Skabies (Krätze)

Zusammenfassung

  • Definition:Stark juckende Dermatose, die durch Milbe Sarcoptes scabiei verursacht wird (auch: Krätze).
  • Häufigkeit:In Mitteleuropa sporadische Erkrankung; Epidemien treten typischerweise in Institutionen auf.
  • Symptome:Pruritus, der durch Bettwärme deutlich zunimmt.
  • Befunde:Pathognomonisch: kommaförmige, oft unregelmäßig gewundene Milbengänge an Prädilektionsstellen.
  • Diagnostik:Diagnosesicherung durch mikroskopischen oder dermatoskopischen Nachweis von Krätzmilben.
  • Therapie:Permethrin lokal als Therapie der 1. Wahl. Bei Skabies crustosa Kombination mit Ivermectin oral. Umgebungsbezogene Maßnahmen und gleichzeitige Behandlung aller Kontaktpersonen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Synonym: Krätze
  • Stark juckende Dermatose, die durch Milbe Sarcoptes scabiei verursacht wird.1-2
    • in der Regel Übertragung durch direkten Haut-zu-Haut-Kontakt
    • Weltweites Vorkommen, Menschen jeden Alters sind betroffen.
  • Sonderform Borkenkrätze (Skabies crustosa, veraltet Skabies norvegica)
    • ausgeprägter Befall von großen Teilen des Körpers bei Patient*innen mit geschwächtem Immunsystem
  • „Gepflegte“ Skabies
    • Bei intensiver Körperhygiene kann die Anzahl der Milben noch geringer als bei gewöhnlicher Skabies sein, ohne dass sich hierdurch der Pruritus verringern muss.
    • Effloreszenzen sind oft diskret und auf einzelne Regionen wie z. B. die Mamillenumgebung beschränkt.
  • Pseudoskabies 
    • Zoonose durch Räudemilben mit stark juckenden, papulovesikulösen Effloreszenzen

Häufigkeit

  • Globale Prävalenz
    • rund 300 Mio. Betroffene
    • in Ländern mit tropischem Klima endemische Massen­er­kran­kung mit Prävalenz in der Ge­samt­be­völ­ke­rung bis zu 15 %
    • Kinder sind überproportional häufig betroffen.
      • In vulne­rablen Be­völ­ke­rungs­gruppen, die auf engem Raum zusammen­leben, u. a. Waisen­- oder Straßen­kinder, liegt die Prävalenz teilweise über 70 %.
  • In unseren Breiten gewinnen ältere polymorbide Menschen zunehmend an Bedeutung für Prävalenz und Verbreitung der Skabies, v.  a. in Senioren- und Pflegeeinrichtungen.
    • Intensive Hautkontakte zwischen Patient*innen und Pflegepersonal prädisponieren für Ausbrüche.
  • Sondersituation Migration einer großen Anzahl von Menschen
    • Das Risiko von Skabies­aus­brüchen in Erst­auf­nahme­ein­rich­tungen und Sammelunter­künften ist gering, da Asyl­suchende in der Regel nicht immunkom­promit­tiert sind, und die Wahr­schein­lich­keit von intensivem Hautkontakt (außer in Familien) gering ist.
    • In einer deutschen Studie zeigten unter 2.602 Asylsuchenden, vorzugsweise aus Syrien und Afghanistan, während der Flüchtlingskrise 2015 lediglich 44 (1,7 %) klinische Zeichen einer Skabies.3

Ätiologie und Pathogenese

Erreger

  • Krätzemilbe Sarcoptes scabiei auf Menschen spezialisierter, obligater Parasit
  • Weibliche Skabies­milben 0,3–0,5 mm groß (mit mensch­lichem Auge gerade noch als Punkt sichtbar)
  • Nur be­fruch­tete Weibchen graben sich in Stratum corneum der Haut ein, männliche Milben sterben nach der Begattung auf der Hautoberfläche ab.
    • Pro betroffener Person sind durchschnittlich 5–15 Weibchen vorhanden.2
    • bei Skabies crustosa massenhaft Milben und daher hochkontagiös
  • In Stratum corneum graben Weibchen tunnelförmige Gänge und bewegen sich pro Tag ca. 0,5–5 mm vorwärts.
  • Sie bleiben etwa 30–60 Tage lebens­fähig und verlassen in dieser Zeit das Tunnel­system in der Regel nicht mehr.
    • pro Tag Ablage von 2–3 Eiern im Tunnelsystem
  • Aus Eiern schlüpfen nach 2–3 Tagen Larven, die an die Haut­ober­fläche ausschwärmen und sich dort in Falten, Ver­tie­fungen und Haar­folli­keln zu Nymphen und nach etwa 2–3 Wochen zu ge­schlechts­reifen Milben entwickeln.
    • Dieser Zeit­raum ist der Angriffspunkt für eine Be­hand­lung mit Subs­tanzen, die nicht ovizid sind.

Übertragung

  • Die Über­tragung setzt groß­flächigen, längeren und konti­nuier­lichen Haut-zu-Haut-Kontakt in Größen­ordnung von 5–10 min voraus.
    • Hand­schütteln, Begrüßungs­küsse, Um­armungen etc. von Patient*innen mit gewöhnlicher Skabies ist somit ohne Risiko.
    • Cave: Ausnahme ist die hochkontagiöse Skabies crustosa mit teilweise Millionen von Milben auf befallenen Hautarealen!
      • Hier können bereits abgelöste Schuppen Milben tragen und zur Ansteckung führen.
  • Die Ansteckung erfolgt im Regel­fall über Mit­glieder einer Familie oder Wohngemeinschaft, z. B. Paare, eng vertraute Geschwister, Eltern mit Kleinkindern sowie pflege­bedürf­tige Personen, deren Betreuer*innen und Pfleger*innen.
  • Bei Erwachsenen oft auch sexuell übertragene Krankheit
    • Prädilektionsstelle Penisschaft
  • Theoretisch ist eine Übertragung von Skabiesmilben über Textilien wie Bettwäsche möglich, aber bei gewöhnlicher Krätze wegen rasch abnehmender Infektiosität außerhalb der Haut, geringer Milbenzahl bei immunkompetenten Menschen und langsamer Fortbewegung der Milben selten.
  • Die Infektiosität von Skabiesmilben ist umso geringer, je länger sie vom Wirt getrennt sind.
    • Bei in Europa üblichen Raumtemperaturen (21 °C) und relativer Luftfeuchtigkeit von 40–80 % sind die Skabiesmilben mit großer Wahrscheinlichkeit nicht länger als 48 Stunden infektiös.

Inkubationszeit

  • Die Symptome treten nach einer Inkubationszeit von 2–6 Wochen auf, bei Reinfestation bereits nach 1–3 Tagen.

Pathophysiologie

  • Pruritus entsteht infolge immunologischer Hypersensibilisierung (Typ-IV-Allergie, Spättyp) durch Milben, Eier und Skybala (Kotballen).4
    • Aus diesem Grund sind auch in solchen Bereichen Hautveränderungen zu beobachten, in denen die Krätzmilbe nicht vorhanden ist.

Prädisponierende Faktoren

  • Immunsupprimierte Patient*innen, z. B. durch HIV-Infektion oder Steroidbehandlung
  • Ältere, polymorbide Menschen
  • Demenz
  • Ein­schrän­kung in der Mög­lich­keit, sich zu kratzen (z. B. Paresen oder Paraplegie).
  • Enge Wohnverhältnisse und intimer Kontakt mit Betroffenen
  • In Ausnahmefällen Übertragung über infestierte Kleidung, Bettwäsche und Handtücher

ICPC-2

  • S72 Krätze/andere Askariasis

ICD-10

  • B86 Skabies

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Verdachtsdiagnose
    • bei neu aufgetretenem Pruritus und gangförmigen oder kommaförmigen Strukturen an Prädilektionsstellen
  • Diagnosesicherung
    • mikroskopischer Nachweis von Milben, Eiern oder Skybala (Kotballen) aus Hautgeschabseln oder
    • Nachweis von Milben mittels Dermatoskop (Auflichtmikroskopie)

Differenzialdiagnosen

  • Atopisches Ekzem
  • Kontaktekzem
  • Lichen ruber planus
  • Insektenstiche
  • Psoriasis
  • Kutanes T-Zell-Lymphom
  • Pseudoskabies
    • Zoonose durch Räudemilben
    • Beschwerdebild beim Menschen
      • Uncharakteristische Hautveränderungen (meist 2–6 mm große, papulovesikulöse Effloreszenzen), die stark jucken.
      • Prädilektionsstellen (Unter-)Arme, Hals und Abdomen, also in erster Linie Kontaktstellen
      • Es handelt sich um eine Ekzemreaktion auf die Substanzen, die beim Stich der Tiermilben injiziert werden.
      • Kinder reagieren oft empfindlicher auf einen Befall mit Tiermilben.
      • Temporär auftretende Milben sind auf der Haut des Menschen extrem selten nachweisbar.
      • Die beim Tier typischen, bis 1 cm langen Grabgänge in den oberen Hautschichten sind beim Menschen nicht anzutreffen.
    • Beschwerdebild beim Tier
      • Skabioide Hautalterationen beginnen meist am Kopf (Ohren), jedoch kommt es rasch zur Generalisierung an Rumpf (großflächige, haarlose Stellen, Lösung von großen, zusammenhängenden Fellstücken) und Extremitäten (Innen- und Außenschenkelbereich).
      • Auffälligstes Symptom ist der oft heftige Juckreiz, der mit Hyperkeratose, Papel- und Pustelbildung, Alopezie, Hautverdickung sowie -faltenbildung einhergeht.
    • Diagnostik
      • Gründliche Anamnese: Tierkontakt? Tiere im Umfeld?
      • Skabioide Hautveränderungen bei Tierhalter*in sollten stets dazu Anlass geben, dass das Tier bei Veterinärmediziner*in auf Ektoparasiten untersucht wird. Dies trägt auch zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung bei, etwa vom Befall mit Flöhen.
    • Therapie
      • kausale Therapie des Tieres mit Antiparasitika
      • Bei Menschen nur symptomatische antiinflammatorische und juckreizlindernde Therapie mit z. B. topischer Kortikoid-Creme, die ausschleichend angewendet werden sollte.
      • Selbstlimitierende Erkrankung, da Mensch als Fehlwirt nicht dauerhaft von Räudemilben besiedelt werden kann.

Anamnese

  • Hauptsymptom in allen Altersgruppen ist ein intensiver und hartnäckiger Pruritus, der nachts, in Bettwärme, schlimmer ist als am Tag.
  • Der Pruritus ist am ausgeprägtesten in Bereichen, in denen Krätzmilben vorliegen: zwischen und auf Fingern, in den Beugeseite der Handgelenke, in den Achselhöhlen, periumbilikal, im Gesäß- sowie Genitalbereich.
    Skabies bei Kindern
    Skabies bei Kindern
  • Kürzlich erstmals aufgetretenes „Ekzem“
    • häufigste Hauteffloreszenzen Papeln und Knötchen
  • Ähnliche Symptome bei Familienmitgliedern und Sexualpartner*innen?
  • Bereits durchgeführte Therapieversuche?

Klinische Untersuchung

  • Das klinische Bild der Skabies variiert erheblich, abhängig von Milbenzahl, Alter und Immunstatus.
  • Skabiesmilben bevorzugen Areale mit verhältnismäßig hoher Temperatur und dünner Hornschicht.
    • Prädilektionsstellen daher Interdigitalfalten der Hände und Füße, Ellenbogenstreckseiten, vordere Axillarfalten, Brustwarzenhof, Nabelregion, Gürtellinie, Gesäß, Analfalte, Perianalregion, Leisten, Knöchelregion, innere Fußränder und insbesondere Penisschaft
    • Kopf und Nacken, Palmae und Plantae sind zumeist ausgespart.
    • Bei Säuglingen können Kopf, Gesicht, Handflächen und Fußsohlen befallen sein.
  • Pathognomonisch: Vorhandensein typischer Milbengänge
    • Kommaartige, oft unregelmäßig gewundene, wenige mm bis 1 cm lange Milbengängen, an deren Ende sich manchmal ein kleines Bläschen ausbildet.
    • Die weibliche Milbe kann als schwarzer Punkt am Ende des Gangs erkennbar sein.
  • Zusätzlich Ekzem mit disseminierten, milbenfreien erythematösen und z. T. krustösen Papeln, Bläschen und Papulovesikeln
    • Ausdruck zellvermittelter Immunantwort vom verzögerten Typ gegen Milbenprodukte
  • Sekundäre Läsionen infolge des Kratzens (z. B. Exkoriationen, Impetiginisierung und Ekzematisierung mit Hyperkeratosen und Schuppung)

Skabies crustosa, Borkenkrätze

  • Massiver Milbenbefall bei immunsupprimierten oder polymorbiden Patient*innen
  • Diffuse Hyper­kera­tosen, ge­le­gent­lich auch Krusten und Borken auf ery­thema­tösem Grund mit fein- bis mittel­lamel­lärer Schuppung
    • oft mit palmo­plan­taren Hyper­kera­tosen und Nagel­be­fall
      Norwegian_Scabies_in_Homeless_AIDS_Patient.jpg
      Borkenkrätze
    • Häufig sind auch Kopfhaut, Gesicht und Hals befallen.
  • Erythrodermie möglich
  • Pruritus kann wegen fehlender zellulärer Immun­antwort gänzlich fehlen.

Postskabiöses Ekzem

  • Irritatives Ekzem infolge der Lokaltherapie oder aufgrund von Trockenheit der Haut (Exsikkationsekzem)
    • Kann ein Grund für das Persistieren juckender Effloreszenzen nach erfolgreicher skabizider Therapie sein.

Ergänzende Untersuchungen

  • In Ermangelung eines Mikroskops oder Dermatoskops (wie es in Mehrzahl der hausärztlichen Praxen der Fall sein wird) wird das typische Bild des gewundenen Ganges an Prädilektionsstellen (bei Männern v. a. Penisschaft) in Kombination mit Pruritus als ausreichend für eine Diagnose der Skabies angesehen.

Mikroskopischer Direktnachweis

  • Aufritzen eines Milbengangs und mikroskopische Untersuchung des dabei gewonnenen Inhalts
    • Nachweis von Milben und/oder der Eier bzw. Skybala
    • in der Praxis selten angewendet
  • Klebebandtest
    • Durchsichtiges Klebeband mit genügender Klebekraft wird fest auf verdächtige Gangenden gedrückt, ruckartig abgezogen und anschließend auf einem Objektträger mikroskopisch untersucht.
    • Oft falsch-negativ, da Milben und Larven tiefer im Stratum corneum eingegraben sind.
      • bei Skabies crustosa hingegen bewährt

Dermatoskopie

  • Suchen nach bräun­licher Dreiecks­kontur („Kite Sign“ oder Wind­drachen­zeichen, Kopf und Brust­schild der Milbe entsprechend) in Verbindung mit luft­haltigem intrakornealem Gang­system (Kiel­wasser­zeichen)

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Evtl. Absicherung der Diagnose durch Derma­tolog*innen
  • Stationäre Einweisung bei:
    • Skabies crustosa
    • Säuglingen und ggf., wenn zuverlässige Behandlung sonst nicht möglich erscheint, auch bei Kleinkindern.
    • schweren bakteriellen Sekundärinfektionen
    • Versagen der Therapie im ambulanten Bereich

Therapie

Therapieziele

  • Milben und Eier eliminieren
  • Übertragung vermeiden
  • Symptomlinderung, insbesondere von Pruritus

Allgemeines zur Therapie

  • Bei gewöhnlicher Skabies ist eine topische Therapie mit Permethrin Creme die Therapie der Wahl.
  • Bei Skabies crustosa ist eine stationäre Kombinationstherapie aus lokal Permethrin und systemisch Ivermectin per os die Therapie der Wahl.
  • Patient*innen und Kontaktpersonen werden grund­sätzlich zeitgleich behandelt.
  • Auf Umgebungsmaßnahmen ist zu achten.

Gewöhnliche Skabies

Erwachsene

  • Therapie der 1. Wahl: topische Anwendung von Permethrin 5 % Creme
  • Therapien der 2. Wahl
    • orale Therapie mit Ivermectin, einmalig 200 μg/kg Körpergewicht
      • vor allem bei fehlendem Ansprechen auf Permethrin
      • Als Therapie der 1. Wahl in Betracht zu ziehen bei immunsupprimierten Patient*innen, stark ekzematöser oder erosiver Haut und Situationen, in denen lege artis durchgeführte Ganzkörperbehandlung nicht gewährleistet ist.
    •  topische Therapie mit Crotamiton 10 % Creme
      • An 3–5 aufeinanderfolgenden Tagen (Abenden) auf den gesamten Körper auftragen und nicht abwaschen.
    • topische Therapie mit Benzylbenzoat 25 % Emulsion
      • An 3 aufeinanderfolgenden Tagen (Abenden) auftragen, am 4. Tag abduschen oder abwaschen.

Immunsupprimierte Patient*innen

  • Therapie der 1. Wahl: Permethrin 5 %, wie oben für Erwachsene empfohlen
    • zusätzlich aber Wiederholung im Abstand von 7 Tagen
    • bei Rezidiv zusätzlich zur Lokaltherapie Ivermectin oral (200 μg/kg Körpergewicht) mit Wiederholung nach 7–15 Tagen

Kinder ab 3 Jahren

  • Therapie wie bei Erwachsenen
  • Anwendung von Ivermectin jedoch erst ab 15 kg Körpergewicht

Neugeborene, Säuglinge und Kinder < 3 Jahre

  • In der Regel stationäre Therapie indiziert
  • Permethrin 5 % Creme für Säuglinge unter 2 Monaten laut Fachinformation kontraindiziert, jedoch auch bei ihnen Therapie der 1. Wahl
    • Eltern über fehlende Zulassung für diese Altersgruppe aufklären.
  • Anwendung von Permethrin wie bei Erwachsenen, allerdings umfasst die Lokaltherapie zusätzlich den Kopf unter Aussparung des Mund- und Augenbereiches.

Schwangere

  • Keines der genannten Mittel ist für die Schwangerschaft zugelassen.
  • Als Therapie der 1. Wahl empfohlen: Permethrin 5 % Creme wie oben bei Erwachsenen beschrieben
  • Ratsam: Schriftliche Aufklärung mit Unterschrift der Patientinnen, dass ihnen verschiedene Therapiemöglichkeiten erläutert wurden und sie trotz fehlender Zulassung einer Permethrin-Therapie zustimmen.

Stillende

  • Keines der genannten Mittel ist für die Stillzeit zugelassen.
  • Therapie der 1. Wahl: Permethrin 5 % Creme
    • Einmalig (unter Aussparung des Brustbereiches, wenn nicht befallen) für 8–12 Stunden auftragen, danach abduschen.
      • Anschließend Stillpause von 5 Tagen einlegen.
    • Wenn die Brust befallen ist, muss sie mitbehandelt werden.
  • Ratsam: Schriftliche Aufklärung, dass die Vorteile einer Therapie, d. h. Behandlung des Pruritus und Verhinderung einer Ansteckung des Säuglings, gegen mögliche Risiken durch in Muttermilch übergetretenes Permethrin oder durch mögliche, bislang nicht bekannte Wirkungen abgewogen wurden und dass die Zulassung fehlt.

Skabies crustosa

  • Stationäre Aufnahme und Isolation notwendig
  • Therapie der 1. Wahl: Kombinationstherapie lokal Permethrin und systemisch Ivermectin per os.
    • Permethrin 5 % Creme: Lokaltherapie kann 2-mal wöchentlich über 2 Wochen durchgeführt werden, sollte aber mindestens 1-mal nach 1 Woche wiederholt werden.
    • Ivermectin: 200 μg/kg Körpergewicht p. o., mit mindestens einmaliger Wiederholung im Abstand von 7–15 Tagen
  • Aufhebung der Isolation und stationäre Entlassung
    • Kann 1 Tag nach Therapiewiederholung erwogen werden, wenn Patient*in zum Zeitpunkt der Behandlung keine Schuppung und Hyperkeratosen mehr aufweist.
    • in der Regel erst nach 2 Wochen der Fall

Durchführung der Lokaltherapie

  • Lokaltherapie mit 2. Person durchführen, damit alle Körperstellen erreicht werden.
  • Handschuhe tragen; bei Kindern, pflegebedürftigen Patient*innen und Patient*innen mit Skabies crustosa auch Schutzkittel.
  • Möglichst Nägel kürzen, Ganzkörperbad (oder duschen), Antiskabiosum erst nach Trocknen der Haut und Erlangung der normalen Körpertemperatur (nach etwa 60 min) anwenden.
    • Nach Entfernung der Schuppen kann lokales Antiskabiosum besser wirken.
  • Bei älteren Kindern und Erwachsenen wird der gesamte Körper lückenlos vom Unterkiefer abwärts einschließlich Retroaurikularfalten mit dem topischen Antiskabiosum behandelt.
  • Bei Vorliegen verdächtiger Effloreszenzen sollten Kopfhaut und Gesicht unter Aussparung der Periokulär- und Perioralregion mitbehandelt werden (vor allem bei älteren Patient*innen kann die Indikation großzügiger gestellt werden).
  • Bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum 3. Lebensjahr, bei Skabies crustosa und bei immunsupprimierten Patient*innen wird Kopf einschließlich der Kopfhaut unter Aussparung der Periokulär- und Perioralregion immer in die Behandlung einbezogen.
  • Während der Einwirkzeit ist das Tragen von Baumwollhandschuhen zu empfehlen.
  • Nach angegebener Zeit sollte das lokale Antiskabiosum abgeduscht oder abgewaschen werden.
  • Danach neue Wäsche anziehen, Betten neu beziehen.
  • Um irritatives bzw. Exsikkationsekzem zu vermeiden, sollte nach spezifischer Therapie pflegende Behandlung mit blanden Salben oder Cremes, ggf. auch mit topischem Kortikosteroid, erfolgen.

Sondersituationen

  • Bei stark entzündlicher Haut, z. B. exsudativem Ekzem, kann vor oder mit Beginn der antiskabiösen Therapie für 2–3 Tage kortikosteroidhaltiges Externum verwendet werden, um die Resorption des Antiskabiosums zu verringern.
  • Bei Impetiginisierung sind je nach Ausmaß und Erreger entweder ein systemisches Antibiotikum oder lokale Antiseptika einzusetzen.
  • Wiederholung der Lokaltherapie nach 7 Tagen aus Sicherheitsgründen bei:
    • Skabies crustosa
    • ausgedehnter Skabies
    • immunuspprimierten Patient*innen
    • Skabiesausbrüchen in Pflegeeinrichtungen und in Situationen, in denen mehrere Personen betroffen sind (um Infektionsketten sicher zu unterbrechen).
    • Zweifeln, ob die erste Behandlung konsequent ausgeführt wurde.
  • Wiederholung der Therapie, wenn 14 Tage (oder später) nach Therapie noch Zeichen einer aktiven Infestation bestehen.
    • neue gangartige Papeln
    • mikroskopischer oder dermatoskopischer Nachweis von lebenden Skabiesmilben

Umgebungsmaßnahmen

  • Kleider, Bettwäsche, Handtücher und weitere Gegen­stände mit längerem Körperkontakt (z. B. Blut­druck­man­schette, Pan­tof­feln, Stoff­tiere etc.) sollten bei mindestens 50 °C für wenigstens 10 min gewaschen oder z. B. mithilfe eines Heiß­dampf­geräts dekontaminiert werden.
    • Wenn dies nicht möglich ist, können Gegen­stände und Textilien in Plastiksäcke einge­packt oder in Folie eingeschweißt und für 72 Stunden bei mindestens 21 °C gelagert werden.
    • Erfolgt die Lagerung bei geringer Luft­feuch­tigkeit z. B. direkt vor einem auf mind. 21 °C ein­ge­stellten Heiz­körper, reichen auch 48 Stunden aus.
    • Alternativ können möglicher­weise konta­minierte Gegenstände auch für 2 Stunden bei –25 °C gelagert werden.
      • Cave: Handelsübliche Gefrier­ein­rich­tungen kühlen oft nur auf –18 °C!
  • Betten sollen frisch bezogen werden.
  • Polstermöbel, Sofakissen oder textile Fuß­boden­beläge (wenn Erkrankte mit bloßer Haut darauf gelegen haben) können mit starkem Staub­sauger abgesaugt (Filter und Beutel danach ent­sorgen) oder für mindestens 48 Stunden lang nicht benutzt werden.
    • Die Maßn­ahmen sind wegen geringer Ansteckungsgefahr nicht zwingend erforderlich.

Zusätzliche Maßnahmen bei Skabies crustosa

  • Kleidung, Schuhe, Handtücher und Bett­wäsche sollen bis mindestens 1 Tag nach der 2. Behand­lung täglich gewechselt werden.
    • Falls bei der 2. Behandlung Schuppung und Hyper­kera­tosen noch nicht vollständig entfernt waren, soll ein täglicher Wäsche­wechsel weiterhin erfolgen.
  • Für Kleider, Bett­wäsche, Hand­tücher oder andere Gegen­stände mit längerem Körper­kontakt gilt abweichend von Maß­nahmen bei gewöhnlicher Skabies:
    • Lagerung bei 21 °C (konstante Temperatur!) erfolgt nur, wenn eine Reinigung nicht möglich ist und wird sicher­heits­halber für mindestens 7 Tage durchgeführt.
    • Zu Tiefkühlung bei Skabies crustosa kann keine Empfeh­lung aus­ge­sprochen werden, da zur Kühlung hoch­konta­minierter Mate­rialien nicht genügend Infor­ma­tionen vorliegen.
  • Gegenstände, zu denen die Betroffenen längeren oder ausgedehnten bzw. flächigen Haut­kontakt hatten (z. B. Blutdruckman­schetten), sollen auto­klaviert oder ausreichend gereinigt werden (z. B. gemäß Hin­weisen von lokalen Hygienefachkräften).
    • Wenn möglich sollten Einmal­artikel verwendet werden.
  • Tägliche Reinigung des Zimmers und der Gebrauchs­gegen­stände
  • Polstermöbel, Sofakissen oder textile Fuß­boden­beläge (auf denen die Patient*innen mit bloßer Haut gelegen haben) werden mit einem starken Staub­sauger abgesaugt (Filter und Beutel danach entsorgen) oder mindestens 7 Tage lang nicht benutzt.
  • Matratzen und Bettzeug (bezogene Kissen, Decken, Matratzen­auf­lagen etc.) sollen vor jeder Therapie­wieder­holung und nach Ent­lassung dekon­ta­miniert (thermisch desinfiziert: 50 °C für 10 min, Kern­tempe­ratur beachten) oder wenigstens 7 Tage lang konstant bei mindestens 21 °C (konstante Temperatur!) trocken gelagert werden.

Kontaktpersonen

Gewöhnliche Skabies

  • Als enge Kontaktpersonen gelten alle Personen, die zu Erkrankten engen, großflächigen Haut-zu-Haut-Kontakt über längeren Zeitraum hatten (> 5–10 min), z. B. durch gemeinsames Schlafen in einem Bett, Kuscheln, Körperpflege und Liebkosen von Kleinkindern, Geschlechtsverkehr, Körperpflege von Kranken.
    • Für enge Kontaktpersonen, auch ohne Symptome, gilt, dass sie möglichst zeitgleich mit Erkrankten behandelt werden sollen.

Skabies crustosa

  • Es gelten alle als Kontaktpersonen, die während der manifesten Skabies crustosa oder in den letzten 4–6 Wochen vor Manifestation der Erkrankung (maximale Inkubationsphase) Kontakt zu den Erkrankten hatten.
    • Unabhängig davon, ob Hautveränderungen vorliegen oder nicht, sollten alle Personen, die mit den Patient*innen oder zu der Kleidung, Decken oder anderen möglicherweise kontaminierten Materialien (indirekten „Haut-zu-Haut") Kontakt hatten, behandelt werden.

Informationen für Patient*innen

  • Patient*innen sollten informiert werden, dass Pruritus und Ekzem noch einige Wochen nach erfolgreicher Behandlung anhalten können (v. a. bei bekannter Atopie), aber an Intensität abnehmen.
  • Nach Abschluss der ersten Behandlung können Kinder in die Schule und Erwachsene zur Arbeit gehen (nicht bei Skabies crustosa!).

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Ohne adäquate Therapie kann Skabies über mehrere Monate fortbestehen.
  • Bei Erst­infes­tation erste Symp­tome nach 2–5 Wochen
  • Bei Re­in­fes­tation treten ekzema­töse Haut­ver­än­de­rungen auf­grund bereits bestehender Sensi­bi­li­sie­rung nach 1–4 Tagen auf.

Komplikationen

  • Bei Skabies crustosa sind Superinfektionen häufig und septische Komplikationen der wichtigste Grund für unbehandelt hohe Letalität.
  • Postskabiöses Ekzem
    • irritatives Ekzem infolge der Lokaltherapie oder aufgrund von Trockenheit der Haut (Exsikkationsekzem)
    • Behandlung mit topischen Glukokortikoiden

Prognose

  • Nach wirksamer Behandlung klingen Pruritus und Hautläsionen innerhalb von 6 Wochen ab, sofern es nicht zu erneuter Infestation kommt.5
  • Die beiden häufigsten Ursachen für Rezidive (Anwendungsfehler bei medikamentöser Therapie und erneute Infestation durch nicht ausreichend behandelte oder nicht identifizierte Kontaktpersonen) sollten ausgeschlossen werden.

Verlaufskontrolle

  • Werden Behandlung und umgebungsbezogene Maßnahmen korrekt umgesetzt, kann davon ausgegangen werden, dass die Krätzmilbe abgestorben ist.
    • Verlaufskontrollen sind daher im Anschluss an die Behandlung normalerweise nicht erforderlich.
  • Einige Patient*innen klagen über ein postskabiöses Ekzem, das mit topischen Glukokortikoiden behandelt werden sollte.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Die Krätzmilbe ist 0,3–0,5 mm lang.
Die Krätzmilbe ist 0,3–0,5 mm lang.
Borkenkrätze (Scabies norvegica, Scabies crustosa) (Quelle: Wikimedia commons)
Borkenkrätze (Scabies norvegica, Scabies crustosa) (Quelle: Wikimedia commons)
Krätze_Hilbert.png
Skabies, typische Milbengänge (mit freundlicher Genehmigung von Bernadett Hilbert)
Unbenannt.png
Skabiesbefall am Rumpf (mit freundlicher Genehmigung von Bernadett Hilbert)
Skabies
Skabies
Skabies
Skabies
Skabies, Milbengang
Skabies, Milbengang
Skabies
Skabies
Skabies
Skabies
Skabies mit Befall des Gesichts bei einem Kleinkind
Skabies mit Befall des Gesichts bei einem Kleinkind
IMG_1766 (002).jpg
Skabiesmilbe in einem Milbengang (Quelle: NHI v/Anders Folven)

Quellen

Literatur

  1. Johnston G, Sladden M. Scabies: diagnosis and treatment. BMJ 2005; 331: 619-22. PubMed
  2. Chosidow O. Scabies. N Engl J Med 2006; 354: 1718-27. PubMed
  3. Kortas AZ, Polenz J, von Hayek J et al. Screening for infectious diseases among asylum seekers newly arrived in Germany in 2015: a systematic single-centre analysis. Public Health 2017; 153: 1-8. www.sciencedirect.com
  4. Johnston GA. Treatment of bullous impetigo and the staphylococcal scalded skin syndrome in infants. Expert Rev Anti Infect Ther 2004; 2: 439-46. PubMed
  5. Sladden MJ, Johnston GA. Common skin infections in children. BMJ 2004; 329: 95-9. PubMed

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Frankfurt

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