Barrierefreiheit in Arztpraxen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Eine barrierefreie Arztpraxis soll für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen uneingeschränkt, d. h. ohne fremde Hilfe zugänglich sein.
  • Merkmale der Barrierefreiheit sind u. a. barrierefreier Zugang, barrierefreie Räumlichkeiten, Leitsystem für Menschen mit Sehbehinderung.
  • Eine möglichst barrierefreie Gestaltung von Arztpraxen ist in vielerlei Hinsicht empfehlenswert:
    • Patient*innen können die Praxis gut erreichen und dort bestmöglich versorgt werden.
    • Der Abbau kommunikativer Hürden erleichtert die Patientenversorgung.
    • Die Praxis als leicht zugänglicher und überschaubarer Ort erhöht die Patientenzufriedenheit.
  • Viele Barrieren lassen sich mit einfachen Mitteln abbauen. Auch ohne große und kostenintensive Neuerungen kann der Praxisalltag barriereärmer gestaltet werden.

Ursachen für mangelnde Barrierefreiheit

  • Beispiele für Barrieren und Hindernisse:
    • Stufen
    • zu schmale Türen
    • fehlende Beschilderungen
    • Verständigungsprobleme
    • fehlender Platz für Rollstuhlfahrer*innen
    • schlechte Beleuchtung
    • Stolperfallen

Feststellung von Barrieren

Analyse der Ist-Situation

Praxisrundgang

  • Es ist sinnvoll, sich hierbei von einer betroffenen Person begleiten zu lassen oder Expert*innen mitzunehmen (z. B. Ergotherapeut*in).
  • Mögliche Ansprechpartner*innen: Vermieter*innen, die Hausverwaltung, Nachbar*innen, Kolleg*innen, die im gleichen Gebäude praktizieren, die Gemeinde- oder Stadtverwaltung.
  • Als Ratgeber können auch Vereine, Selbsthilfegruppen, Bürgerinitiativen oder wissenschaftliche Einrichtungen
    einbezogen werden.

Checkliste für den Praxisrundgang

  • Eingangsbereich
    • Hausnummer, Praxisschild und Klingel gut sichtbar?
    • Eingangstür leicht zu öffnen?
    • Eingangstür breit genug für Rollstuhlfahrer*innen?
    • Zustand des Fußbodens, Stolperfallen?
    • Beleuchtung hell genug?
    • Sitzmöglichkeiten?
    • Genug Platz an der Garderobe, zugänglich für Rollstuhlfahrer*innen?
    • Stock- und Krückenhalter?
  • Sanitärbereich
    • Gut gekennzeichnet und schnell zu finden?
    • Genug Bewegungsfreiheit im Patienten-WC?
    • Waschbecken und Papiertücher für Rollstuhlfahrer*innen und Menschen mit geringer Körpergröße erreichbar?
    • Türen im Notfall von außen zu öffnen?
    • Ausreichende Beleuchtung?
  • Umgebung und Außenanlage
    • Behindertenparkplätze?
    • Weg vom Parkplatz zur Praxis ausgeschildert?
    • Weg eben und gut beleuchtet? 
    • Stolperfallen? 
    • Gefahr der Pfützenbildung?

Maßnahmen zum Abbau von Barrieren

Ziele

  • Überwindung von: 
    • baulichen und organisatorischen Barrieren
    • „unsichtbaren“ und scheinbar unsichtbaren Barrieren durch Verhaltensweise und Kommunikation
  • Davon profitieren:
    • Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen
    • Menschen mit geringen Deutschkenntnissen
    • ältere und multimorbide Menschen
    • Eltern mit kleinen Kindern (Kinderwagen)
    • Kinder und Menschen mit geringer Körpergröße
    • Patient*innen mit vorübergehenden Einschränkungen

Einfach umzusetzende Maßnahmen

Allgemeines

  • Eingeschränkte Mobilität/Gehfähigkeit
    • Hinweise zu Parkplätzen und Wegbeschreibung zur Praxis (bei Terminvergabe und auf der Homepage)
      • Bereitstellung eines Rollstuhls für den Weg vom Parkplatz zur Praxis
    • evtl. für barrierefreien Nebeneingang sorgen, falls bauliche Maßnahmen nicht möglich
    • Teppiche fest auf dem Boden fixieren bzw. rutschhemmender Bodenbelag.
    • genug Stühle für alle Bereiche, in denen gewartet werden muss
      • Stühle mit Armlehnen erleichtern das Aufstehen.
    • Krücken- und Stockhalter
    • höhenverstellbare Untersuchungsliegen, Tritthocker
    • in der Toilette einen Hocker als Notfallsitzgelegenheit bereitstellen
  • Eingeschränkte Kommunikation
    • Verfügbarkeit von Informationen in einfacher Sprache auf der Praxishomepage
    • Anmeldemöglichkeit per Fax, SMS, Online-Portal oder E-Mail
    • Aufruf von Patient*innen aus dem Wartezimmer so, dass auch Menschen mit Hör- und Sehbehinderung ihn wahrnehmen können
    • bei Sprachbarrieren Dolmetscher*in oder Telefondolmetschen organisieren

Unterstützung bei eingeschränkter Sehfähigkeit

  • Gute Beleuchtung und Beschilderung 
    • markante und schnörkellose Schriftform für Schilder
    • große Türbeschriftung
    • kontrastreiche Gestaltung von Schildern
  • Kontrastreiche Markierung von Glasflächen und Glastüren
  • Markierung von Treppenstufen
    • besonders auffällige Markierung an Anfang und Ende der Treppe
  • Handläufe, Türgriffe, Türrahmen, Lichtschalter, Ausstattung im Patienten-WC farbig abheben
  • Leicht zu ertastende Türklingeln und Lichtschalter
  • Schriftliche Informationen (Ausdrucke, Flyer) mit einer ausreichenden Schriftgröße (nicht kleiner als 12 Punkt), keine Kursivschrift, großer Zeilenabstand
  • Tragen eines deutlich lesbaren Namensschildes, namentliches Vorstellen bei Patient*innen
  • Hilfe und Begleitung anbieten, zum Stuhl führen
  • Standard-Lesehilfe oder Lupe bereithalten

Unterstützung bei eingeschränktem Hörvermögen/Gehörlosigkeit

  • Ggf. Gebärdensprachdolmetscher*in
  • Gesicht nicht abwenden, damit Patient*innen von den Lippen lesen können
  • Kurze Sätze, deutliches Formulieren
  • Zeit zum Nachfragen geben
  • Ggf. Abbildungen in Büchern oder auf dem PC nutzen
  • Wiederholte Rückversicherungen, um Missverständnisse zu vermeiden
  • Ggf. schriftliches Festhalten des Gespräches, schriftlicher Informationsaustausch
  • Möglichst Raum ohne Störgeräusche nutzen
  • Ggf. mobiles Hörgerät bereithalten
  • Abgeschirmter Bereich an der Anmeldung falls mit Patient*innen mit eingeschränktem Hörvermögen lauter gesprochen werden muss

Unterstützung für Menschen mit geistiger Behinderung

  • Nicht die Begleitperson, sondern die Patient*innen direkt ansprechen (gilt für das ganze Praxisteam)
  • Klar, deutlich und verständlich sprechen, keine Fremdwörter und Fachbegriffe
  • Kurze, einfache Sätze
  • Vorgehen schrittweise erklären
  • Konkret benennen, was gemeint ist
  • Ruhige Gesprächssituation
  • Untersuchungen und Therapiemaßnahmen genau ankündigen

Barrierefreie Praxishomepage

  • Gut strukturierte und übersichtliche Seitengestaltung
  • Version in einfacher Sprache bereitstellen
  • Absprache mit IT-Berater/Web-Entwickler

Bauliche Veränderungen

Baurecht

  • Wer eine Praxis neu eröffnen oder bauliche Veränderungen für mehr Barrierefreiheit vornehmen will, sollte sich beraten lassen: 
    • beim zuständigen Bauamt
    • durch Architekt*innen.
  • Entscheidend ist, ob eine Praxis komplett neu gebaut wird, der Nachfolger die Praxis seines Vorgängers umbauen will oder eine Nutzungsänderung vorliegt, weil z. B. aus einer Wohnung eine Praxis werden soll. 
  • Es besteht keine Verpflichtung zum Umbau bei einer übernommenen Praxis, die ohne Umbaumaßnahmen weitergeführt wird.

Barrierefreie Ausstattung

  • Lichtschalter, Klingeln und Gegensprechanlagen tief genug für Rollstuhlfahrer*innen anbringen (max. 85 cm)
  • Fahrstuhl
    • ausreichend breite automatische Türen
    • Platz für Elektrorollstühle
    • Bedienelemente vom Rollstuhl aus erreichbar
    • Taster in Brailleschrift, Stockwerkansage
    • Spiegel gegenüber der Fahrstuhltür zur Orientierung beim Rückwärtsfahren
  • Rampen 
    • nicht mehr als 6 % Steigung
    • nicht länger als 6 m
    • beidseitige Handläufe in 85 cm Höhe
    • mobile Rampen meist zu steil
  • Bodenleitsystem
  • Türen breit genug für Elektrorollstühle
    • zum Öffnen und Schließen ausreichende Manövrierflächen für Rollstuhlfahrer*innen vor und hinter den Türen
    • Türschwellen vermeiden.
    • mindestens ein Türflügel 90 cm breit, Höhe 210 cm
    • Rangierfläche für Rollstuhlfahrer 150 x 150 cm
    • Flure sollten mindestens 150 cm breit sein.
  • Treppen
    • Breite 135 cm
    • Handläufe beiderseits von Treppen in 85 cm Höhe
    • am Ende der Handläufe tastbare Hinweise auf Geschossebene
    • kontrastreiche Gestaltung der Treppenstufenkanten
  • Tresen
    • nicht zu hoch für Rollstuhlfahrer*innen, ggf. Absenkung eines Teilstücks
  • Umkleidebereiche
    • ausreichend groß
    • Sitzgelegenheiten, Haltegriffe
  • Bodenleitsystem
  • Toilette
    • Tür sollte sich im Notfall von außen öffnen lassen und öffnet sich nach außen.
    • Notknopf
    • Waschbecken und Papiertücher vom Rollstuhl aus erreichbar
    • Waschtisch unterfahrbar
    • Spiegel über dem Waschtisch in max. 1 m Höhe
    • klappbare Haltegriffe neben der Toilette
    • Toilette von links und rechts anfahrbar

Patienteninformationen

Patienteninformation in Deximed

Quellen

Literatur

 

Autorin

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München

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