Zusammenfassung
- Definition:Zerumen (Ohrenschmalz) hat bakterizide Eigenschaften und schützt den Gehörgang, kann ihn jedoch auch verschließen und für eine Otitis externa prädisponieren.
- Häufigkeit:Zerumen, das den Gehörgang verschließt, kommt sehr häufig vor.
- Symptome:Verstopfte Gehörgänge können zu Beschwerden wie Schwerhörigkeit, Schmerzen oder anderen Symptomen im Ohr führen.
- Befunde:Im Rahmen einer Otoskopie ist Zerumen zu sehen, das die Sicht auf das Trommelfell ganz oder teilweise versperrt.
- Diagnostik:Es sind keine ergänzenden Untersuchungen erforderlich.
- Therapie:Zerumen kann mithilfe von Weichmachern, Ohrspülung oder mechanischen Maßnahmen, ggf. auch durch eine Kombination dieser Maßnahmen, entfernt werden.
Allgemeine Informationen
Definition
- Zerumen, Ohrenschmalz, besteht aus abgeschältem Gehörgangepithel und Sekret aus den Gehörgangdrüsen. Es hat bakterizide Eigenschaften und schützt den Gehörgang.1
- Überschüssiges Zerumen tritt üblicherweise spontan aus dem Gehörgang aus.
- In einigen Fällen sammelt es sich zu einem Klumpen an und verschließt den Gehörgang. Dann kann es zu Beschwerden wie Schwerhörigkeit, Tinnitus und Schmerzen kommen.1
- Die Erkrankung prädisponiert außerdem für ein Gehörgangsekzem und in einigen Fällen für chronischen Husten.2
Häufigkeit
- Beschwerden aufgrund von Zeruminalpfropfen stellen in der Hausarztpraxis einen sehr häufigen Konsultationsgrund dar.
- 10 % aller Kinder, 5 % der gesunden Erwachsenen, bis zu 57 % der älteren Menschen und 30 % der Personen mit kognitiven Einschränkungen haben Zerumen obturans.1
Ätiologie und Pathogenese
- Ist der Gehörgang eng, ungleichmäßig geformt oder stark behaart, sammelt sich Zerumen leichter an.
- Physikalische Barrieren gegen ein Ausscheiden von Zerumen wie Wattebäusche, Hörgeräte oder ein Gehörschutz führen zu einer erhöhten Inzidenz von obstruktivem Zerumen.2
Prädisponierende Faktoren
- Verwendung von Ohrenstöpseln oder Hörgeräten
- Gehörgangsekzem
- Berufe mit Exposition von Staub und Schmutz, z. B. Schornsteinfeger*in
- Kleine Kinder
- Ältere Personen
- Menschen mit kognitiven Einschränkungen
- Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen3
- Manipulation im Gehörgang z. B. mit Wattestäbchen
ICPC-2
- H81 Übermäßige Zerumenbildung
ICD-10
- H61 Sonstige Krankheiten des äußeren Ohres
- H61.2 Zeruminalpfropf
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typische Anamnese und klinische Befunde
Differenzialdiagnosen
Anamnese
- Druckgefühl und Juckreiz
- Wattegefühl
- Eingeschränktes Hörvermögen
- Tinnitus
- Gelegentlich Schwindel
- Schmerzen
Klinische Untersuchung
- Inspektion und Palpation der Ohrmuschel
- Tragusdruckschmerz: Hinweis auf Otitis externa
- Otoskopie
- Die Ohrmuschel sollte zur Untersuchung nach hinten und oben gezogen werden, auf gute Ausleuchtung achten.
- Zerumen, das die Sicht auf das Trommelfell ganz oder teilweise versperrt.
Indikationen zur Überweisung
- Wenn eine Entfernung nicht gelingt.
- Bei V. a. eine Trommelfellperforation
- Bekannte Trommelfellperforation oder Z. n. Ohrchirurgie3
Therapie
Therapieziele
- Entfernen des Zerumens bei symptomatischen Patient*innen und ggf. Wiederherstellung des Gehörs
Allgemeines zur Therapie
- Therapiemöglichkeiten
- Cerumenolytika: zerumenerweichende Substanzen
- Ohrspülung
- mechanische Entfernung (in der HNO-Praxis)
- mittels Häkchen, ggf. unter ohrmikroskopischer Kontrolle
- otoskopische Absaugung1
- Zunächst kann in weniger akuten Fällen eine Erweichung des Zerumen mit Cerumenolytika über 5 Tage erfolgen.
- Alternativ kann in der Praxis eine Ohrspülung vorgenommen werden.
- Die Spülung darf nur bei intaktem Trommelfell erfolgen.
- Eine Ohrspülung ist in 3 von 4 Fällen erfolgreich.
- Wenn 15–30 min zuvor erweichende Ohrentropfen appliziert wurden, so ist die Erfolgsrate nahezu 100 %.
- Bei Kindern wird die Entfernung durch vorangehende Lokalanästhesie (z. B. Lidocainspray) erleichtert.
- Ein Einweichen mit anschließender Spülung zu Hause mit einer Ballonspritze (birnenförmige Gummispritze) ist höchstwahrscheinlich ebenfalls wirksam und wirtschaftlich.4-6
Empfehlungen für Patient*innen
- Eine selbst durchgeführte Spülung mit einer Ballonspritze nach vorherigem Eintropfen von Öl oder Salzwasser in den Gehörgang funktioniert bei den meisten Patient*innen.
- Eine Studie aus der Hausarztpraxis (England) ergab, dass bei jeder zweiten betroffenen Person länger als 2 Jahre ein Arztbesuch vermieden werden konnte, wenn diese Technik angewendet wurde.6
- Ballonspritzen sind in Apotheken frei erhältlich.
- Vermeidung von Manipulation im Gehörgang mit Wattestäbchen o. Ä.
Medikamentöse Therapie
- Cerumenolytika sind in Apotheken erhältlich.
- Sie werden in den Gehörgang geträufelt und sollen das Zerumen teilweise auflösen.
- Meist werden sie in Kombination mit einem Spülballon verkauft, sodass die Patient*innen das Ohr selbst spülen können, wenn das Zerumen teilweise aufgelöst ist.
- Es gibt keine Wirkungsunterschiede zwischen Tropfen auf wässriger oder öliger Basis.7
- Eine Erweichung kann auch mit Olivenöl versucht werden.
- Sie sollten nur bei intaktem Trommelfell verwendet werden.3
Weitere Therapien
- Spülen mit etwa 37 °C warmem Wasser1
- Das Ohr nach oben und hinten zurückziehen, um den Gehörgang zu begradigen. Die Spitze der Spritze wird zum oberen, hinteren Teil des Gehörgangs ausgerichtet.
- langsam und vorsichtiges Ausspülen des Gehörganges
- Das Zerumen kommt in der Regel mit der Spüllösung zum Vorschein.
- Kontraindikationen
- Das Ohr vor und nach der Entfernung des Zerumens bei einer Otoskopie kontrollieren, evtl. am Folgetag
Therapie bei Spezialist*innen
- Entfernung mittels Zerumenhäckchen (ggf. ohrmikroskopisch) oder otoskopischer Absaugung
- Die otoskopische Absaugung ist die sicherste Methode zur Zerumenentfernung.
Prävention
- Generell die Verwendung von Wattestäbchen vermeiden.
- Das Zerumen wird nur weiter in den Gehörgang geschoben.
- Die Patient*innen können lernen, die Ohren selbst zu spülen; ggf. sollten sie in regelmäßigen Abständen zum Spülen in die Arztpraxis kommen.
- Ein wöchentliches Einträufeln von Öl (z. B. Speiseöl) kann die Häufigkeit von durch Zerumen verstopften Ohren reduzieren; es konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass diese Methode schädlich ist.8
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Die Prävalenz steigt mit dem Alter.
Komplikationen
- Otitis externa
- Trommelfellperforation, wenn ein dünnes Trommelfell gespült wird.
- ca. bei 1 von 1.000 gespülten Ohren1
- Überweisung zur HNO-Praxis, wenn akute Schmerzen auftreten
- Lazeration und Blutung des äußeren Gehörganges
- Schmerzen
- Schwindel und Hörminderung1
Prognose
- Meist rezidivierende Beschwerden mit zunehmendem Alter
Verlaufskontrolle
- Behandlungskonzept: Ohrenspülung bei Bedarf
- Otoskopische Kontrolle nach der Spülung, ob das Zerumen vollständig entfernt wurde.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Über die möglichen Komplikationen bei Ohrspülung
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Zeruminalpropf (Quelle: Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:C%C3%A9rumen.jpg)

Ohrspülung
Quellen
Literatur
- Michaudet C, Malaty J. Cerumen Impaction: Diagnosis and Management. Am Fam Physician. 2018 Oct 15;98(8):525-529. www.aafp.org
- McCarter DF, Courtney AU, Pollart SM. Cerumen impaction. Am Fam Physician 2007; 75: 1523-8. PubMed
- Wetmore, S. Cerumen impactation. BMJ Best Practice, last updated Oct 10, 2019. bestpractice.bmj.com
- Coppin R, Wicke D, Little P. Managing earwax in primary care: efficacy of self-treatment using a bulb syringe. Br J Gen Pract 2008; 58: 44-9. PubMed
- Clegg AJ, Loveman E, Gospodarevskaya E, et al. The safety and effectiveness of different methods of earvax removal: a systematic review and economic evaluation. Health Technol Assess 2010; 28: 1-192. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Coppin R, Wicke D, Little P. Randomized trial of bulb syringes for ear-wax: Impact on health service utilization. Ann Fam Med 2011; 9: 110-4. PubMed
- Aaron K, Cooper TE, Warner L, Burton MJ. Ear drops for the removal of ear wax. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Jul 25;7(7):CD012171. www.cochranelibrary.com
- Saloranta K, Westermarck T. Prevention of cerumen impaction by treatment of ear canal skin. A pilot randomized controlled study. Clin Otolaryngol 2005; 30: 112-114. PubMed
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
- Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München