Bettwanzen (Cimikose)

Zusammenfassung

  • Definition:Juckende Hauterscheinungen nach Stichen blutsaugender Wanzen (Cimex lectularius).
  • Häufigkeit:In den letzten Jahren zunehmende Häufigkeit.
  • Symptome:Heftig juckende Hauteffloreszenzen.
  • Befunde:Ca. 0,5 cm große, hellrote Quaddeln, Papeln oder Plaques mit zentraler punktförmiger Stichstelle. Im Laufe von Tagen stärker indurierte Plaques oder Blasenbildung.
  • Diagnostik:Anamnese und klinischer Befund, Nachweis des Bettwanzenbefalls.
  • Therapie:Lokaltherapie mit Glukokortikoiden, orale Antihistaminika. Sanierung durch Kammerjäger*in.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Stiche blutsaugender Wanzen führen zu heftig juckenden Hauterscheinungen.
  • Am häufigsten: Cimex lectularius (Bettwanzen)
    • Gehören zur Familie der Plattwanzen.
    • Treten ganzjährig in bewohnten Innenräumen auf.
    • Hauptwirt ist der Mensch, aber auch Haustiere, Fledermäuse und Vögel werden gestochen.
    • Sind äußerst widerstandsfähig, können über Monate hinweg hungern.
    • keine Flügel und ein abgeflachter Körper
      • rötlich-braun gefärbt (ähneln einem Apfelkern)
      • Weibchen 4,5–8,5 mm groß, Männchen 4–6,5 mm
      • Bettwanzen geben einen nach Bittermandel riechenden Duftstoff ab, der in stark befallenen Räumlichkeiten wahrgenommen werden kann.
  • Weitere Wanzenarten
    • Cimex columbarius (Taubenwanzen)
    • sehr selten: Oeciacus hirundinis (Schwalbenwanzen)
    • Cimex dissimilis und pipistrelli (Fledermauswanzen)

Häufigkeit

  • Seit einigen Jahren massive Ausbreitung der Bettwanze, besonders in USA und Australien
  • Ursachen für die zunehmende Ausbreitung
    • eingeschränkte Verfügbarkeit wirksamer Insektizide und Ausbildung von Resistenzen gegen Insektizide
    • Tourismus, Migration, Handel, besonders mit Gebrauchtwaren

Ätiologie und Pathogenese

  • Verbreitung durch den Transport befallener Gegenstände
    • Gebrauchtgegenstände, z. B. vom Flohmarkt oder aus Internetversteigerungen: Möbelstücke, Matratzen, Bilderrahmen, CDs, DVDs
    • Verbreitung über Reisegepäck, das in befallenen Unterkünften stand (ein einziges befruchtetes Weibchen reicht aus).
    • Bettwanzen nisten in Ritzen von Möbeln, Wänden, hinter Bildern.
    • Bei starkem Befall ist eine Ausbreitung auf Nachbarwohnungen möglich.
  • Orte, die mit hoher Personenfluktuation besonders betroffen sind: Hotels, Ferienwohnungen, Wohnheime, Gemeinschaftseinrichtungen aller Art, aber auch Flugzeuge, Kreuzfahrtschiffe und Züge.
  • Es besteht kein Zusammenhang mit mangelnder Hygiene, Bettwanzen kommen auch in gepflegten Räumen vor.
  • Bettwanzen suchen Menschen nachts auf.
    • Lassen sich auch von der Decke herabfallen.
    • Treffen bei den ersten Stichen nicht immer gleich ein Blutgefäß, durch Weiterwandern entstehen lineare Stichstraßen.
    • Halten sich nur zum Blutsaugen auf ihren Wirten auf. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist unwahrscheinlich.
  • Zunächst urtikarielle, später papulöse Hautreaktion, ausgelöst durch das mit dem Biss eingespritzte Speichelsekret.
    • Nitrophorin im Speichel vermutlich wichtiges Allergen

Disponierende Faktoren

  • Flohmarktkäufe
  • Reisen
  • Migration

ICD-10

  • T14.03 Insektenbiss oder -stich (ungiftig) an einer nicht näher bezeichneten Körperregion
  • T00.0 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung von Kopf und Hals (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
  • T00.1 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung von Thorax und Abdomen, von Thorax und Lumbosakralgegend oder von Thorax und Becken (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
  • T00.2 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en) (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
  • T00.3 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der unteren Extremität(en) (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
  • Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Regionen der oberen Extremität(en) und mehrerer Regionen der unteren Extremität(en) (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
  • T00.8 Oberflächliche Verletzungen mit Beteiligung sonstiger Kombinationen von Körperregionen (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)
  • T00.9 Multiple oberflächliche Verletzungen, nicht näher bezeichnet (inkl. multiple Insektenbisse oder -stiche (ungiftig) o.n.A.)

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Hautreaktionen sind nicht pathognomisch, grundsätzlich kommen auch andere stechende Insekten als Verursacher infrage.
  • Typische, gruppiert stehende oder linear (Stichstraßen) angeordnete stark juckende Effloreszenzen.
  • Phänomen des Repetierens: Mitreaktion alter Läsionen beim Auftreten neuer Stiche
  • Abnahme der Intensität der Hauterscheinungen bei erneutem Befall
  • Die unbedeckten Körperareale sind betroffen.
  • Bettwanzenbefall erkennen:
    • Kotspuren in Form von schwarzen Punkten in Betten, Lattenrosten, Schlafsofas, hinter Lichtschaltern, Tapeten und Scheuerleisten
    • gehäutete Insektenpanzer, Sichtung von Tieren auf Nahrungssuche
    • winzige Blutflecke auf der Bettwäsche
    • Besonders bei leichtem Befall ist der Nachweis oft sehr schwierig.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Eine Übernachtung in möglicherweise befallenen Räumen oder Erwerb eines befallenen Gegenstandes kann mehrere Wochen zurückliegen.
  • Mehrere heftig juckende Hauteffloreszenzen
  • Einstich der Bettwanzen wird häufig nicht wahrgenommen.
    • Die anschließende Hautreaktion kann sehr unterschiedlich ausfallen.
    • Juckende und gerötete Pusteln, einige Millimeter bis mehrere Zentimeter groß. Blasen und Quaddeln können auftreten.
    • Manche reagieren gar nicht auf die Stiche, dies kann sich aber bei wiederholter Stichbelastung ändern.
      • Bei wiederholten Stichen kann eine Toleranz auftreten, dann ist die klinische Symptomatik auf kleine Einstiche berschränkt.
    • Verzögerte Hautreaktionen bis zu 1 Woche nach dem Stich sind möglich.

Klinische Untersuchung

  • Gruppiert stehende (lineare Stichstraßen) 0,5 cm bis mehrere Zentimeter große, heftig juckende, hellrote Quaddeln, Papeln oder Plaques 
    • Hautreaktionen können auch einzeln auftreten.
    • Sind viele Bettwanzen vorhanden, kann sich auch ein ausgeprägtes urtikarielles Exanthem entwickeln.
  • Zentrale punktförmige hämorrhagische Stichstelle
  • Im Verlauf von Tagen Umwandlung in stärker indurierte, weiterhin unterschiedlich stark juckende Papeln oder Plaques, z. T. Blasenbildung
    Bettwanzenstiche_Arm.jpg
    Bettwanzenstiche mit typischer Stichstraße
  • Persistenz der Hautveränderungen für bis zu 10 Tage

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • In der Regel nicht erforderlich

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Bei Verdacht auf Bettwanzenbefall sollten professionelle Schädlingsbekämpfer hinzugezogen werden.
  • Nur auf der Basis einer eindeutigen Befallsdiagnose ist eine erfolgreiche Bekämpfung möglich.
    • Es gibt gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Spürhunden. 
    • Die Ermittlung der Befallsursache ist unerlässlich, auch der Befall aus einer Nachbarwohnung oder von außerhalb der Wohnung (z. B. Schwalbenwanzen) soll ausgeschlossen oder bekämpft werden.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei diagnostischer Unsicherheit

Therapie

Therapieziele

  • Behandlung des Juckreizes und der Effloreszenzen

Allgemeines zur Therapie

  • Lokaltherapie der Effloreszenzen, ggf. systemische Antihistaminika
  • Sanierung befallender Räume mit Insektiziden, ggf. durch Kammerjäger

Empfehlungen für Patient*innen

  • Entfernung von Nischen in der Wohnung (lose Tapeten, Holzdecken), in Zusammenarbeit mit einem professionellen Schädlingsbekämpfer
  • Die Empfehlungen der Fachleute für Schädlingsbekämpfung beachten.
    • Gegenstände, die nicht mit einem Insektizid behandelt werden können (z. B. Bücher) können durch Lagerung im Tiefkühlfach bei –18 Grad für 3 Tage von Bettwanzen befreit werden, locker in Plastiktüten verpackt und sicher verschlossen, damit Wanzen nicht fliehen können.
    • Kleidungsstücke können bei mindestens 40 (besser 60) Grad gewaschen oder bei 60 Grad getrocknet werden.
    • Wanzeneier können mit einem stark klebenden Klebenband aufgenommen werden. Das Klebeband muss danach eingefroren werden.

Medikamentöse Therapie

  • Lokaltherapie mit Polidicanol 2–4 % in Lotio alba
  • Ggf. Gukokortikoide lokal, z. B. Triamcinolon-Creme (0,025 %, 0,05 % oder 0,1 %) 2 x tgl.
  • Lokal angewendeter Mentholspiritus kann auch hilfreich sein.
  • Bei starkem Juckreiz Antihistaminika oral, z. B. Desloratadin 1–2 Tbl./d 
    • Die lokale Behandlung mit Antihistaminika ist umstritten.

Professionelle Schädlingsbekämpfung

  • Hinzuziehen eines professionellen Schädlingsbekämpfers/Kammerjägers
    • Sanierung der Räume mithilfe von zugelassenen Insektiziden mit Langzeitwirkung (z. B. Permethrin, Bendiocarb, Chlorfenapyr)
    • Alle Verstecke der Wanzen sollen idealerweise freigelegt werden, teilweise müssen Möbelstücke zerlegt werden, Scheuerleisten entfernt und Lichtschalter ausgebaut werden.
    • Ist das nicht möglich, werden Insektizidbarrieren auf den Laufwegen der Insekten und in potenziellen Verstecken ausgebracht. Dadurch werden auch die Eier der Wanzen, gegen die handelsübliche Insektizide nicht wirken, abgetötet.
    • Auch eine Wärmeentwesung von befallenen Räumen ist möglich (Mindesttemperatur von 50 bis 60 Grad für mindestens 12 Stunden).
  • Nach 2 Wochen erfolgt eine Kontrolle durch die Schädlingsbekämpfer.
    • Die Behandlung wird so lange wiederholt, bis bei dieser Kontrolle keine Wanzen mehr nachweisbar sind.
  • Begleitende Maßnahmen in Rücksprache mit dem Schädlingsbekämpfer
  • Keine Sanierung in Eigenregie – von der Verwendung von im Internet frei verkäuflichen Produkten wird abgeraten. 

Prävention

  • Auf Reisen vor einer Übernachtung Zimmer auf Wanzen und deren Spuren absuchen (besonders Bett und Matratze; Kotspuren an Lichtschaltern, Wandverkleidungen, Lampen, Nachttischen).
  • Gepäckstücke auf Reisen grundsätzlich verschlossen und in größtmöglicher Entfernung vom Bett aufbewahren.
    • Bei Entdeckung von Bettwanzen ein anderes Zimmer verlangen.
  • Bei Übernachtung in befallenem Zimmer anschließend Gepäckstücke sorgfältig auf Bettwanzen und deren Spuren untersuchen. 
    • Am besten in der Badewanne auspacken, damit fliehende Tiere entdeckt werden.
    • Evtl. kann Gepäck vor dem Auspacken von einem Schädlingsbekämpfer begast werden.
    • In den folgenden Wochen auf Stiche achten.
  • Gebrauchtwaren vor dem Erwerb auf Bettwanzen und deren Spuren absuchen.
    • Befindet sich der betreffende Gegenstand schon in der Wohnung: Fest verpacken, sicher entsorgen oder wie oben beschrieben behandeln.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Effloreszenzen können bis zu 10 Tage lang vorhanden sein.

Komplikationen

  • Bisher wurde keine Übertragung von Krankheitserregern durch Bettwanzen nachgewiesen.
  • Bakterielle Superinfektion der Hauteffloreszenzen durch Aufkratzen
  • Psychische Belastung durch den Bettwanzenbefall kann bei einzelnen Betroffenen zu Albträumen, überhöhtem Kontrollbedürfnis, Angstzuständen und sozialer Isolierung führen.
  • Blutmahlzeiten von Bettwanzen können so ausgedehnt sein, dass sich bei schwerem chronischen Befall Anämien entwickeln können.

Prognose

  • Manchmal sind wiederholte Wohnungssanierungen durch professionelle Schädlingsbekämpfer erforderlich.
    • In vielen Ländern haben Bettwanzen Resistenzen gegen Pyrethroide entwickelt.
    • Es kann aber sein, dass eine Bekämpfungsmaßnahme nicht zum Erfolg führt, dann muss das Insektizid gewechselt werden oder eine Kombination aus Insektiziden eingesetzt werden.

Verlaufskontrolle

  • Kontrolle der Wohnung 2 Wochen nach der Wohnungssanierung durch den professionellen Schädlingsbekämpfer

Patieninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Bettwanzenstiche_Arm.jpg
Bettwanzenstiche mit typischer Stichstraße (Quelle: Wikimedia Commons)
Bettwanzenstiche.jpg
Schwache Hautreaktion auf Bettwanzenstiche (Quelle: Wikimedia Commons)
Bettwanze, Cimex_lectularius.jpg
Bettwanze (Cimex lectularius) auf menschlicher Haut bei einer Blutmahlzeit (Quelle: Wikimedia Commons)

Quellen

Literatur

 

Autorin

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München

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