Schwerhörigkeit

Als Schwerhörigkeit wird ein teilweiser oder vollständiger Verlust des Hörvermögens auf einem oder beiden Ohren bezeichnet. Dieser kann vorübergehend oder von Dauer sein.

Was ist Schwerhörigkeit? 

Hören und Verstehen erfordert verschiedene gesunde Organe und Funktionen. Der Schall erreicht über den äußeren Gehörgang das Trommelfell und bringt dieses zum Schwingen. Diese Schwingungen werden vom Mittelohr ins Innenohr weitergeleitet; sie gelangen in die sog. Schnecke, in der spezielle Sinneszellen auf die Reize reagieren können und je nach Tonhöhe entsprechende Nervensignale über den Hörnerv ans Gehirn senden. In verschiedenen Regionen des Gehirns wird der Höreindruck verarbeitet. Eine Schwerhörigkeit oder Hörverlust kann Folge von Krankheiten oder Funktionsstörungen verschiedener Stellen der genannten Organe sein.

Eine Schwerhörigkeit kann plötzlich auftreten oder sich über mehrere Jahre allmählich entwickeln. Eine langsam fortschreitende Schwerhörigkeit wird häufig erst festgestellt, wenn das Hörvermögen bereits so stark herabgesetzt ist, dass Patienten einem normalen Gespräch nicht mehr richtig folgen können. In Ausnahmefällen kann es z. B. nach einer schweren Schädelverletzung oder bei bestimmten Erkrankungen wie Mittelohrentzündung oder Menière-Krankheit auch zu einem akuten Hörverlust kommen.

Häufig stellt sich eine Schwerhörigkeit mit zunehmendem Alter ein, was auch die häufigste Ursache von Hörverlusten darstellt. In diesem Fall spricht man von Presbyakusis oder Altersschwerhörigkeit. Bestimmte Arten von Schwerhörigkeit sind erblich bedingt oder sind infolge einer Krankheit während der Schwangerschaft bereits bei Geburt vorhanden (angeboren).

Ursache

Eine Schwerhörigkeit oder gar Hörverlust kann seinen Ursprung im Gehörgang, Mittelohr, Innenohr, Hörnerv oder Gehirn haben.

Liegt die Ursache im äußeren Gehörgang oder Trommelfell und Mittelohr, spricht man von einer Schallleitungsstörung. Sind Innenohr oder Strukturen des Gehirns betroffen, handelt es sich um eine Schallempfindungsstörung.

Wenn die Ursache der Beschwerden im Gehörgang zu finden ist, wird die in der Regel vorübergehende Hörminderung meist durch eine Entzündung oder zu viel Ohrenschmalz (Zerumen) verursacht. Vor allem bei Kindern kann auch ein Fremdkörper (etwa eine Perle oder ein Insekt) im äußeren Hörgang das Hören einschränken.

Im Mittelohr kann eine akute Entzündung zu einer vorübergehenden Schwerhörigkeit führen. Diese Art der Entzündung (Mittelohrentzündung, akute Otitis media) kommt häufig bei Kindern vor. Ein chronischer Paukenerguss, bei dem sich Flüssigkeit im Mittelohr ansammelt, kann einen langfristigen Hörverlust nach sich ziehen. Auch Polypen, vergrößerte Mandeln oder eine Verlegung der sogenannten Ohrtrompete (Verbindung zwischen Ohr und Rachenraum zur Belüftung/Druckausgleich) aus anderen Gründen kann eine chronische Ansammlung von Flüssigkeit im Bereich des Mittelohrs nach sich ziehen (sogenannte seröse Otitis media) und das Hören beeinträchtigen. Bei der eitrigen Form der Mittelohrentzündung (chronische Otitis media) besteht neben anderen Symptomen ebenfalls eine Schwerhörigkeit.

Im Bereich des Trommelfells kann ein Riss des Trommelfells (z. B. durch einen Sturz, Unfall) oder auch eine Erkrankung zur Hörminderung führen, bei der die eigentlich beweglichen Ohrknöchelchen fixiert und unbeweglich werden (Otosklerose). Dadurch können sie die Schallwellen, die aufs Trommelfell auftreffen, nicht ins Innenohr weiterleiten.  

Erhöhter oder erniedrigter Umgebungsdruck auf das Ohr kann ebenfalls das Hören beeinträchtigen, etwa nach tiefem Tauchen oder einem Fallschirmsprung oder einem Bergaufstieg in große Höhe. 

Eine Schwerhörigkeit aufgrund einer Schädigung des Innenohrs können auf Krankheiten wie Masern oder Hirnhautentzündung zurückgehen. Auch wenn eine Frau während der Schwangerschaft z. B. an Röteln erkrankt, kann dies eine Hörminderung beim Kind verursachen. Diese Erkrankungen können eine dauerhafte Schädigung von Innenohr und Hörnerv mit sich bringen. Auch die Ménière-Krankheit ist eine Erkrankung des Innenohrs und kann schubweise auftretende Schwerhörigkeit auslösen. Bei häufigeren Schüben kann der Hörverlust auch bestehen bleiben.

Als Hörsturz bezeichnet man einen akuten Hörverlust, der meist einseitig und in Verbindung miit Schwindel und einem Ohrgeräusch (Tinnitus) auftritt.

Darüber hinaus kann auch Lärm am Arbeitsplatz, in Diskotheken u. Ä. das Innenohr dauerhaft schädigen (Lärmschwerhörigkeit).

Es gibt zudem bestimmte Medikamente und Drogen oder andere Gifte, die den Hörnerv schädigen können (sogenannte ototoxische Substanzen). Innenohr oder Hörnerv können auch infolge mancher angeborener Krankheiten geschädigt sein; in diesen Fällen zeigt sich beim Neugeborenen, Säugling oder Kleinkind im Verlauf der Entwicklung die Schwerhörigkeit.

Infektionen des Gleichgewichtsorgans, schwere Schädelverletzungen mit Schädigungen im Bereich des Innenohrs, selten ein Tumor im Gehirn oder im Bereich des Hörnervs oder auch manche schwere Organerkrankungen (z. B. Nierenversagen) sind weitere mögliche Gründe für eine Schwerhörigkeit.

Bei einer altersbedingten Schwerhörigkeit kommt es im Laufe der Zeit zu Veränderungen im Innenohr und im Hörzentrum des Gehirns. Dies ist Teil des natürlichen Alterungsprozesses und somit eine grundsätzlich vollkommen normale Erscheinung. An leichter Hörminderung leidet rund ein Drittel der über 65-Jährigen, an einer ausgeprägten Schwerhörigkeit etwa 6 %.

Diagnostik

Im Arztgespräch werden Art, Schweregrad und ggf. Ursache der Schwerhörigkeit festgestellt. Bei einer Untersuchung der Ohren wird geprüft, ob das Trommelfell intakt ist und die Hörminderung ggf. durch eine Mittelohrentzündung verursacht sein könnte. Mithilfe von bestimmten Tests mit einer Stimmgabel lässt sich feststellen, ob die Beschwerden physikalisch, also durch eine unzureichende Übertragung des Schalls auf das Innenohr (Schallleitung), oder durch eine Schädigung des Nervs, also durch Veränderungen im Innenohr (Schallempfindung), verursacht sind. Darüber hinaus werden Hals, Rachenraum und Nase untersucht.

Zur weiteren Abklärung wird in der Regel ein Hörtest (Audiometrie) durchgeführt und/oder eine Überweisung an eine Hals-Nasen-Ohren-Praxis (HNO) veranlasst. Manchmal wird auch mithilfe einer Magnetresonanztomografie (MRT) untersucht, ob der Hörverlust Folge von strukturellen Veränderungen im Bereich des Innenohrs ist.

Therapie

Lässt sich eine spezielle Ursache für die Schwerhörigkeit finden, so wird diese möglichst wirksam behandelt. Am einfachsten ist es, wenn Ohrenschmalz zugrunde liegt und dies entfernt wird. Auch eine Mittelohrentzündung lässt sich in der Regel rasch heilen. Andere oben genannte zugrunde liegende Krankheiten erfordern unter Umständen eine längerfristige Therapie, und die Schwerhörigkeit wird nur gebessert, aber lässt sich nicht ganz heilen. Wenn die Ursache des Hörverlusts im Mittelohr liegt, kann manchmal eine Operation für Besserung sorgen. Eine angeborene oder Altersschwerhörigkeit ist nicht wirksam zu behandeln, hier kann ein Hörgerät eine wichtige Hilfe sein.

Bei einer bestehenden Schwerhörigkeit ist es wichtig, Lärmbelastungen zu meiden, um keine weitere Verschlechterung zu provozieren. Genauso wichtig ist es, die Minderung des Hörvermögens anzunehmen und verfügbare Hilfsmittel zu nutzen. Dies erleichtert den Umgang mit der Situation erheblich. Die Kosten für ein Hörgerät werden in der Regel vollständig oder teilweise von den Krankenkassen übernommen.

Wenn der Hörverlust auf eine Schädigung oder Veränderung des Innenohrs zurückgeht, lässt er sich nicht durch ein übliches Hörgerät behandeln. In diesem Fall kommt zur Therapie nur ein spezielles Hörgerät infrage (Cochlea-Implantat bzw. Innenohr-Hörgerät). 

Prognose

Die langfristige Prognose hängt davon ab, wodurch eine Schwerhörigkeit verursacht ist. Bei älteren Menschen lässt das Gehör aus ganz natürlichen Gründen mit der Zeit nach. Bei jüngeren Menschen kann sich eine Schwerhörigkeit in vielen Fällen komplett wieder zurückbilden. Doch auch in dieser Altersgruppe kann ein Hörverlust je nach Ursache bestehen bleiben und sich dann im Laufe des natürlichen Alterungsprozesses weiter verstärken.

Leben mit Schwerhörigkeit

Denken Sie daran, dass Sie bei einer Schwerhörigkeit in gewissem Grad selbst darüber entscheiden können, wie stark sich diese auf Ihr Leben auswirkt. So können Sie Ihre Situation erheblich verbessern, indem Sie die verfügbaren Hilfsmittel aktiv nutzen. Beispiele für solche Hilfsmittel sind neben Hörgeräten z. B. Lampen, die das Klingeln an der Tür oder des Telefons ersetzen usw.

Nicht alle Arten von Schwerhörigkeit lassen sich mit Hörgeräten lindern. Für diese Fälle werden Kurse angeboten, in denen Patienten das Lippenlesen und die Gebärdensprache erlernen können. Diese Kenntnisse sind wichtig, um nicht in eine soziale Isolation zu gelangen.

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Ohr, Übersicht
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Trommelfell

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  • Susanne Meinrenken, Dr. med., Bremen

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