Allgemeine Informationen
Definition
- Ungewöhnlich starke oder veränderte Sekretion aus der Scheide1-2
- Normalerweise ist das Vaginalsekret schleimig, milchig weiß oder klar. Bei Kontakt mit der Luft oxidiert es und färbt sich gelblich.2
- Physiologischerweise ist der Geruch nicht unangenehm, und das Sekret verursacht keinen Juckreiz.
- Juckreiz, unangenehmer Geruch und veränderte Farbe können auf eine pathologische Ursache des Ausflusses hinweisen.
Häufigkeit
- Alle Frauen haben Sekret in ihrer Scheide.
- Vaginaler Ausfluss ist einer der häufigsten Gründe für eine frauenärztliche Konsultation.3
Diagnostische Überlegungen
Physiologischer Ausfluss
- Physiologischer Ausfluss ist mukös, weiß bis gelblich oder klar ohne auffälligen Geruch.
- Die Menge variiert mit der Östrogenkonzentration und ist höher
- rund um die Ovulation
- während der Schwangerschaft
- bei Einnahme östrogenhaltiger Kontrazeptiva.3
- Auch interindividuell bestehen große Schwankungen bezüglich der Menge und Qualität des Vaginalsekrets.3
- Bei der physiologischen Vaginalflora der geschlechtsreifen Frau besiedeln Milchsäurebakterien (Laktobakterien) das Vaginalepithel.
- Laktobakterien sind in der Vagina zwar dominierend, aber es kommen auch physiologischerweise andere Bakterien vor:
- Streptokokken
- gramnegative Bakterien
- Garnerella vaginalis
- Anaerobier
- Candida albicans.4
- Auch bei jungen Mädchen kann einige Monate vor der Menarche ein Ausfluss auftreten, der auf die Veränderung des Östrogenlevels zurückzuführen ist.3
Pathologischer Ausfluss
Fertile Frauen
- Am häufigsten kommen Candida-Infektionen und bakterielle Vaginosen vor.
- Außerdem sexuell übertragbare Krankheiten3
Postmenopausal
- Eine Vaginitis infolge einer Atrophie ist nicht ungewöhnlich.
- Tumoren kommen relativ gesehen häufiger als Ursache für vaginalen Ausfluss vor, insbesondere wenn er blutig ist.
- Eine Kolpitis tritt weniger häufig auf und zeigt meist andere Symptome wie z. B. Juckreiz und Nässegefühl.
- Pyometra (Eiter in der Gebärmutter) kann vorkommen, sie wird häufig durch eine partielle zervikale Stenose verursacht.
Junge Mädchen
- Fremdkörper in der Vagina
- Sexuelle Übergriffe
Konsultationsgrund
- Angst vor sexuell übertragbaren Krankheiten
- Vorstellung, dass der Unterleib trocken und sauber sein müsste.
ICPC-2
- X14 Vaginaler Ausfluss
Differenzialdiagnosen
Häufige Ursachen
Bakterielle Vaginose
- Häufige Ursache für übelriechenden Ausfluss
- Ursache ist ein Ungleichgewicht der Vaginalflora mit bakterieller Überwucherung i. d. R. der Standortflora.
- Gardnerella vaginalis
- Prevotella
- Bacteroides spp.
- Peptostreptokokken
- Mykoplasma hominis
- Porphyromonas
- Ureaplasma urealytikum.4
- Im Gegensatz zu einer Vaginitis liegen keine Entzündungszeichen vor (gerötete Schleimhaut, Leukozyten im Ausstrich).4
Vulvovaginale Candidiasis4
- Sehr häufig: 75 % der Frauen über 40 Jahren haben eine Candidiasis durchgemacht, 50 % der Frauen schon mehrere Episoden.
- Auslöser ist in > 85 % d. F. Candida albicans, außerdem Candida glabrata.
- Symptome
- Juckreiz, Schmerzen, Schwellung, Rötung
- veränderter Ausfluss
- weißlicher, bröcklig-käsiger Ausfluss
- Diagnosestellung durch klinische Symptomatik und Ausstrich
- erhöhte Leukozytenzahl
- Sporen und Hyphen bei C. albicans
- Sporen ohne Hyphem bei C. glabrata
Sexuell übertragbare Erkrankungen (STI)
- Chlamydien-Infektion
- Gonorrhö
- Infektion mit Mycoplasma genitalium
- Trichomoniasis
- Pelvic Inflammatory Disease (PID)
Chemische Irritation
- Kann durch Seifen, Hygieneartikel wie Tampons, Binden oder Latexkondome verursacht werden.3
Allergische Vaginitis
- Kann eine Reaktion auf Spermien, Duschen, Hygieneprodukte oder Farbstoffe sein.3
Zervixektopie
- Eine Zone variabler Größe mit Zylinderepithelmetaplasie, die außerhalb des äußeren Muttermundes liegt.
- Kann zu Hypersekretion der Zervixdrüsen in Form von schleimigem Ausfluss führen.2
Intrauterinpessar
- Erhöhte Sekretion, häufig in Form von Blutspuren („Spotting‟)
Aerobe Vaginitis
- Entzündung der Vagina mit Vaginaler Überwucherung durch aerobe Bakterien, hauptsächlich Streptokokken der Gruppe B (Streptococcus agalactiae), Escherichia coli, Staphylococcus aureus und Enterokokken5
- Prävalenz 5–10 %6
- Ursache unklar, möglicherweise Östrogenmangel und immunologische Faktoren7
- Symptome: Dyspareunie, möglicherweise Kontaktblutungen und gelb-grüner Ausfluss
- Bei der gynäkologischen Untersuchung
- Vaginalschleimhaut entzündet
- Echymosen und Ulzerationen des Gebärmutterhalses3
Seltenere Ursachen
Fremdkörper in der Vagina3
- Vergessene Tampons, Verhütungsmittel oder Fremdkörper nach vaginaler Operation oder Abrasio
- Meist unangenehmer Geruch
- Selten Entwicklung eines toxischen Schocksyndroms
Arzneimittelreaktion
- Ausfluss aufgrund einer erosiven Vulvovaginitis8
- Seltene Krankheit, meist verursacht durch die Behandlung mit NSAID oder Statinen
Atrophische Vaginitis3
- Postmenopausal
- Symptome
- Juckreiz, Brennen, Dyspareunie
- gelblich übelriechender vaginaler Ausfluss oder Blutungen
- klinisch atrophe Schleimhaut mit erhöhter Vulnerabilität, Entzündung und Erythem oder Petechien
Zervixkarzinom
- Kann v. a. in fortgeschrittenem Stadium mit übelriechendem Ausfluss einhergehen.3
Weitere Ursachen
- Sexueller Missbrauch
- Parasitäre Erkrankungen (Schistosomiasis, Entamoeba histolytica)
- Morbus Behçet
- Erosiver Lichen planus
- Postoperative
- Z. n. Bestrahlung
- Vaginale Fistel3
Anamnese
- Empathische Herangehensweise: Für die Patientin kann es ein sensibles Thema sein.
- Abklärung des Risikos für sexuell übertragbare Krankheiten
- Merkmale des Ausflusses
- Dauer
- Farbe
- Geruch
- Konsistenz
- Menge
- Bezug zum Menstruationszyklus?
- Begleitsymptome
- Brennen
- Juckreiz
- Unterleibsschmerzen
- Alarmsymptome
- empfindlicher Unterleib, Unterleibsschmerzen und Fieber
- Hinweis auf PID
- blutiger Ausfluss postmenopausal
- empfindlicher Unterleib, Unterleibsschmerzen und Fieber
- Sexualanamnese
- Frühere sexuell übertragbare Krankheiten, Anzahl der Partner*innen, Dauer der aktuellen sexuellen Beziehung
- Zeigen die Partner*innen Symptome wie Irritationen oder Ausfluss?
- Verwendung von chemischen Stoffen in der Scheide?
- Spermizide, Spülungen, Seifen, Zäpfchen?
- Intravaginaler Verhütungsring/intravaginaler Hormonring?
- Pessar?
- Tampons?
- Kondome?
- Medikamente
- Hat die Patientin in letzter Zeit Antibiotika eingenommen?
- Nimmt die Patientin die Pille?
- Schwangerschaft?
- Disposition für Pilzinfektionen
- Die normale Sekretmenge nimmt physiologischerweise in der Schwangerschaft zu.
- Sexuelle Übergriffe
- Wichtige Ursache!
- Dies kann die Hauptursache dafür sein, dass die Patientin ärztliche Hilfe sucht, auch wenn sie den Ausfluss als Ursache angibt.
- Frühere Behandlungen auf ähnliche Symptome?
Klinische Untersuchung und weitere Diagnostik
In der gynäkologischen Praxis
- Untersuchung der Vagina zunächst, ohne den Ausfluss abzutupfen.
- Rötlicher Ausfluss aus der Zervix: Suche nach Ursachen außerhalb der Vagina
- Gebärmutterhalskrebs
- Endometriumkarzinom
- Polypen
- langstieliges Myom
- IUD (Spirale)
- Endometritis
- Danach Abtupfen des Ausflusses und Überprüfung der Schleimhäute
- Blasse Schleimhäute ohne Hyperämie deuten auf eine Vaginose hin.
- Feuerrote Schleimhäute, ggf. mit zahlreichen roten Flecken, können eine Trichomoniasis bedeuten.
- Feuerrote Schleimhäute mit unregelmäßigen weißlichen Belägen deuten auf eine Pilzinfektion hin.
- Vaginale Untersuchung auf Bewegungs- oder Palpationsempfindlichkeit in den Adnexen, Anzeichen für eine Infektion im kleinen Becken. Portioschiebeschmerz?
Abstrichentnahme
- Entnahme einer reichlichen Menge von gräulichem oder gelb-grünem Ausfluss
- Messung des pH-Wertes (mithilfe von Merck-Indikatorpapier)
- Ein pH-Wert < 4,5 ist physiologisch und kommt bei einer Pilzinfektion vor.
- Ein pH-Wert > 4,5 kann auf eine bakterielle Vaginose oder Trichomoniasis hindeuten oder postkoital sowie postmenopausal vorkommen.
- Postmenopausal ist ein pH von 6 normal.
- Ggf. Zytologie
- Ggf. Proben zur Kultivierung von Chlamydien und evtl. Gonokokken
- Ggf. Mikroskopie des Fluor bei Sekretion aus Urethra oder Zervix
Maßnahmen und Empfehlungen
- Überweisung an Gynäkolog*in
Empfehlungen für Patient*innen
- Allgemeine Ratschläge zur Hygiene im Genitalbereich
- Die Vagina reinigt sich selbst.
- Die Vulva sollte einmal täglich mit Wasser und einer milden Seife oder einem Spezialprodukt für Intimpflege gewaschen werden.
- Lokal irritierende Agenzien wie parfümierte Seifen oder andere Hygieneprodukte sind zu vermeiden.
- Frauen mit häufigen Pilzinfektionen wird geraten, keine eng sitzende Kleidung zu tragen und Baumwollunterwäsche zu verwenden, die bei hohen Temperaturen gewaschen werden kann.
- Rezeptfreie Zäpfchen mit Milchsäurebakterien können verwendet werden, um die normale Flora in der Vagina wiederherzustellen.
- Behandlung der Partner*innen bei sexuell übertragbaren Erkrankungen
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Eckert LO. Acute vulvovaginitis. N Engl J Med 2006; 355: 1244-52. PubMed
- Spence D, Melville C. Vaginal discharge. BMJ 2007; 335: 1147-51. PubMed
- Coleman SJ, Assesment of vaginal discharge, BMJ Best Practice, last updated 6/22. bestpractice.bmj.com
- Böcher S, Helmig RB, Arpi M, Bjerrum L. Diagnosis of vaginal discharge. Ugeskr Laeger. 2018 Jan 15;180(3). pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Sherrard J, Donders G, White D et al. European (IUSTI/WHO) guideline on the management of vaginal discharge, 2011. Int J STD AIDS 2011, 22:421-9. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Tansarli GS, Kostaras EK, Athanasiou S et al. Prevalence and treatment of aerobic vaginitis among non-pregnant women: evaluation of the evidence for an underestimated clinical entity. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2013;32:977-84. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Vieira-Baptista P, Lima-Silva J, Pinto C et al. Bacterial vaginosis, aerobic vaginitis, vaginal inflammation and major Pap smear abnormalities. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2016;35:657-64. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Fischer G, Bradford J. Persistent vaginitis. Practice pointer. BMJ 2011; 343: d7314. BMJ (DOI)
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren