Oraler Lichen planus (OLP)

Zusammenfassung

  • Definition:Der Lichen planus (LP) ist eine chronisch entzündliche Autoimmunerkrankung, die sich an der Haut und z. T. auch an den Schleimhäuten manifestiert. Bei Manifestation an der Mundschleimhaut spricht man vom oralen Lichen planus (OLP).
  • Häufigkeit:Der orale Lichen planus (OLP) tritt bei 0,1–4 % der Bevölkerung auf, am häufigsten bei älteren Frauen.
  • Symptome:Die Symptome entwickeln sich langsam. Zunehmende Schleimhautläsionen, die Schmerzen und brennende Beschwerden verursachen können.
  • Befunde:Die Primärläsionen bestehen aus bilateralen weißen Flechten, Schlieren, Papeln und Plaques an Wangenschleimhaut, Zunge und Gingiva. Man unterscheidet zwischen retikulären, erythematösen und erosiven Läsionen.
  • Diagnostik:Klinische Diagnose, in einigen Fällen sind Biopsie und histologische Untersuchung erforderlich.
  • Therapie:Lokale Anwendung von Pflegemitteln und Steroiden: provokative Faktoren vermeiden. Systemische Therapie mit Steroiden und/oder Immunsuppressiva bei ausgeprägtem Befund. Cave: off label!

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der Lichen planus ist eine idiopathische entzündliche Erkrankung, die Haut, Haare, Nägel und Schleimhäute betrifft.1
  • Der orale Lichen planus (OLP) ist auf die Mundschleimhaut begrenzt. Er tritt
    • isoliert
    • parallel mit einem genitalen Lichen planus oder
    • im Rahmen eines Lichen planus der Haut auf.
  • Im Vergleich zu der eher selbstlimitierenden Hautvariante dieser Krankheit führt die orale Variante zu chronischen entzündlichen Läsionen.
  • Eine maligne Transformation ist möglich.2

Häufigkeit

  • Ein OLP tritt bei 0,1–4 % der Bevölkerung auf, vor allem bei älteren Frauen.1,3-4
  • Erstmaliges Auftreten in der Regel im Alter von 30–60 Jahren, selten in der Kindheit1 
  • Bis zu 70 % der Betroffenen eines Lichen planus der Haut haben orale Manifestationen.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Der OLP wird als autoimmunes Phänomen aufgefasst.
    • Obwohl die genaue Ursache des OLP unbekannt ist, ist die Pathogenese der Krankheit mit einem Autoimmunmechanismus assoziiert, der autozytotoxische CD8- und T-Zellen beinhaltet, die eine Apoptose der basalen Keratinozyten auslösen.1,3
  • Ein Ungleichgewicht zwischen Helfer- und Suppressor-Aktivität der T-Zellen wurde ebenfalls beobachtet.3
  • Hepatitis C scheint die Suszeptibilität für die Erkrankung zu erhöhen.1

Prädisponierende Faktoren

ICD-10

  • L43 Lichen ruber planus  
    • L43.3 Subakuter Lichen ruber planus 
    • L43.8 Sonstiger Lichen ruber planus 
    • L43.9 Lichen ruber planus, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose stützt sich in den meisten Fällen auf die klinischen Befunde.2
  • Histologie bei diagnostischer Unsicherheit oder V. a. maligne Entartung2

Differenzialdiagnosen

  • Läsionen durch Zungenbisse5
  • Stomatitis aphtosa
  • Herpes-simplex-Infektion (HSV)5
  • Bullöse Autoimmunerkrankungen können durch direkte oder indirekte Immunfluoreszenz ausgeschlossen werden.
  • Andere Erkrankungen
    • reaktive Keratosen
    • chronische hyperplastische Candidiasis
    • epitheliale Dysplasie
    • Lupus erythematodes
    • Graft-versus-Host-Reaktion
    • verschiedene gastrointestinale Erkrankungen, einschließlich oraler Manifestationen des Morbus Crohn
    • Mund- und Zungenschmerzen ohne klinische oder histologische Befunde als Erklärung für die Symptome
    • orale Präkanzerosen oder Karzinome der Mundhöhle5
    • lichenoide Arzneimittelreaktion durch z. B. Betablocker, ACE-Hemmer, Malariamittel

Anamnese

  • Kann zunächst symptomlos sein.
  • Schmerzen und brennende Beschwerden, v. a. nach dem Essen und Trinken5
  • Häufigste Lokalisation ist die Wangenschleimhaut, gefolgt von Zunge, Zahnfleisch, Lippen, Mundboden und Gaumen.5
  • Vorhandensein eines kutanen oder genitalen Lichen planus

Klinische Untersuchung

  • Multiple bilaterale und symmetrische Läsionen an Wangenschleimhaut, Zunge oder anderen Lokalisationen der Mundhöhle.5
    • einzelne oder variabel gemischte retikuläre (Linien, Papeln, Plaques), atrophische oder ulzerative Läsionen
    • in der Regel typische spitzenförmige weiße Streifen (Wickham-Striae)
  • Retikuläre Läsionen2
    • Als retikuläres Muster werden Veränderungen bezeichnet, die ein Netz aus weißen Linien, sog. Striae, bilden. Diese werden oft auch als Wickham-Striae bezeichnet und sind häufig asymptomatisch.
  • Erosive Läsionen2
    • erythematöse oder ulzerierte Bereiche mit zentrifugalen Striae, schmerzhaft
    • Die Zunge ist meist mitbetroffen.

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Biopsie und Histopathologie
    • oberflächliche bandartige T-Lymphozyten-Infiltration; Liquifikation der Basalzellen; normale Reifung der Epithelzellen5
    • Das histologische Bild ist typisch für einen OLP und schließt andere Schleimhauterkrankungen mit einem Krankheitsbild ähnlich dem OLP (wie Pemphigus vulgaris und Schleimhautpemphigoid) aus.
    • Bei diagnostischer Unsicherheit sind eine Biopsie und eine histologische Untersuchung sinnvoll, um eine Malignität auszuschließen.
  • Ggf. Immunfluoreszenz5

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Unsicherheit bezüglich der Diagnose
  • Bei Malignitätsverdacht
  • Zur Therapieplanung

Therapie

Therapieziel

  • Symptome lindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Asymptomatische Läsionen erfordern keine Therapie.2
  • Da bei weniger als 20 % der Patient*innen eine komplette Remission auftritt4, ist die Behandlung eines OLP meist notwendig.
  • Die Erkrankung ist chronisch mit undulierender Symptomatik, Ziel ist die Linderung in symptomatischen Phasen.6
  • Patient*innen mit symptomatischem OLP sollten individuelle Trigger-Faktoren vermeiden.
  • Die überwiegende Mehrheit der Patient*innen spricht zumindest initial gut auf eine lokale Behandlung mit Steroiden an. 
    • Evtl. ist eine systemische Kortikosteroid-Therapie erforderlich.
  • Gute Mundhygiene und regelmäßige Zahnpflege sind sehr wichtig.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Beachtung einer guten Mundhygiene und eines guten Zahnstatus2
    • Anpassung von Prothesen, um eine Reizung der Schleimhäute zu vermeiden (cave: Köbner-Phänomen/isomorpher Reizeffekt!)
  • Vermeidung von Nahrungsmitteln und Getränken, die die Beschwerden verstärken.2 
  • Stressvermeidung könnte sich günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken.6

Medikamentöse Therapie

  • Die Lokaltherapie ist symptomatisch und bei großflächigem Befall manchmal nicht ausreichend.

Lokaltherapie

  • Bei nicht-ulzerösem Befall lokale Analgesie mit z. B. Lidocain 2 % Mundgel6
    • 4–8 x tgl. eine erbsengroße Menge
  • In erster Linie lokale Kortikosteroide2,7
    • z. B. in Form von adhäsiven Gelen, z. B. Triamcinolonacetonid 1 mg/g Haftsalbe6
  • Topische Calcineurininhibitoren in therapierefraktären Fällen2
    • Topisches Tacrolimus scheint einen sogar besseren schmerzlindernden Effekt als topische Glukokortikoide zu haben, bei allerdings sehr unsicherer Evidenzlage.7
    • z. B. Tacrolimus 0,1 % Salbe 2 x tgl.6
  • Intraleäsionale oder submuköse Injektion von Kortikosteroiden kann in therapierefraktären Fällen erfolgen.2,6

Systemische Behandlung

  • Systemische Glukokortikoide bei großen ulzerösen Läsionen und multifokalem Befall
    • Beispielsweise Prednisolon 40 mg/d für 5 Tage und dann ausschleichen.6
  • Alternativen6
    • Calcineurininhibitoren (Cyclosporin, Tacrolimus, Pimecrolimus)
    • Efalizumab
    • Retinoide
    • Dapson
    • Mycophenolatmofetil
    • Enoxaparin

Weitere Behandlungsmöglichkeiten

  • Laserbehandlung, photodynamische Therapie, PUVA6

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Der OLP ist eine chronisch-rezidivierende Erkrankung.6
  • In Phasen der Verschlechterung nehmen die Bereiche mit atrophischen und erosiven Effloreszenzen zu, was zu vermehrten Beschwerden führt.6
    • Solche Phasen können individuell durch Stress und Angst getriggert werden.

Komplikationen

  • Maligne Transformationen zu Plattenepithelkarzinom treten bei 1 % der Patient*innen mit oralem Lichen planus auf. 
    • Man geht davon aus, dass der erosive und atrophische OLP ein höheres Risiko beinhaltet.

Prognose

  • Der orale Lichen planus ist eine chronische entzündliche Erkrankung, die schubweise auftritt.
  • Während bei kutanem Lichen planus der Ausschlag meist nach 1–2 Jahren zurückgeht, bestehen die Läsionen bei oralem Lichen planus viel länger und können 20 Jahre oder länger vorhanden sein.

Verlaufskontrolle

  • Da die Gefahr einer malignen Transformation besteht, regelmäßige Kontrolle alle 6 Monate.6

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Oraler Lichen planus an der Wangenschleimhaut, meistens bilateral
Oraler Lichen planus an der Wangenschleimhaut, meistens bilateral
Oraler Lichen planus
Oraler Lichen planus
Oraler Lichen planus, laterale Veränderungen an der Zunge
Oraler Lichen planus, laterale Veränderungen an der Zunge
Oraler Lichen planus
Oraler Lichen planus

Quellen

Literatur

  1. Cooper S, Munidasa D. Lichen planus. BMJ Best Practice, Last updated: 08 Apr 2020. Last reviewed: 30 Apr 2023. bestpractice.bmj.com
  2. Hamour AF, Klieb H, Eskander A. Oral lichen planus. CMAJ. 2020 Aug 4;192(31):E892. doi: 10.1503/cmaj.200309. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Carbone M, Arduino PG, Carrozzo M, et al. Course of oral lichen planus: a retrospective study of 808 northern Italian patients. Oral Dis 2009; 15: 235. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Shan J, Ma JM, Wang R, Liu QL, Fan Y. Proliferation and apoptosis of peripheral blood mononuclear cells in patients with oral lichen planus. Inflammation. 2013; 36(2):419-25 www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Huber MA. Assesment of oral ulceration. BMJ Best Practice, Last reviewed: 30 Apr 2023. bestpractice.bmj.com
  6. Rotaru D, Chisnoiu R, Picos AM, Picos A, Chisnoiu A. Treatment trends in oral lichen planus and oral lichenoid lesions (Review). Exp Ther Med. 2020 Dec;20(6):198. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Lodi G, Manfredi M, Mercadante V, et al. Interventions for treating oral lichen planus: corticosteroid therapies. Cochrane Database of Systematic Reviews, Version published: 28 February 2020. www.cochranelibrary.com

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin und für Viszeralchirurgie, Kaufbeuren

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