Zusammenfassung
- Definition:Akute bakterielle Infektion der Prostata. Das Erregerspektrum entspricht dem von Harnwegsinfekten.
- Häufigkeit:Bei Männern mit fieberhaftem Harnwegsinfekt haben 85 % eine Mitbeteiligung der Prostata.
- Symptome:Akut einsetzende Schmerzen im Unterleib, hinter der Symphyse und Hoden, häufig Ausstrahlung in die äußeren Genitalien oder den Rücken, Fieber und ausgeprägtes Krankheitsgefühl.
- Befunde:Fieber und bei Berührung sehr schmerzhafte Prostata.
- Diagnostik:Untersuchung des Urins auf Bakterien und Leukozyten, Urinkultur, ggf. Sonografie.
- Therapie:Behandlung mit Antibiotika, Mittel der Wahl bei ambulanten Patienten sind Fluorchinolone; ggf. stationäre Einweisung.
Allgemeine Informationen
Definition
- Akute schmerzhafte Entzündung der Prostata, in der Regel durch Bakterien verursacht1-2
Häufigkeit
- Am häufigsten bei Männern zwischen 20 und 40 Jahren sowie über 70 Jahre3
- In den USA ist die akute Prostatitis die häufigste urologische Diagnose bei Männern unter 50 Jahren, und die dritthäufigste bei Männern über 50 Jahre.2
- Bei Männern mit fieberhaftem Harnwegsinfekt haben 85 % eine Mitbeteiligung der Prostata.
Ätiologie und Pathogenese
- Zumeist ist der Auslöser eine untere Harnwegsinfektion, die sich auf die Prostata ausbreitet.2
- Iatrogen nach Prostatabiopsie1
- Das Erregerspektrum gleicht dem des Harnwegsinfektes bei Männern: E. coli (80 %), Enterokokkus, Pseudomonas, Proteus mirabilis, Klebsiella, und Serratia.1-2
- Seltenere Verursacher sind Chlamydia trachomatis, Mycoplasma genitalum und Neisseria gonorrhoeae.
- 1,3 % der Männer mit einem Chlamydien-positiven urethralen Befund erleiden im Verlauf eine Prostatitis.
- bei Immunsupprimierten (HIV etc.) seltenere Erreger wie M. tuberculosis, Candida sp. u. a.1
- Seltenere Verursacher sind Chlamydia trachomatis, Mycoplasma genitalum und Neisseria gonorrhoeae.
ICPC-2
- Y73 Prostatitis/Samenblasenentzündung
ICD-10
- N41 Entzündliche Krankheiten der Prostata
- N41.0 Akute Prostatitis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Akute Schmerzen im Dammbereich und hinter der Symphyse; Tastbefund einer diffus vergrößerten und stark schmerzhaften Prostata, Fieber und deutliches Krankheitsgefühl.
- Nachweis von Leukozyten und/oder nitritbildenden Bakterien im Urin
- Die akute Prostatitis gilt als abwendbar gefährlicher Verlauf eines Harnwegsinfektes bei Männern.
Differenzialdiagnosen
- Unterer Harnwegsinfekt
- weniger starke Schmerzen, keine Schmerzen bei digital-rektaler Untersuchung1
- Chronische Prostatitis
- Beschwerden über mindestens 3 Monate, häufig weniger intensive Beschwerden1
- Akute Pyelonephritis
- Flankenschmerzen und Fieber
- Akute Epididymitis
- schmerzhafter Hoden/Nebenhoden und sichtbare/tastbare Schwellung des Skrotums
- Akute Divertikulitis
- linksseitige Unterbauchschmerzen, Fieber
- Analabszess
- tastbarer Tumor/Schwellung im Perianalbereich mit Rötung und Druckschmerz
Anamnese
- Akut einsetzende Schmerzen, die in Damm, Bauch und Rücken ausstrahlen können.1
- Häufig Fieber, Schüttelfrost, Myalgien und deutliches Krankheitsgefühl,
- Mögliche weitere Symptome
- Schmerzen beim Stuhlgang
- Dysurie und Pollakisurie
- eitriger Ausfluss
- verminderter Harnfluss und komplette Verlegung der Harnröhre; Urinretention
Klinische Untersuchung
Leitlinie: Diagnostik bei Verdacht auf akute Prostatitis1
- Empfohlene Diagnostik
- vorsichtige digital-rektale Untersuchung zur Beurteilung des Zustandes der Prostata
- Urindiagnostik: Leukozyten und Nitrit in Mittelstrahlurin
- bei Fieber und reduziertem Allgemeinzustand: kleines Blutbild und Blutkulturen
- Urinkultur
- Die Prostata ist diffus vergrößert und stark schmerzempfindlich, bei der Tastuntersuchung daher sehr vorsichtig vorgehen.
- Zu heftige Tastuntersuchung kann eine Bakteriämie auslösen.1
- Manchmal ist eine komplette Entleerung der Harnblase aufgrund der Verlegung der Harnröhre nicht mehr möglich.
Urinuntersuchungen
- Bakterien, Protein, Blut, z. B. durch Urinstreifentests („U-Stix“, s. u.)
- Urinkultur
- Mikrohämaturie ohne anderen Urinbefund deutet auf Steinerkrankung (Sensitivität > 90 %).
- Siehe Tabelle Urinstreifentest, Störfaktoren.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Der PSA-Wert ist häufig erhöht.
- Prostatamassage kann zu Bakteriämie führen und ist daher kontraindiziert.1
- Sonografie zum Ausschluss eines Harnstaus
- Ggf. kleines Blutbild, Blutkulturen
- Wenn bei Männern mit einer Harnwegsinfektion eine Indikation zur Antibiotikatherapie gestellt wird, sollte vor Therapiebeginn eine Urinkultur durchgeführt werden und entsprechend resistenzgerecht behandelt werden.
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Kultur oder PCR aus Harnröhrenabstrich zur Untersuchung auf Chlamydien und Gonorrhö
- Transrektaler Ultraschall bei V. a. Prostataabszess1
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf eine chronische Prostatitis oder atypische Erreger
- Bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen bei Männern,
- Bei Diagnoseunsicherheit oder fehlendem Ansprechen auf die Antibiotikabehandlung3
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
- Bei stark reduziertem Allgemeinzustand, V. a. Sepsis
- Bei Zeichen des Harnstaus/der Urinretention
Therapie
Therapieziele
- Infektion eliminieren.
- Komplikationen verhindern bzw. behandeln.
Medikamentöse Therapie
- Patienten mit Urinretention, stark reduziertem Allgemeinzustand oder Gefahr einer Sepsis sollten ins Krankenhaus eingewiesen werden und eine intravenöse Antibiotikatherapie erhalten.
- Empfehlungen basieren auf klinischen Erfahrungen; kontrollierte Studien gibt es nicht zur Therapie der akuten Prostatitis.1
- Lange Therapiedauer von 2–4 Wochen1
- Schmerztherapie nach Bedarf
Leitlinie: Therapie bei akuter Prostatitis1
- Bei systemischen Krankheitszeichen stationäre Behandlung und initiale parenterale Antibiotikatherapie
- Die empfohlenen Antibiotika entsprechen denen des komplizierten Harnwegsinfektes.
- ggf. initiale parenterale Antibiotikatherapie
- Amoxicillin + Aminoglykosid
- Cephalosporin der 2. Generation + Aminoglykosid
- Cephalosporin der 3. Generation
- wenn ambulante Behandlung möglich:
- Anpassung der antibiotischen Therapie nach Urinkultur1
- Therapiedauer 2–4 Wochen1
- Kein Einsatz von:
- Nitrofuratoin bei Verdacht auf Prostatitis
- Amoxicillin +/– Clavulansäure oder Trimethoprim +/– Sulfamethoxazol aufgrund der Resistenzlage1
- Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.
Weitere Therapiemaßnahmen
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
Prognose
- In der akuten Phase Gefahr der Sepsis, aber unter adäquater Therapie ist die Prognose gut.
- Selten: Übergang in eine chronische Prostatitis mit rezidivierenden Harnwegsentzündungen
Verlaufskontrolle
- Klinische Kontrolle nach einigen Tagen
- Eine Kontrolle des Urins per Urinstreifentest oder Kultur ist nicht notwendig, da der klinische Befund zur Beurteilung ausreicht.1
- Bei fehlender Besserung: Überweisung zu Spezialist*in
- Untersuchung auf atypische Erreger, und bei positivem Befund Partnerbehandlung1
- Eine Kontrollmessung des PSA-Werts sollte 3–6 Monate nach Symptomfreiheit erfolgen, falls erhöhte Werte festgestellt wurden.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Exploration der Prostata
Quellen
Leitlinien
- European Association of Urology (EAU). EAU Guidelines on Urological Infections 2022. www.uroweb.org
Literatur
- European Association of Urology (EAU). EAU Guidelines on Urological Infections. 2022. uroweb.org
- Chapple C, Mangera A. Acute Prostatitis. BMJ Best Practice, last updated mar 25, 2022. bestpractice.bmj.com
- Coker TJ, Dierfeldt DM. Acute bacterial prostatitis: Diagnosis and management. Am Fam Physician 2016 Jan 15; 93(2): 114-120. pmid: 26926407 PubMed
- Mody L, et al. A targeted infection prevention intervention in nursing home residents with indwelling devices a randomized clinical trial. JAMA Internal Med, 2015, 175: 714. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
- Dietrich August, Dr. med., Arzt, Freiburg im Breisgau