Brugada-Syndrom

Beim Brugada-Syndrom handelt es sich um eine Reizleitungsstörung des Herzens. Sie kann zu ernsthaften Herzrhythmusstörungen, Ohnmacht und im schlimmsten Fall zum plötzlichen Tod führen.

Was ist das Brugada-Syndrom?

Es handelt sich um eine Reizleitungsstörung des Herzens. Als Reizleitung im Herzmuskel wird die Weiterleitung von elektrischen Signalen verstanden, die entscheidend für die geordnete Kontraktion der Herzmuskelzellen ist, also für das Pumpverhalten des Herzmuskels (den Herzschlag). Beim Brugada-Syndrom sind bestimmte Ionenkanäle in den Herzzellen verändert: Ionenkanäle lassen bestimmte Mengen von Ionen wie Natrium in eine Zelle hinein oder aus ihr heraus strömen; dieser Natriumstrom ist mit entscheidend für die Entstehung und Weiterleitung elektrischer Signale. Ist diese Funktion gestört, wie beim Brugada-Syndrom, kann es zu ernsthaften Herzrhythmusstörungen (mit dem Gefühl von Herzrasen, starkem Herzschlag), Ohnmacht und im schlimmsten Fall zum plötzlichen Tod kommen.

Die Herzrhythmusstörungen entstehen entweder in den sogenannten Vorhöfen des Herzens oder in den Kammern; Letztere führen zu Kammerflimmern. Dabei kontrahiert (schlägt) das Herz so schnell, dass es das Blut nicht mehr effektiv in den Kreislauf pumpen kann. Solche Episoden von Kammerflimmern mit evtl. Ohnmacht entstehen beim Brugada-Syndrtom typsicherweise nachts bzw. in Ruhephasen, nur selten während körperlicher Belastung. 

Diese Erkrankung ist erblich bedingt; bislang sind 12 Gene bekannt, bei denen im Fall bestimmter Genveränderungen Veränderungen bestimmter Ionenkanäle und damit ein Brugada-Syndrom resultieren. Der Herzmuskel an sich sowie andere Strukturen des Reizleitungssystems sind hingegen ganz gesund bzw. unauffällig. Das Syndrom wurde erstmals von den Brüdern Brugada (1992) beschrieben. Früher wurde davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine besonders seltene Erkrankung handelt. Im Laufe der Jahre hat sich gezeigt, dass dieses Krankheitsbild verhältnismäßig weit verbreitet ist. In Europa wird eine Häufigkeit von bis zu 0,05 % angegeben. In Japan ist die Häufigkeit mit 0,4 % um nahezu das Zehnfache erhöht. Männer sind allgemein etwa 8-mal häufiger betroffen als Frauen.

Diagnose

Das Brugada-Syndrom wird manchmal bei einer herkömmlichen EKG-Aufzeichnung der elektrischen Herzaktivität nachgewiesen. Die Veränderungen sind recht typisch, können aber auch mit anderen Herzkrankheiten verwechselt werden. Wie sich gezeigt hat, können sie auch nur vorübergehend auftreten, ohne Symptome zu verursachen. In vielen Fällen machen sie sich nur bei der Verabreichung bestimmter Medikamente oder unter (sehr hohem) Alkohol- oder Drogeneinfluss bemerkbar. Bei prädisponierten Personen ist insbesondere Kokain dafür bekannt, diese Veränderungen hervorzurufen. Auch sehr große Mahlzeiten und hohes Fieber können bei Menschen mit Brugada-Syndrom Auslöser für die Rhythmusstörungen sein.

In der Praxis hat sich die EKG-Untersuchung bewährt. Nach den typischen Zeichen für ein Brugada-Syndrom wird bei Patienten mit unerklärlichen Ohnmachtsanfällen sowie bei Patienten gesucht, deren Angehörige daran erkrankt sind bzw. deren Verwandte in jungen Lebensjahren (vor 45) plötzlich verstorben sind.

Therapie

Am sichersten lässt sich ein plötzlicher Tod bei Brugada-Syndrom durch die Implantation eines Defibrillators (eine besondere Art eines Herzschrittmachers) verhindern. Die Implantation eines Defibrillators erfolgt bei Patienten mit typischen EKG-Veränderungen, die in Ohnmacht gefallen sind oder einen Herzstillstand überlebt oder einen Anfall mit einer ernsthaften Herzrhythmusstörung durchlitten haben. Auch für Patienten mit auffälligen EKG-Veränderungen, die bisher keine Symptome erlebt haben, bei denen sich Herzrhythmusstörungen aber durch einen Test auslösen lassen, eignet sich möglicherweise die Implantation eines Defibrillators. Diese kleinen Geräte registrieren die Herztätigkeit und geben bei entsprechend schweren Rhythmusstörungen gezielt einen elektrischen Impuls ab, der das Herz wieder ruhig schlagen lässt.

Es gibt keine Medikamente, mit denen sich nachgewiesenermaßen die Beschwerden bzw. Komplikationen beim Brugada-Syndrom vermeiden lassen. Für Patienten, die mehrfach an Kammerflimmern gelitten haben und keine Defibrillator-Implantation wünschen bzw. bei denen dieser Eingriff unmöglich ist, können jedoch die Wirkstoffe Isoproterenol oder Chinidin zum Einsatz kommen. Hier fehlen jedoch Studiendaten, die die sichere Wirksamkeit mit Vermeidung des plötzlichen Herztodes beweisen würden.

Möglicherweise wird sich in Zukunft eine andere Therapieoption etablieren: Die zielgenaue Entfernung der Regionen im Herzmuskel, die die Veränderungen aufweisen, eine sogenannte Katheterablation. Diese Möglichkeit wurde bei einigen Patienten bereits angewendet, ist aber (noch) keine anerkannte Methode.

Alle Patienten, die diese EKG-Veränderungen aufweisen, müssen unbedingt darüber informiert werden, bestimmte Medikamente zu meiden, die das Krankheitsbild verschlechtern können. Dies gilt insbesondere für bestimmte Herzmedikamente, einige Antidepressiva, Lokalanästhetika und Narkosemittel. Vom Kokainkonsum wird abgeraten, genau wie von der Einnahme großer Alkoholmengen und dem Genuss sehr großer Mahlzeiten. Tritt Fieber auf, sollte dies schnell und effektiv gesenkt werden, da auch Fieber entsprechende Herzrhythmusstörungen auslösen kann.

Patienten mit Verdacht auf bzw. bestehendem Brugada-Syndrom werden am besten von einer Kardiologin/einem Kardiologen untersucht und behandelt. Hier erfolgen regelmäßige Kontrolluntersuchungen sowie im Falle einer Defibrillator-Implantation regelmäßige Prüfungen der Funktion. Je nach Ausprägung der Krankheit und der Effektivität einer Therapie ist grundsätzlich zudem zu überlegen, ob die Patienten allein Auto fahren dürfen oder nicht.

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Autoren

  • Susanne Meinrenken, Dr. med., Bremen
  • Thomas Fühner, PD Dr. med., Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, Hannover

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References

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