Zusammenfassung
- Definition:Einstülpung eines Darmteils in den sich anschließenden Darmabschnitt.
- Häufigkeit:Am häufigsten bei Kindern unter 2 Jahren. Inzidenz 60–100 pro 100.000 Säuglinge im Jahr.
- Symptome:Bauchschmerzen, Erbrechen, blutiger Schleim aus dem Rektum.
- Befunde:Abdominelle Druckschmerzhaftigkeit, geblähtes Abdomen, ggf. Peritonismus.
- Diagnostik:Per Ultraschall.
- Therapie:Meist konservativ mit Einläufen, manchmal operativ.
Allgemeine Informationen
Definition
- Bei der Invagination (Intussuszeption) stülpt sich ein Teil des Darms der Längsachse folgend in den anschließenden Darmabschnitt ein.
- häufigste Lokalisation ileo-zökal (80 %)
- Eine Invagination ist ein Notfall und muss sofort behandelt werden.
Häufigkeit
- Inzidenz
- 60–100/100.000 bei Kindern < 1 Jahr
- 32/100.000 bei Kindern < 2 Jahre
- 80 % der Invaginationen treten bei Kindern innerhalb des ersten Lebensjahres auf.
- Das Verhältnis von Jungen zu Mädchen beträgt 3:2.
Ätiologie und Pathogenese
- Zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 3. Lebensjahr meist idiopathisch
- Bei Auftreten nach dem 3. Lebensjahr häufig ausgelöst durch eine Leitstruktur
- Virusinfektionen: Vergrößerung der Peyer-Plaques, vermehrte Darmmotilität, Lymphadenitis mesenterialis1
- Adenovirus (Typ C)
- Enterovirus
- Norovirus
- humanes Herpesvirus-6
- erhöhtes Risiko im Verlauf der ersten 6 Monate nach einer durchlittenen bakteriellen Darminfektion2
- Assoziation mit vorhergehender Rotavirus-Impfung (keine Assoziation mit Wild-Typ-Rotavirus-Infektion!)3-4
- anatomische Ursachen bei Kindern
- Meckel-Divertikel (5–6 %)
- Darmduplikaturen
- Appendix
- Adhäsionen
- Raumforderungen (Tumoren, Darmpolypen, Lymphome), nehmen mit
steigendem Lebensalter zu., - submuköse Einblutungen oder Ödem bei Purpura Schönlein-Henoch
- zystische Fibrose: wiederholte Invaginationen bis in ein Alter von 9–12 Jahren
- Einzelfälle im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion wurden beschrieben.5-6
- Übergewicht als möglicher Prädispositionsfaktor7-8
- Virusinfektionen: Vergrößerung der Peyer-Plaques, vermehrte Darmmotilität, Lymphadenitis mesenterialis1
- Durch das Einstülpen des Darms in den distaleren Abschnitt entsteht eine mechanische Behinderung, dies führt zum Ileus.
- Darüber hinaus führt das Abschnüren der Gefäße zu einer Darmischämie mit der Gefahr der Nekrose oder Perforation mit anschließender Peritonitis.
ICPC-2
- D99 Erkrankung Verdauungsyst., andere
ICD-10
- K56.1 Invagination
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Klinisches Bild mit akutem Abdomen, schwer krankes Kind, Diagnosesicherung durch Sonografie
Differenzialdiagnosen
- Säuglingskolik
- Akute Appendizitis
- Meckel-Divertikulitis
- Akute Gastroenteritis
- Inkarzerierte Hernien
- Ileus aus anderem Grund
- Volvulus
Anamnese
- Akuter Beginn mit kolikartigen Schmerzen
- ggf. vorhergegangene Gastroenteritis
- Rotavirus-Impfung vor 1–7 Tagen9
- Schonlagerung mit angezogenen Beinen
- Erbrechen, teilweise gallig
- Später Absetzen von blutig-schleimigem Stuhl („Himbeergelee-artig“)
Klinische Untersuchung
- Abwehrspannung der Bauchdecken, ggf. walzenförmige Struktur tastbar
- Allgemeinsymptome wie Fieber, Schocksymptomatik möglich
- Dehydratationszeichen
- Auskultatorisch hochgestellte Darmgeräusche
- Bei rektaler Untersuchung evtl. Blut am Finger
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Die Sonografie ist das Mittel der Wahl, die Diagnose zu bestätigen.
- Sensitivität 98–100 %, Spezifität 88–100 %10, abhängig von der Erfahrung der Untersucher*innen
- Befunde der Sonografie mit Linearschallkopf
- Kokardenphänomen/Target-Zeichen
- Pseudokidney-Zeichen
- Pendelperistaltik
- Zeichen einer Enteritis und freie Flüssigkeit.
- Röntgen-Leeraufnahme (Sensitivität nur 45 %) und der Röntgen-Kontrasteinlauf sind überholt.
Indikation für eine Klinikeinweisung
- Soforteinweisung in die Pädiatrie, möglichst in eine Klinik mit kinderchirurgischer Versorgung zur Diagnostik und Reposition bei klinischem Verdacht auf die Erkrankung
Therapie
Therapieziele
- Die Invagination möglichst schnell reponieren, um eine Darmischämie mit Durchwanderungsperitonitis zu verhindern.
- Bei schon bestehender Ischämie/Peritonitis Entfernung des betroffenen Darmabschnittes und Stabilisierung der Patient*innen
Allgemeines zur Therapie
- Konservativer Versuch, die Invagination durch rektalen Einlauf mit Kochsalzlösung oder Insufflation von Luft zu reponieren.
- Bei einer ursächlichen Raumforderung oder bereits länger bestehenden Symptomen kann eine Operation notwendig sein.
Konservative Therapie
- Desinvagination
- hydrostatische Desinvagination: sonografisch kontrollierte rektale Instillation von physiologischer Kochsalzlösung über Foley-Katheter
- höhere Erfolgsrate als pneumatische Desinvagination11
- Symptomatik seit < 18 Stunden in 97,3 % erfolgreich, bei Symptomatik > 24 Stunden nur in 33,3 %
- pneumatische Desinvagination: durchleuchtungskontrollierte rektale Insufflation von Luft über Foley-Katheter
- Kriterien für die Durchführbarkeit
- zeitgerechte Diagnose: Symptome vor weniger als 24–48 Stunden12-13
- Fehlen einer ursächlich auslösenden Raumforderung
- Ausschluss einer Perforation, Peritonitis oder massivem Blutabgang ex ano
- hydrostatische Desinvagination: sonografisch kontrollierte rektale Instillation von physiologischer Kochsalzlösung über Foley-Katheter
Operative Therapie
- Bleibt der konservative Desinvaginationsversuch erfolglos, ist eine Operation notwendig.
- Ebenso wird operiert,
- wenn die Symptomatik länger als 24 Stunden besteht.
- bei Perforationsverdacht
- bei bekannter ursächlicher Raumforderung oder Fehlbildung
- bei Rezidiven.
- Die Operation erfolgt entweder mittels Laparotomie oder laparoskopisch.
- unter Erhalt des betroffenen Darmabschnittes oder Resektion (bei Nekrose oder zugrundeliegender Raumforderung)
- Vorteile der Laparoskopie
- kürzerer stationärer Aufenthalt
- besseres kosmetisches Ergebnis14-15
Prävention
- Die Rotavirus-Impfung sollte im Alter von 6–12 Wochen begonnen werden, weil später das Invaginationsrisiko zunimmt.9
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Die Erkrankung kann aus völligem Wohlbefinden auftreten.
Komplikationen
- Mechanischer Ileus
- Darmgangrän und evtl. Perforation
- Peritonitis
- Rezidivinvagination
Prognose
- Ohne Behandlung ist die Darminvagination ein lebensbedrohlicher Zustand.
- Bei rechtzeitiger Behandlung ist die Prognose gut.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Invagination des Dünndarms

Darminvagination mit Kokardenphänomen im Querschnitt (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)

Darminvagination im Längsschnitt (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)
Quellen
Literatur
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Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren