Allgemeine Informationen
Definition
- Blut im Ejakulat, entweder mit bloßem Auge sichtbar oder mikroskopisch nachweisbar
- Meist ohne begleitende Schmerzen
- Verlauf
Häufigkeit
- Kommt häufig vor; die Inzidenz ist allerdings schwer zu quantifizieren, da die meisten Männer ihr Ejakulat nicht häufig anschauen.
- Die Prävalenz ist bei Männern unter 40 Jahren am höchsten.
- Hämatospermie kann als einzelne Episode, aber auch wiederholt oder kontinuierlich auftreten.
Diagnostische Überlegungen
- Hämatospermie bei Patienten im Alter unter 40 Jahren1
- meist idiopathisch
- nur selten aufgrund einer Erkrankung
- meist Spontanremission innerhalb kurzer Zeit
- Bei Patienten im Alter über 40 Jahren
- Besonders bei wiederholter oder anhaltender Hämatospermie sollte nach der zugrunde liegenden Ursache geforscht werden.
- Häufigste Ursachen nicht-idiopathischer Hämatospermie
- meist iatrogen, etwa durch eine transrektale ultraschallgesteuerte Prostatabiopsie (TRUS) zum Ausschluss eines Prostatakarzinoms
- Infektionen sind am zweithäufigsten (10–15 %).2
ICD-10
- N50.1 Gefäßkrankheiten der männlichen Genitalorgane (inkl. Blutung, Hämatozele o.n.A., Thrombose)
Differenzialdiagnosen
Idiopathische Hämatospermie
- 30–70 % aller Fälle
- Meist als einzelne Episode1
- Möglicherweise durch Läsion von Blutgefäßen während der Ejakulation1
- Die frühere Annahme, längere sexuelle Abstinenz, intensive Masturbation und heftiger Geschlechtsverkehr seien die häufigsten Ursachen von Hämatospermie, konnte nie belegt werden.
- Erfordert in der Regel keine Untersuchung.1
Weitere Ursachen
Trauma
- Iatrogen
- TRUS-geleitete Prostatabiopsie
- Brachytherapie gegen Prostatakrebs
- andere intraurethrale Interventionen, z. B. Zystoskopie
- Sklerosierung von Hämorrhoiden
- Gewalteinwirkung an Genitalien, Perineum und Becken, z. B. durch:
- Unfall
- ungewöhnliche Sexual- einschl. Masturbationspraktiken, z. B. mit Einführung von Gegenständen in die Urethra
Entzündung und Infektion
- Keime, die infrage kommen:
- E. coli
- Herpes-simplex-Virus (siehe Artikel Herpes genitalis bei Männern)
- Chlamydia trachomatis
- Enterococcus faecalis
- Ureaplasma urealyticum
- Zytomegalie-Virus
- Neisseria gonorrhoeae
- Treponema pallidum (Syphilis)
- Staphylococcus aureus
- Prostatitis/Prostatovesikulitis (ist bei entzündungsbedingter Hämatospermie in bis zu 40 % der Fälle die Ursache)
- Entzündliche Erkrankungen der Prostata, einschl. benigner Prostatahyperplasie (BPH)
- Epididymitis
- Urethritis
- Seltener
- urogenitale Tuberkulose und Schistosomiasis (Bilharziose) in Endemiegebieten
- Malakoplakie (Malakoplasie)3
- seltene, chronisch-entzündliche granulomatöse Multisystem-Erkrankung, gekennzeichnet durch einzelne oder multiple Plaques
- Häufig sind die Harnwege betroffen.
Obstruktion
- Harnröhrenstriktur
- Zysten im Utriculus prostaticus, im Ductus ejaculatorius oder aus einem Müller-Gang-Residuum
- ggf. Nachweis im transrektalen Ultraschall (TRUS)
- evtl. geringes Ejakulatvolumen und Infertilität
- Therapie: minimal invasiv transurethral, transperineal oder transrektal
Neoplasmen
- Sind nur in rund 4 % der Fälle die Ursache für eine Hämatospermie. Mehr als die Hälfte davon entfallen auf Prostatakrebs.2
- Bei älteren Männern scheint eine Hämatospermie mit einem um den Faktor 1,7 erhöhten Risiko für ein Prostatakarzinom einherzugehen.
- Seltener
- Sarkom
- Blasenkarzinom
- Condylomata oder Polypen in Urethra oder Blase
Vaskuläre Anomalien
- Aberrante Gefäße, z. B. der Urethra oder Prostata
- Hämangiom
- arteriovenöse Fistel
- Teleangiektasien
- Varizen
Systemische Erkrankungen
- Hämatospermie scheint bei verschiedenen Systemerkrankungen gehäuft aufzutreten. Dazu zählen:
- schwere Hypertonie
- Hyperurikämie
- hämatologische Erkrankungen, z. B.:
- Lymphome
- Leukämien
- Blutungsneigung, z. B. bei Hämophilie (auch unter Antikoagulanzien)
- schwere Lebererkrankung
- Amyloidose
Anamnese
Gibt es andere Symptome?
- Ein Kondomtest kann klären, ob es sich um eine echte Hämatospermie handelt oder um Blut der Sexualpartnerin oder des Sexualpartners.1
- Farbe des Ejakulats
- Nach frischen Blutungen ist das Ejakulat hellrot bis bräunlich gefärbt.
- Ältere Blutungen können als dunkel- bis schwarzbraune Koagel im Sperma imponieren.
- Seit wann ist Blut im Sperma?
- einzelne Episode: meist idiopathisch
- mehrere wenige Episoden: Infektion? Trauma?
- lang anhaltend: spricht eher für andere Ursachen (s. o.)
- Schmerzen beim Wasserlassen?
- häufig bei Urethritis, Zystitis oder Prostatitis
- Schmerzhafte Ejakulation?
- häufig bei Prostatitis oder Obstruktion des Samenleiters
- Instrumentelle Manipulation der Urethra?
- Äußeres Trauma?
- Systemerkrankungen?
- z. B. Blutgerinnungsstörungen, Lebererkrankungen, schwere unkontrollierte Hypertonie
- Paraneoplastische Symptome?
- z. B. Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber, Schüttelfrost oder Knochenschmerzen
- Differenzialdiagnose: Entzündungsherd anderer Ursache
- Medikamente?
- Antikoagulanzien?
- Acetylsalicylsäure?
- NSAR?
- Reisen in Gebiete mit endemischer Tuberkulose, Schistosomiasis (Bilharziose)?
Klinische Untersuchung
- Abhängig von der Anamnese:
- komplette Inspektion und Palpation des äußeren Genitales einschließlich der Samenleiter und Nebenhoden bis zum äußeren Leistenring
- Palpation der regionären Lymphknoten
- digitale rektale Untersuchung der Prostata und der Samenblasen (Verhärtungen, Schmerzen?)
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
- Abhängig von Anamnese und Befunden können folgende Untersuchungen indiziert sein:
- Urinstatus inkl. Bakteriologie und Zytologie
- Hämaturie bedarf der weiteren Abklärung
- Blutuntersuchungen
- Blutbild (Anämie? Thrombozyten? Leukozyten?)
- weitere Gerinnungsparameter
- ggf. weitere Entzündungsparameter (Infektion?)
- Harnsäure
- PSA bei Männern über 40 und bei allen mit Prostatakrebs in der familiären Krankengeschichte
- Mikrobiologische Tests
- Männer mit Hämatospermie und Symptomen für Urethritis sollten auf Chlamydien, Gonorrhö und ggf. weitere Erreger getestet werden (Näheres im Artikel Urethritis).1
Bei Spezialist*innen (Urologie)
- Je nach Fragestellung:
- Ultraschall von Hoden, Nebenhoden und Prostata
- makroskopische und mikroskopische Untersuchung des Ejakulats
- Urethralabstrich und Urinsediment mit Urinkulturen
- transrektaler Ultraschall (TRUS)ggf. mit Biopsie
- MRT mit Endorektalspule, evtl. CT
- Urethrozystoskopie
Maßnahmen und Empfehlungen
Therapie
- Ursachenorientiert
- Die Patienten aufklären und nach Möglichkeit beruhigen.
Indikationen zur Überweisung
- Gründe für eine Überweisung (Urologie)
- Auffälligkeiten bei der körperlichen Untersuchung
- Risikofaktoren
- Patient älter als 40 Jahre
- wiederkehrende oder anhaltende Hämatospermie
- positive Familienanamnese für ein Prostatakarzinom
- PSA-Erhöhung
- Hämaturie
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Weiss BD, Richie JP. Hematospermia. UpToDate. Last updated: May 04, 2021. www.uptodate.com
- Ng YH, Seeley JP, Smith G. Haematospermia as a presenting symptom: outcomes of investigation in 300 men. Surgeon 2013; 11: 35–8. PMID: 22682581 PubMed
- Orpha.net. Malakoplakia. www.orpha.net
Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg