Chronische Bronchitis

Zusammenfassung

  • Definition:Chronische Bronchitis wird als anhaltender Husten mit Auswurf definiert, der in 2 aufeinanderfolgenden Jahren über mindestens 3 Monate fast täglich auftritt. Eine chronische Bronchitis entsteht meist durch Einatmen von Stoffen, die die Atemwege reizen, am häufigsten durch Tabakrauch. Abzugrenzen sind Asthma und COPD mit entsprechenden Einschränkungen der forcierten Exspiration in der Spirometrie und unterschiedlicher Reaktion auf Salbutamol oder inhalative Steroide. Die Erkrankung kann auch durch Luftverschmutzung oder berufsbedingt entstehen.
  • Häufigkeit:Prävalenz des anhaltenden Hustens mit Auswurf 6,7 %.
  • Symptome:Die Diagnose wird auf der Grundlage von anhaltendem Husten mit Auswurf gestellt, für den es keine andere Erklärung gibt.
  • Befunde:Keine spezifischen klinischen Befunde.
  • Diagnostik:Eine Abklärung mit Spirometrie, Röntgen, Bronchoskopie oder Thorax-CT kann notwendig sein, um andere Erkrankungen, die mit produktivem Husten verbunden sind, auszuschließen.
  • Therapie:Stoffe vermeiden, die die Atemwege reizen. Oft bedeutet dies, mit dem Rauchen aufzuhören oder den Arbeitsplatz zu wechseln.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bei Raucheranamnese, Husten und Auswurf besteht der Verdacht auf eine chronische Bronchitis.
  • Chronische Bronchitis wird als Husten mit Auswurf definiert, der in 2 aufeinanderfolgenden Jahren über mindestens 3 Monate fast täglich auftritt (laut WHO).
  • Die Diagnose stützt sich ausschließlich auf die Anamnese. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose.
  • Eine beruflich verursachte chronische (nichtobstruktive) Bronchitis kann als Vorstufe einer COPD und damit als Hinweis auf eine vermehrte Exposition gegenüber Irritanzien des Atemtraktes angesehen werden.
  • Bei Nachweis einer Obstruktion wird die Diagnose einer COPD dann gestellt, wenn der Anteil der forcierten Vitalkapazität (FEV1) am gesamten exspiratorischen Volumen (FVC) unter 70 % liegt und nach Inhalation von Salbutamol nicht um mindestens 15 % zunimmt. Eine stärker ausgeprägte Bronchodilatation spricht für ein Asthma
  • Eine chronische Bronchitis kann Vorstufe einer COPD sein.

Häufigkeit

  • Die chronische Bronchitis durch Rauchen dürfte die häufigste Ursache eines chronischen Hustens sein.
  • In einer auf mehr als 60 Studien basierenden Metaanalyse aus fast 30 Ländern ergab sich für anhaltenden Husten mit Auswurf eine Prävalenz von 6,7 %.1
    • Bei den meisten Studien waren nur Proband*innen über 40 Jahre beteiligt.
    • In jüngeren Altersgruppen betrug die Prävalenz 2,6 % mit international sehr großen Unterschieden.2
    • Husten gehört zu den häufigsten Gründen, weshalb eine Hausarztpraxis aufgesucht wird.
  • Wie bei der COPD ist die Prävalenz der chronischen Bronchitis in unteren sozialen Schichten höher.3

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Exposition gegenüber Tabakrauch führt zu einer Vermehrung der Becherzellen und einer stärker peripheren Verteilung.4
  • In einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, dass die Reizung der Atemwege durch Stoffe wie Chlor, Stickoxid oder Schwefeldioxid zu einer Hyperplasie der Becherzellen und zu einer chronischen Entzündung führt.
  • Bei Raucher*innen führt die Hypertrophie der Drüsenschicht und die chronische Entzündung zu einer vermehrten Schleimsekretion.
  • Eine chronische Bronchitis ist auch im Zusammenhang mit beruflicher Exposition gegenüber Stoffen, die die Atemwege reizen – z. B. bei Bergleuten und Landwirt*innen – zu beobachten.5

Prädisponierende Faktoren

  • Die Exposition gegenüber Tabakrauch als absolut dominierende Ursache
  • Exposition gegenüber chemischen Noxen und organischen Stäuben (berufsbedingt) sowie das Passivrauchen
  • Wiederholte oder längere Exposition prädisponiert zu einer chronischen Bronchitis.
  • Es gibt Hinweise, dass genetische Faktoren für die Entwicklung einer chronischen Bronchitis prädisponieren.6

ICD-10

  • J41 Einfache und schleimig-eitrige chronische Bronchitis
    • J41.0 Einfache chronische Bronchitis
    • J41.1. Schleimig-eitrige chronische Bronchitis
    • J41.8 Mischformen von einfacher und schleimig-eitriger chronischer Bronchitis
  • J42 Nicht näher bezeichnete chronische Bronchitis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose basiert auf der Anamnese: Anhaltender Husten mit Auswurf, der in 2 aufeinanderfolgenden Jahren über mindestens 3 Monate fast täglich auftritt.
  • Bei der Diagnose handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose, d. h. andere relevante Ursachen von chronischem Husten müssen ausgeschlossen werden.
  • Eine anamnestisch identifizierbare Ursache (Rauchen, Passivrauchen, starke arbeitsplatzbezogene Schadstoffbelastung) hilft, die Diagnose chronische (nicht obstruktive) Bronchitis wahrscheinlich zu machen.

Differenzialdiagnosen

  • COPD
    • chronischer Husten + Spirometrie-Kriterium nach Bronchodilatation: FEV1/FVC < 0,70
  • Infektionen der Atemwege
    • Tuberkulose ausschließen, ggf. Röntgenthorax.
    • Virale Infektionen können anhaltenden Husten verursachen.
    • bronchiale Hyperreagibilität (postinfektiös)
    • Upper Airway Cough Syndrome (UACS, früher bezeichnet als postnasales Drip-Syndrom)
  • Asthma
    • Spirometrie mit Reversibilitätstest
    • anfallsartige Verschlechterung mit Schweratmigkeit
  • Gastroösophageale Refluxkrankheit
    • Kann chronischen Husten verursachen.
    • Eine Linderung der Beschwerden durch Protonenpumpenhemmer oder eine 24-h-pH-Metrie können die Diagnose bestätigen.
  • Bronchialkarzinom
    • Röntgen- oder CT-Thorax ist angezeigt.
  • Bronchiektasen
    • Verursachen Symptome, die den Symptomen der chronischen Bronchitis sehr ähnlich sind.
    • CT-Thorax ist zur Abklärung angezeigt.
  • Aspiration kann chronischen Husten verursachen (selten).
  • Medikamente
  • Eosinophile Bronchitis
  • Chronische Linksherzinsuffizienz
  • Stimmbanddysfunktion
  • Pertussis
  • Interstitielle Lungenerkrankungen (z. B. Sarkoidose)
  • Hodgkin-Lymphom
  • Zystische Fibrose
  • Ösophageale Divertikel

Anamnese

  • Anhaltender Husten mit Auswurf, der in 2 aufeinanderfolgenden Jahren über mindestens 3 Monate fast täglich auftritt.
    • Tritt charakteristischerweise morgens nach dem Aufstehen auf und führt per se selten zur ärztlichen Konsultation, da er als „normal" empfunden wird.
  • Alle Patient*innen mit Husten sollen nach ihrem Tabakkonsum gefragt werden. Der Raucherstatus soll regelmäßig dokumentiert werden.
  • Frage nach Exposition gegenüber anderen inhalativen Noxen (z. B. berufliche Schadstoffe, Tierkontakt)
  • Hämoptysen oder Hämoptoe gehören neben Atemnot, Thoraxschmerz, Begleiterkrankungen und hohem Fieber zu den Alarmzeichen bei Husten und sollten Anlass zu einer weiteren Diagnostik geben.

Klinische Untersuchung

  • Die Diagnose stützt sich ausschließlich auf die Anamnese. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose.
  • Keine spezifischen klinischen Befunde
  • Auskultation zur Beurteilung von Atemnebengeräuschen

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Die Spirometrie ist zur Beurteilung des Vorhandenseins einer Obstruktion erforderlich.
    • zum Ausschluss von Asthma und COPD
    • Die Ergebnisse der Spirometrie können unauffällig sein oder ein verringertes Atemvolumen zeigen.
  • Kl. BB, BSG, CRP: zur Erfassung des Allgemeinzustandes sowie ggf. von Infektion oder Entzündung

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Eine Röntgenaufnahme des Thorax ist zum Ausschluss anderer zugrunde liegender Erkrankungen empfohlen.
    • negativer Befund bei nichtobstruktiver Bronchitis
  • 24-Stunden-pH-Metrie bei Verdacht auf Reflux als Ursache
  • CT-Thorax bei Verdacht auf Bronchiektasien/Tumoren

Therapie

Therapieziele

  • Symptome lindern
  • Einer Entwicklung zur COPD vorbeugen

Allgemeines zur Therapie

  • Die Empfehlungen zu Therapie und Prävention der chronischen Bronchitis beschränken sich primär auf:
  • Das primäre Ziel ist es somit, die Exposition gegenüber den auslösenden Stoffen zu unterbinden. In den meisten Fällen ist hierfür eine Raucherentwöhnung erforderlich.
  • Antitussiva sollten beim chronischen Husten nur bei Pertussis oder bei gut kontrolliertem Asthma mit persistierendem Husten vorübergehend verwendet werden.

Empfehlungen für Patient*innen

Medikamentöse Therapie

  • Es gibt Anzeichen, dass Mukolytika eine geringe Wirkung bei chronischer Bronchitis und COPD haben.7
    • Sie verhindern bestenfalls alle 3 Jahre eine Exazerbation.
    • Bei chronischer Bronchitis und COPD wird eine schleimlösende Therapie nicht als Standardbehandlung empfohlen.
  • Eine antibiotische Therapie ist nur in wenigen Ausnahmefällen indiziert.

Empfehlungen bei therapierefraktärem chronischem Husten

  • Beim ungeklärten oder therapierefraktären chronischen Husten bei erwachsenen Patient*innen kann bei hoher Symptomlast eine logopädische oder physiotherapeutische Therapie, falls verfügbar, angeboten werden.
  • Diese kann mit einer medikamentösen Therapie des Hustens gemeinsam durchgeführt werden.
  • Beim ungeklärten oder therapierefraktären chronischen Husten bei erwachsenen Patient*innen kann bei Patientenwunsch, hohem Leidensdruck und umfassender Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen eine Therapie mit Gabapentin oder niedrig dosiertem Morphin angeboten werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Bei weiterer Exposition bleiben die Symptome bestehen und verstärken sich in der Regel mit der Zeit.
  • Nach Aufhören der Exposition nehmen die Symptome allmählich ab. Häufig verschwinden sie vollständig, wenn es nicht im Rahmen einer COPD zu dauerhaften Veränderungen gekommen ist.
  • Zwischen Überproduktion von Sputum und der Verringerung von FEV1 besteht ein bekannter Zusammenhang.
    • Husten und Sputumbildung sind mit erhöhter Sterblichkeit bei milder bis mittelgradiger COPD verbunden.

Komplikationen

  • Wiederholte Atemwegsinfektionen
  • COPD

Prognose

  • Bei Raucher*innen mit chronischer Bronchitis besteht ein höheres Risiko der Entwicklung einer COPD als bei Raucher*innen, die nicht von Husten mit Auswurf betroffen sind.8-9
  • Das Auftreten einer chronischen Bronchitis ist mit einer erhöhten Mortalität verbunden, auch wenn keine COPD vorliegt.10
  • Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD
    • genuine Faktoren
      • genetische Prädisposition (z. B. Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel)
      • bronchiale Hyperreaktivität (Asthma)
      • Störungen des Lungenwachstums
    • exogene Faktoren
      • inhalativer Tabakkonsum (auch passiv)
      • berufsbedingte inhalative Noxen
      • Umweltnoxen (Biomasseexposition, Luftverunreinigung)
      • intrauterine und frühkindliche Einwirkungen
      • Atemwegsinfektionen (in der Kindheit)
      • sozioökonomischer Status

Verlaufskontrolle

  • Rauchgewohnheiten oder andere Exposition bei allen Kontakten erfassen
  • Spirometrie in regelmäßigen Abständen bzw. bei Auftreten von Kurzatmigkeit
  • Röntgenverlaufskontrolle, wenn bei Raucher*innen eine Veränderung der Hustenqualität eintritt

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Erklären Sie den Zusammenhang zwischen Exposition zu Tabakrauch oder anderen inhalativen Noxen und ihren Symptomen.
  • Bei weiterer Exposition besteht ein hohes Risiko eines chronischen Verlaufs und der Entwicklung von COPD.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Halbert RJ, Natoli JL, Gano A, et al. Global burden of COPD: systematic review and meta-analysis. Eur Respir J. 2006 Sep;28(3):523-32. PMID: 16611654. PubMed
  2. Cerveri I, Accordini S, Verlato G, et al. Variations in the prevalence across countries of chronic bronchitis and smoking habits in young adults. Eur Respir J. 2001 Jul;18(1):85-92. PMID: 11510810 PubMed
  3. Ferre A, Fuhrman C, Zureik M, et al. Chronic bronchitis in the general population: influence of age, gender and socio-economic conditions. Respir Med. 2012 Mar;106(3):467-71. PMID: 22197577 PubMed
  4. Lumsden AB, McLean A, Lamb D. Goblet and Clara cells of human distal airways: evidence for smoking induced changes in their numbers. Thorax. 1984 Nov;39(11):844-9. PMID: 6505991 PubMed
  5. Eduard W, Pearce N, Douwes J. Chronic bronchitis, COPD, and lung function in farmers: the role of biological agents. Chest. 2009 Sep;136(3):716-25. PMID: 19318669 PubMed
  6. Hallberg J, Dominicus A, Eriksson UK, Gerhardsson de Verdier M, Pedersen NL, Dahlback M, et al. Interaction between smoking and genetic factors in the development of chronic bronchitis. Am J Respir Crit Care Med. 2008 Mar 1;177(5):486-90. PMID: 18048810 PubMed
  7. Poole P, Chong J, Cates CJ. Mucolytic agents versus placebo for chronic bronchitis or chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database of Syst. Rev. 2015, Issue 7. Art. No.: CD001287. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Guerra S, Sherrill DL, Venker C, et al. Chronic bronchitis before age 50 years predicts incident airflow limitation and mortality risk. Thorax. 2009 Oct;64(10):894-900. PMID: 19581277 PubMed
  9. Vestbo J, Prescott E, Lange P. Association of chronic mucus hypersecretion with FEV1 decline and chronic obstructive pulmonary disease morbidity. Copenhagen City Heart Study Group. Am J Respir Crit Care Med. 1996 May;153(5):1530-5. PMID: 8630597 PubMed
  10. Ekberg-Aronsson M, Pehrsson K, Nilsson JA, Nilsson PM, Lofdahl CG. Mortality in GOLD stages of COPD and its dependence on symptoms of chronic bronchitis. Respir Res. 2005;6:98. PMID: 16120227 PubMed

Autor*innen

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München

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