Zusammenfassung
- Definition:Umfasst physiologische Hautveränderungen, schwangerschaftsspezifische Dermatosen sowie die Beeinflussung präexistenter Hauterkrankungen.
- Häufigkeit:Hautveränderungen sind während der Schwangerschaft häufig.
- Symptome:Physiologische Hautveränderungen oft asymptomatisch. Leitsymptom der schwangerschaftsspezifischen Dermatosen ist der Pruritus.
- Befunde:Sehr variabel und abhängig von der vorliegenden Hauterkrankung.
- Diagnostik:In den meisten Fällen Blickdiagnose. Bei Schwangerschaftscholestase Blutuntersuchung, bei Pemphigoid gestationis Hautbiopsie.
- Therapie:Symptomatische Therapie mit topischen oder systemischen Steroiden, Antihistaminika sowie rückfettender Creme.
Allgemeine Informationen
Definition
- Es gibt drei wesentliche Typen schwangerschaftsbezogener Hautveränderungen:
- physiologische Hautveränderungen
- Hautveränderungen, die in der Schwangerschaft so häufig sind, dass ihr Auftreten als normal betrachtet wird
- schwangerschaftsspezifische Dermatosen
- gemeinsames Leitsymptom: Pruritus
- Beeinflussung präexistenter Hauterkrankungen (u. a. Psoriasis, Lupus erythematodes)
- physiologische Hautveränderungen
Häufigkeit
- Physiologische Hautveränderungen
- Hyperpigmentierungen (Melasmen): bei bis zu 90 % der Schwangeren
- Dehnungsstreifen (Striae distensae): bei bis zu 90 % der Schwangeren
- Varizen: bei 35 % der Erstgebärenden und 70 % der Multipara
- Haar- und Nagelveränderungen: bei der Mehrzahl der Schwangeren
- Schwangerschaftsspezifische Dermatosen und jeweilige Inzidenz
- atopische Schwangerschaftsdermatose: 1:5–1:20
- polymorphe Schwangerschaftsdermatose: 1:160–1:200
- intrahepatische Schwangerschaftscholestase: 1:50–1:5.000
- Pemphigoid gestationis: 1:2.000–1:50.000
Ätiologie und Pathogenese
- Komplexe endokrinologische, immunologische, metabolische und vaskuläre Veränderungen in der Schwangerschaft können zum Auftreten von physiologischen Hautveränderungen und schwangerschaftsspezifischen Dermatosen, aber auch zu Veränderungen im Verlauf von Hauterkrankungen führen.
- Cave: Hauterkrankungen können auch zufällig mit Gravidität zusammentreffen!
ICD-10
- O99.7 Krankheiten der Haut und des Unterhautgewebes, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett komplizieren
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Physiologische Hautveränderungen in der Regel Blickdiagnosen
- Schwangerschaftsdermatosen mit Leitsymptom Pruritus sollten immer weiter abgeklärt werden.
Differenzialdiagnosen
Physiologische Veränderungen
- Hyperpigmentierungen
- lokalisiert (Melasma gravidarum) oder generalisiert
Melasma
- meistens im Bereich der Areolae mammae, Labia minora und Linea alba
- Linea alba wird zur Linea nigra.
- lokalisiert (Melasma gravidarum) oder generalisiert
- Striae distensae
- Dehnungsstreifen, vor allem bei Patientinnen mit starker Gewichtszunahme.
- typischerweise an Abdomen, Mammae und Oberschenkeln
Linea nigra
- Varizen
- nicht nur an den Beinen, sondern auch an Vulva, Vagina und suprapubisch
- Hypertrichose
- nach Entbindung oft postpartaler Haarausfall
- Hyperhidrose
- Gefäßerweiterungen und Gefäßproliferationen
- Palmarerythem, Teleangiektasien und Spider-Nävi
- Schwangerschaftsgingivitis
- Nagelveränderungen
- glanzlos, quer gefurcht und distale Onycholyse
Schwangerschaftsspezifische Dermatosen
- Leitsymptom Pruritus
- Atopische Schwangerschaftsdermatose
- für mehr als 50 % des Pruritus in der Schwangerschaft verantwortlich
- Auftreten im Gegensatz zu den anderen Schwangerschaftsdermatosen schon deutlich früher, meist bereits im 2. Trimenon
- umfasst ekzematöse und/oder papulöse Hautveränderungen bei Patientinnen mit atopischer Eigenanamnese bzw. atopischer Familienanamnese
- oft extreme Hauttrockenheit (Xerosis cutis)
- in Folgeschwangerschaft oft Rezidive
- keine Gefährdung für das Kind
- Therapie
- hydratisierende Cremes oder Salben
- milde topische Glukokortikoide, z. B. Methylprednisolonaceponat, Prednicarbat, Momethasonfuorat
- UV-B‐Therapie in Frühschwangerschaft
- Polymorphe Schwangerschaftsdermatose
- typischerweise in den letzten Schwangerschaftswochen oder unmittelbar postpartal
Polymorphe Schwangerschaftsdermatose
- papulöses, stark juckendes, oft girlandenartiges Exanthem mit Plaques, das meist im Bereich der Striae distensae am Abdomen unter Aussparung des Nabels beginnt und auf Gesäß und Oberschenkel übergehen kann
- mit zunehmendem Krankheitsverlauf polymorphes Krankheitsbild mit erythematösen und ekzematösen Veränderungen und gelegentlich auch Bläschen
- Eruptionen heilen spontan, meist innerhalb von 4–6 Wochen ab.
- keine Gefährdung für das Kind
- Therapie
- topische Glukokortikoide, z. B. Hydrocortisoncreme
- Antihistaminika, Loratadin 10 mg 1 x tgl. Mittel der 1. Wahl; kann in allen Phasen der Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen werden.
- Ggf. systemische Glukokortikoide, z. B. Prednison 20–40 mg/d; Anwendung in allen Phasen der Schwangerschaft und Stillzeit möglich, jedoch möglichst kurz und niedrig dosiert; starker Anstieg des Risikos für Frühgeburten bei Langzeittherapie > 10 mg/d; bei hohen Dosierungen sollte das fetale Wachstum sonografisch überwacht werden bzw. in der Stillzeit Abstand von 3–4 Stunden zur Medikamenteneinnahme eingehalten werden.
- typischerweise in den letzten Schwangerschaftswochen oder unmittelbar postpartal
- Intrahepatische Schwangerschaftscholestase
- hormonell getriggerte, reversible Cholestase
- Manifestation im letzten Trimenon bei genetisch prädisponierten Individuen
- massiver Pruritus ohne primäre Hauterscheinungen
- cholestatischer Ikterus nur bei etwa 10 % der Patientinnen
- Pruritus v. a. im Bereich der Handflächen und Fußsohlen, später auch an den Streckseiten der Extremitäten sowie am Abdomen und Gesäß
- sekundär Spektrum von leichten (Kratz-)Exkoriationen bis hin zu ausgedehnten Prurigoknoten
- Diagnostik: erhöhte Werte der Gesamtgallensäuren im Serum (> 11 μmol/l)
- Fetales Risiko (Frühgeburt, intrauteriner Fruchttod) nimmt ab Werten > 40 μmol/l deutlich zu.
- Therapie: Ursodesoxycholsäure (15 mg/kg KG/d)
- Einnahme im 1. Trimenon ist zu vermeiden und sollte auch im späteren Verlauf der Schwangerschaft abgesetzt werden, sobald es die Grunderkrankung zulässt; während der Stillzeit bestehen keine Einschränkungen.
- Pemphigoid gestationis
- seltene bullöse Autoimmundermatose der Schwangerschaft
- Auftreten in 2. Schwangerschaftshälfte oder frühen Postpartalperiode
- Generalisierter starker Pruritus, dem Exanthem folgt.
- Initial große, meist erheblich juckende erythematöse Papeln und urtikarielle Plaques, denen nach einigen Wochen gruppierte Bläschen und pralle Blasen folgen.
Schwangerschafts-Pemphigoid
- Initial große, meist erheblich juckende erythematöse Papeln und urtikarielle Plaques, denen nach einigen Wochen gruppierte Bläschen und pralle Blasen folgen.
- Erhöhtes Risiko für Frühgeburten und SGA‐Feten („Small for Gestational Age“), das mit der Schwere der Erkrankung korreliert.
- Diagnostik: direkte Immunfluoreszenz mit Nachweis linearer C3- und IgG‐Ablagerungen entlang der dermo-epithelialen Junktionszone
- Therapie
- topische Glukokortikoide, z. B. Methylprednisolonaceponat, Prednicarbat, Momethasonfuorat
- Antihistaminika; Loratadin 10 mg 1 x tgl. Mittel der 1. Wahl
- systemische Kortikosteroide (Prednisolon 0,5–1 mg/kg KG/d); Anwendungshinweise siehe hier.
Beeinflussung präexistenter Hauterkrankungen
- Während einige Dermatosen durch Schwangerschaft überhaupt nicht beeinflusst werden, können sich andere verbessern und wiederum andere verschlechtern.
- Klassische Verläufe
- Psoriasis verbessert sich während der Schwangerschaft, nach der Entbindung kommt es jedoch zum Schub.
- Lupus erythematodes verschlechtert sich dagegen während der Schwangerschaft, um sich nach der Entbindung wieder zu verbessern.
- Zur optimalen Behandlung der Schwangeren wird eine enge Zusammenarbeit mit den behandelnden Dermatolog*innen empfohlen.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Linea nigra

Melasma

Typische Verbreitung der polymorphen Schwangerschaftsdermatose (Quelle: Ugeskriftet.dk, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung)

Polymorphe Schwangerschaftsdermatose entlang der Striae distensae

Polymorphe Schwangerschaftsdermatose

Klassisches Verbreitungsmuster der atopischen Schwangerschaftsdermatose (Quelle: Ugeskriftet.dk, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung)

Atopische Schwangerschaftsdermatose in der Armbeuge

Atopische Schwangerschaftsdermatose in den Kniekehlen

Klassisches Verbreitungsmuster des Pemphigoid gestationis (Quelle: Ugeskriftet.dk, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung)

Gruppierte Bläschen bei Pemphigoid gestationis

Pemphigoid gestationis

Klassisches Verbreitungsmuster der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase (Quelle: Ugeskriftet.dk, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung)
Quellen
Literatur
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.