Allgemeine Informationen
Definition der Präventionsebene
Sekundärprävention der KHK
- Die Sekundärprävention der KHK umfasst Maßnahmen zur Verhinderung von Progression und Komplikationen der manifesten Erkrankung (chronisches Koronarsyndrom/St. n. ACS).
- Streng genommen handelt es sich dabei um Maßnahmen der Tertiärprävention (Sekundärprävention umfasst definitionsgemäß Früherkennung mit Aufdeckung symptomloser Erkrankungen und Verhinderung der Progression).
- Im alltäglichen Sprachgebrauch und Literatur werden Sekundär- und Tertiärprävention bei kardiovaskulären Erkrankungen aber üblicherweise unter dem Begriff der Sekundärprävention zusammengefasst.
Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen
- Abzugrenzen sind die Maßnahmen zur Primärprävention, d. h. zur Krankheitsvermeidung bei Individuen ohne manifeste kardiovaskuläre Erkrankung (KHK, PAVK, zerebrovaskuläre Erkrankung).
- Siehe hierzu auch den Artikel Primärprävention von Herz- und Gefäßerkrankungen.
Epidemiologischer Hintergrund
- Die KHK gehört zu den wichtigsten Volkskrankheiten.
- Lebenszeitprävalenz für KHK ohne Herzinfarkt 8,0 %
- Lebenszeitprävalenz für Herzinfarkt 4,7 %
- Die Prävalenz der KHK ist bei Männern höher (9,6 %) als bei Frauen (6,6 %).
- Ein niedriger sozialer Status ist mit einer höheren Lebenszeitprävalenz verbunden.
- Trotz Verbesserungen für beide Geschlechter bei der leitliniengerechten Therapie bestehen bei Frauen immer noch etwas häufiger Defizite in der Behandlung.
ICD-10
- I25.9 Koronare Herzkrankheit (KHK)
Ziele der Sekundärprävention
- Reduktion der Mortalität
- Reduktion der kardiovaskulären Morbidität
- insbesondere Vermeidung von Herzinfarkten/Entwicklung einer Herzinsuffizienz
- Verbesserung der krankheitsbezogenen Lebensqualität, u. a. durch:
- Verminderung der Angina-pectoris-Häufigkeit und weiterer somatischer und psychischer Beschwerden
- Erhaltung der Belastungsfähigkeit
Beratung und gemeinsame Entscheidungsfindung
- Patient*innen mit manifester KHK gehören per se zur Gruppe mit hohem kardiovaskulärem Risiko und profitieren erheblich von Maßnahmen zur Sekundärprävention.1
- Auch bei dieser aus ärztlicher Sicht eindeutigen Behandlungsindikation sollte die Beratung im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung erfolgen mit folgenden Kernprinzipien:
- Hinweis auf anstehende Therapieentscheidung und Angebot zur gemeinsamen Entscheidung
- verständliche Aufklärung über Behandlungsmöglichkeiten sowie ihren Nutzen und Schaden
- aktives Erfragen des Verständnisses
- Erfassung von Erwartungen, Zielen und Präferenzen der Patient*innen
- Erzielen einer Übereinstimmung für einen konkreten Behandlungsplan
- Hilfreich für die Beratung ist dabei auch die Verwendung eines Risikomodells, anhand dessen die Wirkung von Verhaltensänderungen und/oder Medikation anschaulich dargestellt werden kann.
Maßnahmen der Sekundärprävention
- Maßnahmen zur Sekundärprävention umfassen:1-2
- Lebensstilmodifikationen
- körperliche Aktivität
- Ernährung und Gewicht
- Rauchstopp
- psychosoziale Belastung
- medikamentöse Therapie
- Thrombozytenaggregationshemmung, orale Antikoagulation
- lipidsenkende Therapie
- symptomatische Therapie der Angina pectoris
- Behandlung von kardialen Komorbiditäten (z. B. Herzinsuffizienz)
- sonstige Maßnahmen (z. B. Grippeimpfung)
- Lebensstilmodifikationen
Lebensstilmodifikation
- Lebensstilmodifikation bedeutet häufig die Veränderung langjährig verfestigter, schädlicher Verhaltensweisen.
- Eine empathische, motivierende Gesprächsführung und die Vereinbarung realistischer Ziele – auch in kleinen Schritten – unterstützt die Adhärenz der Patient*innen.
- Sofern möglich, kann ein multidisziplinärer Ansatz (z. B. Einbeziehung von medizinischen Fachangestellten, Diätberater*innen, Herzgruppen etc.) die Lebensstiländerung befördern.1
- Zur evidenzbasierten Intervention in der Hausarztpraxis kann das 5-A-Modell dienen:
- Assess: Erfassen des Risikoverhaltens und der Veränderungsbereitschaft
- Advise: direkte, deutliche Empfehlung zur Verhaltensänderung
- Agree: Festlegung von gemeinsamen Zielen unter Berücksichtigung der Änderungsbereitschaft
- Assist: unterstützende Maßnahmen unter Berücksichtigung der Änderungsbereitschaft
- Arrange: Vereinbarung und Durchführung von Folgekontakten.
Körperliche Aktivität
- Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt sich günstig auf die kardialen Risikofaktoren aus und reduziert die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität.3
- Elemente eines Trainingsprogramms im Rahmen der Sekundärprävention:
- aerobes Ausdauertraining
- Senkung des systolischen und diastolischen Blutdrucks
- Verbesserung der Insulinsensitivität, Senkung des HbA1c
- dynamisches Kraft(ausdauer)training
- Stabilisierung und Zunahme der Muskelmasse
- Verbesserung der Insulinsensitivität
- Koordinationstraining
- keine dokumentierte kardioprotektive Wirkung, aber Reduktion der Sturz- und Verletzungsgefahr gerade bei älteren Patient*innen.
- aerobes Ausdauertraining
- Mindestens 3- bis 4-mal pro Woche sollten aerobe Ausdauerbelastungen (z. B. „Walking“, „Nordic Walking“, Radfahren, Schwimmen) mit niedriger bis moderater Intensität durchgeführt werden.
- Gesamtdauer mindestens 2–2,5 h1
- Ergänzend sollten 2- bis 3-mal pro Woche dynamische Kraftbelastungen durchgeführt werden.
- Kraftbelastungen mit hoher isometrischer Komponente sollten vermieden werden.
- Eine Belastungskontrolle durch die Patient*innen kann z. B. über die Anwendung der Borg-Skala vorgenommen werden.
- Beispiele von Trainingsintensitäten
- leichtes Training: Spazieren, leichte Hausarbeit (Borg 10–11)
- moderates Training: schnelles Gehen, langsames Radfahren, Wasserakrobatik (Borg 12–13)
- anstrengendes Training: Jogging, Fahrradfahren > 15 km/h, zügiges Bahnenschwimmen (Borg 14–16)
Ernährung und Gewicht
Ernährung
- Patient*innen mit KHK sollte eine gesunde, ausgewogene Ernährung empfohlen werden (ballaststoffreich, reich an Früchten und Gemüse, wenig gesättigte Fette).
- Die Ernährung sollte abwechslungsreich sein und sich an den Empfehlungen der mediterranen Kost orientieren.
- Täglich
- Getreide: 1–2 Portionen pro Mahlzeit in Form von Brot, Nudeln, Reis, Couscous etc. vorzugsweise als Vollkornprodukte
- Gemüse: 2 oder mehr Portionen pro Mahlzeit, mindestens 1 Portion täglich als Rohkost
- Obst: 1–2 Portionen pro Mahlzeit z. B. als Dessert, abwechslungsreich
- Trinken: möglichst täglich 1,5–2 l Wasser und ungesüßten Kräutertee
- Milchprodukte: 2 Portionen pro Tag, bevorzugt als fettarme Produkte z. B. in Form von Joghurt oder Käse
- Olivenöl: elementarer Bestandteil, als Fettquelle reich an einfach ungesättigten Fettsäuren
- Oliven, Nüsse, Körner/Saat: z. B. als Quelle für Fette, Proteine, Vitamine
- Gewürze, Kräuter, Knoblauch, Zwiebeln: als Gewürze zur Geschmacksvariation und zur Reduktion des Salzkonsums
- Alkohol: moderater Konsum bis 1 Glas Wein täglich (Frauen) bzw. 2 Gläser (Männer) zu den Mahlzeiten
- Wöchentlich
- Fisch/ Meeresfrüchte: 2 oder mehr Portionen
- weißes Fleisch: 2 Portionen
- Eier: 2–4 Portionen (inklusive Kochen und Backen)
- rotes Fleisch: weniger als 2 Portionen, möglichst dünn geschnitten, industriell weiterverarbeitet (z. B. Wurst, Fertigkost) weniger als 1 Portion
- Kartoffeln: bis zu 3 Portionen, möglichst frisch zubereitet
- Es liegen keine Daten vor aus kontrollierten Studien zu rein vegetarischer, veganer oder anderweitig selektiver Diät bei Patient*innen mit chronischer KHK.
Gewicht
- Im Gegensatz zur Primärprävention, bei der Übergewicht und Adipositas mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden sind, ist bei KHK-Patient*innen der Nutzen einer Gewichtsreduktion nicht sicher belegt.
- Einige Studien fanden sogar einen Überlebensvorteil bei adipösen Patient*innen im Vergleich zu Patient*innen mit einem BMI < 25 kg/m² (Adipositas-Paradox).
- Eine Gewichtsreduktion per se wird daher aktuell nicht empfohlen, eine sich ergebende Gewichtsreduktion durch die empfohlene körperliche Aktivität ist davon aber abzugrenzen.
Raucherentwöhnung
- Raucherentwöhnung ist für die Prognose ähnlich bedeutsam wie die medikamentöse Behandlung.4
- Rauchstopp ist zudem eine kosteneffektive Präventionsmaßnahme.1
- Bei allen Patient*innen sollte der Nikotinkonsum erfragt und dokumentiert werden.
- Vollständige Abstinenz sowohl von aktivem als auch passivem Rauchen sollte bei allen Patient*innen angestrebt werden.
- Verschiedene Therapieformen helfen bei der Raucherentwöhnung, ggf. auch in Kombination.
- niederschwellige Verfahren (Kurzberatung, Telefonberatung, internet- bzw. smartphonegestützte Verfahren)
- psychotherapeutische Interventionen
- medikamentöse Therapie
- E-Zigaretten sollten nicht zur Entwöhnung oder Schadensminimierung empfohlen werden.
- Konsum von E-Zigaretten führt u. a. zu Erhöhung von Blutdruck und Herzfrequenz und Verschlechterung der Gefäßfunktion.5-6
Psychosoziale Belastung
- Bei vertrauensvoller Arzt-Patient-Beziehung können psychosoziale Risikofaktoren besonders gut erkannt und thematisiert werden.
- Eine Behandlung ist bereits im Rahmen einer psychosomatischen Grundversorgung möglich.
- Förderung der Krankheitsbewältigung
- Therapie von leicht- bis mittelgradigen Angst- und Depressionssymptomen
- Bei schwerer Symptomatik oder Ineffektivität der Grundversorgung sollte die Überweisung zur psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung erwogen werden.1
Medikamentöse Prävention
Prognostisch wirksame Medikation
Thrombozytenaggregationshemmer und orale Antikoagulanzien
- In der Langzeitprävention ist ASS das am besten untersuchte Medikament.1
- Es sollte allen Patient*innen mit chronischem Koronarsyndrom angeboten werden.2
- Bei Patient*innen mit chronischem Koronarsyndrom und einer Indikation zur oralen Antikoagulation (z. B. Vorhofflimmern) soll allerdings keine zusätzliche Thrombozytenaggregationshemmung erfolgen.
- Nach ACS und/oder PCI wird für einen begrenzten Zeitraum eine duale Plättchenhemmung (DAPT = Dual Antiplatelet Therapy) durchgeführt.2
- Bei Patient*innen nach Stentimplantation und mit Indikation zur Antikoagulation (z. B. Vorhofflimmern) wird für einen begrenzten Zeitraum eine Triple-Therapie (ASS + Clopidogrel + orales Antikoagulans) durchgeführt.2
- Bei Patient*innen mit chronischem Koronarsyndrom und Indikation zur Antikoagulation kann alternativ nach Stentimplantation auch eine duale Therapie aus Thrombozytenaggregationshemmer + Antikoagulation empfohlen werden.
- Bei oberer gastrointestinaler Blutung in der Vorgeschichte sollte zusätzlich ein Protonenpumpenhemmer gegeben werden.
Chronisches Koronarsyndrom
- Allen Patient*innen mit stabiler KHK soll niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS) angeboten werden.
- Clopidogrel soll nicht als Mittel der 1. Wahl eingesetzt werden, kann aber als Alternative bei ASS-Intoleranz angeboten werden.
- Nach kardialer Bypass-Operation reicht eine ASS-Monotherapie aus.
- Nach kardialer Bypass-Operation und Notwendigkeit einer Antikoagulation sollte postoperativ nur noch die orale Antikoagulation fortgeführt werden.
Chronisches Koronarsyndrom nach Stentimplantation
- Unbeschichteter Stent (BMS): ASS 100 mg/d dauerhaft, Clopidogrel 75 mg/d für 4 Wochen
- Beschichteter Stent (DES): ASS 100 mg/d dauerhaft, Clopidogrel 75 mg/d für 3–6 Monate
- Speziell bei mit Zotarolimus oder Everolimus beschichteten Stents kann die Dauer der Clopidogrel-Gabe auf 3 Monate verkürzt werden.
Nach akutem Koronarsyndrom (ACS)
- Unabhängig von Stentimplantation (ja/nein), unabhängig von Art des verwendeten Stents (DES/BMS)
- ASS 100 mg/d dauerhaft
- Ticagrelor 2 x 90 mg/d für 12 Monate
- Wenn Ticagrelor nicht vertragen wird, sollten 12 Monate lang 10 mg, bei über 75 Jahre alten und/oder unter 60 kg wiegenden Patient*innen 5 mg Prasugrel angeboten werden.
Triple-Therapie (Phenprocoumon + ASS + Clopidogrel) nach Stentimplantation bei Patient*innen mit Indikation zur Antikoagulation
- So kurz wie möglich
- INR-Ziel nur 2,0–2,5
- Clopidogrel statt Ticagrelor
- OAK + BMS (chronisches Koronarsyndrom, ACS): Triple 4 Wochen, dann nur Phenprocoumon
- OAK + DES (stabile KHK): Triple 1–3 Monate (Limus-Stent) bzw. 6 Monate (Paclitaxel-Stent), dann Phenprocoumon + Clopidogrel bis Monat 12, dann nur Phenprocoumon
- Bei erhöhtem Blutungsrisiko kann bei antikoagulierten Patient*innen mit stabiler KHK die Clopidogrel-Gabe auf 6, bei sehr hohem Blutungsrisiko auf 1-3 Monate verkürzt werden.
- OAK + DES (akutes Koronarsyndrom): Triple 6 Monate, dann Phenprocoumon + Clopidogrel bis Monat 12, dann nur Phenprocoumon
- Bei deutlich erhöhtem Blutungsrisiko kann die Gabe von ASS
auf 4 Wochen und die von Clopidogrel auf 6 Monate beschränkt werden.
- Bei deutlich erhöhtem Blutungsrisiko kann die Gabe von ASS
Wechsel zwischen Thrombozytenaggregationshemmern
- Umstellung von Clopidogrel auf Ticagrelor
- 1–3 Tage Clopidogrel pausieren, dann Wechsel auf Ticagrelor.
- Umstellung von Prasugrel auf Clopidogrel
- Es kann ohne Therapiepause auf die übliche Erhaltungsdosis von Clopidogrel gewechselt werden.
- Umstellung von Prasugrel auf Ticagrelor
- Es kann ohne Therapiepause auf die übliche Erhaltungsdosis von Ticagrelor gewechselt werden.
- Umstellung von Ticagrelor auf Clopidogrel
- Loading-Dose von 300 mg Clopidogrel, dann übliche Erhaltungsdosis von 75 mg Clopidogrel/d
Lipidsenkende Therapie
- Allen Patient*innen mit KHK sollte – unabhängig vom Ausgangswert der Blutfette – ein Statin angeboten werden.2
- Allerdings gibt es aktuell keinen breiten Konsens zwischen den Fachgesellschaften über die Art der Statingabe.
- Strategie der festen Dosis („Fire and Forget"): Gabe eines hochdosierten Statins ohne zwingende Ergebniskontrolle
- Zielwertstrategie: Die Erreichung eines bestimmten LDL-Zielwerts wird angestrebt bzw. Reduktion ≥ 50 % vom Ausgangswert.
- In den neuen – methodisch allerdings umstrittenen – ESC-Guidelines wird eine noch intensivere LDL-Senkung als bisher empfohlen (Zielwert < 55 mg/dl, Reduktion ≥ 50 % vom Ausgangswert).7
- Da dieser Zielwert mit reiner Statingabe häufig nicht erreicht werden kann, wird ggf. die zusätzliche Gabe von Ezetimib und der – sehr teuren – PCSK9-Inhibitoren (Evolocumab und Alirocumab)8 empfohlen.
- Statindosierungen und ihre Wirkung auf den LDL-Spiegel
- moderate Dosis (LDL-Reduktion 30–49 %)
- Atorvastatin 10–20 mg
- Rosuvastatin 5–10 mg
- Simvastatin 20–40 mg
- Pravastatin 40–80 mg
- Lovastatin 40 mg
- hohe Dosis (LDL-Reduktion ≥ 50 %)
- Atorvastatin 40–80 mg
- Rosuvastatin 20–40 mg
- moderate Dosis (LDL-Reduktion 30–49 %)
- Durchschnittliche Senkung des LDL-Cholesterins durch verschiedene Therapien/Therapiekombinationen
- moderate Dosierung eines Statins: 30 %
- hochdosiertes Statin: 50 %
- hochdosiertes Statin + Cholesterinresorptionshemmer: 65 %
- PCSK9-Inhibitor: 60 %
- hochdosiertes Statin + PCSK9-Inhibitor: 75 %
- hochdosiertes Statin + Cholesterinresorptionshemmer + PCSK9-Inhibitor: 85 %
Symptomatisch wirksame Medikation
- Die antianginöse Behandlung umfasst die Möglichkeit zur raschen Therapie eines Angina-pectoris-Anfalls durch die Patient*innen sowie eine – sofern erforderlich – längerfristig vor AP-Anfällen schützende Behandlung.
Schnellwirksame Nitrate
- Zur Behandlung eines Angina-pectoris-Anfalls sollte ein schnell wirksames Nitrat zur Verfügung stehen.
- Mit Spray etwas schnellerer Wirkungseintritt als bei sublingualer Gabe2
- Applikation am besten im Sitzen oder Liegen zur Vermeidung einer Synkope2
- Vorteil einer nur bedarfsweisen Anwendung von Nitraten ist auch, dass sich keine Nitrattoleranz entwickelt.
Längerfristig wirksame antiischämische Medikation
- Eine optimale antiischämische Therapie ist nicht definiert und sollte daher individuell unter Berücksichtigung von Komorbiditäten angepasst werden.2
- Betablocker und Ca-Antagonisten sind am besten untersucht und werden als Erstlinientherapie empfohlen.2
- Als weitere Substanzen stehen langwirksame Nitrate, Ivabradin und Ranolazin zur Verfügung.
- Ivabradin senkt die Sinusfrequenz und ist eine Option vor allem bei Patient*innen mit erhöhter Sinusfrequenz und Herzinsuffizienz.9-10Die Substanz ist nur zugelassen, wenn Betablocker nicht vertragen werden oder kontraindiziert sind. Ein Nutzen hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse konnte nicht belegt werden – im Gegenteil kamen sie in einer Studie sogar häufiger vor.11
- Ranolazin ist eine Option erst bei Versagen der anderen antiischämischen Medikamente.2Auch Ranolazin ist nur zugelassen, wenn Betablocker oder Kalziumantagonisten nicht ausreichen oder nicht vertragen werden. Eine Verbesserung der kardialen Prognose ist nicht belegt. QT-Verlängerungen und Cytochrom-Interaktionen wurden beschrieben.
Medikamentöse Behandlung von kardiovaskulären Komorbiditäten
- Komorbiditäten wie arterielle Hypertonie, Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz sollten gemäß der entsprechenden Leitlinien behandelt werden, hier sind insbesondere ACE-Hemmer/AT-Inhibitoren und Betablocker von Bedeutung.
- Hingegen ist eine KHK keine eigenständige Indikation für ACE-Hemmer/AT-Inhibitoren, hierzu gibt es keinen ausreichend belegten Nutzen.
- Auch die Indikation zur Betablocker-Therapie ergibt sich aus Komorbiditäten oder zur symptomatischen Behandlung einer Angina pectoris, während für die KHK allein ein prognostischer Nutzen einer Langzeittherapie fraglich ist.
- Lediglich im 1. Jahr nach Myokardinfarkt wird derzeit eine Betablocker-Therapie empfohlen mit anschließender Evaluation des Absetzens.
Weitere Maßnahmen
Grippeimpfung
Sonstiges
- Für Omega-3-Fettsäuren wird das Nutzen-Risiko-Verhältnis als nicht positiv bewertet, deshalb sind Omega-3-Fettsäure-haltige Arzneimittel nicht länger zur Sekundärprophylaxe nach Myokardinfarkt zugelassen (nur noch zur Behandlung der Hypertriglyzeridämie).13
Hausärztliche Langzeitbetreuung
- Die Langzeitbetreuung erfolgt primär hausärztlich in Kooperation mit Fachärzt*innen, Kliniken und Rehaeinrichtungen.
- Patient*innen mit KHK sollten von ihren Hausärzt*innen zu regelmäßigen Konsultationen in die Praxis eingeladen werden (viertel- bis halbjährlich), die unabhängig von Kontakten geplant werden, die z. B. wegen akuter Beschwerden oder Komorbiditäten erforderlich sind.
- Patient*innen mit KHK soll eine Überweisung zur Kardiologie empfohlen werden, wenn auf der hausärztlichen Versorgungsebene keine ausreichende Symptomkontrolle erreicht werden kann oder wenn prognostisch wirksame Maßnahmen nicht ausreichend umgesetzt werden können (z. B. aufgrund von Unverträglichkeiten).
- Patient*innen mit KHK soll eine Vorstellung bei weiteren Gesundheitsprofessionen empfohlen werden, wenn hierdurch eine bessere Symptomkontrolle oder Prognoseverbesserung erreicht werden kann.
- Patient*innen mit KHK – insbesondere nach ACS, nach Koronarintervention oder nach Bypass-Operation – soll die Teilnahme an einer ambulanten Herzgruppe oder anderen Nachsorgeprogrammen zur Förderung eines regelmäßigen körperlichen Trainings und anderer risikoreduzierender Lebensstiländerungen empfohlen werden.
- Eine zeitlich begrenzte Rehabilitationsmaßnahme in spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen (Heilverfahren: ambulant oder stationär) sollte in folgenden Fällen empfohlen werden, soweit kein akutmedizinischer Handlungsbedarf besteht:
- bei limitierender Symptomatik trotz Standardtherapie
- bei ausgeprägtem und unzureichend eingestelltem Risikoprofil
- bei ausgeprägter psychosozialer Problematik
- bei drohender Berufs-/Erwerbsunfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Koronare Herzkrankheit – wenn sich die Herzgefäße verengen
- Verdacht auf KHK – welche Untersuchungen kommen für mich infrage?
- Koronare Herzkrankheit, Ernährung und Bewegung
- Koronare Herzkrankheit, Vorbeugung von Komplikationen
- Warum sollten Sie das Rauchen aufgeben, und wie gelingt es?
- Eine herzgesunde Ernährung
- Vollwertige Ernährung
Quellen
Leitlinien
- European Society of Cardiology (ESC). Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Stand 2016. www.escardio.org
- European Society of Cardiology (ESC). Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Stand 2019. www.escardio.org
- European Society of Cardiology (ESC). Guidelines for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes. Stand 2019. www.escardio.org
- European Society of Cardiology (ESC). Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Stand 2020. www.escardio.org
Literatur
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- Knuuti J, Wijns W, Saraste A, et al. 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes. Eur Heart J 2020; 41: 407-477. doi:10.1093/eurheartj/ehz425 DOI
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- Hindricks G, Potpara T, Dagres N, et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J 2020; 00: 1-126. doi:10.1093/eurheartj/ehaa612 DOI
Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
- Günther Egidi, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)