Haut- und Weichteilverletzungen

Zusammenfassung

  • Definition:Trennung des Gewebezusammenhanges an äußeren/inneren Körperoberflächen mit oder ohne Gewebeverlust.
  • Häufigkeit:Häufiger Konsultationsgrund in Hausarztpraxis.
  • Symptome:Schmerzen, ggf. Bewegungseinschränkungen.
  • Befunde:Zeichen für infizierte Wunde: Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerzen, Funktionseinschränkung.
  • Diagnostik:Beurteilung der Ausbreitung und Tiefe der Verletzung sowie der involvierten Strukturen. Ergänzend ggf. Bildgebung.
  • Therapie:Reinigung der Wunde, Wunddébridement, Entfernung von Fremdkörpern, bei sauberen Wunden innerhalb von 6–8 h primärer Wundverschluss. Ggf. Auffrischung Tetanusschutz. Bei infizierten Wunden ggf. Antibiose.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Definition Wunde: Trennung des Gewebezusammenhanges an äußeren/inneren Körperoberflächen mit oder ohne Gewebeverlust
  • Je nach Art und Ausmaß werden folgende Verletzungen unterschieden:
    • mit Hautdurchtrennung
      • Schnittwunde
      • Stichwunde
      • Bisswunde
      • Risswunde
      • Schussverletzung
      • Pfählungsverletzung
      • Zerreißungswunde
      • Schürfung
      • Ablederung
    • ohne Hautbeteiligung
      • Quetschung
      • Prellungen
      • Zerrungen.
  • Auch Verbrennungen sind Haut- und Weichteilverletzungen.
  • Siehe auch Artikel Traumatische und chirurgische Wunden.

Häufigkeit

  • Akute Verletzungen sind in der Hausarztpraxis und der Notaufnahme ein häufiger Konsultationsgrund.

ICPC-2

  • S18 Risswunde/Schnittverletzung

ICD-10

  • T14.01 Schürfwunde
  • T14.03 Insektenbiss oder -stich (ungiftig)
  • T14.04 Oberflächlicher Fremdkörper 
  • T14.05 Prellung
  • T14.1 Offene Wunde an einer nicht näher bezeichneten Körperregion, inkl. Risswunde, Schnittwunde, Stichwunde, Tierbiss
  • X19.9! Verbrennung oder Verbrühung durch Hitze oder heiße Substanzen

Diagnostik

  • Beurteilung der Ausdehnung und Tiefe der Verletzung sowie der involvierten Strukturen
    • Ggf. ist eine chirurgische Exploration notwendig, z. B. bei Schnittwunde am Finger zur Beurteilung der Sehnen.
    • evtl. ergänzt durch Bildgebung (z. B. Sonografie)
  • Kontrolle des Tetanus-Impfstatus bei Wunden mit Hautverletzung, insbesondere bei starker Verunreinigung

Anamnese

  • Verletzungsmechanismus möglichst genau erfassen
    • Beispiel Schnittverletzung: Mit was geschnitten? Wurde mit dem Messer vorher anderes Material (insbesondere Fisch, Fleisch) geschnitten?
  • Zeitpunkt der Verletzung
  • Tetanus-Impfstatus intakt?

Klinische Untersuchung

  • Infektionszeichen
    • Rötung, Schwellung, Überwärmung und Schmerzempfindlichkeit 
    • Lymphangitis (roter Streifen in der umgebenden Haut)
    • Anzeichen von Sepsis: Fieber, Schüttelfrost, beeinträchtigter Allgemeinzustand
      Stichverletzung, infiziert
      Stichverletzung, infiziert
  • Beurteilung der Schäden
    • Größe und Tiefe der Wunde
    • involvierte Strukturen, insbesondere Nerven, Blutgefäße und Sehnen
      • Testung von Motorik, Sensibilität und Durchblutung distal der Verletzung

 Indikationen zur Überweisung

  • Kleinere Haut- und Weichteilverletzungen können konservativ in der Hausarztpraxis behandelt werden.
  • Bei Verdacht auf schwere oder infizierte Verletzungen Überweisung an Chirurg*in
  • Unverzügliche Einweisung ins Krankenhaus bei Verdacht auf Sepsis

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Röntgen zum Ausschluss von Frakturen oder Fremdkörpernachweis in Wunden
  • Sonografie zur Beurteilung des Ausmaßes des Weichteilschadens, bei Gefäß- oder Sehnenverletzungen
  • Angiografie bei klinischem Verdacht auf Gefäßverletzung
  • Gewebeprobe für mikrobiologische Erregerdiagnostik bei infizierten Wunden
  • Inflammationsparameter (BSG, Leukos, CRP) und Blutkulturen bei V. a. systemische Infektion

Therapie

Therapieziele

  • Blutstillung
  • Wundheilung
  • Vermeidung von Infektionen
  • Erhalt der Funktion von umgebenden Gelenken

Allgemeines zur Therapie

  • Saubere Wunden können innerhalb der ersten 6–8 Stunden nach der Verletzung mittels primärer Wundnaht verschlossen werden.
    • Bei Wunden mit erhöhtem Risiko einer Sekundärinfektion ist von einer primären Wundnaht abzusehen (z. B. Bissverletzungen).
  • Gut durchblutetes Gewebe ist die wesentliche Voraussetzung zur Vermeidung von Infekten, deswegen sollte avitales Gewebe möglichst vollständig entfernt werden.
  • Je nach Verletzungsmechanismus sollte abgeklärt werden, ob sich in der Wunde noch Fremdkörper befinden können.
    • Unter Lokalanästhesie kann eine gründliche Exploration der Wunde sowie ggf. ein Débridement vorgenommen werden.

Wundreinigung

  • Wund- und Umgebungsreinigung, z. B. mit NaCl 0,9 % oder Octenidin.
    • Cave: bei verletzter Haut Octenisept, um Brennen zu vermeiden!
    • Cave: bei Spülung unter Druck mit Octenidin Gefahr der aseptischen Nekrose!
  • Bei stark verschmutzten Wunden (z. B. mit Steinchen) vorsichtige Reinigung
    • nicht mit der Metallbürste o. Ä., da Gefahr der Keimeinschleppung
  • Gewebekleber bei Wunden,
    • deren Wundränder nicht unter Spannung stehen.
    • die nicht stark verschmutzt sind.
    • die nicht infiziert sind (+ keine Bisse).
    • die nicht gelenkübergreifend sind.
    • die gut adaptierbar und nicht stark blutend sind.
    • Cave: bei Gewebekleber in Augennähe Gefahr der Weichteilnekrose!

Medikamentöse Therapie

  • Personen mit unzureichendem Tetanusschutz benötigen eine Auffrischimpfung und ggf. eine passive Immunisierung mit Immunglobulinen.
  • Adäquate Schmerzmedikation
    • z. B. Ibuprofen 600 mg 1–0–1
    • Cave: kein ASS wegen erhöhter Blutungsgefahr der Wunde!

Antibiotika

  • Bei akuten Wunden, die bereits infiziert erscheinen oder ein hohes Risiko dafür bergen (u. a. Bissverletzungen, offene Frakturen), sollte die Vorstellung bei Chirurg*innen erfolgen und in Zusammenarbeit mit Spezialist*innen eine Entscheidung über die Antibiotikagabe gefällt werden.
  • In der Regel erfolgt der Einsatz von Antibiotika, die besonders gegen grampositive Erreger (Hautkeime wie S. aureus, z. B. Amoxicillin/Clavulansäure) wirksam sind oder über eine gute Gewebegängigkeit (z. B. Clindamycin) bei tiefen Verletzungen verfügen.

Chirurgische Behandlung

Primärer Wundverschluss

  • Bei sauberen Wunden, die nicht älter als 6–8 Stunden sind, mit Wundnaht.
    • bei oberflächlichen, kleinen Wunden ggf. Steristrips

Kein primärer Wundverschluss bei Wunden mit erhöhtem Risiko einer Sekundärinfektion

  • Dies gilt in folgenden Fällen:
  • Stark kontaminierte Wunden sollten wie oben im Leitlinienkasten angegeben gereinigt werden.

Weichteilverletzungen ohne Hautverletzungen

  • Durch einen Schlag, Stoß oder durch ein Verdrehtrauma (Distorsion) können Weichteilschäden entstehen, ohne dass die Haut durchtrennt wird.
  • Es entsteht ein Hämatom, je nach Ausmaß spricht man von einer Prellung, Kontusion, Quetschung oder Zerrung.
  • Bei geringfügigeren Verletzungen reicht eine Behandlung nach dem PECH-Schema aus:
    • Pause, Eis, Kompression, Hochlagern.
  • Bei schwereren Verletzungen und Einblutungen kann es durch Zunahme des Gewebedrucks zu nachträglicher Nekrose der Haut kommen oder zu einem Kompartmentsyndrom. Hier sind eine rechtzeitige Hämatomausräumung, ein Débridement und/oder eine Dermatofasziotomie erforderlich.

Narbenbehandlung

  • Um die Narbenentstehung günstig zu beeinflussen, können geschlossene Wunden massiert und Narbenpflegeprodukte verwendet werden.
    • z. B. tägliches Einreiben der Narbe mit Wund- und Heilsalbe (Dexpanthenol)
  • Entstellende Narben können exzidiert werden.
  • Hypertrophe Narben können darüber hinaus z. B. mit Kryotherapie, Druckbehandlung, Microneedling oder Laserbehandlung verbessert werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Phasen der Wundheilung
    • exsudative Phase (Entzündungsphase): 1.–4. Tag
    • proliferative Phase (Granulationsphase): 2.–16. Tag
    • reparative Phase (Epithelialisierungsphase): 5.–25. Tag

Komplikationen 

Prognose

  • Wundheilung abhängig von:
    • Tiefe des Defekts
    • Lokalisation (u. a. Durchblutungssituation)
    • Kontaminationsgrad.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Bluterguss
Bluterguss
Hautblase
Hautblase
Wundinfektion
Wundinfektion
Stichverletzung, infiziert
Stichverletzung, infiziert

Quellen

Literatur

 

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.

Link lists

Authors

Previous authors

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit