Zusammenfassung
- Definition:Aktinische Keratosen sind Lichtdermatosen, aus denen sich ein Plattenepithelkarzinom entwickeln kann.
- Häufigkeit:Zunehmende Häufigkeit mit dem Grad der Exposition gegenüber Sonnenlicht und mit steigendem Alter.
- Symptome:Hautläsionen an sonnenexponierten Stellen.
- Befunde:Größe von 1–5 cm. Meist hellbraune, raue, schuppige Flecken. Größere Läsionen können warzenartig sein. Klinische Varianten u. a. mit hyperkeratotischem, pigmentiertem oder ulzerativem Bild.
- Diagnostik:Blickdiagnose, im Zweifel histologische Untersuchung.
- Therapie:Physikalische oder chemische Ablationsverfahren, chirurgische Entfernung, photodynamische oder topische medikamentöse Therapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Aktinische Keratose (AK) (aktinische Präkanzerose, solare Keratose, Keratosis actinica)
- eine bei hellhäutigen Menschen sehr verbreitete Lichtdermatose
- Gilt als Vorstufe des Plattenepithelkarzinoms der Haut.
- Feldkanzerisierung
- Hautareal mit mehreren AK, umgeben von sichtbaren UV-bedingten Hautschäden
Häufigkeit
- Die Prävalenz aller Altersgruppen beträgt etwa 2–3 %, in der Altersgruppe 60–70 über 10 %.
- Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
- Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter
- ca. 20 % aller Männer > 60 J.
- ca. 50 % aller Männer > 70 J.
Ätiologie und Pathogenese
- UV-Strahlung, insbesondere UV-B, induziert eine Mutation des Tumorsuppressorgens p53, wodurch es zu einer unkontrollierten Proliferation entarteter Zellen kommt.
- Histologie: Dysplasie der Keratinozyten mit atypischen, vergrößerten, irregulären und hyperchromatischen Kernen
- Wird als Vorstufe für ein Plattenepithelkarzinom angesehen.
- Es gibt keine verlässlichen Daten über die Häufigkeit der Entwicklung zum invasiven Karzinom.
- Histomorphologische Varianten
- atroph
- hypertroph
- proliferativ
- akantholytisch
- pigmentiert
- lichenoid
- bowenoid
- Klinische Klassifikation nach Olsen
- Grad I: Kleine, wenige Läsionen; schwach rötlich, meist kaum zu sehen, eher zu tasten.
- Grad II: Hyperkeratose, deutlich sicht- und tastbar
- Grad III: dicke, verruköse Hautwucherungen, fest mit dem Untergrund verwachsen
Prädisponierende Faktoren
- Hellhäutige, rothaarige oder blonde Individuen (Hauttyp I/II nach Fitzpatrick)
- Alter
- Chronische UV-Exposition (Menschen, die beruflich im Freien arbeiten)
- Immunsuppression
- > 30 % der Organtransplantierten weisen aktinische Keratosen auf.
- Chemische Kanzerogene wie aromatische Kohlenwasserstoffe oder Arsen
- Biologische Karzinogene, z. B. HPV
- Genetische Prädisposition
ICPC-2
- S80 Sonnenbed. Keratose/Sonnenbrand
ICD-10
- Nach ICD-10-GM, Version 2022
- L57.0 Aktinische Keratose
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Anamnese und klinische Untersuchung (Inspektion) reichen oft aus, um die Diagnose zu stellen.
- Ggf. histologische Diagnosesicherung
Typische klinische Präsentation
- Einzelne oder multiple Läsionen in sonnenexponierten Arealen
- haarlose Bereiche der Kopfschwarte
- Ohren
- Unterlippe
- Handrücken
- Unterarme
- Hautfarbene, gelbliche oder erythematöse Färbung
- Unscharfe, unregelmäßige Ränder
- 1–5 mm Durchmesser
- Oberfläche rau, schuppige (squamöse) Makula oder Plaques
Mögliche Begleitsymptome
- Milder Pruritus
- Hautirritationen
- Blutung (Kratzeffekt)
Klinische Varianten
- Hyperkeratotisch
- schuppige Läsionen mit hyperkeratotischer Oberfläche
- Pigmentiert
- klar begrenzte, schuppige, braune Läsionen, ähnlich der Lentigo solaris
- Sich ausbreitend pigmentiert
- Ähnlichkeiten mit seborrhoischer Keratose, melanozytischem Nävus und frühem malignem Melanom
- Verrukös
- hautfarbene, papillomatöse, erhabene warzenähnliche Papeln
- Atrophisch
- Plaques mit sehr geringer Ausbreitung über sehr dünne Haut
- Lichenoid (Lichen-planus-ähnlich)
- livide, klar abgegrenzte Papeln mit feinen Linien auf der Oberfläche
- Hauthorn
- von der Hautoberfläche ausgehende, hypertrophe, kegelförmige Protuberanzen
- Aktinische Cheilitis
- schuppige, gerötete Rauigkeit mit Verhärtungen, Rissen und bis zu den Mundwinkeln reichende Ulzerationen der Unterlippe
Differenzialdiagnosen
- Gutartige, entzündliche Veränderungen
- Spinozelluläres Karzinom (Plattenepithelkarzinom)
- inkl. Plattenepithelkarzinom in situ (M. Bowen)
- Diskoider Lupus erythematodes inkl. hypertrophischer Lupus erythematodes und subakuter kutaner Lupus erythematodes
- Lichen planus
- Basalzellkarzinom des superfiziellen Typs
- Seborrhoische Keratose (seborrhoische Warzen, Verruca seborrhoica)
- Keratoakanthom
- Großzelliges Akanthom
- Psoriasis
- Disseminierte superfizielle aktinische Prokeratose
- Sonnenflecken (Lentigo solaris)
- Warzen (Verrucae vulgares)
- Lentigo maligna und Melanoma in situ (malignes Melanom)
Anamnese
- Medikamenteneinnahme, Vorerkrankungen
- Sonnenexposition (Beruf, Freizeitgewohnheiten)
Klinische Untersuchung
- Läsionen sind oft leichter zu palpieren als zu sehen.
- Lichtexponierte Körperstellen
- Häufig mehrere Läsionen gleichzeitig
- Die umgebende Haut kann auch durch Sonnenschäden gekennzeichnet sein, manchmal konfluieren mehrere Stellen (Feldkanzerisierung).
Ergänzende Untersuchungen
Dermatoskopie
- In der Dermatoskopie zeigen aktinische Keratosen typische Muster, insbesondere der Gefäße, die es ermöglichen, andere Erkrankungen und Tumoren abzugrenzen.
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Konfokale Lasermikroskopie
- Optische Kohärenztomografie
- Ggf. Histologie
- bei Therapieresistenz und klinisch unklarem Befund
- bei klinischem Verdacht auf ein Plattenepithelkarzinom
- Bei aktinischen Keratosen, die durch berufliche Exposition erworben wurden.
Therapie
Therapieziele
- Ein Fortschreiten der Krankheit aufhalten.
- Die Entstehung von Hautkrebs verhindern.
- Kosmetische Aspekte
Allgemeines zur Therapie
- Obwohl in vielen Fällen die aktinische Keratose von selbst ausheilt, sollte in den meisten Fällen dennoch eine Behandlung erfolgen, da das potenzielle Risiko eines Übergangs in ein Plattenepithelkarzinom besteht.
- Folgende Faktoren sollten in die Entscheidungsfindung für eine Therapie mit einfließen:
- Lokalisation und Ausdehnung der Läsionen
- Alter
- Komorbidität
- Hautkrebsanamnese
- Leidensdruck und Therapiewunsch der betroffenen Person
- Therapieadhärenz und Fähigkeit zur korrekten Anwendung
- ggf. weitere Risikofaktoren (z. B. Immunsuppression).
- Es gibt läsionsgerichtete und feldgerichtete Therapieverfahren.
- Es gibt kurze und lang dauernde Therapieverfahren.
- Eine Kombination mehrerer Verfahren, entweder primär oder sequenziell, ist ratsam.
Empfehlungen für Patient*innen
- Sonnenschutz
- Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor verwenden sowie eine Kopfbedeckung.
- Mittagssonne meiden.
- Aufenthalt in der Sonne so kurz wie möglich
- Schatten aufsuchen.
- Sonnenbrände vermeiden.
- Auf UV-Index achten.
- Vitamine
- Über den Zusammenhang der Vitaminversorgung und der Entstehung von Hautschäden durch UV-Strahlung gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse.
Ablative und physikalische Verfahren
Kryochirurgie
- Sollte für einzelne oder multiple aktinische Keratosen angeboten
werden. - Einfache und schnelle Anwendung
- Mögliche Nebenwirkungen: Schmerzen, Blasenbildung, Depigmentierung, Narbenbildung, Blutungen
Kürettage, flache Abtragung oder Komplettexzision
- Sollte bei einzelnen aktinischen Keratosen angeboten werden.
- Histologische Untersuchung möglich (z. B. zum Ausschluss eines invasiven PEK bei unklarem klinischem Bild)
Chemische Peelings (Chemoexfoliation)
- Können für einzelne oder multiple aktinische
Keratosen sowie bei Feldkanzerisierung angeboten werden.
Dermabrasio
- Mechanisches Abtragen der obersten Hautschichten
- Älteres Verfahren; unzureichende Datenlage; keine Empfehlung möglich
Lasertherapie
- Ablative Laserverfahren können für einzelne oder multiple aktinische Keratosen sowie bei Feldkanzerisierung angeboten werden.
- Nicht-ablative Laserverfahren können für einzelne oder multiple aktinische Keratosen angeboten werden.
Kaliumhydroxid 5 % Lösung
- Kann für einzelne oder multiple aktinische Keratosen
angeboten werden.
Topische medikamentöse Therapie
- Es gibt derzeit vier Alternativen für eine lokale medikamentöse Behandlung:
- Diclofenac
- Imiquimod
- 5-Fluorouracil
- Tirbanibulin.
- Alle Medikamente zeigen lokale Nebenwirkungen. Für die Wahl des Präparats sind gute Kenntnisse der Arzneimittel und eine gründliche Aufklärung der behandelten Person erforderlich.
- Die Behandlung mit 5 % Fluorouracil hat im Vergleich zur photodynamischen Therapie oder topischen Anwendung einer Imiquimodcreme oder eines Ingenolmebutatgels die besten Ergebnisse erbracht, ohne dass unerwartete toxische Nebenwirkungen auftraten.1
Diclofenac 3 % Gel
- Sollte angeboten werden bei:
- einzelnen oder multiplen aktinische Keratosen
- Feldkanzerisierung
- 2 x tgl. über 60–90 Tage
- Nebenwirkungen: in der Regel milde lokale Hautreaktionen
Imiquimod
- Spezifischer Toll-like Rezeptor (TLR) 7-Agonist
- Sollte für einzelne oder multiple aktinische Keratosen sowie bei Feldkanzerisierung angeboten werden:
- Imiquimod 5 % Creme
- 1- bis 3-mal/Woche über insgesamt 8–16 Wochen
- max. 25 cm2 Behandlungsfläche
- Imiquimod 3,75 %
- 1 x/d für 2 Wochen, dann 14 Tage Pause (1 oder 2 Zyklen)
- max. 200 cm2 Behandlungsfläche
- Imiquimod 5 % Creme
- Nebenwirkungen
- häufig lokale Reaktionen
- besonders bei großflächiger Anwendung gelegentlich auch systemische Reaktionen wie Kopfschmerzen, grippeähnliche Symptome oder Myalgien
5-Fluorouracil 5 % Creme (5-FU)
- Zytostatikum
- 5-FU 5 % Creme sollte angeboten werden bei:
- einzelnen und multiplen aktinischen Keratosen
- Feldkanzerisierung
- Evtl. alternative Wirkstoffkonzentrationen
- 5-FU 4 % Creme
- 5-FU 0,5 % Creme
- Darf nicht mit der intakten Haut, den Schleimhäuten oder mit den Augen in Kontakt kommen.
- Nicht in der Schwangerschaft
- Dosierung
- 1- bis 2-mal/d über 3–6 Wochen bei < 500 cm2
- 5-Fluorouracil 0,5 % mit Salicylsäure 10 %
- Sollte für einzelne oder multiple aktinischen Keratosen sowie bei Feldkanzerisierung angeboten werden.
- bei Grad I–II nach Olsen Wirksamkeit gut belegt
- Hinweise auf Wirksamkeit auch bei Grad III, allerdings mit mehr Nebenwirkungen als unter Kryochirurgie
- 1 x/d streng läsional bis zur kompletten Abheilung
- bis zu 25 cm2
Tirbanibulin 1 % Salbe
- Small Molecule, dualer Inhibitor der intrazellulären Tyrosinkinase Src und der Tubulin-Polymerisation
- Sollte für einzelne oder multiple aktinische Keratosen sowie bei Feldkanzerisierung angeboten werden.
- Zulassung erstreckt sich auf die Therapie nichthyperkeratotischer, nichthypertropher aktinischer Keratosen (Olsen-Grad I) im Gesicht oder auf der Kopfhaut
- 1 x tgl. über 5 Tage
- Max. Behandlungsfläche: 25 cm2
- Nebenwirkungen: milde lokale Reaktionen
Weitere Behandlungsformen
Photodynamische Therapie
- Lokale Anwendung einer photosensibilisierenden Creme, gefolgt von einer Lichtexposition
- Photosensibilisierung mit 5-Aminolävulinsäure (ALA) oder ihrem Methylester (MAL)
- Lichtexposition mit Rotlicht oder natürlichem oder simuliertem Tageslicht
- Sollte für einzelne oder multiple aktinische Keratosen sowie bei Feldkanzerisierung angeboten werden.
- insbesondere für größere Feldkanzerisierungen geeignet
- Die photodynamische Therapie ist gut verträglich, erreicht gute kosmetische Ergebnisse und zeigt Remissionsraten zwischen 69 % und 93 %.
- Mögliche Nebenwirkungen: Erythem, Ödem, brennende Haut, Schmerzen, Hypo- oder Hyperpigmentierung, Ulzerationen, Schuppung
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Spontane Remissionsrate: 15–63 %
- Risiko für die Entwicklung eines invasiven Plattenepithelkarzinoms steigt mit:
- Sonnenexposition
- hellem Hauttyp
- verdickten, hyperkeratotischen und bowenoiden Varianten
- Zahl der Läsionen.
Prognose
- Die Prognose reiner aktinischer Keratosen ist gut.
- Die Haut vergisst nicht: Jede UV-Exposition summiert sich zu den vorhergegangenen, d. h. mit zunehmendem Alter steigt die Anzahl der aktinischen Keratosen und damit das Malignomrisiko.
Verlaufskontrolle
- Die Veränderungen sollten behandelt und überwacht werden, bis sie sich zurückgebildet haben oder entfernt worden sind.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Nachsorge und Kontrolle sind wichtig.
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Multiple aktinischen Keratosen in Form von rotbraunen Flecken mit schuppiger und hyperkeratotischer Oberfläche

Aktinische Keratose am Ohr: Erythematöse Läsion mit leichter Schuppung und Hyperkeratose (Sonnenschäden)

Aktinische Keratose

Aktinische Keratose
Quellen
Literatur
- Jansen MHE, Kessels JPHM, NelemansPJ. Randomized Trial of Four Treatment Approaches for Actinic Keratosis. N Engl J Med 2019; 380:935-946 www.nejm.org
- Schaefer I, Augustin M, Spehr C. Prevalence and risk factors of actinic keratoses in Germany--analysis of multisource data. J Eur Acad Dermatol Venereol 28:309-313. 2014 www.ncbi.nlm.nih.gov
- Green AC. Epidemiology of actinic keratoses. Curr Probl Dermatol. 2015; 46: 1-7. PMID: 25561199 PubMed
- Berman B, Amini S. Actinic keratosis. BMJ Best Practice. Last reviewed: 1 Aug 2022, last updated: 17 May 2022 bestpractice.bmj.com
Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg