Schwangerschafts- und Wochenbettdepression

Die Wochenbettdepression ist die häufigste Komplikation im Zusammenhang mit Entbindungen. Es handelt sich hierbei um eine Form der depressiven Störung, die in 70 % der Fälle ein bis zwei Wochen nach der Geburt auftritt, die aber auch noch bis zu einem Jahr nach der Entbindung auftreten kann.

Was ist eine Wochenbettdepression?

Der Zustand reicht von leichter Niedergeschlagenheit („Baby-Blues“) bis hin zu einer schwerwiegenden Depression. Die Kriterien für die Diagnose Wochenbettdepression (postpartale oder peripartale Depression) sind erfüllt, wenn die Symptome mindestens zwei Wochen lang täglich empfunden werden.

Wochenbettdepression ist eigentlich ein Sammelbegriff für Depressionen während oder nach der Schwangerschaft. Etwa ein Drittel aller Depressionen nach der Geburt beginnt neueren Daten zufolge bereits während der Schwangerschaft. Ein Zusammenhang zwischen einer depressiven Episode und der Entbindung gilt dann als gegeben, wenn die Episode weniger als vier Wochen nach der Entbindung beginnt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Frauen bis mindestens sechs Monate nach der Entbindung ein erhöhtes Risiko tragen, an einer Depression zu erkranken. Die Symptome ähneln den typischen Symptomen einer Depression: Niedergeschlagenheit, Weinen, Unvermögen, sich über Dinge zu freuen, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Essstörungen, Suizidgedanken, wiederkehrende Gedanken an den Tod.

Ca. 10-20% der Mütter, aber auch 4% der Väter leiden an Wochenbettdepressionen. Genauere Zahlen zum Vorkommen liegen nicht vor. Es ist anzunehmen, dass die Erkrankung häufig gar nicht diagnostiziert wird. Sehr junge Mütter haben ein höheres Risiko für das Auftreten einer Wochenbettdepression.

Ursache

Die Ursache ist unbekannt. Forscher vermuten, dass der rasche Abfall des Hormonspiegels nach der Geburt bei besonders empfänglichen Frauen zur Entwicklung einer Depression beiträgt. Andere Faktoren, die möglicherweise eine Rolle spielen, sind belastende Lebensereignisse, frühere depressive Episoden (die nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt stehen müssen), mangelnde soziale Unterstützung, ein schwieriges Partnerschaftsverhältnis und Veranlagung. Das Ausbildungsniveau der Betroffenen, das Geschlecht des Kindes oder die Entbindungsmethode sind nicht ausschlaggebend für das Risiko; auch ob die Frau stillt oder ob die Schwangerschaft geplant war, ist anscheinend ohne Bedeutung.

Diagnostik

Die Erkrankung darf nicht mit der gewöhnlichen Niedergeschlagenheit verwechselt werden, die bei vielen Müttern während der ersten Tage nach der Geburt vorübergehend auftritt: dem „Baby-Blues“.

  • Der „Baby-Blues“ äußert sich durch Weinen, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Angst und Verwirrung.
  • Etwa vier Tage nach der Entbindung erreicht der „Baby-Blues“ seinen Höhepunkt. Er wird bei 40 bis 80 % der frischentbundenen Frauen beobachtet und klingt nach etwa ein bis zwei Wochen wieder ab.
  • Bei dieser Art von Niedergeschlagenheit kann die Frau alle ihre Aufgaben wie gewohnt wahrnehmen.

War die Betroffene niedergeschlagen oder hat während der vergangenen zwei Wochen ein vermindertes Interesse oder verminderte Freude an unterschiedlichen Aktivitäten während der meisten Zeit des Tages gezeigt? Wenn sie diese Fragen mit Ja beantwortet, liegt der Verdacht einer Depression sehr nahe. Angst tritt häufig in den Vordergrund, insbesondere auch Unruhe und Zwangsgedanken, die das Kind betreffen.

Hindert die Depression die Frau daran, ihrer Arbeit nachzugehen, sich zu Hause um Dinge zu kümmern oder fühlt sie sich im Umgang mit anderen Menschen beeinträchtigt? Die Antwort auf diese Frage ist ein Hinweis auf den Schweregrad.

Schlafstörungen sind ein häufiges Symptom bei Depressionen. Leidet die Mutter nach der Geburt anhaltend an Schlafstörungen, kann dies den Verdacht auf eine zugrundeliegende Depression erhärten. Andererseits sind deprimiert wirkende Frauen möglicherweise auch einfach nur müde, da sie aufgrund der Verantwortung und durchgemachter Nächte an einem gravierenden Schlafmangel leiden. Wenn die Betroffene im Hinblick auf ihre Verantwortung für das Kind oder die Kinder entlastet wird und sie die Möglichkeit hat, sich zu erholen, kann sich ihr Zustand rasch bessern.

Mithilfe eines Fragebogens kann die Betroffene selbst eine Einschätzung vornehmen, eine endgültige Diagnose sollte jedoch durch den Arzt gestellt werden.

Therapie

Ziel der Therapie ist eine rasche Normalisierung der Gemütslage und die Vorbeugung eines Rückfalls sowie die Verbesserung der Mutter-Kind-Beziehung.

Leichte bis mäßige Depression

Bei einer leichten Depression sollten Behandlungsmaßnahmen in Form von Entlastung und Beistand unmittelbar erfolgen, beispielsweise durch unterstützende Gespräche mit Familienangehörigen oder Pflegepersonal. Nach zwei bis vier Wochen sollte ein Termin zur Nachkontrolle vereinbart werden. Diese Maßnahmen können auch ohne sichere Diagnose getroffen werden und sollten ärztlich begleitet werden, um mögliche Veränderungen im Schweregrad beurteilen zu können. Bei leichten Depressionen wird in der Regel keine medikamentöse Behandlung empfohlen.

Schwerwiegende Wochenbettdepression

Bei Suizidgedanken oder wenn sich bei der Betroffenen Gedanken aufdrängen, dem Kind Schaden zuzufügen, ist sofortige psychiatrische Hilfe erforderlich. Auch wenn die Frau nicht in der Lage ist, sich um sich selbst oder das Kind zu kümmern, braucht sie Hilfe. Ausgehend von einer Beurteilung der Gesamtsituation mit Berücksichtigung des aktuellen Zustandes, des sozialen Netzwerkes der Betroffenen und dem Zugang zu lokalen Hilfsangeboten wird über eine mögliche Krankenhausaufnahme entschieden. Berichten zufolge kann sich die gemeinsame stationäre Aufnahme von Mutter und Kind positiv auf deren Verhältnis auswirken. Häufig ist eine Behandlung der Erkrankung mit Arzneimitteln gegen Depressionen (Antidepressiva) unerlässlich.

Stillen

Alle gegen Depressionen gerichteten Arzneimittel gehen in die Muttermilch über. Bei Einnahme der geringsten wirksamen Dosis und wenn keine Anzeichen von Auswirkungen auf das Kind vorliegen, kann das Stillen unter engmaschiger Kontrolle des Kindes erwogen werden. Der Arzt berät die Patientin diesbezüglich.

Verlauf

Die durchschnittliche Dauer einer unbehandelten Wochenbettdepression betrug laut einer wissenschaftlichen Studie sieben Monate. In einer anderen Studie beobachteten die Forscher, dass die meisten Episoden innerhalb von drei bis sechs Monaten von alleine abklangen. Darüber hinaus stellten sie fest, dass etwa eine von vier Müttern mit Wochenbettdepression am ersten Geburtstag des Kindes noch unter Symptomen litt.

Bei einer schwerwiegenden Depression und bei wiederholt auftretenden Depressionen ist es wichtig, dass eine gute Nachkontrolle durch fachkundiges ärztliches Personal mit psychiatrischer Ausbildung erfolgt.

Risiken bei einer späteren Schwangerschaft

Trat in der Vergangenheit eine schwerwiegende Wochenbettdepression auf, besteht ein Risiko von etwa 25 %, dass während oder nach einer weiteren Schwangerschaft erneut eine Depression auftritt. Eine gute Nachsorge, engmaschige Kontrollen und Beistand während der Schwangerschaft und den ersten Monaten nach der Entbindung sind daher unerlässlich.

Weiterführende Informationen

  • Depression
  • Fragebogen zur Erkennung einer Depression
  • Peripartale Depression – Informationen für ärztliches Personal

Autoren

  • Julia Trifyllis, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln
  • Philipp Ollenschläger, Medizinjournalist, Köln

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References

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