Zusammenfassung
- Definition:Abszess/Entzündung der Haarfollikel der Wimpern mit Blockade von Talg- oder Schweißdrüsen am Augenlid.
- Häufigkeit:Häufige Augenerkrankung in der Hausarztpraxis.
- Symptome:Schmerzen, Rötung, Schwellung eines Augenlids.
- Befunde:Lokalisierte Rötung und Schwellung des Augenlids; häufig auch konjunktivale Injektion/Ödem.
- Diagnostik:Inspektion, Schmerzangabe, keine zusätzliche Diagnostik indiziert.
- Therapie:Ggf. trockene Wärme (z. B. warme Kompressen), ggf. lokales Antibiotikum oder ggf. chirurgische Maßnahmen.
Allgemeine Informationen
Definition
- Hordeolum (Gerstenkorn): akute bakterielle schmerzhafte Entzündung/kleiner Abszess der Haarfollikel der Wimpern
- Führt zu einer Blockade von Talg- oder Schweißdrüsen am Lidrand des Augenlids.
- Im Gegensatz zum Hagelkorn (Chalazion) ist das Gerstenkorn schmerzhaft.
- Das Ober- als auch das Unterlid können betroffen sein.
- Hordeolum externum
- Lidaußenseite
- entzündungsbedingte Blockade der Moll-Drüsen (Glandulae ciliares, apokrine Schweißdrüsen) oder der Zeis-Drüsen (Glandulae sebaceae, Talgdrüsen)
- Hordeolum internum
- Lidinnenseite
- entzündungsbedingte Blockade der Meibom-Drüsen (Glandulae tarsales, Talgdrüsen in der bindegewebigen Tarsalplatte der Augenlider)1
Häufigkeit
- Nach Konjunktivitis die zweithäufigste Augenerkrankung in Hausarztpraxen
- Alle Altersklassen sind können betroffen sein.1
- Hordeolum externum häufiger als Hordeolum internum
Ätiologie und Pathogenese
- 90–95 % verursacht durch Staphylokokken (Staph. aureus und Staph. epidermidis), seltener durch Streptokokken1-2
- Prädisponierende Faktoren: Diabetes mellitus, Rosazea, Hyperlipidämie oder Blepharitis1,3
ICPC-2
- F72 Blepharitis/Hagelkorn/Gerstenkorn
ICD-10
- H00 Hordeolum und Chalazion
- H00.0 Hordeolum und sonstige tiefe Entzündung des Augenlides
Diagnostik
Differenzialdiagnosen
- Chalazion (Hagelkorn, wichtigste DD): schmerzfreie, nichtinfektiöse, chronische granulomatöse Entzündung der Meibom-Talgdrüsen am Augenlid, oft sekundär durch Verlegung der Drüsenausführungsgänge (Sekretstau), auch als Folge von Hordeolum internum, ggf. operative Entfernung
- Konjunktivitis: entzündete Schleimhaut
- Dakryozystitis: Abszess oder Phlegmone des Tränensacks
- Erysipel: akute fieberhafte Infektion der Dermis, meist beta-hämolysierende Streptokokken Gruppe A, Eindringen über Hautverletzung, Ausbreitung über Lymphspalten
- Orbitaphlegmone: akute phlegmonöse Entzündung der Orbita, Klinikeinweisung
- Basalzellkarzinom
- Talgdrüsenkarzinom
- Plattenepithelkarzinom 4
- Pneumo-Orbita: sehr selten
- Periorbitale Zellulitis2-3
- Atherom, Molluscum und Papillom kommen auch am Augenlid vor.
Anamnese
- Schmerzen, Rötung, Schwellung, geröteter Knoten am Augenlid
- Beschwerdebild tritt schleichend auf.
- Schmerzlose Augenbewegungen1,4
- Diagnose anhand typischer Anamnese und Klinik
Klinische Untersuchung
- Entzündeter Haarfollikel: lokalisierte Rötung und Schwellung des Augenlids, oft auch konjunktivale Injektion/Ödem
- Schmerzhafte, erythematöse Inflammation des Augenlids, zuweilen auch mit eitrigen Vesikeln (Pustel)1
- Ggf. Schwellung präaurikulärer Lymphknoten, evtl. Fieber
- Differenzialdiagnosen beachten, insbesondere bei persistierenden, rezidivierenden oder atypischen Verläufen.
Indikationen zur Überweisung
- In der Regel nicht erforderlich
- Großer Befund zur Inzision und Drainierung2
- Bei V. a. Phlegmone und/oder Zeichen der Sepsis
- Bei fehlender Befundbesserung, atypischem oder rezidivierendem Verlauf
Therapie
Therapieziele
- Symptomlinderung
- Sanierung der Infektion1
Allgemeines zur Therapie
- Häufig nach 1–2 Wochen selbstlimitierend1-2
- Konservativ, ggf. chirurgisch (häufig Hordeolum internum)1
- Studienlage: Daten zum Outcome der konservativen vs. interventionellen Therapie fehlen.5
Empfehlungen für Patient*innen
- Lokale Wärmeanwendung
- z. B. warme Kompressen oder Infrarotlichtlampe, 3- bis 4-mal täglich über jeweils 10–15 min1
- Lidrandhygiene, ggf. mit Salz, ph-neutraler Seife oder einem milden Shampoo (Babyshampoo)1,5
- Vorsicht Hordeolum internum: Manuelle Therapie kann zu einer Cornea-Reizung führen.6
Medikamentöse Therapie
- Antibiotikahaltige Augensalbe
Weitere Therapien
- Selten chirurgische Intervention, z. B. bei starkem Spannungsschmerz, großem Befund1-2
- Ggf. Überweisung an Augenärzt*in zur Stichinzision
- Inzision, Abschaben oder Drainage bei fehlender Besserung innerhalb 2–3 Tagen
- vertikale Inzision bei Hordeolum internum
- horizontale Inzision bei Hordeolum externum
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Oft nach 1–2 Wochen selbstlimitierend1
- Langwieriger Verlauf, wenn sich die Infektion auf weitere Meibom-Drüsen beim Hordeolum internum ausbreitet.5
- Ursache eines sekundären Chalazions5
- Rezidivierende Verläufe u. a. bei Diabetes mellitus, Rosazea, Hyperlipidämie oder Blepharitis (s. o.)
Komplikationen
- Lidabszess
- Orbitalphlegmone
- Thrombophlebitis der Vena angularis (selten)
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Häufig Selbstlimitation innerhalb 1–2 Wochen
- Augenreiben mit Gefahr der Ausbreitung auf weitere Drüsen oder die Gegenseite
- Lidhygiene, v. a. bei rezidivierender Erkrankung1
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Hordeolum (Gerstenkorn)
Quellen
Literatur
- Bragg K, Le P, Le J. Hordeolum. StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing, 2021. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Willmann D, Guier C, Patel B, Melanson S. Stye. StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing, 2021. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- McAlinden C, González-Andrades M, Skiadaresi E. Hordeolum: Acute abscess within an eyelid sebaceous gland. Cleve Clin J Med. 2016; 83: 332-334. pmid:27168505 PubMed
- Pflipsen M, Massaquoi M, Wolf S. Evaluation of the Painful Eye. Am Fam Physician 2016; 93: 991-998. pmid:27304768 PubMed
- Lindsley K, Nichols JJ, Dickersin K. Non-surgical interventions for acute internal hordeolum. Cochrane Database of Systematic Reviews 2017, Issue 1. Art. No.: CD007742. DOI: 10.1002/14651858.CD007742.pub4 onlinelibrary.wiley.com
- McMonnies C, Korb D, Blackie C. The role of heat in rubbing and massage-related corneal deformation. Cont Lens Anterior Eye 2012; 35: 148-154. pmid:22309634 PubMed
Autor*innen
- Claudia Wengert, Dr. med., Fachärztin für Innere Medizin, Geriatrie und Palliativmedizin, Hamburg
- Daniela Frank, Weiterbildungsassistentin für Allgemeinmedizin, Neustadt/Weinstraße