Muskelzerrung in der Wade

In den meisten Fällen tritt eine Muskelzerrung im Zusammenhang mit einer starken Belastung des Wadenmuskels auf. Typischerweise tritt die Verletzung bei Sportarten auf, bei denen Schnellkraft und Geschwindigkeit wichtige Faktoren sind, sie kann jedoch bei jeder Sportart auftreten.

Was ist eine Muskelzerrung in der Wade?

Die Rückseite des Unterschenkels, die Wade, besteht aus mehreren Muskelgruppen, die an der Achillessehne zusammenlaufen, die sie mit dem Fersenbein verbindet: Dem Musculus gastrocnemius, der aus zwei Muskelköpfen auf der Innenseite (medial) und der Außenseite (lateral) des Unterschenkels besteht und einem flachen Muskel (Musculus soleus). Bei Muskelzerrungen im Unterschenkel ist es fast immer der mediale Muskelkopf des Musculus gastrocnemius, der geschädigt wird.

Ein Muskel besteht aus einem Muskel und einer Sehne. Der Muskel hat die Eigenschaft, dass er sich zusammenziehen, also spannen kann, während die Sehne weniger elastisch ist und die Verbindung des Muskels mit dem Knochen bildet. Der Übergang zwischen Sehne und Muskel ist die anfälligste Stelle, an der in den meisten Fällen die Verletzung des Muskels auftritt. Da große Muskeln wie der Musculus gastrocnemius aus zahlreichen Muskel- und Sehnenfasern bestehen, befindet sich der Übergang zwischen Sehne und Muskel nicht für alle Fasern an genau derselben Stelle. Bei einer Muskelzerrung sind deshalb nicht alle Muskel-/Sehnenübergänge betroffen, sondern viele bleiben intakt – der Muskel reißt also nicht vollständig auseinander. Dies wird in der Fachsprache als partielle, also eine teilweise Muskelzerrung bezeichnet. Genau dies tritt in der Wade auf.

Ein Riss einer Muskel-Sehenenfaser führt zu einer Blutung. Die Muskulatur in der Wade ist von relativ dicken Bindegewebshäuten (Faszien) umgeben. Ist die Faszie intakt, bleibt die Blutansammlung innerhalb des Muskels (intramuskuläre Blutung), und es dauert relativ lange, bis die Blutung zurückgegangen ist. Wenn die Faszie reißt, dringt das Blut zwischen den Muskeln nach außen (intermuskuläre Blutung) und breitet sich über einen größeren Bereich aus, in dem es schneller aufgenommen wird.

Wie entsteht eine Muskelzerrung in der Wade?

Die Verletzung kann auf unterschiedliche Art entstehen. In den meisten Fällen tritt eine Muskelzerrung im Zusammenhang mit einer starken Belastung des Wadenmuskels auf. Typischerweise tritt die Verletzung bei Sportarten auf, bei denen Schnellkraft und Geschwindigkeit wichtige Faktoren sind, wie z.B. Sprint, Hochsprung, Weitsprung, Tennis, Skispringen, Handball, Fußball, Basketball und Volleyball. Die Verletzung kann jedoch bei jeder Sportart auftreten.

Die Verletzung kann jeden treffen, aber Sportler, die schlecht trainiert sind, das Aufwärmtraining und Dehnen vernachlässigen oder eventuell bereits früher eine vergleichbare Verletzung hatten, sind besonders anfällig für diese Art von Verletzung.

Diagnose

Die Diagnose ist in der Regel einfach zu stellen, da die Betroffenen die Verletzung sofort bemerken – viele geben an, einen leisen Knall im Unterschenkel gehört zu haben, gefolgt von Schmerzen, Schwellung und Steifheit. Da gebrochene Muskelfasern bluten, schwillt der Unterschenkel in den ersten Tagen nach der Verletzung an und verfärbt sich, da das Blut unter der Haut sich nach unten in Richtung des Knöchels bewegt.

Bei der Untersuchung zeigt sich, dass der Unterschenkel angeschwollen und verfärbt ist. Einige Zeit nach dem Auftreten der Verletzung zeigt sich bei einigen Patienten eine sichtbare und fühlbare Vertiefung im Unterschenkel an der Stelle der Zerrung. Wird der Fuß passiv nach oben bewegt, mit dem Fußrücken nach oben, so dass die Wade gestreckt wird, führt dies zu Schmerzen. Dasselbe passiert, wenn der Patient  den Fuß nach unten beugt, während der untersuchende Arzt den Fuß festhält.

Erste Hilfe

Erfolgt unmittelbar nach Auftreten der Verletzung eine korrekte Behandlung, lässt sich die Verletzungszeit deutlich verkürzen. Brechen Sie sofort die sportliche Aktivität ab. Das Bein muss gekühlt, mit einem Druckverband behandelt und hoch gelagert werden. Im Laufe der nächsten 24–72 Stunden sollten Sie das Bein sehr vorsichtig behandeln. Eine minimale Belastung ist wichtig; eventuell sollten Sie Krücken verwenden. Vermeiden Sie es, das verletzte Bein im Sitzen nach unten hängen zu lassen, da sich dadurch die Schwellung verschlimmert.

Es besteht eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich des Einsatzes von entzündungshemmenden Medikamenten (NSAR) in den ersten Tagen nach der Verletzung. Die traditionell bei Sportverletzungen verwendeten Medikamente können das Risiko von Blutungen im Bein erhöhen, was die Verletzungsdauer verlängern kann. Gleichzeitig lindern sie jedoch die Entzündung, wodurch sich die Verletzungsdauer verkürzt. Mit einem gut sitzenden Druckverband sollte kein Risiko einer verstärkten Blutung bestehen. Der Arzt entscheidet in Absprache mit dem Patienten über die genaue Behandlung.

Rehabilitation

Um so schnell wie möglich wieder aktiv Sport ausüben zu können oder die normale Funktionstüchtigkeit des Unterschenkels wiederzuerlangen, ist es empfehlenswert, ein Trainingsprogramm zu befolgen. Die Notwendigkeit eines solchen Programms hängt natürlich davon ab, wie umfassend die Verletzung ist und ob sie in den ersten Stunden und Tagen korrekt behandelt wurde. Die wichtigsten Grundsätze der Behandlung sind:

In der ersten Zeit sollten Sie Krücken verwenden, außerdem Schuheinlagen in beiden Schuhen (ca. 1–2 cm dick, um die Streckung der Wadenmuskulatur zu minimieren). Belasten Sie den Unterschenkel nicht über die Schmerzgrenze hinaus. Der Fuß und das Sprunggelenk dürfen aktiv bewegt werden, solange es sich im schmerzfreien Bereich bewegt.

Nach etwa drei Tagen kann mit vorsichtigen Kraft- und Dehnübungen begonnen werden. Kraftübungen werden durchgeführt indem der Fußrücken gegen einen Widerstand nach oben bewegt wird. In dieser Phase kann es nützlich sein, den Unterschenkel während des Trainings mit Eisbeuteln zu kühlen. Übertreiben Sie in dieser Phase nicht die Intensität der Übungen. Sobald Sie schmerzfrei sind, können Sie mit leichten Kraftübungen beginnen, bei denen der Fuß gegen einen Widerstand nach unten gebeugt wird. Nach einiger Zeit sind Sie in der Lage, Rad zu fahren, die Intensität der Kraftübungen zu erhöhen und das Gehen auf Zehenspitzen sowie Gleichgewichtsübungen auf einem Brett auszuprobieren. In einigen Fällen wird das Training mit Ultraschallbehandlung und Massagen kombiniert.

Als Sportler können Sie Ihre sportlichen Aktivitäten wieder aufnehmen sobald die vollständig symmetrische Dehnbarkeit ohne Schmerzen sowie die Muskelkraft wiederhergestellt sind. Wenn eine Blutung zwischen den Muskeln (intermuskulär) vorliegt, läuft die Genesung verhältnismäßig schnell ab und die sportliche Aktivität kann nach zwei bis vier Wochen wieder aufgenommen werden. Wenn sich die Blutansammlung im Inneren des Muskels befindet (intramuskulär), dann dauert die Rehabilitation länger, nämlich bis zu 8–12 Wochen.

Nachdem die Verletzung für ausgeheilt erklärt wurde, sollten Sie mehrere Monate lang weiterhin Kraftübungen und Dehnübungen für den betroffenen Unterschenkel ausführen, um einem erhöhten Risiko einer erneuten Verletzung vorzubeugen.

Prognose

Mit einer angemessenen Behandlung und etwas Geduld können Sie Ihre sportlichen Aktivitäten oder gewohnten Aktivitäten wieder aufnehmen. Besonders wichtig ist, dass Sie während der Rehabilitationsphase die Muskeln regelmäßig dehnen. Das Risiko, dass die Verletzung erneut aufbricht, ist höher, wenn Sie bei der Durchführung der Dehnübungen nachlässig sind. Das Risiko einer neuen Verletzung ist allerdings gering, wenn Sie künftig vor dem Training und vor Wettkämpfen auf sorgfältiges Aufwärmen und Dehnen achten.

In einigen Fällen dauern die Schmerzen im Unterschenkel lange an. Der Arzt kann in diesen Fällen die Möglichkeit einer Injektion mit Kortison und lokaler Betäubung in das verletzte Gewebe prüfen. In Kombination mit einem geeigneten Programm mit Dehn- und Kraftübungen führt dies häufig dazu, dass die Symptome verschwinden.

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Autoren

  • Philipp Ollenschläger, Medizinjournalist, Köln

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