Polyglanduläres Autoimmunsyndrom Typ II (PAS II)

Zusammenfassung

  • Definition:Beim PAS II kommt es zu zu einer Nebenniereninsuffizienz zusammen mit einer Schilddrüsenautoimmunerkrankung und/oder Diabetes mellitus.
  • Häufigkeit:Die Prävalenz liegt in Europa bei 1,4–2/100.000.
  • Symptome:Die Symptome der sind häufig unspezifisch. Beispiele sind Müdigkeit und Pigmentveränderungen.
  • Befunde:Pigmentveränderungen und Hypotonie feststellbar.
  • Diagnostik:Hormon-, Antikörper- und genetische Bestimmungen.
  • Therapie:Die Behandlung besteht in der Korrektur des Hormonmangels.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Das polyglanduläre Autoimmunsyndrom, Typ II (PAS II), auch Schmidt-Syndrom genannt, ist eine Kombination einer chronischen Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison) mit einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse und/oder einem Typ-1-Diabetes (Autoimmundiabetes).1
  • PAS II ist das häufigste der sog. polyglandulären Autoimmunsyndrome.

Häufigkeit

  • Prävalenz des PAS II
    • wird auf 1,4–2,0/100.000 geschätzt2
  • Alter und Geschlecht
    • Die Erkrankung kann in allen Altersgruppen auftreten, beginnt jedoch am häufigsten im Alter von 30–40 Jahren.
    • Frauen sind 2- bis 3-mal so häufig betroffen wie Männer.3

Ätiologie und Pathogenese

  • Bei polyglandulären Autoimmunsyndromen bilden sich Autoantikörper gegen das endokrine Gewebe, es kommt zu lympathischer Infiltration und Entzündung mit Zellzerstörung und Verlust der endokrinen Funktion.
  • Beim PAS II kommt es zu einer Nebenniereninsuffizienz zusammen mit einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung wie M. Basedow oder M. Hashimoto und/oder Diabetes mellitus.
  • Überlagerungen mit anderen polyglandulären Autoimmunsyndromen sind möglich, insbesondere kommt es häufiger zusätzlich zu folgenden assoziierten Syndromen:2

Prädisponierende Faktoren

  • Genetische Disposition4
    • Es gibt Assoziationen mit den HLA-Klasse-II-Haplotypen DR3 (DQB*0201) und DR 4 (DQB1*0302)5

ICD-10

  • E31 Polyglanduläre Dysfunktion
    • E31.0 Autoimmune polyglanduläre Insuffizienz
    • E31.8 Sonstige polyglanduläre Dysfunktion

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die klinischen Zeichen der entsprechenden Insuffizienzsyndrome können unspezifisch sein.
  • Schilddrüsenautoimmunerkrankungen können sich im Beginn sowohl als Über- als auch als Unterfunktion äußern.
  • Bei Verdacht helfen Laboruntersuchungen und Hormonbestimmungen weiter.
  • Etwa 50 % der Patient*innen mit einer Nebenniereninsuffizienz haben zusätzlich ein autoimmunes polyglanduläres Syndrom und sollten darauf gescreent werden.6

Differenzialdiagnosen

Anamnese 

Klinische Untersuchung

  • Hyperpigmentierung der Haut und Schleimhäute
  • Hypotonie
  • Evtl. Struma
  • Als schwerste Form der Insuffizienz können sich eine Addison-Krise oder ein Myxödemkoma entwickeln mit Vigilanzstörungen bis hin zum Koma.

Ergänzende Untersuchungen

  • NatriumKalium
  • (Differenzial-)Blutbild
    • Anämie, Eosinophilie und Lymphozytose möglich3
  • Glukose
    • durch Glukokortikoidmangel nach längerer Nüchternphase häufig Hypoglykämie
  • HbA1c
  • CRP und Leukozyten
    • Ausschluss einer Infektion als Trigger für eine Addison-Krise
  • Basalwerte von ACTH, Kortisol, Aldosteron und Renin
  • Kortisolbestimmung im Speichel
  • TSH, ggf. freies T4
  • Urinuntersuchung: Ketone? Glukose?
  • Bei entsprechender Symptomatik Transglutaminase-Ak IgA (Zöliakie/glutensensitive Enteropathie)
  • Leberwerte (Autoimmunhepatitis)
  • Antikörperbestimmungen7
    • Nachweis von Inselzell-Antikörpern
    • Autoantikörper gegen die Nebennierenrinde oder Antikörper gegen die 21-Hydroxylase 
    •  Antikörper gegen die Thyreoperoxidase (Anti-TPO) und  gegen  Thyreoglobulin (Anti-TG).
  • Genetische Bestimmungen8
    • Assoziationen mit HLA-DR-3-Region und CTLA-4, PTPN22, CLEC16A (Genregionen, die an der Immunmodulation beteiligt sind)

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Bei V. a. ein polyglanduläres Autoimmunsyndrom sollte die Überweisung an eine endokrinologische Praxis erfolgen.
  • Bei V. a. eine Addison-Krise oder Myxödemkoma ist eine notfallmäßige Klinikeinweisung indiziert.

Therapie

Therapieziele

Allgemeines zur Therapie

  • Unabhängig davon, ob die einzelnen Autoimmunerkrankungen allein oder gemeinsam mit weiteren auftreten, ist die Hormonbehandlung der einzelnen Krankheitsanteile gleich.
  • Bei PAS II und autoimmun bedingter Hypothyreose
    • Hier muss vor der Einleitung einer Behandlung der Hypothyreose die Nebennierenfunktion getestet werden.
    • Wird bei Patient*innen mit einer unbehandelten Nebennierenrindeninsuffizienz eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen eingeleitet, kann eine lebensbedrohliche Nebennierenkrise (Addison-Krise) ausgelöst werden, da das Thyroxin zu einer erhöhten Verstoffwechselung von Kortikosteroiden in der Leber anregt.4,9
  • Bei Verdacht auf eine akute Nebennierenrindeninsuffizienz
    • In diesem Fall darf mit der Behandlung nicht so lange gewartet werden, bis die Laborergebnisse vorliegen.
    • Das initiale Ziel besteht darin, die Hypotonie und die Störungen des Elektrolythaushalts zu korrigieren und einen evtl. eintretenden Schock zu behandeln.
    • Ausführlichere Informationen sind im Artikel über akute Nebennierenrindeninsuffizienz zu finden.

Patientenaufklärung

  • Der Aufklärung kommt eine große Bedeutung zu, da eine lebenslange Medikation erforderlich ist und die Dosis in Perioden mit erhöhtem Stress sowie bei Krankheit erhöht werden muss.
  • Es ist sinnvoll, eine Karte bei sich tragen, die Informationen über die aktuelle Behandlung sowie Empfehlungen zur Behandlung in Akutsituationen enthält.

Medikamentöse Therapie

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Majeroni BA, Patel P. Autoimmune polyglandular syndrome, type II. Am Fam Physician 2007; 75: 667-70. PubMed
  2. Betterle C, Dal Pra C, Mantero F, Zanchetta R. Autoimmune adrenal insufficiency and autoimmune polyendocrine syndromes: autoantibodies, autoantigens, and their applicability in diagnosis and disease prediction. Endocr Rev 2002; 23: 327-64. PubMed
  3. Schatz DA, Winter WE. Autoimmune polyglandular syndrome. II: Clinical syndrome and treatment. Endocrinol Metab Clin North Am 2002; 31: 339-52. PubMed
  4. Graves L III, Klein RM, Walling AD. Addisonian crisis precipitated by thyroxine therapy: a complication of type 2 autoimmune polyglandular syndrome. South Med J 2003; 96: 824-7. PubMed
  5. Husebye ES,Anderson MS,Kämpe O, Autoimmune Polyendocrine Syndromes. The New England journal of medicine. 2018 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Eisenbarth GS, Gottlieb PA. Autoimmune polyendocrine syndromes. N Engl J Med 2004; 350: 2068-79. New England Journal of Medicine
  7. Falorni A, Laurenti S, Santeusanio F. Autoantibodies in autoimmune polyendocrine syndrome type II. Endocrinol Metab Clin North Am 2002; 31: 369-89. PubMed
  8. Robles DT, Fain PR, Gottleib PA, Eisenbarth GS. The genetics of autoimmune polyendocrine syndrome type II. Endocrinol Metab Clin North Am 2002; 31: 353-68. PubMed
  9. Gumieniak O, Farwell AP. Schmidt's syndrome and severe hyponatremia: report of an unusual case and review of the related literature. Endocr Pract 2003; 9: 384-8. PubMed

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge

Link lists

Authors

Previous authors

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit