Allgemeine Informationen
Definition
- Leitsymptom Schmerzen im Gesichtsbereich (orofaziale Schmerzen) mit vielfältigen, zahnärztlichen und nicht-zahnärztlichen Ursachen1
- Unterscheidung primärer und sekundärer Gesichtsschmerzen (analog zu Kopfschmerzen)
- Sekundäre Schmerzen: Gesichtsschmerz ist Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung (z. B. Rhinosinusitis).
- Primäre Schmerzen: Gesichtsschmerz stellt die Erkrankung dar und hat oft kein greifbares organisches Korrelat.
Klassifikation
ICOP-Klassifikation (2020)
- Eigenständige Klassifikation der Gesichtsschmerzen gemäß der Internationale Klassifikation orofazialer Schmerzen (ICOP)
- vor 2020 eingegliedert in die Kopfschmerz-Klassifikation ICHD-32
- Unterteilung der orofazialen Schmerzen in sechs Gruppen:
- Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf Erkrankungen und Dysfunktionen dentoalveolärer und anatomische benachbarter Strukturen.
- 1.1 Zahnschmerz
- 1.2 Schmerzen der Mundschleimhaut, Speicheldrüsen sowie
Kieferknochen
- Myofaszial-orofaziale Schmerzen
- 2.1 primäre myofasziale Gesichtsschmerzen
- 2.2 sekundäre myofasziale Gesichtsschmerzen
- Kiefergelenksschmerzen
- 3.1 primäre Schmerzen des Kiefergelenks (temporomandibuläre Dysfunktion)
- 3.2 sekundäre Schmerzen des Kiefergelenks
- Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Erkrankung der Hirnnerven.
- 4.1 Gesichtsschmerzen aufgrund von Läsionen oder Erkrankungen des Nervus trigeminus (Trigeminusneuralgie)
- 4.2 Gesichtsschmerzen aufgrund von Läsionen oder Erkrankungen des Nervus glossopharyngeus
- Orofaziale Schmerzen mit Ähnlichkeit zu primären Kopfschmerzerkrankungen
- 5.1 faziale Migräne
- 5.2 spannungsartiger Gesichtsschmerz
- 5.3 trigemino-autonome Gesichtsschmerzen
- 5.4 neurovaskuläre Gesichtsschmerzen
- Idiopathische orofaziale Schmerzen
- 6.1 Burning-Mouth-Syndrome (BMS)
- 6.2 persistierender idiopathischer Gesichtsschmerz
- 6.3 persistierender idiopathischer dento-alveolärer Schmerz
Häufigkeit
- Symptom Gesichtsschmerz mit Lebenszeitprävalenz von bis zu 26 % in der Allgemeinbevölkerung3
- In der Mehrheit der Fälle dentale Ursache der Gesichtsschmerzen
- Häufigste nicht-zahnärztliche Ursache für Gesichtsschmerzen ist die temporomandibuläre Dysfunktion (TMD).1
- Inzidenz der Trigeminusneuralgie: 12,6–29,8 /100.000 Personenjahre
- Anhaltende, idiopathische Gesichtsschmerzen sind vergleichsweise selten.
- Inzidenz von ca. 4,4/100.000 Personenjahre
- 90 % Frauen (mittleres Alter bei Diagnosestellung: 45 Jahre)4
Konsultationsgrund
- In der Regel sind die Schmerzen der Konsultationsgrund.
Diagnostische Überlegungen
- Gesichtsschmerzen stehen im Bereich zwischen verschiedenen medizinischen Professionen (Zahnmedizin, Allgemeinmedizin, Kieferchirurgie, HNO, Neurologie, Schmerztherapie).1
- häufig zahnärztliche Erstvorstellung bei Manifestation
- wenig Schnittstellen mit Spezialist*innen in der Behandlung nichtdentaler Gesichtsschmerzen
- Risiko unnötiger Eingriffe (z. B. Zahnextraktionen)
- Fortgeleitete Schmerzen anderer Lokalisation können das Gesicht betreffen.
- z. B. Ausstrahlung von Kopfschmerzen auch in das Gesicht bei etwa 10 % der Patient*innen
- Häufig liegen bei anhaltenden Gesichtsschmerzen Komorbiditäten vor.1
- z. B. Depression, Angst, anderweitige chronische Schmerzen
- Siehe auch verwandte Artikel:
Abwendbar gefährliche Verläufe
- Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)
- Kann unbehandelt zum Visusverlust führen.1
- Gefahr der Fehldeutung als temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)1
- Zoster ophthalmicus
- Gefahr des Visusverlust bei Augenbeteiligung sowie Meningoenzephalitis bei ZNS-Beteiligung
- Sekundäre Trigeminusneuralgie
- Manifestation im Rahmen von Tumoren im Kleinhirnbrückenwinkel (Vestibularis-Schwannom, Metastasen)
- Neuropathische Schmerzsyndrome
- auch paraneoplastisch im Rahmen einer malignen Erkrankung1
ICPC-2
- N03 Gesichtsschmerz
ICD-10
- B02.3 Zoster ophthalmicus
- G44.0 Cluster-Kopfschmerz
- G50 Krankheiten des N. trigeminus [V. Hirnnerv]
- G50.1 Atypischer Gesichtsschmerz
- H20 Iridozyklitis
- H40 Glaukom
- H48 Erkrankung des N. opticus und Sehbahnen bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- J01 Akute Sinusitis
- K02 Zahnkaries
- K05 Gingivitis und Krankheiten des Parodonts
- K07.6 Krankheiten des Kiefergelenkes: Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)
- M31.6 Arteritis temporalis
- R51 Kopfschmerz
Differenzialdiagnosen
Attackenartige Gesichtsschmerzen
Trigeminusneuralgie
- Siehe Artikel Trigeminusneuralgie.
- Definition und Ursache
- neuropathisches Gesichtsschmerzsyndrom mit Neuralgie des N. trigeminus (V)
- Klassifikation nach ICOP
- klassisch: neurovaskulärer Kontakt mit Verlagerung des N. trigeminus
- sekundär: zurückzuführen auf Grunderkrankung (z. B. multiple Sklerose in 2–3 % aller Fälle)
- idiopathisch: ohne Nachweis eines Korrelats
- Häufigkeit
- Lebenszeitprävalenz von 0,16–0,3 %
- Erkrankungsgipfel zwischen 60 und 70 Jahren
- Symptome
- Schmerzcharakter: extrem heftige, elektrisierende und stechende Schmerzen
- Lokalisation: einseitig im Versorgungsgebiet des N. trigeminus
- Verlauf: blitzartig einschießende Attacken über sec, selten bis zu 2 min; zusätzlicher Dauerschmerz möglich
- Auslöser: spontan oder getriggert durch z. B. Berührung, Kauen, Sprechen
- Diagnostik
- Diagnosestellung primär klinisch
- MRT-Bildgebung zur Abklärung von Ursachen
- Therapie
- primär medikamentöse Behandlung, z. B. mit Carbamazepin
- bei Gefäß-Nerven-Kontakt ggf. mikrovaskuläre Dekompressionsoperation
Glossopharyngeusneuralgie
- Siehe Artikel Glossopharyngeusneuralgie.
- Definition und Ursache
- neuropathisches Schmerzsyndrom mit Neuralgie des N. glossopharyngeus (IX)
- Analog zur Trigeminusneuralgie: Die häufigste Ursache ist eine neurovaskuläre Kompression.
- Häufigkeit
- selten, Inzidenz 0,2–0,4/100.000 Personenjahre
- Symptome
- Attacken mit starken einschießenden, elektrisierenden Schmerzen von sec bis zu 2 min; zusätzlicher Dauerschmerz möglich
- Auslöser: Schlucken, Sprechen und Husten
- Lokalisation: Versorgungsbereich des N. glossopharyngeus und der aurikulären/pharyngealen Äste des N. vagus (Ohr, Zungengrund, Tonsillenloge, unterhalb des Kieferwinkels),
- Diagnostik
- klinische Diagnose; MRT zur Ursachenabklärung
- Therapie
- primär medikamentöse Therapie, z. B. mit Carbamazepin oder Oxcarbazepin
- bei Versagen ggf. mikrovaskuläre Dekompressionsoperation,
Cluster-Kopfschmerz
- Siehe Artikel Cluster-Kopfschmerz.
- Definition und Ursache
- primäre Kopfschmerzerkrankung aus der Gruppe der trigeminoautonomen Kopfschmerzen,
- andere trigeminoautonome Kopfschmerzsyndrome
- paroxysmale Hemikranie
- SUNCT-Syndrom/SUNA-Syndrom
- Hemicrania continua
- Häufigkeit
- Prävalenz des Cluster-Kopfschmerzes von 0,1–0,2 %
- Männer sind häufiger betroffen als Frauen (3:1).
- Der Subtyp des fazialen Cluster-Kopfschmerzes betrifft 14,8 % aller Cluster-Patient*innen.
- Symptome
- kurz andauernde, starke, streng einseitige Kopfschmerzattacken
- Episodendauer auch bei orofazialer Clusterattacke 15–180 min
- Frequenz: eine Attacke jeden 2. Tag bis zu 8 Attacken/Tag
- begleitend ipsilaterale autonome Symptome
- Lakrimation, konjunktivale Injektion, Rhinorrhö, Schwitzen, Hautrötung, Horner-Syndrom, Unruhe
- Diagnostik
- Diagnose durch Anamnese und klinisch-neurologische Untersuchung
- Therapie
- Akuttherapie mit Sauerstoffinhalation oder Triptanen5
- Prophylaxe z. B. mit Verapamil oder Topiramat
Faziale Migräne
- Siehe Artikel Migräne.
- Definition und Ursache
- primäre Kopfschmerzerkrankung mit episodenhaftem Verlauf
- Häufigkeit
- Prävalenz von 20 % bei Frauen und 8 % bei Männern
- Der Subtyp der orofazialen Migräne betrifft 2,3 % aller Migräne-Patient*innen.
- Symptome
- episodenhafter, häufig einseitiger pulsierend-pochender Kopfschmerz
- bei orofazialer Migräne Gesichtsschmerzattacken mit oder ohne Kopfschmerzen von 4–72 Stunden Dauer
- begleitend Appetitlosigkeit (fast immer), Übelkeit (80 %), Erbrechen (40–50 %), Lichtscheu (60 %), Lärmempfindlichkeit (50 %)
- Therapie
- Akuttherapie mit ASS oder NSAR, bei schweren Attacken ggf. Triptane
Anhaltende Gesichtsschmerzen
Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz (Persistent Idiopathic Facial Pain, PIFP)
- Definition und Ursache
- Syndrom mit anhaltenden orofazialen Schmerzen für mehr als 2 Stunden täglich
- chronische Schmerzerkrankung mit unklarem Pathomechanismus,
- Synonym: „atypischer“ Gesichtsschmerz
- Häufigkeit
- selten, Inzidenz von 4,4/100.000 Personenjahre
- überwiegend Frauen betroffen (ca. 90 %)
- Symptome
- Verlauf: stetige, teils fluktuierende Beschwerden über mindestens 2 Stunden pro Tag
- Lokalisation: schlecht zu lokalisierender Gesichtsschmerz, nicht sicher einem Innervationsgebiet zuzuordnen, ein- oder beidseitig, Ausstrahlung und Ausbreitung, auch z. B. in den Hals möglich.
- Charakter: dumpf, drückend oder quälende Qualität
- Der Schlaf ist meistens nicht durch den Schmerz gestört.
- Diagnostik
- Ausschluss symptomatischer Ursachen (unauffällige klinisch-neurologische und radiologischen Befunde)
- häufig psychische Komorbidität (Depression, Angststörung, Persönlichkeitsstörung)
- Therapie
- Aufklärung, Patientenedukation und Verhaltenstherapie,
- Vermeidung operativer Eingriffe
- Eingriffe wie Zahnextraktionen führen oft zur Verschlechterung.
- medikamentöse Therapie (u. a. Antidepressiva, Antikonvulsiva)5
Syndrom des brennenden Mundes (Burning-Mouth-Syndrom, BMS)
- Siehe Artikel Burning-Mouth -Syndrom (BMS).
- Definition und Ursache
- Syndrom mit anhaltenden Missempfindungen in der Mundhöhle für mehr als 2 Stunden täglich
- Genese der Erkrankung noch unverstanden
- Häufigkeit
- Inzidenz ca. 11,4 je 100.000 Personen
- häufig bei Frauen in den Wechseljahren
- Symptome
- Verlauf: anhaltende, fluktuierende Beschwerden
- Lokalisation: oberflächlich in der Mundschleimhaut, meist beidseitig
- Charakter: in erster Linie brennende Missempfindungen
- Mundtrockenheit und Geschmacksstörungen sind häufige Begleitsymptome.
- Diagnostik
- Ausschlussdiagnose: klinisch unauffällige Mundschleimhaut und keine lokalen oder systemischen Ursachen eruierbar
Sekundäre Gesichtsschmerzen
Akute Rhinosinusitis
- Siehe Artikel Rhinosinusitis.
- Definition und Ursache
- akute Entzündung der Nasenschleimhaut mit gestörtem Abfluss und gestörter Ventilation der Nasennebenhöhlen
- am häufigsten viral im Rahmen einer Erkältung
- meist Sinus maxillaris betroffen, seltener Sinus ethmoidalis, frontalis oder sphenoidalis
- chronische Sinusitis bei Dauer > 3 Monate
- Häufigkeit
- sehr häufige Erkrankung
- im Winter ca. 15–20 % der Bevökerung betroffen
- Symptome
- Gesichtsschmerzen sind ein typisches Symptom.
- Lokalisation um die Augen, an der Stirn oder an den Zähnen
- meist einseitig oder seitenbetont auftretend
- Begleitsymptome
- Nasenatmungsbehinderung und Sekretion
- beeinträchtigter Geruchssinn
- Fieber und Kopfschmerzen
- Gesichtsschmerzen sind ein typisches Symptom.
- Diagnostik
- primär klinische Diagnosestellung
- Therapie
- in unkomplizierten Fällen symptomatische Therapie, z. B. mit Sekretolytika und abschwellenden Nasensprays
- in schweren Fällen ggf. Antibiose (1. Wahl: Amoxicillin 3 x 500 mg/d)
- bei odontogener eitriger Sinusitis ggf. operatives Verfahren
Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)
- Siehe Artikel Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD).
- Definition und Ursache
- Schmerzen im Zusammenhang mit der Kaumuskulatur, dem Kiefergelenk und benachbarten Strukturen (myofaszial-orofaziale Schmerzen)
- Auftreten mit oder ohne funktionelle Beeinträchtigung
- Häufig sind Myalgien des M. temporalis und M. masseter.
- Häufigkeit
- Symptome
- episodisch bzw. anhaltende sowie akut bzw. chronische Verläufe
- Kiefergelenksschmerzen mit z. T. fortgeleiteten Gesichtsschmerz (Schmerzübertragung),
- oft eingeschränkte oder schmerzhafte Beweglichkeit des Kiefergelenks
- begleitende Kopf-, Nacken- oder Ohrenschmerzen möglich
- Klinischer Befund
- Einschränkung der Kieferöffnungsbewegung
- Modifikation der Schmerzen durch Kieferbewegungen oder Palpation des M. temporalis oder M. masseter
- Therapie
- oft selbstlimitierend, ggf. Vermeidung von Stress, Entspannungsverfahren und Behandlung von Zähneknirschen
Erkrankungen der Zähne und des Zahnhalteapparates
- Siehe Artikel Beschwerden in der Mundhöhle.
- Definition und Ursache
- verschiedene Erkrankungen der Zähne (z. B. Karies) oder der benachbarten Strukturen (Parodontitis)
- Häufigkeit
- dentale Erkrankungen häufigste Ursache für Gesichtsschmerzen1
- Symptome
- Schmerz häufig anhaltend oder provozierbar (mechanisch, thermisch)
- mögliche Übertragung/Ausstrahlung von Schmerzen bei dentalen Erkrankungen zu anderen orofazialen Stellen
- Diagnostik
- zahnärztliche Untersuchung und ggf. Röntgenbildgebung
Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)
- Siehe Artikel Riesenzellarteriitis.
- Der gesamte Abschnitt beruht auf dieser Referenz.
- Definition und Ursache
- systemische Vaskulitis der großen Gefäße
- Betrifft häufig Äste der A. carotis externa (z. B. A. temporalis), die A. ophthalmica oder den Aortenbogen und seine Äste.
- Häufigkeit
- häufigste primäre systemische Vaskulitis
- Prävalenz von 15–44/100.000
- Betrifft nahezu ausschließlich Patient*innen > 50 Jahre.
- Symptome
- Leitsymptom sind bohrend-stechende Kopfschmerzen, häufig unilateral
- Claudicatio masticatoria (ca. 30 %): neue oder zunehmende Schläfenschmerzen beim Kauen
- Gefahr der Erblindung bei Befall der Ciliararterien und anteriorer ischämischer Optikusneuropathie (AION)
- Diagnostik
- Therapie
- hochdosierte Kortikosteroidtherapie
- evtl. Tocilizumab; MTX als Off-Label-Use
Zoster und Post-Zoster-Neuralgie
- Siehe die Artikel Zoster und Post-Zoster-Neuralgie.
- Definition und Ursache
- Reaktivierung Infektion mit Varizella zoster (VZV) mit akuter Neuritis
- Zoster betrifft in 10–15 % einen oder mehrere Äste des N. trigeminus.
- Zoster ophthalmicus bezeichnet eine Beteiligung des 1. Trigeminusasts (Nervus ophthalmicus).
- Post-Zoster-Neuralgie (postherpetische Neuralgie) bezeichnet persistierende Schmerzen nach Abheilen des Zosters.
- Häufigkeit
- jährlich etwa 900 Zoster-Erkrankungen pro 100.000 Einw.
- Insbesondere Menschen über 50 Jahre sind betroffen.
- Post-Zoster-Neuralgie bei etwa 10 % aller Patient*innen nach Zoster
- Symptome
- einseitige Schmerzen im betroffenen Versorgungsgebiet des Nervs
- Charakter: brennend, stechend/einschießend, kribbelnd oder schmerzend
- im Verlauf Ausbildung von typischen Bläschen auf geröteter Haut
- Post-Zoster-Neuralgie mit Brennen und Jucken betrifft dasselbe Areal und persistiert nach dem Zoster
- Komplikationen
- Augenbeteiligung bei Zoster ophthalmicus mit Gefahr des Visusverlust
- Hirnnervenbeteiligung, z. B. Fazialisparese
- ZNS-Beteiligung mit Meningoenzephalitis
- Diagnostik
- in der Regel klinische Diagnose, ggf. Erregernachweis (PCR)
- Therapie
- antivirale Therapie des Zosters (z. B. Aciclovir), in schweren Fällen auch intravenös
- bei Zoster ophthalmicus augenärztliche Mitbeurteilung
- Behandlung der Post-Zoster-Neuralgie entsprechend der Grundsätze einer Therapie neuropathischer Schmerzen1
Weitere Ursachen sekundärer Gesichtsschmerzen
- Akuter Glaukomanfall
- intraokuläre Drucksteigerung bei engem Kammerwinkel
- klinisch gerötete und schmerzende Augen mit Visusminderung
- Ophthalmologischer Notfall, der zur Erblindung führen kann.
- Iridozyklitis und Uveitis
- meist einseitige Schmerzen mit Rötung, Visusminderung, Tränenfluss
- Tolosa-Hunt-Syndrom
- seltene Erkrankung mit granulomatös-lymphozytärer Entzündung im Bereich der Orbita
- Schmerzen in der Orbita und Lähmungen der Augenmuskulatur
- Zervikogene Schmerzen
- Funktionsstörungen der oberen HWS-Segmente und der Halsmuskulatur können zu Gesichtsschmerzen führen.
- Karotisdissektion
- Dissektionen der Halsarterien mit Hämatombildung in der Gefäßwand
- Hals-, Nacken-, Gesichts- oder Kopfschmerzen mit neurologischen Defiziten
- Ohrenschmerzen mit Schmerzausbreitung
- Solide Tumoren im Gesichtsbereich
- Myositis mit Beteiligung der Gesichts-/Kaumuskulatur
- Neuropathische Gesichtsschmerzen
- oft nach Gesichtstraumata oder Resektion von Gesichtstumoren
Anamnese
Schmerzanamnese
- Lokalisation1
- einseitige oder beidseitige Schmerzen
- im Versorgungsgebiet eines Astes des N. trigeminus (V)
- N. ophthalmicus (V1)
- N. maxillaris (V2)
- N. mandibularis (V3)
- Schmerzprojektion und Ausbreitung möglich
- Zeitlicher Verlauf1
- anhaltend oder attackenartig
- Frequenz der Episoden
- Dauer der Episoden
- 1–120 sec: typisch für Trigeminusneuralgie
- 2–30 min: typisch für paroxysmale Hemikranie
- 15–180 min: typisch für Cluster-Kopfschmerz
- 4–72 h: typisch für Migräne
- Intensität und Schmerzcharakter1
- stärkste, einschießend-elektrisierende Schmerzen typisch für Trigeminusneuralgie
- brennend-juckende Schmerzen und Missempfindungen bei Post-Zoster-Neuralgie
- drückende Gesichtsschmerzen häufig bei Sinusitis
- Auslösende oder modifizierende Faktoren1
- heiße, kalte oder süße Lebensmittel
- bei dentalen Beschwerden
- Schmerzzunahme beim Kauen (Claudicatio masticatoria)
- typisch für Riesenzellarteriitis
- elektrisierende Schmerzen schon bei geringer Berührung (Allodynie)
- bei Trigeminusneuralgie und anderen neuropathischen Schmerzen (z. B. Post-Zoster-Neuralgie)
- Provokation durch Bewegung der HWS, Kopfhaltung oder Druck auf die Muskulatur
- Hinweis auf zervikogenen Schmerz
- körperliche Aktivität
- Stress und Müdigkeit
- heiße, kalte oder süße Lebensmittel
Begleitsymptome
- Vegetative oder autonome Begleitsymptome
- Hinweis auf Cluster-Kopfschmerz oder andere trigeminoautonome Kopfschmerzen1
- Licht- und Lärmempfindlichkeit oder Übelkeit
- Hinweis auf eine faziale Migräne
- Visusminderung
- Hinweis auf Glaukomanfall oder Iridozyklitis/Uveitis
- Nächtliches Zähneknirschen
- Hinweis auf eine temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)
- Fieber und Verschlechterung des Allgemeinzustands
- z. B. bei Sinusitis oder Zoster ophthalmicus und VZV-Meningoenzephalitis
- Andere chronische Schmerzsyndrome, z. B. Fibromyalgiesyndrom
- Psychische Komorbidität, z. B. Depression und Angst
Klinische Untersuchung
- Inspektion des Gesichts
- Rötung und Effloreszenzen im schmerzhaften Areal bei Zoster
- Orientierender Zahnstatus
- Prüfung der Kieferöffnungsbewegung und Palpation von M. temporalis und M. masseter
- Beweglichkeitsprüfung der Halswirbelsäule und Palpation auf muskuläre Triggerpunkte
- Bulbusdruck- und Augenbewegungsschmerz
- erhöhter Augeninnendruck bei Glaukomanfall
- Palpation der A. temporalis superficialis
- Druckschmerzhaftigkeit bei Riesenzellarteriitis
- Prüfung der Nervenaustrittspunkte (Trigeminusdruckpunkte)
- Schmerzprovokation bei Sinusitis und Trigeminusneuralgie
- Prüfung der Sensibilität
- bei neuropathischen Gesichtsschmerzen meist zusätzliche Beeinträchtigung der Sensibilität
- Funktionsprüfung der Hirnnerven
Ergänzende Untersuchungen bei Spezialist*innen
- Zerebrale Bildgebung (MRT, seltener CT)1
- bei zahlreichen Gesichtsschmerzsyndromen zum Ausschluss symptomatischer Ursachen indiziert
- Duplexsonografie der Halsgefäße und der A. temporalis
- bei V. a. Karotisdissektion oder Riesenzellarteriitis
- Elektrophysiologische Diagnostik
- bei diagnostischen Unsicherheiten und zur Ausschlussdiagnostik bei idiopathischen Gesichtsschmerzsyndromen
- Labordiagnostik
- abhängig von der Verdachtsdiagnose
- z. B. BSG und CRP bei Riesenzellarteriitis
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- In vielen Fällen kann eine hausärztliche Behandlung erfolgen.
- Häufige Ursachen sind oft selbstlimitierend, z. B. akute Rhinosinusitis.
- Bei dentalen Beschwerden Überweisung an Zahnärzt*innen
- z. B. auch zur Anpassung einer Beißschiene bei Zähneknirschen
- Abhängig von der Manifestation und vermuteten Ursache Überweisung an Neurolog*innen, HNO-Ärzt*innen oder Augenärzt*innen
- bei neuropathische Schmerzen Behandlung durch Neurolog*innen
Indikationen zur Klinikeinweisung
- Bei erstmaligen, akuten und starken Gesichtsschmerzen kann eine Krankenhauseinweisung notwendig sein.
- z. B. Erstmanifestation oder Exazerbation einer Trigeminusneuralgie
Empfehlungen
- Die Behandlung richtet sich nach der ursächlichen Erkrankung.
- bei sekundärem Gesichtsschmerz abhängig von der Ursache oft kausale Therapieansätze
- bei primären Gesichtsschmerzen oft symptomatische oder multimodale Therapien
- Zusammenarbeit mit Zahnärzt*innen und Kieferchirurg*innen von zentraler Bedeutung
- z. B. Vermeidung operativer Eingriffe bei gesundem Zahnstatus3
- Symptomatische Therapie
- bei fazialer Manifestation einer Migräne oder eines Cluster-Kopfschmerzes entsprechende Akuttherapie
- bei idiopathischen Gesichtsschmerzsyndromen Einsatz von Antidepressiva und Antikonvulsiva
- Siehe auch Artikel zur Behandlung neuropathischer Schmerzen.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Trigeminusneuralgie
- Cluster-Kopfschmerz
- Migräne
- Kiefergelenksdysfunktion
- Akute Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung)
- Arteriitis temporalis
- Neuralgie nach Gürtelrose
Illustrationen

Nervus trigeminus (V) und seine Äste (V1-V3)
Quellen
Literatur
- Zakrzewska JM. Differential diagnosis of facial pain and guidelines for management. Br J Anaesth. 2013;111(1):95-104. doi:10.1093/bja/aet125 doi.org
- The International Classification of Headache Disorders 3rd edition. Painful lesions of cranial nerves and other facial pain. International Headache society. Stand 2018 www.ichd-3.org
- Weiss AL, Ehrhardt KP & Tolba R. Atypical Facial Pain: a Comprehensive, Evidence-Based Review. Curr Pain Headache Rep 21, 8 (2017). https://doi.org/10.1007/s11916-017-0609-9 doi.org
- Krolczyk SJ. Persistent Idiopathic Facial Pain. Medscape 2014. emedicine.medscape.com
- Graff-Radford SB. Facial pain. Neurologist. 2009;15(4):171-177. doi:10.1097/NRL.0b013e31819827d8 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung, Neurologie, Hamburg