Zusammenfassung
- Definition:Darminfektion mit Fieber und Bakteriämie, die durch die Serotypen Salmonella Typhi und Paratyphi verursacht wird.
- Häufigkeit:Typhus und Paratyphus kommen weltweit vor, sind in Indien und Pakistan, in Südostasien und im tropischen Afrika am stärksten verbreitet, in Europa meist Reiserückkehrer*innen.
- Symptome:Fieber, gastrointestinale Symptome, Bewusstseinstrübung.
- Befunde:Hepatosplenomegalie, Roseolen, Durchfall.
- Diagnostik:Erregernachweis durch Blut- und Stuhlkulturen.
- Therapie:Antibiotika.
Allgemeine Informationen
Definition
- Salmonellen-Infektion durch S. Typhi und S. Paratyphi mit Durchfall und Fieber sowie auch sytemischen Symptomen (Bakteriämie) bis hin zur Sepsis
Häufigkeit
- Infektionen mit Salmonella Typhi oder Paratyphi kommen weltweit vor, sind auf dem indischen Subkontinent, in Südostasien und im tropischen Afrika am stärksten verbreitet.1
- Typhus
- Weltweit gab es 2017 14,3 Mio. Erkrankungen, hiervon entfielen 10,2 Mio. auf den indischen Subkontinent.
- Es gab 2017 ca. 135.000 Todesfälle.
- In Pakistan kommt es seit Ende 2016 zu endemischen Verbreitungen von extensiv antibiotikaresistenten (XDR) Typhus-Erregern.
- Infektionen in Europa durch Reiserückkehrer aus Pakistan und Indien
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
- Salmonella Typhi und Salmonella Paratyphi gehören mit mehreren Untergruppen zur Familie der Enterobacteriaceae, sind weltweit verbreitet und haben ausschließlich den Menschen als Wirt.
- Zwei unterschiedliche Pathovare können entweder eine enteritische oder eine systemische Verlaufsform hervorrufen.
Pathogenese
- Häufigste Infektionsquellen
- mit infiziertem Stuhl oder Urin kontaminiertes Wasser
- Kontaminierte Lebensmittel, die z. B. in verunreinigtem Wasser gewaschen und roh verzehrt werden (Salat, Gemüse, Obst etc.)
- Eine direkte fäkal-orale Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich, aber von untergeordneter Bedeutung.
- Die Inkubationszeit beträgt bei Typhus meist 8–14 Tage, kann aber auch bis zu 3 Monaten betragen, bei Paratyphus ca. 1–10 Tage.
- Die Ansteckungsgefahr durch Keimausscheidung im Stuhl beginnt ab ungefähr 1 Woche nach Erkrankungsbeginn und kann über Wochen, in bis zu 5 % lebenslang bestehen bleiben.
- Eine überstandene Typhus-Erkrankung hinterlässt eine etwa 1 Jahr anhaltende Immunität, die jedoch mit einer hohen Infektionsdosis jederzeit durchbrochen werden kann.
Klinischer Verlauf
- Das häufigste Symptom bei Typhus und Paratyphus ist hohes Fieber, das bis zu 4 Wochen anhalten kann.
- Gastrointestinale Symptome sind Gewichtsabnahme, Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, seltener aber auch Obstipation.
- Nach der ersten Krankheitswoche bildet sich bei 30 % der Betroffenen durch infektiös-toxische Gefäßdilatation ein makulopapulöses Exanthem (Roseolen), meist am Stamm lokalisiert.
- Weitere Symptome können Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Husten, Myalgien und Nasenbluten sein.
- Ein schwerer Verlauf tritt meist in der 3. und 4. Krankheitswoche bei ca 10–15 % mit gastrointestinalen Blutungen und/oder Darmperforationen auf.
- Es kann auch zu neurologischen Manifestationen kommen (2–40 %). Hierzu gehören Meningitiden, Guillain-Barré-Syndrom, Neuritiden oder neuropsychiatrische Symptome.
Prädisponierende Faktoren
- Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln oder Getränken
ICD-10
- A01 Typhus abdominalis und Paratyphus
- A01.0 Typhus abdominalis
- A01.1 Paratyphus A
- A01.2 Paratyphus B
- A01.3 Paratyphus C
- A01.4 Paratyphus, nicht näher bezeichnet
- G01. + A01.0 Meningitis bei Typhus abdominalis
- I39.- + A01.0 Endokardbeteiligung bei Typhus abdominalis
- J17.0 + A01.0 Pneumonie (durch) (bei) Typhus abdominalis
- Z22.0 Keimträger von Typhus abdominalis
- Z23.1 Notwendigkeit der Impfung gegen Typhus-Paratyphus [TAB], nicht kombiniert
- Z27.0 Notwendigkeit der Impfung gegen Cholera mit Typhus-Paratyphus [Cholera+TAB]
- Z27.2 Notwendigkeit der Impfung gegen Diphtherie-Pertussis-Tetanus mit Typhus-Paratyphus [DPT+TAB]
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Bei einem Krankheitsbild mit hohem Fieber nach Aufenthalt in entsprechenden Endemiegebieten sollte immer auch an Typhus und Paratyphus gedacht werden.
Differenzialdiagnosen
- Andere gastrointestinale Erkrankungen
- Andere fieberhafte Infektionen (siehe auch Fieber bei Tropenrückkehrer*innen und Fieber unbekannter Ursache)
- Malaria
- Shigella dysenteriae
- Tuberkulose
- infektiöse Endokarditis
- Brucellose
- Q-Fieber
- Influenza
- virale Hepatitis
- Amöbiasis
- Lymphom
Anamnese
- Reisen in Endemiegebiete
- Verzehr verunreinigter Nahrungsmittel oder Wasser
- Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme
- Hohes Fieber
- Kopfschmerzen, Unwohlsein, Appetit- und Schlaflosigkeit
- Gastrointestinale Symptome: sowohl Obstipation als auch Durchfall treten auf.
Klinische Untersuchung
- Zunächst gibt es neben dem Fieber wenige klinische Befunde.
- Später treten Bewusstseinsstörungen auf, Bauchschmerzen, Hepato- und Splenomegalie
- Ein Hautausschlag (Roseola) tritt normalerweise im Laufe der zweiten Krankheitswoche auf.
- Vor allem am Rumpf (Bauchhaut): rosa Papeln, 2‒3 mm im Durchmesser, nichtjuckend, die bei Druck verblassen und innerhalb von 3–4 Tagen zurückgehen.
- Bradykardie
Ergänzende Untersuchungen
Labor
- Eher unspezifische Laborbefunde
- geringe Erhöhung CRP und Blutsenkungsgeschwindigkeit
- eher Leukopenie und Neutropenie, nur bei Peritonitis oder Sekundärinfektion Leukozytose
- evtl. geringe Erhöhung der Leberenzyme (GGT, AP, GOT, GPT) und CK-Erhöhung
Erregernachweis
- Direkter Erregernachweis durch Kultur aus Blut, Harn, Stuhl oder Duodenalsekret, ggf. auch aus Knochenmark möglich
- Stuhlkulturen werden häufig erst nach 2 oder 3 Wochen positiv.
- Antikörpernachweise (Widal-Reaktion) sind nicht sensitiv und spezifisch genug.
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
- Patient*innen mit unkompliziertem Verlauf können zu Hause mit Antibiose und Antipyretika behandelt werden, bei Verdacht auf Komplikationen stationäre Einweisung.
- Kinder mit Typhus oder Paratyphus müssen in der Regel stationär aufgenommen werden.
Therapie
Therapieziele
- Infektion sanieren und Komplikationen vermeiden.
Allgemeines zur Therapie
- Typhus und Paratyphus sollten frühzeitig mit Antibiotika behandelt werden, um Komplikationen zu vermeiden.
- Wegen verschiedener Resistenzentwicklungen sollte ein Antibiogramm erstellt werden.
Medikamentöse Therapie
- An Typhus oder Paratyphus Erkrankte sollten in jedem Fall antibiotisch behandelt werden (möglichst nach Resistenztestung).
- Ciprofloxacin 2 x 500 mg peroral oder 2 x 400 mg parenteral
- Ceftriaxon 2–3 g pro Tag im Laufe von 10–14 Tagen parental
- Geeignet sind außerdem Cotrimoxazol und Amoxicillin.
- Als empirische Therapie eignet sich auch Azithromycin 1 g/d für 5 Tage p. o.
- Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.
- Bei schweren Verläufen mit Lungenödem kann eine zusätzliche Behandlung mit Glukokortikoiden indiziert sein.
Sanierung bei Dauerausscheider*innen
- Ceftriaxon 2 g i. v. /d für 2 Wochen – oder –
- Ciprofloxacin 2 x 500 mg/d für 4 Wochen
- Bei Gallensteinen ggf. Cholecystektomie (nur unter Antibiose!)
Weitere Maßnahmen
- Patient*innen mit Typhus sind möglichst im Einzelzimmer mit besonderen hygienischen Regeln unterzubringen.
- Für Patient*innen mit Verdacht der Infektiosität gelten besondere Regeln für den Krankentransport, dieser sollte vorab informiert werden.
- Beschäftigungsverbote: An Typhus Erkrankte und Dauerausscheider*innen dürfen nicht beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln oder in Küchen/Kantinen arbeiten.
- Eine Wiederzulassung zu Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen bzw. zu beruflicher Tätigkeit ist nach klinischer Genesung und Vorliegen von 3 aufeinander folgenden negativen Stuhlbefunden möglich.
- Die erste Stuhlprobe sollte frühestens 24 Stunden nach Abschluss der antimikrobiellen Therapie durchgeführt werden, Abstand der Proben: 1–2 Tage.
Prävention
Hygiene
- Allgemeine und persönliche Hygiene
- Lebensmittelhygiene: „Boil it, cook it, peel it, or forget it.“
- Die häufigsten Ansteckungsquellen sind Wasser, Salate, rohes Gemüse, Saucen, rohe Meeresfrüchte, nichtpasteurisierte Milch, ungeschältes Obst, Eiswürfel aus verunreinigtem Wasser, eihaltige Speisen wie Mayonnaise und Saucen, nicht ausreichend durchgegartes Fleisch.
- regelmäßiges Händewaschen vor dem Essen, vor dem Hantieren mit Lebensmitteln, nach Toilettengang
- Säuberung von Geschirr und Besteck
- ausreichend Abstand, z. B. beim Vergraben von menschlichen Ausscheidungen, von Wasserstellen
- Trinkwasserhygiene
Impfungen2
- Die Immunisierung ist nicht immer wirksam, wird aber empfohlen bei:
- Reisen nach Süd- und Zentralasien (Pakistan, Indien, Nepal, Afghanistan, Bangladesch), unabhängig vom Reisestil
- Reisen unter einfachen Reise-, Aufenthalts- bzw. Arbeitsbedingungen (z. B. Trekking, Hilfseinsätze) in alle endemischen Gebiete mit niedrigen Hygienestandards in Asien, Afrika, Mittel- und Südamerika, speziell auch bei aktuellen Ausbrüchen und Katastrophen
- Langzeitaufenthalten in endemischen Gebieten, insbesondere unter einfachen Aufenthaltsbedingungen
- Migrant*innen, die ein Herkunftsland mit erhöhtem Risiko besuchen
- Wegen fehlender Wirksamkeitsbelege keine Impfempfehlung für Kontaktpersonen und zur postexpositionellen Impfprophylaxe
- Es stehen ein oral und ein parenteral zu applizierender Impfstoff gegen Typhus zur Verfügung.
- Der orale Lebendimpfstoff wird 3-mal als magensaftresistente Kapsel im 2-Tage-Abstand eingenommen. Er besitzt eine gute Verträglichkeit und verleiht ca. 60 % der Geimpften Schutz für mindestens 1 Jahr. Eine Auffrischimpfung ist bei bestehendem Risiko nach 1 Jahr indiziert.
- Der parenteral zu verabreichende Impfstoff aus hochgereinigtem Vi-Antigen ist ebenfalls gut verträglich und bietet nach einmaliger Gabe ca. 60 % der geimpften Erwachsenen und Kinder (über 2 Jahre) einen Impfschutz bis zu 3 Jahren.
- Schützende Antikörper bilden sich nach ca. 2 Wochen.
- wenig Wirkung bei Kindern unter 2 Jahren
- Die Impfung sollte mindestens 2 Wochen vor der Abreise erfolgen.
- Die Reisenden tragen die Kosten für die Impfung selbst.
- Gegen Paratyphus gibt es keine Impfung.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Risikofaktoren für einen schwereren Verlauf (10‒15 %)
- Immunsuppression
- Antazida
- Alter
- Kinder < 1 Jahr
- Ohne Komplikationen bessert sich der Krankheitszustand meist allmählich über 7–10 Tage, jedoch können bis zu 2 Wochen nach Beginn der Rekonvaleszenz Rückfälle auftreten.
- Der klinische Verlauf bei Paratyphus ist ähnlich wie bei Typhus, er ist jedoch bei Paratyphus meist leichter ausgeprägt.
Komplikationen
- Komplikationen treten bei 10‒15 % der Patient*innen auf.
- Zu den wichtigsten Komplikationen gehören gastrointestinale Blutungen, Darmperforation und Enzephalopathie.
- Intestinale Blutungen
- Manifestieren sich durch einen plötzlichen Abfall der Temperatur und Schockzeichen.
- Darmperforation mit Peritonitis
- Manifestiert sich mit Bauchschmerzen und Druckempfindlichkeit.
- Wie bei den Darmblutungen kommt dies meist in der 3. Woche vor.
- Weniger häufig auftretende Komplikationen sind Harnretention, Pneumonie, thromboembolische Ereignisse, Myokarditis, nekrotisierende Cholezystitis, Nephritis, Osteomyelitis und Meningitis.
Prognose
- Typhus verläuft schwerer als Paratyphus und weist unbehandelt eine Letalität von etwa 10 % auf.
- Die Mortalität bei behandeltem Typhus liegt bei etwa 1 %.
- Bei bis zu 15 % der Fälle kommt es zu Rezidiven.
- 2–5 % der an Typhus Erkrankten werden zu Dauerausscheider*innen
- In einigen Fällen, vor allem bei älteren Frauen mit Gallensteinen, kann der Trägerstatus lang oder lebenslang andauern.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Besondere Verhaltensregeln in endemischen Gebieten: Peel it, cook it, or forget it! (Schäle es, koche es oder vergiss es!)
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Stanaway J. Reiner R. Blacker B. The global burden of typhoid and paratyphoid fevers: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2017. Lancet Infectious Diseases 2019 www.thelancet.com
- Milligan R, Paul M, Richardson M, Neuberger A. Vaccines for preventing typhoid fever. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018; 5: CD001261. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge