Dermatomyositis

Zusammenfassung

  • Definition:Idiopathische entzündliche Myopathie mit Hautmanifestationen; eine Form der Myositis.
  • Häufigkeit:Die Inzidenz beträgt weniger als 2–9/1.000.000, zwei Häufigkeitsgipfel bei 5–15 Jahren und bei 45–65 Jahren.
  • Symptome:Zu den Symptomen gehören Muskelschwäche, Muskelschmerzen und Hautveränderungen.
  • Befunde:Die klinischen Befunde umfassen Muskelschmerzen, Muskelatrophie und ein blau-violettes, makuläres Erythem mit symmetrischer Verteilung.
  • Diagnostik:BSG und Muskelenzyme sind erhöht. Oft können Autoantikörper nachgewiesen werden. Meist sind Laborbefunde und Muskelbiopsie pathologisch.
  • Therapie:Indiziert sind Kortikosteroide, in der Langzeittherapie kombiniert mit Immunsuppresiva oder IVIG. Bei Hautsymptomen ohne Muskelbeteiligung: Hautschutz mit hohem Lichtschutzfaktor, topische Steroide oder topischer Calcineurin-Inhibitoren oder systemisch Hydroxychoroquin bzw. MTX.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Dermatomyositis (DM) ist eine idiopathische entzündliche Myopathie und Multisystemerkrankung.1
  • Dieser Artikel behandelt die Hauterscheinungen bei der Dermatomyositis. Weitere Informationen zur Myositis sind im Artikel Myositissyndrome zu finden.
  • Klassifikation1
    • klassische Dermatomyositis
      • DM mit Beginn im Erwachsenenalter
      • juvenile DM (jDM)
    • klinisch amyopathische DM (CADM)
      • amyopathische DM (ADM); Biopsie-bestätigte DM-typische Hautveränderungen für mehr als 6 Monate, kein klinischer, laborchemischer, radiologischer oder histopathologischer Nachweis einer Myositis
      • hypomyopathische DM (HDM); Biopsie-bestätigte DM-typische Hautveränderungen für mehr als 6 Monate, kein klinischer, aber laborchemischer, elektrophysikalischer, radiologischer oder histopathologischer Nachweis einer Myositis
    • prämyopathische DM
      • typische Hautveränderungen für weniger als 6 Monate, kein Hinweis auf Muskelschwäche
    • adermatopathische DM  
      • typisches Muster der Muskelschwäche, typische Muskelhistologie, aber keine Hautbeteiligung

Häufigkeit

  • Die Inzidenz der DM beträgt 2–9/1.000.000 bei zwei Altersgipfeln, einer bei Kindern (juvenile Dermatomyositis) und einer bei Erwachsenen.
  • Prävalenz 21/100.0001
  • Kinder
    • Das Durchschnittsalter bei der Diagnosestellung liegt zwischen 5 und 15 Jahren.
  • Erwachsene
    • Das Erkrankungsalter liegt bei 45–65 Jahren.
    • Alle Altersgruppen können betroffen sein.
    • Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
      • Malignitätsassoziierte DM ohne Geschlechtsunterschied, das Risiko steigt mit dem Alter.1
  • Gleichzeitiges Vorliegen von Sklerodermie, Mischkollagenose, SLE, seltener von rheumatoider Arthritis und Sjögren-Syndrom möglich1
  • Assoziation mit interstitieller Lungenerkrankung, Herzerkrankungen, Ösophagusbeteiligung, Kalzifikationen1
    • signifikante Assoziation mit Malignität bei DM im Erwachsenenalter

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ursache ist nicht vollständig geklärt.
  • Bei DM herrschen perimysiale CD4+-T-Zell-Infiltrate vor, dabei spielen wohl antikörpervermittelte Effektormechanismen eine führende Rolle.
  • Assoziationen mit bestimmten HLA-Typen
  • Für DM zahlreiche Antikörper identifiziert, die z. T. stark mit dem klinischen Phänotyp oder Neoplasien assoziiert sind.

Pathophysiologie

  • Es kommt zu einer immunvermittelten Muskelentzündung und zu vaskulären Schäden.

Prädisponierende Faktoren

  • Siehe Artikel Myositissyndrome.
  • Für DM1
    • genetische Prädisposition
    • weibliches Geschlecht
    • afrikanische Abstammung

ICPC-2

  • L99 Andere muskeloskelettale Erkrankung

ICD-10

  • M33 Dermatomyositis-Polymyositis
    • M33.0 Juvenile Dermatomyositis
    • M33.1 Sonstige Dermatomyositis
    • M33.9 Dermatomyositis-Polymyositis, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose basiert meist auf:
    • der Klinik (Hautsymptome und proximale Muskelschwäche)
    • den erhöhten Muskelenzymen
    • dem histopathologischen Befund (lymphozytäre Infiltrate).
  • Für die Diagnose von Myositiden sollen Muskelbiopsie, Laborbefunde und der klinische Befund gleichermaßen berücksichtigt werden.

Diagnostische Kriterien

  • Dermatomyositis, juvenile Dermatomyositis (DM, jDM)
    • juvenil bis 16 Jahre
    • akuter oder subakuter Verlauf
    • eher proximale Muskeln symmetrisch betroffen
    • CK normal oder bis um den Faktor 50 erhöht
    • typische Hautbeteiligung
    • Dysphagie, Myokarditis, interstitielle Lungenerkrankung möglich, mit Malignomen assoziiert
    • bei jDM keine Tumorassoziation
  • Charakteristische Hautsymptome bei der Dermatomyositis sind:
    • periorbitale Ödeme mit symmetrischen Erythemen von typischem rosa-violettem Farbton
    • Erythem und/oder flache Plaques im Gesicht, Dekolleté und Nacken sowie auf den Streckseiten der Extremitäten und Handrücken
    • Juckreiz und Lichtempfindlichkeit.1

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • In einigen Fällen beginnt die Erkrankung mit Hautsymptomen (bei 30 %), manchmal mit Muskelsymptomen oder mit gleichzeitig auftretenden Haut- und Muskelsymptomen (bei 60 %).1
    • Hautsymptome können auch ohne Myositis auftreten (amyopathische Dermatomyositis, 5–20 % der Fälle).
  • Müdigkeit und allgemeines Krankheitsgefühl, manchmal auch Fieber1
  • Mögliche systemische Manifestationen
    • koronare Herzerkrankung, Perikarditis, dilatative Kardiomyopathie, akute Herzinsuffizienz), Lungenbeteiligung
      • z. B. Brustschmerzen, Atemnot
    • Beteiligung des Ösophagus möglich1 
  • Hinweise auf das Vorliegen eines Malignoms oder einer Kollagenose?1

Muskelsymptome

  • Das häufigste Initialsymptom ist zunehmende symmetrische Muskelschwäche, vor allem im Hüft- und Schulterbereich und an den Extremitäten.
  • Zusätzlich kommt es bei 50 % der Betroffenen zu symmetrischen Schmerzen in der proximalen Muskulatur und/oder in Gelenken.
    • im Verlauf Beteiligung der Schluck, Atem- und Nackenmuskulatur

Hautsymptome

  • Periorbitale Ödeme mit symmetrischen Erythemen von typischem rosa-violettem Farbton
  • Erythem und/oder flache Plaques im Gesicht, Dekolleté und Nacken sowie auf den Streckseiten der Extremitäten und Handrücken
    • oft starker Juckreiz
  • Lichtempfindlichkeit1

Klinische Untersuchung

Muskulatur

  • Symmetrische proximale Muskelschwäche
  • Muskelschmerzen bei Palpation bei 50 %
  • Normale Sensibilität und Reflexe
  • Muskelatrophie
  • Schwäche der Nackenmuskulatur kann Heben des Kopfes erschweren.
  • Bulbäre Beteiligung kann zu Heiserkeit oder Dysphonie führen.
  • Atemnot aufgrund von Schwäche der Throaxmuskulatur möglich

Hautsymptome

  • Genaue Inspektion der Haut einschließlich Kopfhaut, Nägel, Nagelfalze
  • Symmetrische blau-violette, makulöse Erytheme im akuten Stadium
    Heliotropisches Ödem
    Heliotropisches Ödem
    • spezifische Hautsymptome in Form von blau-violetter Verfärbung der Augenlider (heliotropes Erythem), oft mit periorbitalem Ödem
    • oft mit einem rötlichen makulären Exanthem auf Wangen, Nasenrücken (Schmetterlingserythem), Streckseiten der Extremitäten und/oder Fingerstreckseiten (Gottron-Papeln und -Zeichen)
  • Es kann zu einer Ausbreitung der Hautveränderungen, unregelmäßigere Form und Farbe (poikilodermatös) und Indurationen kommen.
    • mögliche Bildung eines typischen V-Musters am Hals oder Nacken („Shawl“-Zeichen)
      Dermatomyositis
      Dermatomyositis
  • Im Verlauf Hypo- oder Hypopigmentierungen in den betroffenen Arealen
  • Nagelwurzelveränderungen mit u. a. periungualen Teleangiektasien
  • Gottron-Papeln und Gottron-Zeichen 
    • Gottron-Papeln: blau-violette Papeln dorsal über den interphalangealen oder metakarpophalangealen Gelenken sowie an Ellenbogen oder Kniegelenken bei etwa 70 % der Patient*innen
    • Gottron-Zeichen: erythematöse oder blau-violette, oft atrophische Maculae oder Plaques mit gleichem symmetrischem Muster an den Fingerknöcheln, aber unter Auslassung der Interphalangealräume (anders als beim SLE)
  • Bei juveniler DM treten oft kutane Kalzinosen auf.
  • Weitere Hautsymptome: Mechanikerhände, Raynaud-Phänomen
  • Bei 30–60 % der Fälle treten Hautsymptome früh im Verlauf der Erkrankung auf.

Mögliche systemische Manifestationen

  • Entzündliche Polyarthritis mit gleichem Verteilungsmuster wie eine rheumatoide Arthritis
    • Gelenkbeteiligungen häufiger bei Overlap mit anderen Myositissyndromen
  • Intestinale Lungenerkrankung: feine beidseitige Krepitationen
  • Zeichen einer Herzinsuffizienz (selten, schlechtes prognostisches Zeichen)

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • In der Regel Erhöhung von BSG und CRP
  • Typischerweise Erhöhung von CK 
    • Der CK-Wert hat die höchste Sensitivität und Spezifität und ist in der Regel 5- bis 50-mal höher als der Referenzwert.
  • Serologie
    • Nachweis myositisspezifischer Autoantikörper bei Spezialist*in
  • Lungenfunktionsprüfung1
    • Bei allen Patient*innen, um das Vorliegen einer Schwäche der Atemmuskulatur und einer interstitiellen Lungenerkrankung abzuklären.
    • Abklärung pathologischer Befunde durch Thorax-CT

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Hautbiopsie
    • bei Vorliegen mit einer DM vereinbarer Hautsymptome
  • Kapillarmikroskopie
    • Mikroskopie der Nagelfalzkapillaren zeigt bei der DM typische Befunde.
  • Autoantikörper 
    • Man klassifiziert die DM in 6 Untergruppen: Anti-TIF1-γ-, Anti-NXP2-, Anti-MDA5-, Anti-SAE-(SUMO-1 Activating Enzyme)-, Anti-Mi-2-assoziierte und Autoantikörper-negative DM.
    • Diese haben jeweils unterschiedliche Prognosen.
    • Für etwa 30 % aller DM-Fälle lassen sich keine Autoantikörper im Serum der Patient*innen nachweisen.
  • Röntgenthorax1
    • bei allen Patient*innen als Screening auf eine maligne Grunderkrankung
  • Thorax-CT1
    • bei allen Patient*innen mit respiratorischen Symptomen
    • bei Auffälligkeiten in der Lungenfunktionsprüfung
  • Zur weiteren Diagnostik bei Myositis siehe den Artikel Myositissyndrome.

Indikationen zur Überweisung 

  • Bei Verdacht auf Dermatomyositis oder bei diagnostischer Unsicherheit
  • Überweisung an Fachärzt*innen für Neurologie, Rheumatologie und Dermatologie

Therapie

Therapieziele

  • Funktionen erhalten durch Steigerung der Muskelkraft und Symptome extramuskulärer Manifestationen (Hautsymptome, Dysphagie, Dyspnoe, Gelenkschmerzen, Fieber) lindern.
  • Folgeerscheinungen vermeiden und reduzieren.

Allgemeines zur Therapie

  • Behandlung durch Spezialist*innen
  • Es gibt bislang keine randomisierten, placebokontrollierten Studien, die sich speziell mit der Therapie der Hautsymptome bei Myositiden befassen.
  • Bei Hautsymptomen im Rahmen von Myositiden, die keiner systemischen Therapie bedürfen oder nur unzureichend auf diese ansprechen, sollen weitere Therapiemaßnahmen erfolgen: z. B. UV-Schutz plus topische Kortikosteroide (Klasse 2–4) bzw. Calcineurin-Inhibitoren (Tacrolimus) oder systemisch Hydroxychloroquin bzw. MTX.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Sonnenschutz
    • Übermäßige Sonnenexposition vermeiden.
    • Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor (LSF 50) verwenden.
  • Körperliche Aktivität

Medikamentöse Therapie

  • Systemische Behandlung der Myositis siehe Artikel Myositissyndrome.
  • Hautsymptome
    • Lokaltherapie
      • topische Kortikosteroide der Klasse 2–4 empfohlen
        • Vor allem im Gesicht auf zunächst 2–3 Wochen begrenzen.
        • Intervalltherapie bei längerer Anwendung (z. B. 2 x/Woche
      • Topischer Calcineurin-Inhibitor (Tacrolimus 0,1 %) kann verwendet werden.
    • systemisch
      • Hydroxychloroquin (200 mg, 1–2 x tgl.) (off label)
        • bei ungenügender Wirksamkeit Mepacrin
      • bei fehlender Wirksamkeit von Antimalariamitteln: Methotrexat empfohlen
      • Behandlung des Juckreizes: Antihistaminika oral1
        • Cetirizin 10 mg 1 x tgl.

Nichtmedikamentöse Therapie

  • Frühzeitige Physiotherapie

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Schleichende Entwicklung und meist Beteiligung der proximalen Extremitätenmuskulatur
  • Bei einigen Patient*innen kann die Myositis abklingen, die Hautmanifestationen jedoch bestehen bleiben.

Komplikationen

Prognose

  • Es kommt zu erheblicher Morbidität aufgrund der Krankheit selbst und als Folge der Behandlung.
  • Bei der Dermatomyositis und der Polymyositis zeigten Studiendaten unter immunsuppressiver Therapie bei 40 % der Betroffenen eine Remission, bei 43 % eine Verbesserung und bei 17 % eine Verschlechterung.
    • Überlebensraten
      • nach 1 Jahr: 83 %
      • nach 5 Jahren 77 %
    • Todesursachen: am häufigsten Malignome und pulmonale Komplikationen
      • ohne Malignom 5-Jahres-Überlebensrate von 70–89 %
    • bei 30 % der Betroffenen mit DM mit Anti-MDA5(Melanoma Differentiation-Associated Protein 5)-Antikörpern sehr schlechte Prognose aufgrund einer schweren und rasch progredienten Lungenbeteiligung

Verlaufskontrolle

  • Bei Betroffenen mit amyopathischer Dermatomyositis sollte für mindestens 2 Jahre alle 2–3 Monate nach einer Muskelbeteiligung gefahndet werden.
  • Zum Ausschluss einer malignen Erkrankung sollte in den ersten 3 Jahren nach Diagnosestellung jährlich ein Screening auf Malignität erfolgen.1 
  • Weitere Informationen siehe Artikel Myositissyndrome.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Heliotropisches Ödem
Heliotropisches Ödem
Dermatomyositis
Dermatomyositis
Dermatomyositis: Nagelwurzelveränderungen mit u. a. periungualen Teleangiektasien.
Dermatomyositis: Nagelwurzelveränderungen mit u. a. periungualen Teleangiektasien
Raynaud-Syndrom
Raynaud-Syndrom
Kalzinose
Kalzinose

Quellen

Literatur

  1. BMJ BestPractice. Dermatomyositis. Stand Mai 2022. (letzter Zugriff am 30.06.2022). bestpractice.bmj.com

Autor*innen

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München

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