Gemüseallergie

 Allgemeine Informationen

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1
  • Gemüseallergien entstehen häufig durch Kreuzreaktionen, insbesondere mit Pollen.
  • Nach einer Sensibilisierung gegenüber unspezifischen Lipid-Transferproteinen (nsLTP) können diese Allergien auch ohne Zusammenhang mit Pollen auftreten.
    • nsLTP-Proteine sind in der Schale von Obst und Gemüse enthalten.

ICD-10

  • T78.1 Sonstige Nahrungsmittelunverträglichkeit, anderenorts nicht klassifiziert

Symptome und Behandlung

  • Der Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf dieser Referenz.1
  • Symptome einer Gemüseallergie, die wenige Minuten bis Stunden nach dem Verzehr des auslösenden Lebensmittels auftreten, gleichen denen bei anderen Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Nahrungsmittelallergien:
    • Eine häufige Reaktion ist eine gerötete, geschwollene und juckende Schleimhaut im Mund, das sog. orale Allergiesyndrom (OAS).
    • Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Bauchschmerzen können nach dem Verzehr auftreten.
    • An der Haut kann sich eine allergische Reaktion in Form von juckendem Hautausschlag und Nesselsucht äußern.
      • Ein vorbestehendes Handekzem kann sich akut verschlechtern.
    • Bei einer schweren Reaktion kann es zu Atembeschwerden und Schwindel kommen.
    • Auch das Herz-Kreislauf-System kann von der allergischen Reaktion betroffen sein.
    • Im schlimmsten Fall droht eine schwere, möglicherweise lebensbedrohliche Reaktion des gesamten Körpers mit anaphylaktischem Schock.
  • Behandlung
    • Wie bei anderen Nahrungsmittelallergien oder -unverträglichkeiten liegt der wichtigste Schritt in der Vermeidung des auslösenden Lebensmittels.
    • Zutatenlisten verarbeiteter Lebensmittel sollten sorgfältig gelesen werden.
    • Je nach Auslöser und Schwere der Allergie oder Unverträglichkeit kann eine Ernährungsberatung sinnvoll sein.
    • Diskutiert werden Möglichkeiten der Hyposensibilisierung (spezifische Immuntherapie) bei Immunglobulin E(IgE)-bedingten Allergien oder eine schrittweise Gewöhnung durch wiederholte Versuche der Aufnahme des entsprechenden Allergens unter Aufsicht von Fachärzt*innen für Dermatologie, Pädiatrie oder Gastroenterologie.
    • Eine medikamentöse Behandlung ist selten notwendig.
      • Bei einer akuten allergischen Reaktion werden meist kurzzeitig Antihistaminika, z.B. als Tabletten, verabreicht.

Anaphylaktischer Schock

  • Siehe Artikel Anaphylaxie, Erste Hilfe.
  • Im Falle einer schweren allergischen Reaktion mit drohendem anaphylaktischem Schock ist eine notfallmäßige Behandlung notwendig.
    • Hier kommen neben Antihistaminika und Kortikosteroiden auch Adrenalin, Sauerstoff und weitere intensivmedizinische Maßnahmen zum Einsatz.

Allergien auf verschiedene Gemüsearten

Erbsenallergie

  • Erbsen können allergische Reaktionen hervorrufen und sind in Europa eine der Hauptursachen für Nahrungsmittelallergien.
  • Es gibt eine biologische Verwandtschaft zwischen Erbsen und Sojabohnen, Erdnüssen und anderen Hülsenfrüchten.
    • Kreuzreaktionen sind möglich.
    • Erbsenallergiker*innen haben häufig Allergien gegenüber weiteren Nahrungsmitteln.
  • Profiline sind kreuzreaktive Proteine in Pollen und Erbsen und können ein OAS verursachen.
    • Bis zu 86 % der Patient*innen mit Pollinose berichten über isolierte oropharyngeale Symptome nach dem Genuss von Erbsen.
  • Das Allergen nsLTP (Pru p 3) der Erbse kann bei Patient*innen ohne Pollenallergie schwere anaphylaktische Reaktionen hervorrufen.2
  • Die Schwere der Allergie kann sich aufgrund der kulturellen Unterschiede in der Nahrungszusammensetzung unterscheiden.

Tomaten- und Tomatenmarkunverträglichkeit

  • Tomaten können bei Erwachsenen und Kindern Reaktionen hervorrufen.
  • Es handelt sich dabei vor allem um Unverträglichkeitsreaktionen.
  • Patient*innen, die auf Ketchup reagieren, können Produkte ohne Konservierungsmittel ausprobieren.
    • Wenn die Patient*innen auf diese Produkte ebenfalls stark reagieren, ist dies wahrscheinlich auf eine Unverträglichkeit gegenüber Tomaten selbst zurückzuführen.

Möhrenallergie

  • Möhrenspezifische IgE-Antikörper können zu Kreuzreaktionen mit Sellerie, Wassermelone, Fenchel, Koriander sowie Birken- und Beifußpollen führen.
  • Die verantwortlichen Allergene sind Dau c 1, Möhren-Profilin und kreuzreaktive Kohlenhydratseitenketten.3

Sojabohnenallergie

  • Sojabohnen stellen eine häufige Ursache für systemische Nahrungsmittelallergien bei Kindern dar.
    • In gekochtem Zustand können Sojabohnen häufiger vertragen werden.
  • Bei Patient*innen mit Pollenallergie können Kreuzreaktionen gegenüber Gemüse auftreten.
  • Bei Erwachsenen kann durch Sojabohnen neben einem OAS auch eine systemische Reaktion auftreten.

Erdnussallergie

  • Erdnussallergien sind weit verbreitet. 
  • Sie können anaphylaktische Reaktionen auslösen.4
  • Allergenspezifische IgE-Tests auf eine Erdnussallergie sind aufgrund der Kreuzallergie zwischen Erdnüssen und anderen Pflanzenallergenen (Birkenpollen) meist schwer zu interpretieren.
    • 25–50 % der Menschen mit einer Erdnuss-Allergie haben gleichzeitig eine Allergie gegen Baumnüsse.
  • Frühe Exposition
    • Eine mögliche präventive Wirkung einer regelmäßigen Erdnussexposition bei Kindern mit einem hohen Risiko für eine Erdnussallergie wird diskutiert.
    • Eine frühe Exposition gegenüber Erdnüssen kann sogar nach zeitweisem Verzicht günstige Ergebnisse zeigen.5
    • Kindern mit erhöhtem Erdnuss-Allergierisiko wird laut einer systematischen Übersichtsarbeit von mehreren randomisierten Studien ein frühes (im Alter von 4–11 Monaten) Zufüttern von Erdnussproteinen empfohlen.6

Immuntherapie bei Erdnussallergie

  • Subkutane Immuntherapie (SCIT): Die aktuelle Datenlage zur Wirksamkeit einer SCIT zur Behandlung der Nahrungsmittelallergie ist begrenzt, nachdem diese Behandlungsform für primäre Nahrungsmittelallergien vor Jahrzehnten aufgrund schwerer systemischer Nebenwirkungen unter der Therapie nicht weiterverfolgt wurde.
  • Sublinguale Immuntherapie (SLIT): Eine tägliche Gabe glyzerinhaltiger flüssiger Allergenextrakte unter die Zunge können Desensibilisierung eines Nahrungsmittelallergens und die IgG-4-Antwort fördern.
  • Für die Erdnussallergie liegen einige Studien vor, vor allem bei Kindern/Jugendlichen, die eine klinische Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit zeigen.7
  • Orale Immuntherapie (OIT): für die Erdnussallergie Effektivität der OIT zur Erhöhung des Schwellenwerts der Reaktionen gegen Erdnuss, eine Verringerung der akzidentellen Reaktionshäufigkeit sowie Verbesserung der Lebensqualität8
  • Palforzia ist ein Mittel zur Behandlung von Patient*innen im Alter von 4–17 Jahren mit bestätigter Diagnose einer Erdnussallergie.
    • Die Anwendung von Palforzia kann bei Patient*innen, die 18 Jahre und älter sind, fortgeführt werden. Die Anwendung von Palforzia hat in Verbindung mit einer erdnussfreien Ernährung zu erfolgen.

Weitere Informationen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur


  1. Nowak-Węgrzyn A. Pathogenesis of oral allergy syndrome (pollen-food allergy syndrome). UpToDate, last updated August, 2021. www.uptodate.com. www.uptodate.com
  2. Díaz-Perales A, Lombardero M, Sánchez-Monge R, et al. Lipid-transfer proteins as potential plant panallergens: cross-reactivity among proteins of Artemisia pollen, Castanea nut and Rosaceae fruits, with different IgE-binding capacities. Clin Exp Allergy. 2000 Oct;30(10):1403-10. doi: 10.1046/j.1365-2222.2000.00909.x. PMID: 10998016. pubmed.com. onlinelibrary.wiley.com
  3. Ballmer-Weber BK, Wüthrich B, Wangorsch A, et al. Carrot allergy: double-blinded, placebo-controlled food challenge and identification of allergens. J Allergy Clin Immunol. 2001 Aug;108(2):301-7. doi: 10.1067/mai.2001.116430. PMID: 11496252. pubmed.com. www.jacionline.org
  4. Lack GT, Fox D, Northstone K, Golding J. Factors associated with the development of peanut allergy in childhood. N Engl J Med 2003; 348: 977-85. pmid:12637607 PubMed
  5. Toit GD, Sayre PH, Roberts G, et al. Effevt of avoidance on peanut allergy after early peanut consumption. N Engl J Med 2016. doi:10.1056/NEJMoa1514209 DOI
  6. Greenhawt M. The Learning Early About Peanut Allergy Study: The Benefits of Early Peanut Introduction, and a New Horizon in Fighting the Food Allergy Epidemic. Pediatr Clin North Am 2015 Dec; 62(6): 1509-21. doi:10.1016/j.pcl.2015.07.010 DOI
  7. Burks AW, Wood RA, Jones SM, et al. Consortium of Food Allergy Research. Sublingual immunotherapy for peanut allergy: Long-term follow-up of a randomized multicenter trial. J Allergy Clin Immunol. 2015; 135: 12401248.e1-3. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Soller L, Abrams EM, Carr S, et al. First real-world effectiveness analysis of preschool peanut oral immunotherapy. J Allergy Clin Immunol Pract. 2021; 9: 13491356.e1. ww.jaci-inpractice.org. www.jaci-inpractice.org

Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster



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