Gesichtsschmerzen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Leitsymptom Schmerzen im Gesichtsbereich (orofaziale Schmerzen) mit vielfältigen, zahnärztlichen und nicht-zahnärztlichen Ursachen1
  • Unterscheidung primärer und sekundärer Gesichtsschmerzen (analog zu Kopfschmerzen)
    • Sekundäre Schmerzen: Gesichtsschmerz ist Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung (z. B. Rhinosinusitis).
    • Primäre Schmerzen: Gesichtsschmerz stellt die Erkrankung dar und hat oft kein greifbares organisches Korrelat.

Klassifikation

ICOP-Klassifikation (2020)

  • Eigenständige Klassifikation der Gesichtsschmerzen gemäß der Internationale Klassifikation orofazialer Schmerzen (ICOP)
    • vor 2020 eingegliedert in die Kopfschmerz-Klassifikation ICHD-32
  • Unterteilung der orofazialen Schmerzen in sechs Gruppen:
  1. Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf Erkrankungen und Dysfunktionen dentoalveolärer und anatomische benachbarter Strukturen.
    • 1.1 Zahnschmerz
    • 1.2 Schmerzen der Mundschleimhaut, Speicheldrüsen sowie
      Kieferknochen
  2. Myofaszial-orofaziale Schmerzen
    • 2.1 primäre myofasziale Gesichtsschmerzen
    • 2.2 sekundäre myofasziale Gesichtsschmerzen
  3. Kiefergelenksschmerzen
  4. Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Erkrankung der Hirnnerven.
    • 4.1 Gesichtsschmerzen aufgrund von Läsionen oder Erkrankungen des Nervus trigeminus (Trigeminusneuralgie)
    • 4.2 Gesichtsschmerzen aufgrund von Läsionen oder Erkrankungen des Nervus glossopharyngeus
  5. Orofaziale Schmerzen mit Ähnlichkeit zu primären Kopfschmerzerkrankungen
    • 5.1 faziale Migräne
    • 5.2 spannungsartiger Gesichtsschmerz
    • 5.3 trigemino-autonome Gesichtsschmerzen
    • 5.4 neurovaskuläre Gesichtsschmerzen
  6. Idiopathische orofaziale Schmerzen
    • 6.1 Burning-Mouth-Syndrome (BMS)
    • 6.2 persistierender idiopathischer Gesichtsschmerz
    • 6.3 persistierender idiopathischer dento-alveolärer Schmerz

Häufigkeit

  • Symptom Gesichtsschmerz mit Lebenszeitprävalenz von bis zu 26 % in der Allgemeinbevölkerung3
  • In der Mehrheit der Fälle dentale Ursache der Gesichtsschmerzen
  • Häufigste nicht-zahnärztliche Ursache für Gesichtsschmerzen ist die temporomandibuläre Dysfunktion (TMD).1
  • Inzidenz der Trigeminusneuralgie: 12,6–29,8 /100.000 Personenjahre
  • Anhaltende, idiopathische Gesichtsschmerzen sind vergleichsweise selten.
    • Inzidenz von ca. 4,4/100.000 Personenjahre
    • 90 % Frauen (mittleres Alter bei Diagnosestellung: 45 Jahre)4

Konsultationsgrund

  • In der Regel sind die Schmerzen der Konsultationsgrund.

Diagnostische Überlegungen

  • Gesichtsschmerzen stehen im Bereich zwischen verschiedenen medizinischen Professionen (Zahnmedizin, Allgemeinmedizin, Kieferchirurgie, HNO, Neurologie, Schmerztherapie).1
    • häufig zahnärztliche Erstvorstellung bei Manifestation
    • wenig Schnittstellen mit Spezialist*innen in der Behandlung nichtdentaler Gesichtsschmerzen
    • Risiko unnötiger Eingriffe (z. B. Zahnextraktionen)
  • Fortgeleitete Schmerzen anderer Lokalisation können das Gesicht betreffen.
    • z. B. Ausstrahlung von Kopfschmerzen auch in das Gesicht bei etwa 10 % der Patient*innen
  • Häufig liegen bei anhaltenden Gesichtsschmerzen Komorbiditäten vor.1
  • Siehe auch verwandte Artikel:

Abwendbar gefährliche Verläufe

ICPC-2

  • N03 Gesichtsschmerz

ICD-10

  • B02.3 Zoster ophthalmicus
  • G44.0 Cluster-Kopfschmerz
  • G50 Krankheiten des N. trigeminus [V. Hirnnerv]
    • G50.1 Atypischer Gesichtsschmerz
  • H20 Iridozyklitis
  • H40 Glaukom
  • H48 Erkrankung des N. opticus und Sehbahnen bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
  • J01 Akute Sinusitis
  • K02 Zahnkaries
  • K05 Gingivitis und Krankheiten des Parodonts
  • K07.6 Krankheiten des Kiefergelenkes: Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)
  • M31.6 Arteritis temporalis
  • R51 Kopfschmerz 

Differenzialdiagnosen

Attackenartige Gesichtsschmerzen

Trigeminusneuralgie

  • Siehe Artikel Trigeminusneuralgie.
  • Definition und Ursache
    • neuropathisches Gesichtsschmerzsyndrom mit Neuralgie des N. trigeminus (V)
    • Klassifikation nach ICOP
      • klassisch: neurovaskulärer Kontakt mit Verlagerung des N. trigeminus
      • sekundär: zurückzuführen auf Grunderkrankung (z. B. multiple Sklerose in 2–3 % aller Fälle)
      • idiopathisch: ohne Nachweis eines Korrelats
  • Häufigkeit
    • Lebenszeitprävalenz von 0,16–0,3 %
    • Erkrankungsgipfel zwischen 60 und 70 Jahren
  • Symptome
    • Schmerzcharakter: extrem heftige, elektrisierende und stechende Schmerzen
    • Lokalisation: einseitig im Versorgungsgebiet des N. trigeminus
    • Verlauf: blitzartig einschießende Attacken über sec, selten bis zu 2 min; zusätzlicher Dauerschmerz möglich
    • Auslöser: spontan oder getriggert durch z. B. Berührung, Kauen, Sprechen
  • Diagnostik
    • Diagnosestellung primär klinisch
    • MRT-Bildgebung zur Abklärung von Ursachen
  • Therapie
    • primär medikamentöse Behandlung, z. B. mit Carbamazepin
    • bei Gefäß-Nerven-Kontakt ggf. mikrovaskuläre Dekompressionsoperation

Glossopharyngeusneuralgie

  • Siehe Artikel Glossopharyngeusneuralgie.
  • Definition und Ursache
    • neuropathisches Schmerzsyndrom mit Neuralgie des N. glossopharyngeus (IX)
    • Analog zur Trigeminusneuralgie: Die häufigste Ursache ist eine neurovaskuläre Kompression.
  • Häufigkeit
    • selten, Inzidenz 0,2–0,4/100.000 Personenjahre
  • Symptome
    • Attacken mit starken einschießenden, elektrisierenden Schmerzen von sec bis zu 2 min; zusätzlicher Dauerschmerz möglich
    • Auslöser: Schlucken, Sprechen und Husten
    • Lokalisation: Versorgungsbereich des N. glossopharyngeus und der aurikulären/pharyngealen Äste des N. vagus (Ohr, Zungengrund, Tonsillenloge, unterhalb des Kieferwinkels),
  • Diagnostik
    • klinische Diagnose; MRT zur Ursachenabklärung
  • Therapie
    • primär medikamentöse Therapie, z. B. mit Carbamazepin oder Oxcarbazepin
    • bei Versagen ggf. mikrovaskuläre Dekompressionsoperation,

Cluster-Kopfschmerz

  • Siehe Artikel Cluster-Kopfschmerz.
  • Definition und Ursache
    • primäre Kopfschmerzerkrankung aus der Gruppe der trigeminoautonomen Kopfschmerzen,
    • andere trigeminoautonome Kopfschmerzsyndrome
      • paroxysmale Hemikranie
      • SUNCT-Syndrom/SUNA-Syndrom
      • Hemicrania continua
  • Häufigkeit
    • Prävalenz des Cluster-Kopfschmerzes von 0,1–0,2 %
    • Männer sind häufiger betroffen als Frauen (3:1).
    • Der Subtyp des fazialen Cluster-Kopfschmerzes betrifft 14,8 % aller Cluster-Patient*innen.
  • Symptome
    • kurz andauernde, starke, streng einseitige Kopfschmerzattacken
    • Episodendauer auch bei orofazialer Clusterattacke 15–180 min
    • Frequenz: eine Attacke jeden 2. Tag bis zu 8 Attacken/Tag
    • begleitend ipsilaterale autonome Symptome
      • Lakrimation, konjunktivale Injektion, Rhinorrhö, Schwitzen, Hautrötung, Horner-Syndrom, Unruhe
  • Diagnostik
    • Diagnose durch Anamnese und klinisch-neurologische Untersuchung
  • Therapie
    • Akuttherapie mit Sauerstoffinhalation oder Triptanen5
    • Prophylaxe z. B. mit Verapamil oder Topiramat

Faziale Migräne

  • Siehe Artikel Migräne.
  • Definition und Ursache
  • Häufigkeit
    • Prävalenz von 20 % bei Frauen und 8 % bei Männern
    • Der Subtyp der orofazialen Migräne betrifft 2,3 % aller Migräne-Patient*innen.
  • Symptome
    • episodenhafter, häufig einseitiger pulsierend-pochender Kopfschmerz
    • bei orofazialer Migräne Gesichtsschmerzattacken mit oder ohne Kopfschmerzen von 4–72 Stunden Dauer
    • begleitend Appetitlosigkeit (fast immer), Übelkeit (80 %), Erbrechen (40–50 %), Lichtscheu (60 %), Lärmempfindlichkeit (50 %)
  • Therapie
    • Akuttherapie mit ASS oder NSAR, bei schweren Attacken ggf. Triptane

Anhaltende Gesichtsschmerzen

Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz (Persistent Idiopathic Facial Pain, PIFP)

  • Definition und Ursache
    • Syndrom mit anhaltenden orofazialen Schmerzen für mehr als 2 Stunden täglich
    • chronische Schmerzerkrankung mit unklarem Pathomechanismus,
    • Synonym: „atypischer“ Gesichtsschmerz
  • Häufigkeit
    • selten, Inzidenz von 4,4/100.000 Personenjahre
    • überwiegend Frauen betroffen (ca. 90 %)
  • Symptome
    • Verlauf: stetige, teils fluktuierende Beschwerden über mindestens 2 Stunden pro Tag
    • Lokalisation: schlecht zu lokalisierender Gesichtsschmerz, nicht sicher einem Innervationsgebiet zuzuordnen, ein- oder beidseitig, Ausstrahlung und Ausbreitung, auch z. B. in den Hals möglich.
    • Charakter: dumpf, drückend oder quälende Qualität
    • Der Schlaf ist meistens nicht durch den Schmerz gestört.
  • Diagnostik
  • Therapie
    • Aufklärung, Patientenedukation und Verhaltenstherapie,
    • Vermeidung operativer Eingriffe
      • Eingriffe wie Zahnextraktionen führen oft zur Verschlechterung.
    • medikamentöse Therapie (u. a. Antidepressiva, Antikonvulsiva)5

Syndrom des brennenden Mundes (Burning-Mouth-Syndrom, BMS)

  • Siehe Artikel Burning-Mouth -Syndrom (BMS).
  • Definition und Ursache
    • Syndrom mit anhaltenden Missempfindungen in der Mundhöhle für mehr als 2 Stunden täglich
    • Genese der Erkrankung noch unverstanden
  • Häufigkeit
    • Inzidenz ca. 11,4 je 100.000 Personen
    • häufig bei Frauen in den Wechseljahren
  • Symptome
    • Verlauf: anhaltende, fluktuierende Beschwerden
    • Lokalisation: oberflächlich in der Mundschleimhaut, meist beidseitig
    • Charakter: in erster Linie brennende Missempfindungen
    • Mundtrockenheit und Geschmacksstörungen sind häufige Begleitsymptome.
  • Diagnostik
    • Ausschlussdiagnose: klinisch unauffällige Mundschleimhaut und keine lokalen oder systemischen Ursachen eruierbar

Sekundäre Gesichtsschmerzen

Akute Rhinosinusitis

  • Siehe Artikel Rhinosinusitis.
  • Definition und Ursache
    • akute Entzündung der Nasenschleimhaut mit gestörtem Abfluss und gestörter Ventilation der Nasennebenhöhlen
    • am häufigsten viral im Rahmen einer Erkältung
    • meist Sinus maxillaris betroffen, seltener Sinus ethmoidalis, frontalis oder sphenoidalis
    • chronische Sinusitis bei Dauer > 3 Monate
  • Häufigkeit
    • sehr häufige Erkrankung
    • im Winter ca. 15–20 % der Bevökerung betroffen
  • Symptome
    • Gesichtsschmerzen sind ein typisches Symptom.
      • Lokalisation um die Augen, an der Stirn oder an den Zähnen
      • meist einseitig oder seitenbetont auftretend
    • Begleitsymptome
      • Nasenatmungsbehinderung und Sekretion
      • beeinträchtigter Geruchssinn
      • Fieber und Kopfschmerzen
  • Diagnostik
    • primär klinische Diagnosestellung
  • Therapie
    • in unkomplizierten Fällen symptomatische Therapie, z. B. mit Sekretolytika und abschwellenden Nasensprays
    • in schweren Fällen ggf. Antibiose (1. Wahl: Amoxicillin 3 x 500 mg/d)
    • bei odontogener eitriger Sinusitis ggf. operatives Verfahren

Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)

  • Siehe Artikel Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD).
  • Definition und Ursache
    • Schmerzen im Zusammenhang mit der Kaumuskulatur, dem Kiefergelenk und benachbarten Strukturen (myofaszial-orofaziale Schmerzen)
    • Auftreten mit oder ohne funktionelle Beeinträchtigung
    • Häufig sind Myalgien des M. temporalis und M. masseter.
  • Häufigkeit
    • geschätzt 5–12 % der Bevölkerung1
    • häufigste nicht-zahnärztliche Ursache für Gesichtsschmerzen1
  • Symptome
    • episodisch bzw. anhaltende sowie akut bzw. chronische Verläufe
    • Kiefergelenksschmerzen mit z. T. fortgeleiteten Gesichtsschmerz (Schmerzübertragung),
    • oft eingeschränkte oder schmerzhafte Beweglichkeit des Kiefergelenks
    • begleitende Kopf-, Nacken- oder Ohrenschmerzen möglich
  • Klinischer Befund
    • Einschränkung der Kieferöffnungsbewegung
    • Modifikation der Schmerzen durch Kieferbewegungen oder Palpation des M. temporalis oder M. masseter
  • Therapie
    • oft selbstlimitierend, ggf. Vermeidung von Stress, Entspannungsverfahren und Behandlung von Zähneknirschen

Erkrankungen der Zähne und des Zahnhalteapparates

  • Siehe Artikel Beschwerden in der Mundhöhle.
  • Definition und Ursache
    • verschiedene Erkrankungen der Zähne (z. B. Karies) oder der benachbarten Strukturen (Parodontitis)
  • Häufigkeit
    • dentale Erkrankungen häufigste Ursache für Gesichtsschmerzen1
  • Symptome
    • Schmerz häufig anhaltend oder provozierbar (mechanisch, thermisch)
    • mögliche Übertragung/Ausstrahlung von Schmerzen bei dentalen Erkrankungen zu anderen orofazialen Stellen
  • Diagnostik
    • zahnärztliche Untersuchung und ggf. Röntgenbildgebung

Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)

  • Siehe Artikel Riesenzellarteriitis.
  • Der gesamte Abschnitt beruht auf dieser Referenz.
  • Definition und Ursache
    • systemische Vaskulitis der großen Gefäße
    • Betrifft häufig Äste der A. carotis externa (z. B. A. temporalis), die A. ophthalmica oder den Aortenbogen und seine Äste.
  • Häufigkeit
    • häufigste primäre systemische Vaskulitis
    • Prävalenz von 15–44/100.000
    • Betrifft nahezu ausschließlich Patient*innen > 50 Jahre.
  • Symptome
    • Leitsymptom sind bohrend-stechende Kopfschmerzen, häufig unilateral
    • Claudicatio masticatoria (ca. 30 %): neue oder zunehmende Schläfenschmerzen beim Kauen
    • Gefahr der Erblindung bei Befall der Ciliararterien und anteriorer ischämischer Optikusneuropathie (AION)
  • Diagnostik
    • Diagnosestellung entsprechend ACR-Kriterien
    • Klinisch schmerzhafte Palpation der A. temporalis und abgeschwächte Pulsation
    • Labor: BSG (Sturzsenkung) und CRP erhöht
    • Sonografie und ggf. Biopsie der A. temporalis
  • Therapie
    • hochdosierte Kortikosteroidtherapie
    • evtl. Tocilizumab; MTX als Off-Label-Use

Zoster und Post-Zoster-Neuralgie

  • Siehe die Artikel Zoster und Post-Zoster-Neuralgie.
  • Definition und Ursache
    • Reaktivierung Infektion mit Varizella zoster (VZV) mit akuter Neuritis
    • Zoster betrifft in 10–15 % einen oder mehrere Äste des N. trigeminus.
    • Zoster ophthalmicus bezeichnet eine Beteiligung des 1. Trigeminusasts (Nervus ophthalmicus).
    • Post-Zoster-Neuralgie (postherpetische Neuralgie) bezeichnet persistierende Schmerzen nach Abheilen des Zosters.
  • Häufigkeit
    • jährlich etwa 900 Zoster-Erkrankungen pro 100.000 Einw.
    • Insbesondere Menschen über 50 Jahre sind betroffen.
    • Post-Zoster-Neuralgie bei etwa 10 % aller Patient*innen nach Zoster
  • Symptome
    • einseitige Schmerzen im betroffenen Versorgungsgebiet des Nervs
    • Charakter: brennend, stechend/einschießend, kribbelnd oder schmerzend
    • im Verlauf Ausbildung von typischen Bläschen auf geröteter Haut
    • Post-Zoster-Neuralgie mit Brennen und Jucken betrifft dasselbe Areal und persistiert nach dem Zoster
  • Komplikationen
  • Diagnostik
    • in der Regel klinische Diagnose, ggf. Erregernachweis (PCR)
  • Therapie
    • antivirale Therapie des Zosters (z. B. Aciclovir), in schweren Fällen auch intravenös
    • bei Zoster ophthalmicus augenärztliche Mitbeurteilung
    • Behandlung der Post-Zoster-Neuralgie entsprechend der Grundsätze einer Therapie neuropathischer Schmerzen1

Weitere Ursachen sekundärer Gesichtsschmerzen

  • Akuter Glaukomanfall
    • intraokuläre Drucksteigerung bei engem Kammerwinkel
    • klinisch gerötete und schmerzende Augen mit Visusminderung
    • Ophthalmologischer Notfall, der zur Erblindung führen kann.
  • Iridozyklitis und Uveitis
    • meist einseitige Schmerzen mit Rötung, Visusminderung, Tränenfluss
  • Tolosa-Hunt-Syndrom
    • seltene Erkrankung mit granulomatös-lymphozytärer Entzündung im Bereich der Orbita
    • Schmerzen in der Orbita und Lähmungen der Augenmuskulatur
  • Zervikogene Schmerzen
    • Funktionsstörungen der oberen HWS-Segmente und der Halsmuskulatur können zu Gesichtsschmerzen führen.
  • Karotisdissektion
    • Dissektionen der Halsarterien mit Hämatombildung in der Gefäßwand
    • Hals-, Nacken-, Gesichts- oder Kopfschmerzen mit neurologischen Defiziten
  • Ohrenschmerzen mit Schmerzausbreitung
  • Solide Tumoren im Gesichtsbereich
  • Myositis mit Beteiligung der Gesichts-/Kaumuskulatur
  • Neuropathische Gesichtsschmerzen
    • oft nach Gesichtstraumata oder Resektion von Gesichtstumoren

Anamnese

Schmerzanamnese

  • Lokalisation1
    • einseitige oder beidseitige Schmerzen
    • im Versorgungsgebiet eines Astes des N. trigeminus (V)
      • N. ophthalmicus (V1)
      • N. maxillaris (V2)
      • N. mandibularis (V3)
    • Schmerzprojektion und Ausbreitung möglich
  • Zeitlicher Verlauf1
    • anhaltend oder attackenartig
    • Frequenz der Episoden
    • Dauer der Episoden
  • Intensität und Schmerzcharakter1
    • stärkste, einschießend-elektrisierende Schmerzen typisch für Trigeminusneuralgie
    • brennend-juckende Schmerzen und Missempfindungen bei Post-Zoster-Neuralgie
    • drückende Gesichtsschmerzen häufig bei Sinusitis
  • Auslösende oder modifizierende Faktoren1
    • heiße, kalte oder süße Lebensmittel
      • bei dentalen Beschwerden
    • Schmerzzunahme beim Kauen (Claudicatio masticatoria)
    • elektrisierende Schmerzen schon bei geringer Berührung (Allodynie)
    • Provokation durch Bewegung der HWS, Kopfhaltung oder Druck auf die Muskulatur
    • körperliche Aktivität
    • Stress und Müdigkeit

Begleitsymptome

Klinische Untersuchung

  • Inspektion des Gesichts
    • Rötung und Effloreszenzen im schmerzhaften Areal bei Zoster
  • Orientierender Zahnstatus
  • Prüfung der Kieferöffnungsbewegung und Palpation von M. temporalis und M. masseter
  • Beweglichkeitsprüfung der Halswirbelsäule und Palpation auf muskuläre Triggerpunkte
  • Bulbusdruck- und Augenbewegungsschmerz
  • Palpation der A. temporalis superficialis
  • Prüfung der Nervenaustrittspunkte (Trigeminusdruckpunkte)
  • Prüfung der Sensibilität 
  • Funktionsprüfung der Hirnnerven

Ergänzende Untersuchungen bei Spezialist*innen

  • Zerebrale Bildgebung (MRT, seltener CT)1
    • bei zahlreichen Gesichtsschmerzsyndromen zum Ausschluss symptomatischer Ursachen indiziert
  • Duplexsonografie der Halsgefäße und der A. temporalis
  • Elektrophysiologische Diagnostik
    • bei diagnostischen Unsicherheiten und zur Ausschlussdiagnostik bei idiopathischen Gesichtsschmerzsyndromen
  • Labordiagnostik

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • In vielen Fällen kann eine hausärztliche Behandlung erfolgen.
    • Häufige Ursachen sind oft selbstlimitierend, z. B. akute Rhinosinusitis.
  • Bei dentalen Beschwerden Überweisung an Zahnärzt*innen
    • z. B. auch zur Anpassung einer Beißschiene bei Zähneknirschen
  • Abhängig von der Manifestation und vermuteten Ursache Überweisung an Neurolog*innen, HNO-Ärzt*innen oder Augenärzt*innen

 Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Bei erstmaligen, akuten und starken Gesichtsschmerzen kann eine Krankenhauseinweisung notwendig sein.

Empfehlungen

  • Die Behandlung richtet sich nach der ursächlichen Erkrankung.
    • bei sekundärem Gesichtsschmerz abhängig von der Ursache oft kausale Therapieansätze
    • bei primären Gesichtsschmerzen oft symptomatische oder multimodale Therapien
  • Zusammenarbeit mit Zahnärzt*innen und Kieferchirurg*innen von zentraler Bedeutung
    • z. B. Vermeidung operativer Eingriffe bei gesundem Zahnstatus3
  • Symptomatische Therapie

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Nervus trigeminus (V) und seine Äste (V1-V3)
Nervus trigeminus (V) und seine Äste (V1-V3)

Quellen

Literatur

  1. Zakrzewska JM. Differential diagnosis of facial pain and guidelines for management. Br J Anaesth. 2013;111(1):95-104. doi:10.1093/bja/aet125 doi.org
  2. The International Classification of Headache Disorders 3rd edition. Painful lesions of cranial nerves and other facial pain. International Headache society. Stand 2018 www.ichd-3.org
  3. Weiss AL, Ehrhardt KP & Tolba R. Atypical Facial Pain: a Comprehensive, Evidence-Based Review. Curr Pain Headache Rep 21, 8 (2017). https://doi.org/10.1007/s11916-017-0609-9 doi.org
  4. Krolczyk SJ. Persistent Idiopathic Facial Pain. Medscape 2014. emedicine.medscape.com
  5. Graff-Radford SB. Facial pain. Neurologist. 2009;15(4):171-177. doi:10.1097/NRL.0b013e31819827d8 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung, Neurologie, Hamburg

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