Zusammenfassung
- Definition:Hautveränderungen, die auf eine Venenstauung zurückzuführen sind, die häufig durch eine chronisch venöse Insuffizienz hervorgerufen wurden.
- Häufigkeit:Mit dem Alter steigende Häufigkeit.
- Symptome:Juckreiz, Rötung, Schwellung und Spannungsgefühl am Unterschenkel.
- Befunde:Ödeme, Hyperpigmentierung, nässendes Ekzem am Unterschenkel.
- Diagnostik:Die Diagnose stützt sich in erster Linie auf die typischen Symptome und klinischen Befunde.
- Therapie:Kortikosteroid-Salben, Kompressionstherapie, Bewegung. Ziel ist die Vermeidung chronischer venöser Ulzera.
Allgemeine Informationen
Definition
- Die Erkrankung wird auch als Stauungsekzem bezeichnet. Es handelt sich um eine entzündliche Dermatose.
- Sie ist häufig das erste klinische Zeichen einer chronisch venösen Insuffizienz, aus der sich ein Ulcus cruris venosum und/oder eine Lipodermatosklerose entwickeln können.
- Aufgrund der Rötung und Schwellung kommt es häufig zu Fehldiagnose Phlegmone oder Erysipel.
- Die Unterscheidung ist wichtig zur korrekten Behandlung und Vermeidung unnötiger Antibiotikatherapien.
Häufigkeit
- Die Häufigkeit steigt mit zunehmendem Alter. Die Prävalenz bei Patient*innen über 50 Jahren beträgt 6–7 %, bei über 70 Jahren 20 %.
- Frauen sind häufiger betroffen.
Ätiologie und Pathogenese
- Ursache ist eine venöse Hypertension1 aufgrund einer chronisch venösen Insuffizienz.
- Venöse Insuffizienz2
- Diese führt zu einem Verlust der Klappenfunktion und damit zu einem venösen Reflux oder einer venösen Obstruktion.3 Beides führt zu einem schlechten Abfluss des Blutes und venöser Hypertonie.
- Durch Hochregulation von Metalloproteinasen durch Eisenionen aus extravasalen Erythrozyten kommt es zu einem inflammatorischen Prozess.2
Prädisponierende Faktoren
- Tiefe Beinvenenthrombose
- Steigendes Alter
- Erbliche Disposition für Varizen
- Schwangerschaft, das Risiko steigt mit der Anzahl der Schwangerschaften.
- Langes Stehen
- Adipositas
ICPC-2
- K95 Varikosis der Beine
ICD-10
- I83.1 Varizen der unteren Extremitäten mit Entzündung
- I83.2 Varizen der unteren Extremitäten mit Ulzeration und Entzündung
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typische Anamnese und typischer klinischer Befund
Differenzialdiagnosen
- Kontaktekzem
- Phlegmone
- Erysipel
- Erythema nodosum
- Tinea pedis
- Kutanes T-Zell-Lymphom
- Hypererge Iktusreaktion
- Gicht
- Tiefe Beinvenenthrombose
Anamnese
- Beginn: schleichend, > 7 Tage
- Beschwerden (beidseitig)
- Zunehmender Juckreiz, der beide untere Extremitäten betrifft.
- Schmerzen
- Schwellung/Ödem
- Schweregefühl der Beine
- Fehlen von Allgemeinsymptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit
- Ermittlung von Risikofaktoren und Vorerkrankungen
- chronisch venöse Insuffizienz, Varikosis
- TVT in der Vorgeschichte
- Familienanamnese?
- Zurückliegende Schwangerschaften?
- Lebensstil
- Häufiges Stehen und/oder Sitzen?
- Wenig Bewegung/Sport?
- Rauchen?
- Übergewicht?
- Zurückliegende Operationen?
- Begleiterkrankungen wie Diabetes und Herzinsuffizienz
- Medikamente
Klinische Untersuchung
- Untersuchung immer auch im Stehen
- Beurteilung der Haut
- rötlich-bräunliche Verfärbung der Unterschenkel inkl. Knöchel ohne Überwärmung
- Ödem
- nässendes Ekzem
- Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz
- Hyperpigmentierung
- Corona phlebectatica paraplantaris
- Lipodermatosklerose
- weiße Atrophie
- ggf. Ulzera
- Pulsstatus.
Weitere Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Histologie
- Bei atypischen Hautveränderungen ist eine histologische Untersuchung indiziert (insb. zum Ausschluss einer malignen Erkrankung).
- Doppler-Sonografie4
- bei Verdacht auf eine tiefe Venenthrombose
- Bestätigung der Diagnose einer CVI
- Bestimmung der Ätiologie
- Beurteilung der anatomischen Verhältnisse
Indikationen zur Überweisung
- Eine Überweisung in eine Praxis/Klinik mit Erfahrung in phlebologischen Erkrankungen sollte erfolgen, wenn trotz Behandlung keine Verbesserung eintritt oder wenn eine interventionelle Therapie erforderlich ist.
Therapie
Therapieziele
- Symptome lindern.
- Das Ödem mindern.
- Die Heilung etwaiger Wunden verbessern.
- Eine Progression der chronisch venösen Insuffizienz verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Die Behandlung entspricht im Wesentlichen der Therapie der chronisch venösen Insuffizienz.
- Wichtigster Therapiepfeiler ist die Kompressionstherapie, begleitet von Allgemeinmaßnahmen zur Förderung des venösen Rückstroms, topischer Therapie und ggf. Behandlung der Komplikationen.
Kompressionsbehandlung
- Phlebologische Kompressionsverbände (PKV, mit Binden, Bindensystemen) oder MAK, d. h. medizinische adaptive Kompressionssysteme
- Einsatz in der Entstauungsphase (die ersten 1–2 Wochen zur Ödemausschwemmung)
- MKS (medizinische Kompressionsstrümpfe) oder Ulkus-Strumpfsysteme
- Einsatz in der längerfristigen Therapie- und Erhaltungsphase
- Es gibt keine eindeutige Evidenz hinsichtlich der Typen oder Länge der Kompressionsstrümpfe.5
- am häufigsten Anwendung von Kompressionsstrümpfen der Klasse II
- Kompressionstherapie wirkt hauptsächlich nur bei regelmäßiger Aktivierung der Muskelpumpen
- Durchführung von Gehübungen und Fußgymnastik durch die Patient*innen selbst ist essenziell.
- Kontraindikationen für die Kompressionstherapie
- fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit
- dekompensierte Herzinsuffizienz
- septische Phlebitis
- Phlegmasia coerulea dolens
- Bei folgenden Erkrankungen ist die Kompressionstherapie begrenzt einsetzbar:
- nässende Dermatose
- Unverträglichkeit auf das Material
- periphere Neuropathien (z. B. Diabetes mellitus)
- primär chronische Polyarthritis.
- Folgende wesentliche Prinzipien und Aspekte beim Anlegen eines PKV am Bein sollen beachtet werden:
- Die Rezeptierung von Kompressionsstrümpfen sollte folgende Informationen enthalten:
- Strumpflänge (Wadenstrumpf, Halbschenkelstrumpf, Schenkelstrumpf oder Kompressionstrumpfhose)
- Kompressionsklasse (I–IV)
- Indikation (Diagnose)
- Bezeichnung des Hilfsmittels oder der Hilfsmittelnummer
- Fußspitze offen oder geschlossen
- ggf. Maßanfertigung, wenn notwendig.
Topische Behandlung
- Symptomatisch pflegende und hydrierende Emulsionen zur Langzeitbehandlung6
- Zur akuten Behandlung eignet sich ein niedrig potentes Glukokortikoid in möglichst allergologisch indifferenter Grundlage (Vaselinum album, Unguentum emulsificans aquosum), z. B. 1 % Hydrocortison-Salbe.
- Topisches Tacrolimus könnte positive Effekte in der Behandlung der Stauungsdermatitis haben, die Evidenz ist allerdings nicht ausreichend.
Behandlung der Komplikationen
- Siehe Artikel Ulcus cruris venosum.
Empfehlungen für Patient*innen
- Regelmäßige körperliche Aktivität
- Längeres Stehen/Sitzen möglichst vermeiden.
- Abschwellen durch Hochlagern
- Training der Muskelpumpe
- Kalte Güsse
- Hautpflege
- Gewichtsnormalisierung bei Adipositas
Prävention
- Eine Progression der venösen Insuffizienz verhindern.
- Allergieprävention
- Kontaktallergien vermeiden, d. h. die richtige lokale Behandlung wählen.
- Vermeidung von Lanolin, Parabene, lokale Antibiotika und Antiseptika, Propylenglykol, Kolophonium und Gummi
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Die Stauungsdermatitis tritt fast ausschließlich in Verbindung mit einer chronisch venösen Insuffizienz auf.
- Andere Komplikationen der chronisch venösen Insuffizienz spielen im Hinblick auf den Krankheitsverlauf eine größere Rolle als das Ekzem selbst.
Komplikationen
- Superinfektion, Phlegmone
- Lichenifikation durch Kratzen
- Ulcus cruris venosum
Prognose
- Abhängig von der Wirkung der Maßnahmen gegen die chronisch venöse Insuffizienz
Illustrationen
Stauungsdermatitis (Quelle: dermatlas.net)
Quellen
Literatur
- Sippel K, Mayer D, Ballmer B, et al. Evidence that venous hypertension causes stasis dermatitis. Phlebology 2011; 26: 361-5. PubMed
- Sundaresan S, Migden MR, Silapunt S. Stasis Dermatitis: Pathophysiology, Evaluation, and Management. Am J Clin Dermatol. 2017 Jun;18(3):383-390. doi: 10.1007/s40257-016-0250-0. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Bryan LJ, Callas PW, Criqui MH, Cushman M. Higher soluble P-selectin is associated with chronic venous insufficiency: The San Diego Population Study. Thromb Res. 2012; 130(5):716-9. PubMed
- Eberhardt RT, Raffetto JD. Chronic venous insufficiency. Circulation. 2014 Jul 22;130(4):333-46. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Nelson EA, Bell-Syer SE. Compression for preventing recurrence of venous ulcers. Cochrane Database Syst Rev 2014; 8: CD002303. www.cochranelibrary.com
- Trayes KP, Studdiford JS, Pickle S, Tully AS. Edema: diagnosis and management. Am Fam Physician. 2013 Jul 15;88(2):102-10. www.aafp.org
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren