vertragen als roh, und es kann Symptomfreiheit abseits der Pollensaison bestehen.
Zöliakie
- Siehe Artikel Zöliakie.
- Genetisch bedingte, chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des Darms, die sich beim Konsum von glutenhaltigen Nahrungsmitteln manifestiert. Dabei werden die Darmzotten der Dünndarmschleimhaut geschädigt.
- Häufigkeit: 0,3 % der europäischen Bevölkerung leiden an Zöliakie, aber die Anzahl der Patient*innen mit einer nicht diagnostizierten Zöliakie ist wahrscheinlich höher. Die Zöliakie kann im Säuglings- und Kleinkindalter das 1. Mal auftreten, kann aber in jedem Alter diagnostiziert werden.
- Symptome: Die meisten Betroffenen mit Zöliakie sind symptomfrei (5 von 6), aber gastrointestinale Symptome und Symptome aufgrund von Malabsorption (z. B. Wachstumsverzögerung und Anämie) können auftreten.
- Befunde: Meist liegt kein klinischer Befund vor. Es können Anzeichen einer Malabsorption, einer Maldigestion (wie Wachstumsverzögerung) oder Dermatitis herpetiformis Duhring (Hautmanifestation bei Zöliakie) festgestellt werden.
- Diagnostik: Serologische Tests auf Antikörper gegen Transglutaminase. Für die Diagnose ist meist eine Dünndarmbiopsie notwendig.
- Therapie: lebenslange glutenfreie Ernährung
Urtikaria
- Siehe Artikel Urtikaria und Angioödem.
- Akute oder chronische Hautreaktion mit juckenden Quaddeln oder lokaler Hautschwellung, die u. a. durch physikalische Reize, Infektionen oder Allergien ausgelöst werden kann, häufig aber spontan ohne identifizierbaren Auslöser auftritt.
- Häufigkeit: 20 % der Bevölkerung sind im Laufe ihres Lebens mindestens einmal von einer Urtikaria betroffen.
- Symptome: Juckende Quaddeln unterschiedlicher Größe und Form, von denen jede einzelne meist nur wenige Stunden besteht.
- Befunde: Quaddeln unterschiedlicher Größe und/oder lokale, manchmal erythematöse Gewebeschwellung
- Diagnostik: Anamnese und klinische Untersuchung, evtl. Blutuntersuchungen, Allergiediagnostik, Provokationstests oder Maßnahmen zum Ausschluss zugrunde liegender Erkrankungen
- Therapie: Bei Urtikaria Gabe von Antihistaminika; wenn möglich Elimination der auslösenden Ursache. In lebensbedrohlichen Situationen werden parenteral Antihistaminika, Glukokortikoide und Adrenalin gegeben.
Atopisches Ekzem
- Siehe Artikel Atopisches Ekzem.
- Altersabhängige Lokalisation des Ekzems. Typisch trockene Haut, Juckreiz und Ekzem im Gesicht, am Hals und am Oberkörper, an den Ellenbeugen und Kniekehlen. Je jünger die Kinder, desto häufiger sind Gesicht und Kopf betroffen.
- Befunde: Trockene Haut mit Erythem, bei akuten Ausbrüchen oft auch mit Papeln oder Vesikeln; bei Säuglingen oft vesikulär und nässend („Milchschorf“) im Kopfbereich; bei Kleinkindern trockener und mit Kratzspuren, meist in Beugefurchen
- Diagnostik: klinische Diagnose; evtl. weiterführende allergische Diagnostik bei entsprechender Anamnese, z. B. bei Hinweisen auf Nahrungsmittelallergie
- Therapie: Basistherapie mit sanfter Hautreinigung, Feuchtigkeitscremes und Vermeidung von Triggerfaktoren. Bei Bedarf lokal wirkende Kortikosteroide oder Calcineurininhibitoren einsetzen, bei sehr schweren Verläufen immunmodulatorische systemische Medikamente (Stufentherapie).
Dermatitis herpetiformis Duhring
- Siehe Artikel Dermatitis herpetiformis Duhring (DHD).
- Sonderform der Zöliakie mit vorrangiger Manifestation an der Haut, gekennzeichnet durch chronische, polymorphe, juckende, gruppiert angeordnete Papeln, Bläschen und Quaddeln
- Häufigkeit: Seltene Erkrankung, die Prävalenz wird auf 10–75/100.000 geschätzt.
- Symptome: Die Erkrankung tritt häufig plötzlich auf, kann aber auch schleichend beginnen. Kennzeichnend ist der starke bis brennende Juckreiz, vor allem über den Ellenbogen, Knien und am Gesäß.
- Befunde: Klinisch treten urtikarielle Papeln, Papulovesikel und Bläschen auf.
- Diagnostik: Eine Bestimmung der IgA-Autoantikörper gegen Gewebstransglutaminase und eine Hautbiopsie sichern die Diagnose.
- Therapie: Die Behandlung besteht in einer konsequent glutenfreien Diät. Bis die Wirkung der Ernährungsumstellung eintritt, sprechen die Hautsymptome sehr gut auf Dapson an.
Diagnostik
- Die Diagnostik erfolgt primär klinisch mithilfe eines Ernährungs- und Symptomtagebuches.
- Klinische Beschwerden verlaufen mengenabhängig und werden durch kofaktorielle Einflüsse modifiziert.
Anamnese
- Die Anamnese ist der wesentliche diagnostische Baustein.
- Episodische Beschwerden werden häufig von IgE-vermittelten Reaktionen verursacht.
- In solchen Fällen sind Ausschläge beim Prick-Test und beim RAST (Radio–Allergo-Sorbent-Test) zu erwarten.
- Welches Nahrungsmittel ist verdächtig?
- Wie schnell nach der Aufnahme des Nahrungsmittels und ab welcher Menge des Nahrungsmittels treten Symptome auf?
- Wenn nur eine kleine Menge an Nahrung für eine Reaktion nötig ist und wenn die Reaktion kurz nach der Aufnahme erfolgt, weist das auf eine IgE-vermittelte Reaktion hin.
- Wenn es bei mehreren Gelegenheiten zu einer schnellen Reaktion (innerhalb weniger Minuten) auf eine geringe Menge an Nahrung gekommen ist, ist eine Nahrungsmittelallergie höchstwahrscheinlich.
- Tritt die Reaktion jedes Mal gleich schnell und nach der gleichen Menge Nahrung auf?
- Je weniger Gleichmäßigkeit die Anamnese ergibt, desto mehr spricht dagegen, dass die entsprechende Reaktion auf einem Nahrungsmittel beruht.
- Wie alt war das Kind, als die Reaktion zum ersten Mal beobachtet wurde? Wie alt bei späteren Gelegenheiten? Ist vor dem ersten Auftreten von Reaktionen etwas Außergewöhnliches passiert?
- Das Kind reagiert möglicherweise auf Inhaltsstoffe in der Ernährung der Mutter, die über die Muttermilch auf das Kind übertragen werden.
- Wenn das Kind in der Stillzeit Beschwerden wie Koliken oder ein atopisches Ekzem aufweist und die Mutter beobachtet, dass sich die Beschwerden verschlechtern, wenn sie bestimmte Nahrungsmittel zu sich nimmt, dann ist eine frühe Nahrungsmittelallergie/-intoleranz wahrscheinlich.
- Das Kind reagiert in diesem Fall jedes Mal, wenn die Mutter das entsprechende Allergen über Essen oder Trinken aufnimmt.
- Wann wurde das Nahrungsmittel zum ersten Mal in die Ernährung eingeführt?
- Wenn die Reaktion erst dann zum ersten Mal auftritt, nachdem das Kind das entsprechende Nahrungsmittel über einen längeren Zeitraum ohne Reaktionen zu sich genommen hat, ist es eher unwahrscheinlich, dass tatsächlich dieses Nahrungsmittel die Symptome verursacht.
- Ausnahmen sind Reaktionen auf Obst und Gemüse.
- Falls die Reaktion durch Milch verursacht wurde, zum ersten Mal nach einer Magen-Darm-Infektion aufgetreten ist und seit weniger als einem Monat andauert, kann es sich um eine sekundäre Laktoseintoleranz handeln.
- Wenn die Reaktion erst dann zum ersten Mal auftritt, nachdem das Kind das entsprechende Nahrungsmittel über einen längeren Zeitraum ohne Reaktionen zu sich genommen hat, ist es eher unwahrscheinlich, dass tatsächlich dieses Nahrungsmittel die Symptome verursacht.
- Wie viel Zeit ist vergangen, seit die Reaktion zum letzten Mal beobachtet wurde?
- Wenn längere Zeit seit der letzten Reaktion des Kindes vergangen ist, sollte auch an die Möglichkeit einer Toleranzentwicklung gedacht werden.
- Bei Kindern sind längere „Nahrungsmittelpausen“ durchaus nicht untypisch.
Kuhmilch und episodische Symptome
- Kinder mit episodischen Reaktionen auf Kuhmilch werden häufig auf eine streng milchfreie Diät umgestellt, nachdem einmal oder mehrmals ausgeprägte Reaktionen kurze Zeit nach Milchkonsum aufgetreten sind.
- Solche Reaktionen entstehen häufig im Zusammenhang mit dem Übergang vom Stillen zu fester Nahrung/Säuglingsnahrung/Milch.
- Häufig hat das Kind auch nach der Umstellung auf die milchfreie Diät Reaktionen gezeigt, weil es sehr schwer ist, in der alltäglichen Ernährung Spuren von Milch völlig zu vermeiden.
- Wenn seit der letzten Reaktion längere Zeit vergangen ist, sollte an eine mögliche Toleranzentwicklung gedacht werden.
Verdächtige Nahrungsmittel
- Bestimmte Nahrungsmittel können versehentlich über Produkte, deren Inhaltsstoffe nicht genau bekannt sind, in die Ernährung gelangen und episodische Nahrungsmittelreaktionen auslösen:
- Milch
- Margarine
- Getränke, die versteckt Milch enthalten.
- in vielen zubereiteten Produkten
- Frikadellen/Wurst
- Fischstäbchen
- Kuchen/Kekse/Gebäck
- die meisten Schokoladensorten
- Tütensuppen und Saucenpulver
- Weizen
- Brot
- Kuchen/Gebäck
- Frühstücksflocken
- Spaghetti, Nudeln
- Brei auf Weizenbasis
- häufig in Halbfertigprodukten
- Tütensuppen und Saucenpulver
- Ei
- Mayonnaise/Salate und Dressings auf Mayonnaisebasis
- panierte Produkte
- Aufläufe
- Kuchen/Waffeln/Eis/Kekse
- Pastaprodukte
- Nüsse
- Marzipan
- Kokos (z. B. in Schokoriegeln)
- zahlreiche Schokoladensorten
- häufig in Kuchen
- bestimmte Brotsorten
- Fisch
- Leberpaté (enthält manchmal Anchovis)
Eier und episodische Symptome
- Nahrungsmittelallergie auf Ei äußert sich in Symptomen innerhalb von Minuten bis zu einer Stunde nach dem Verzehr.
- Juckreiz im Bereich der Mundschleimhaut und an der Haut mit Rötungen, Quaddeln, Schwellungen und Juckreiz
- Ca. 0,5–2,5 % der Menschen sind von einer Hühnerei-Allergie betroffen, bei Kindern kann sie häufiger vorkommen.
- Bei Eiern werden in seltenen Fällen auch episodische Nahrungsmittelreaktionen beobachtet, diese können jedoch leicht übersehen werden.
- Hühnerei-Allergien gehören zu den häufigsten Allergien im Säuglingsalter. Diese frühkindlichen Allergien bestehen in der Regel wenige Jahre und können sich spontan bessern.
- Eltern haben häufig rohe Eier im Verdacht, wenn das Kind eine Reaktion im Zusammenhang mit Kuchenteig oder Baisermasse zeigt.
- Rohe Eiproteine finden sich auch in Omelettes, Spiegelei, Rührei und weichgekochten Eiern, weil die Eier in diesen Gerichten normalerweise nicht völlig durchgegart sind.
- Falls hier Reaktionen erfolgen, interpretieren manche Eltern das fälschlicherweise als Reaktion auf „pures Ei“.
- Einige Kinder, die auf rohes Ei reagieren, vertragen zubereitete/gekochte Eier.
- Reaktionen auf durchgegartes Ei können aber leicht übersehen werden, wenn das Ei in zubereiteten Produkten enthalten ist, weil die Reaktionen auf gekochtes Ei schwächer sind und die Menge in Gerichten häufig nur gering ist.
- Bei Kindern mit Allergie gegen rohe Eier und mit chronischen Symptomen oder verzögerter Wachstumsentwicklung sollte eine völlig eifreie Diät versucht werden, bevor die Diät mit zubereiteten Produkten ergänzt wird, die Eier enthalten.
Beispiele für Kreuzallergien
- Sekundäre Allergie infolge einer Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen (z. B. Pollenallergenen) mit anschließenden Reaktionen („Kreuzallergien“) auf strukturverwandte, häufig instabile Allergene in pflanzlichen Lebensmitteln
- Birkenpollen kreuzreagieren z. B. mit Nüssen, Äpfeln, Birnen, Kiwis und Steinobst.
- Bei Menschen mit Beifußallergie kommt es u. a. mit Sellerie, Karotten, Petersilie, Fenchel, Koriander, Senf, Kamille, Anis, Kümmel und Honig zu Kreuzreaktionen.
- Die meisten Betroffenen reagieren nicht auf alle in der Liste der Kreuzreaktionen aufgeführten Nahrungsmittel.
Klinische Untersuchung
Allgemeines
- Die körperliche Untersuchung zeigt im Intervall meist keine Auffälligkeiten.
- Anzeichen von Unterernährung sind möglich.
- Die Untersuchung sollte sich nach Symptomen und Schweregrad richten.
- Anzeichen von Abmagerung, Dystrophie, Wachstumshemmung oder verspäteter Pubertät?
- Gewichts- und Längenmessungen (auch im zeitlichen Verlauf zu beurteilen)
- Für alle Kinder mit Nahrungsmittelallergie/-intoleranz sollten Perzentilkurven geführt werden.
Ergänzende Untersuchungen
Symptomtagebuch
- Aufzeichnungen der Patient*innen bzw. der Eltern über 2–3 Wochen mithilfe eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs.
- Ein solches Tagebuch berücksichtigt die Aufnahme von Speisen, Getränken, aber auch Süßigkeiten, Kaugummis etc. sowie in zeitlichem Zusammenhang auftretende Beschwerden.
- Im Tagebuch sollte auch der Medikamentenverbrauch aufgezeichnet werden.
Eliminationsdiät
- Kontrollierte Vermeidung von Nahrungsmitteln für einen bestimmten Zeitraum
- 1 bis max. 2 Wochen
- Längerfristige Elimination kann bei IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergie, wenn zuvor nur Spätsymptome bestanden haben, das Risiko für das Auftreten von Sofortreaktionen bei Wiedereinführung erhöhen.
- Für nicht-IgE-vermittelte Reaktionen können längere Zeiträume (4–6 Wochen) erforderlich sein.
- Die detaillierte (vollständige) Dokumentation anhand eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs über die Zeit der Elimination ermöglicht die Überprüfung im Hinblick auf Diätfehler.
- Im Anschluss an die diagnostische Eliminationsdiät sollte bei Ausbleiben der Symptomatik oder deutlicher Besserung eine Nahrungsmittelprovokation unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Labordiagnostik
- Vorgehen mit Augenmaß, wirtschaftlich und stufenweise, hier ein möglicher Praxis-Leitfaden:
- 1. Schritt
- 2. Schritt
- Stuhlproben auf pathogene Darmkeime
- Stuhlprobe auf Calprotectin
- 3. Schritt – Überweisung erwägen zu Gastroenterolog*in, Pädiater*in, Dermatolog*in für:
- Gesamt-IgE, RAST auf das verdächtige Nahrungsmittel, alternativ fx5 (Screen auf 5 häufige Nahrungsmittel), Prick-Test, verdächtiges Nahrungsmittel
- IgG- und IgA-Antikörper gegen Gluten
- Vitamin A, D, E
- Endomysium-Antikörper-Test auch bei negativem IgG/IgA-Antikörper-Test gegen Gliadin/Gluten, wenn ein starker Verdacht auf Zöliakie besteht.
- Stuhlanalysen auf bestimmte Allergene
- H2-Atemtest
- ggf. Endoskopie
- 4. Schritt
- Ermittlung der klinischen Relevanz (Interpretation), Prüfung der Plausibilität anhand der (anamnestischen) klinischen Angaben und ggf. Provokationstests durch Spezialist*in
Provokationstests
- In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, die Diagnostik mit offenen Nahrungsmittelprovokationen zu ergänzen.
- Im Rahmen der Provokation können leichte bis hin zu anaphylaktischen Reaktionen auftreten, weshalb diese durch Fachärzt*innen aus dem Bereich der Pädiatrie und Gastroenterologie bzw. in speziellen Ambulanzen durchgeführt werden sollten.
- Kontraindikationen gegen Nahrungsmittelprovokationen
- frühere anaphylaktische Reaktionen
- Relative Kontraindikationen umfassen frühere starke Reaktionen und starke Ausschläge beim Prick-Test/RAST, insbesondere bei Ei, Fisch und Nüssen.
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Alle Kinder mit Anzeichen einer Unterernährung/Malabsorption, verzögertem Wachstum, schweren oder lang andauernden Magen-Darm-Symptomen sollten in pädiatrische oder gastroenterologische Praxen überwiesen werden.
Prävention, Hinweise und Tipps
- Eine umfassende, qualifizierte Ernährungsberatung sollte stets erfolgen.
- Günstige Effekte können bestehen durch die frühe Einführung von gekochtem Hühnerei in die kindliche Ernährung.
- Einführung und regelmäßige Gabe von durcherhitztem Ei (verbacken, hartgekocht) mit der Beikost wird empfohlen.
- Da bei Säuglingen mit atopischer Dermatitis aus Familien mit regelmäßigem Erdnusskonsum ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Erdnussallergie besteht, kann bei dieser Konstellation eine gezielte Einführung von Erdnussprodukten in altersgerechter Form (wegen der Aspirationsgefahr nicht ganz oder in Stücken), gefolgt von einer regelmäßigen Gabe erwogen werden.
- Vorsicht bei Diäteinschränkungen!
- Falls Nahrungsmittel aus der Diät ausgeschlossen werden, ist das häufig eine große Belastung für das Kind und die Eltern und kann negative Folgen in Form von abweichenden Ernährungsgewohnheiten, sozialer Isolierung und Mangelernährung führen.
- Daher sollten diese durch qualifizierte Ärzt*innen vorgenommen werden.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Sampson HA, Aceves S, Bock SA, et al. Food allergy: a practice parameter update-2014. J Allergy Clin Immunol 2014; 134:1016. PubMed
- Burks AW, Tang M, Sicherer S, et al. ICON: food allergy. J Allergy Clin Immunol 2012; 129:906. PubMed
- Sicherer SH, Sampson HA. Food allergy: recent advances in pathophysiology and treatment. Annu Rev Med. 2009;60:261-277. PubMed
- Ortolani C, Pastorello EA, Farioli L, Ispano M, Pravettoni V, Berti C, Incorvaia C, Zanussi C. IgE-mediated allergy from vegetable allergens. Ann Allergy 1993;71:470-476. PubMed
Autor*innen
- Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster