Schielen und Doppelbilder bei Erwachsenen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Schielen und Doppelbilder bei Erwachsenen sind erworbene Sehstörungen mit neurologischen oder ophthalmologischen Ursachen.1-2
  • Bei Doppelbildern (Diplopie) werden Teile des Gesehenen vom Betroffenen mehrmals und zueinander versetzt wahrgenommen.
    • binokuläre Doppelbilder: beim Sehen mit beiden Augen
    • monokuläre Doppelbilder: beim Sehen mit nur einem Auge
  • Beim Schielen (Strabismus) kommt es zur Abweichung eines Auges von der Blickrichtung mit Fehlstellung der Augäpfel zueinander.

Häufigkeit

  • Die Häufigkeit von erworbenem Schielen und/oder Doppelbildern ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung.
  • Häufigkeiten möglicher Ursachen:

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Lokalisation von Pathologien, die zu Schielen und Doppelbildern führen können:,
    • Pathologien des zentralen Nervensystems
    • Pathologien der Hirnnerven
      • N. oculomotorius (III. Hirnnerv)
      • N. trochlearis (IV. Hirnnerv)
      • N. abducens (VI. Hirnnerv)
    • Pathologien der äußeren Augenmuskeln
    • Pathologien der Orbita
    • Pathologien des Bulbus und der Kornea
    • Makula- oder Netzhauterkrankungen
    • angeborene Schielsyndrome
      • Vermutlich sind Defekte in der Entwicklung der zentralnervösen Steuerungsmechanismen der Augenbewegungen ursächlich.
      • familiäre Häufung nachgewiesen, jedoch noch keine konkreten Gene

Anatomie der äußeren Augenmuskeln

  • Die Bewegung des Augenbulbus erfolgt durch die äußeren Augenmuskeln.
  • Grundsätzliche Bewegungsebenen
    • Elevation und Depression
    • Abduktion und Adduktion
    • Innen- und Außenrotation
  • Äußere Augenmuskeln, Wirkung und Innervation
    • M. rectus superior
      • Elevation, Adduktion, geringe Innenrotation
      • innerviert durch N. oculomotorius (III)
    • M. rectus inferior
      • Depression, Adduktion, geringe Außenrotation
      • innerviert durch N. oculomotorius (III)
    • M. rectus medialis
      • Adduktion
      • innerviert durch N. oculomotorius (III)
    • M. rectus lateralis
      • Abduktion
      • innerviert durch N. abducens (VI)
    • M. obliquus superior
      • schräger Augenmuskel
      • Depression, Abduktion, Innenrotation
      • innerviert durch N. trochlearis (IV)
    • M. rectus superior M. rectus inferior M. rectus medialis M. obliquus inferior
      • Elevation, Abduktion, Außenrotation
      • innerviert durch N. oculomotorius (III)

Einteilung des Schielens

  • Einteilung des Schielens nach:
    • Richtung der Abweichung
    • Abhängigkeit von der Blickrichtung
    • Ursache des Schielens
    • Zeitpunkt des Auftretens.
  • Manifestes Schielen (Heterotropie)
    • Beim Abdecken des fixierenden Auges kommt es zur Einstellbewegung des nicht abgedeckten Auges (einseitiger Abdecktest).
    • Strabismus divergens (Exotropie, Außenschielen)
      • Einstellbewegung von außen nach innen
    • Strabismus convergens (Esotropie, Innenschielen)
      • Einstellbewegung von innen nach außen
    • Höhenschielen (Vertikaltropie)
      • Hypertropie: rechtes Auge höher als das linke
      • Hypotropie: linkes Auge höher als das rechte
  • Latentes Schielen
    • Fixierung beider Augen auf das Objekt ohne Schielstellung
    • Beim Abdecken kommt es zum Abweichen des abgedeckten Auges (Einstellbewegung im wechselseitigen Abdecktest).
    • latentes Innenschielen (Esophorie)
    • latentes Außenschielen (Exophorie)
    • latentes Höhenschielen (Hyper- und Hypophorie)
  • Primärer und sekundärer Strabismus
    • primärer Strabismus: isoliertes Schielen, keine weiteren
      ophthalmologischen Erkrankungen
    • sekundärer Strabismus: Schielen als Folge einer anderen ophthalmologischen Erkrankung (z. B. Erblindung)
  • Konkomitantes und inkomitantes Schielen
    • Strabismus concomitans (Begleitschielen): Schielwinkel in allen Blickrichtungen gleich
    • Strabismus incomitans (auch Strabismus paralyticus): Schielwinkel je nach Blickrichtung unterschiedlich

Diagnostische Überlegungen

  • Hinweise auf Ursachen ergeben sich aus:
    • dem Beginn und zeitlichen Verlauf
    • der Art des Schielens bzw. der Doppelbilder
    • den Begleitsymptomen
    • den Vorerkrankungen
    • der klinischen Untersuchung.

Konsultationsgrund

  • Insbesondere akut aufgetretene Doppelbilder und Augenbewegungsstörungen
    • Augenärzt*innen sind häufig die erste Anlaufstelle.
  • Bei langsamer Progredienz ist zu Beginn oft noch eine Kompensation möglich.

ICPC-2

  • F95 Strabismus

ICD-10

  • H49.- Strabismus paralyticus
    • H49.0 Lähmung des N. oculomotorius [III. Hirnnerv]
    • H49.1 Lähmung des N. trochlearis [IV. Hirnnerv]
    • H49.2 Lähmung des N. abducens [VI. Hirnnerv]
    • H49.3 Ophthalmoplegia totalis externa
    • H49.4 Ophthalmoplegia progressiva externa
    • H49.8 Sonstiger Strabismus paralyticus
    • H49.9 Strabismus paralyticus, nicht näher bezeichnet
  • H50.- Sonstiger Strabismus
    • H50.0 Strabismus concomitans convergens
    • H50.1 Strabismus concomitans divergens
    • H50.2 Strabismus verticalis
    • H50.3 Intermittierender Strabismus concomitans
    • H50.4 Sonstiger und nicht näher bezeichneter Strabismus concomitans
    • H50.5 Heterophorie
    • H50.6 Mechanisch bedingter Strabismus
    • H50.8 Sonstiger näher bezeichneter Strabismus
    • H50.9 Strabismus, nicht näher bezeichnet

Differenzialdiagnosen

Ophthalmologische Erkrankungen

Begleitschielen (Strabismus concomitans)

  • Definition und Ursache
    • Formen manifesten Schielens
      • Strabismus divergens (Exotropie, Außenschielen)
      • Strabismus convergens (Esotropie, Innenschielen)
      • Höhenschielen (Vertikaltropie)
    • Erstmanifestation in der Regel als Strabismus im Kindesalter
      • Ursache frühkindlicher Schielsyndrome vermutlich Defekte in der Entwicklung von Augenbewegungszentren im ZNS
    • Assoziation mit Fehlsichtigkeit, z. B. Hyperopie oder Astigmatismus
  • Klinik
    • Strabismus mit konstantem Schielwinkel in allen Blickrichtungen
      • im Gegensatz zum erworbenen paretischen Schielen, z. B. durch Augenmuskellähmungen, keine blickrichtungsabhängige Zunahme des Schielwinkels
    • Während der frühkindlichen Sehentwicklung kann es zur Unterdrückung der Sehwahrnehmung (Amblyopie) kommen.
  • Therapie
    • gering ausgeprägt häufiger Zufallsbefund ohne wesentlichen Krankheitswert
    • Schielwinkelausgleich mittels Prismengläsern
    • in schweren Fällen Augenmuskeloperation zur Verbesserung der Schielstellung

Dekompensiertes latentes Schielen (Heterophorie)

  • Definition und Ursache
    • latentes Schielen (Exo- bzw. Esophorie) mit akut herabgesetzter Kompensationsfähigkeit durch verschiedene Auslöser
      • z. B. Müdigkeit, Alkohol, Erkrankung
    • Formen latenten Schielens
      • latentes Innenschielen (Esophorie)
      • latentes Außenschielen (Exophorie)
      • latentes Höhenschielen (Hyper- und Hypophorie)
  • Klinik
    • Episoden mit Auftreten von horizontalen Doppelbildern und Schielstellung
    • Vorgeschichte mit Episoden von vorübergehender Doppelbildwahrnehmung
  • Therapie
    • häufig spontane Besserung nach Ausgleich des Auslösers
    • bei bleibender Einschränkung Behandlung analog zu manifestem Schielen

Monokuläre Doppelbilder bei Augenerkrankungen1

Endokrine Orbitopathie

  • Siehe Artikel Endokrine Orbitopathie.
  • Definition und Ursache
    • Autoimmunerkrankung der Augenmuskeln und der Orbita
    • Fibrosen der Augenmuskeln führen zur mechanischen Bewegungsstörung mit komplexen Formen des Schielens und der Doppelbilder.
    • meist im Rahmen einer Hyperthyreose, v. a. bei Morbus Basedow
      • in 10–20 % der Fälle Augenveränderungen bereits vor Symptomen des Morbus Basedow
  • Klinik
    • Schmerzen und Druckgefühl retroorbital
    • Exophthalmus, Schwellung, Lidödem 
    • Doppelbilder durch Augenmuskelbeteiligung
    • häufig beidseitig
  • Therapie
    • Wiederherstellung einer stabilen Euthyreose als primäres Therapieziel
    • abhängig vom Verlauf ggf. Kortikosteroidgabe oder Bestrahlung

Orbitafraktur1

  • Siehe Artikel Orbitafraktur.
  • Definition und Ursache
    • traumatische Verletzung der knöchernen Wand der Orbita
    • meist Orbitabodenfraktur durch frontale Gewalteinwirkung auf den Bulbus (Blow-Out-Fraktur)
    • Verletzungsfolgen können zur Muskeleinklemmung führen.
  • Klinik
    • Monokelhämatom
    • Bulbustief- oder -hochstand, Enopthalmus
    • Sensibilitätsstörung unterhalb des Auges (N. infraorbitalis)
    • Doppelbilder
      • durch Einklemmung von Augenmuskeln im Frakturspalt
  • Die Therapie erfordert häufig operative Sanierung.

Pseudotumor orbitae

  • Definition und Ursache
    • entzündliche Erkrankung der Orbita ungeklärter Ätiologie
    • Synonym: idiopathische entzündliche Orbitopathie
  • Klinik
    • häufig akuter Verlauf, häufige Rezidive (bis zu 50 % der Patient*innen)
    • Schmerzen (v. a. bei Augenbewegung), Druckgefühl
    • Exophthalmus und Lidschwellung (periorbitales Ödem)
    • Bewegungseinschränkungen und Doppelbilder
    • Visusminderung
  • Therapie mit NSAR, Glukokortikosteroiden, Strahlentherapie, Immunsuppresiva

 Weitere Ursachen

  • Herpes zoster ophthalmicus
  • Orbitaphlegmone
  • Orbitatumor bzw. Orbitametastasen
  • Komprimierende Prozesse in der Orbita und/oder im Sinus cavernosus

Neurologische Erkrankungen

Okulomotoriusparese (III. Hirnnerv)

  • Definition und Ursache
    • Schädigung und Funktionsausfall des N. oculomotorius (III. Hirnnerv)
    • Enthält motorische und parasympathische Anteile.
      • Der motorische Anteil innerviert Teile der äußeren Augenmuskeln (M. rectus superior, M. rectus inferior, M. rectus medialis, M. obliquus inferior).
      • Der parasympathische Anteil innerviert die inneren Augenmuskeln (M. ciliaris, M. sphincter pupillae).
    • Einteilung der Okulomotoriusparesen
      • äußere Lähmung: nur externe Augenmuskelparesen inkl. Ptose
      • innere Lähmung: Mydriasis und Akkommodationslähmung
      • komplette Lähmung
    • Ätiologie
  • Klinik
    • Bulbusabweichung nach außen unten
    • Ptosis
    • Mydriasis (bis zur Pupillenstarre)
    • Doppelbilder, insbesondere bei Blick nach kontralateral oben
  • Diagnostik
    • neurologische Untersuchung inkl. Papillenbeurteilung (Hirndruck)
    • zerebrale Bildgebung (vorzugsweise MRT)
  • Therapie
    • häufig spontane Rückbildung
    • nach Schielwinkel Ausstattung mit Mattfolie oder Prismenfolie
    • bei Persistenz ggf. Augenmuskeloperation

Trochlearisparese (IV. Hirnnerv)

  • Definition und Ursache
    • Schädigung und Funktionsausfall des N. trochlearis (IV)
    • Innerviert den M. obliquus superior.
    • Ätiologie
  • Klinik
    • Bulbusabweichung nach oben
    • schräg versetzte Doppelbilder
    • oft kompensatorische Kopfhaltung mit Kopfneigung und -drehung zur gesunden Seite

Abduzensparese (VI. Hirnnerv)

  • Definition und Ursache
    • Schädigung und Funktionsausfall des N. abducens (VI. Hirnnerv)
    • Innerviert den M. rectus lateralis.
    • Ätiologie
  • Häufigkeit
    • häufigste periphere neurogene Augenmuskelparese
  • Klinik
    • Abweichung des Auges nach nasal
    • Doppelbilder, insbesondere bei Blick zur ipsilateralen Seite

Schlaganfall und TIA

  • Siehe Artikel Schlaganfall und TIA.
  • Definition und Ursache
    • Häufige Ursache einer Läsion des ZNS, die zu neurologischen Defiziten führt.
    • ischämischer Schlaganfall häufiger als intrazerebrale Blutungen
    • Doppelbilder (Diplopie) und weitere Augenmotilitätsstörungen inkl. Nystagmus insbesondere bei Schädigung des Hirnstamms
  • Klinik
  • Therapie
    • Medizinischer Notfall, der eine umgehende Krankenhausbehandlung erfordert.

Myasthenia gravis

  • Siehe Artikel Myasthenia gravis.
  • Definition und Ursache
    • Autoimmunerkrankung mit gestörter neuromuskulärer Übertragung
    • Bildung von Autoantikörpern gegen Acetylcholinrezeptoren
    • Augenbeteiligung oft früh im Krankheitsverlauf (okuläre Myasthenie)
  • Klinik
    • hängendes Augenlid (Ptosis) und Doppelbilder wechselnder Ausprägung
    • muskuläre Schwäche und schnelle Ermüdbarkeit, Dysphagie
    • Fluktuation im Tagesverlauf häufig (abends schlechter)
  • Diagnostik
    • neurologische und elektrophysiologische Untersuchung
    • Labordiagnostik mit Antikörpertestung
    • Bildgebung
  • Therapie
    • medikamentös mit Acetylcholinesterasehemmern, Kortikosteroiden und Immunsuppresiva

Internukleäre Ophthalmoplegie (INO)

  • Definition und Ursache
    • Augenbewegungsstörung durch Schädigung des Fasciculus longitudinalis medialis (FML), das die Verbindung zwischen den Augenmuskelkernen darstellt.
      • Bahn zwischen dem Abducens-Kerngebiet der einen und dem Oculomotorius-Kerngebiet der anderen Seite
    • Ätiologie
  • Klinik
    • in Grundstellung konjugierter Blick, keine Doppelbilder
    • Störung der horizontalen Augenbewegung
      • Adduktionsschwäche des ipsilateralen Auges
      • (dissoziierter) Abduktionsnystagmus des kontralateralen Auges
      • bei Konvergenz erhaltene Adduktion

Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)3

  • Siehe Artikel Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis).
  • Definition und Ursache
    • Vaskulitis mit Befall der großen Gefäße
    • häufigste primäre systemische Vaskulitis
    • Betrifft fast nur Patient*innen über 50 Jahre.
  • Klinik
    • Leitsymptom sind stechende, meist frontotemporal betonte Kopfschmerzen.
    • Claudicatio masticatoria (Schmerzen oder Schmerzzunahme bei Kaubewegungen)
    • Befall der Augenmuskulatur kann zu Augenbewegungsschmerz, Doppelbildern und Ptosis führen.
  • Diagnostik
    • labordiagnostisch charakteristisch erhöhte BSG
    • Duplexsonografie und ggf. Biopsie der A. temporalis
  • Therapie mit Kortikosteroiden

Weitere Ursachen

  • Schädel-Hirn-Trauma
  • Miller-Fisher-Syndrom
  • Wernicke-Enzephalopathie
  • Okuläre Myositis
  • Myotonien
  • Okulopharyngeale Dystrophie
  • Supranukleäre Störungen mit Blickparesen
  • Chronisch progressive externe Ophthalmoplegie (CPEO)
    • seltene Mitochondriopathie
  • Myokymie des Musculus obliquus superior
    • attackenartige Episoden mit Oszillation des betroffenen Auges

Anamnese

Symptome

  • Beginn und Verlauf
    • plötzlich, langsam progredient, intermittierend
    • Fluktuation bzw. Abhängigkeit von der Tageszeit
  • Doppelbilder
    • binokuläre oder monokuläre Doppelbilder
      • monokulär eher Verzerrtsehen als getrennte, identische Bilder
    • Abhängigkeit von der Blickrichtung (in einer Richtung zunehmend oder gleichbleibend)
    • Richtung der Doppelbilder (horizontal, vertikal oder schräg versetzt)
    • Aussehen der Doppelbilder
      • z. B. in schattenartige Doppelbilder bei Katarakt
  • Begleitsymptome

Ursachen

  • Vorangegangenes Trauma
  • Vorerkrankungen
  • Medikamentenanamnese2
    • Diplopie ist eine seltene Nebenwirkung.
    • z. B. bei Lamotrigin, Topiramat, Gabapentin, Fluorchinolonen und Citalopram

Klinische Untersuchung

  • Allgemeine körperliche Untersuchung und orientierende neurologische Untersuchung abhängig von der Anamnese, z. B.:
    • nach Trauma: Untersuchung auf Verletzungsfolgen
    • akute Doppelbilder: Untersuchung auf Zusatzsymptome eines Schlaganfalls.
  • Ziele der Untersuchung des Sehens und der Augenmotilität,,
    • Einordnung des Schielens und der Doppelbilder
    • bei Augenbewegungsstörungen: einseitig oder beidseitig
    • Zusatzsymptome als Hinweis auf die Ursache
  • Mögliche Befunde2
    • Zunahme der Doppelbilder bei bestimmter Blickrichtung (Zugrichtung des Muskels) bei Augenmuskelparesen
    • tiefer stehende Augenlider (Ptosis) bei Okulomotoriusparese oder Myasthenia gravis
    • Exophthalmus und Retraktion der Augenlider bei endokriner Orbitopathie
    • Skew-Deviation (Bulbi in der vertikalen Ebene zueinander versetzt) oder vertikaler Nystagmus bei Hirnstamminfarkt

Untersuchung der Augen

  • Prüfung der Sehschärfe (Visus)
  • Prüfung der Pupillengröße und Lichtreaktion
  • Prüfung auf Doppelbilder und Schielen
    • Prüfung der Parallelität der Bulbi (Schielen)
      • bei Blick geradeaus in die Ferne
    • Prüfung der Blickmotorik und Blickfolge
      • Stift oder anderes Objekt als Blickziel
      • subjektive Angabe von Doppelbildern
      • Abhängigkeit von der Blickrichtung
      • Binokuläre Doppelbilder verschwinden bei Abdecken eines Auges.
    • Hornhautreflexbilder
      • Prüfung der Lichtreflexe auf der Hornhaut auf Symmetrie
    • einseitiger Abdecktest
      • Vermutlich fixierendes Auge wird abgedeckt.
      • Das schielende Auge macht eine Einstellbewegung.
      • Einstellbewegung von innen nach außen: Einwärtsschielen (Strabismus convergens)
      • Einstellbewegung von außen nach innen: Auswärtsschielen
        (Strabismus divergens)
  • Differenzierungsmerkmale von Begleitschielen (Strabismus concomitans)
    • häufig keine Wahrnehmung von Doppelbildern
    • keine Zunahme der Fehlstellung abhängig von der Blickrichtung
    • bei monokulärer Prüfung keine Bewegungseinschränkung des Bulbus

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

  • Labordiagnostik3
    • Routinelabor, Entzündungsparameter, Schilddrüsenwerte (FT4TSH)

Bei Spezialist*innen

Opthalmologische Zusatzdiagnostik

  • Ausmessung des Schielwinkels
    • einseitiger Abdecktest
    • Aufdecktest
    • wechselseitiger Abdecktest
    • Prismenabdecktest
    • Hornhautreflex
  • Visusprüfung
  • Funduskopie
  • Prüfung der Fixation (Visuskop)
  • Gesichtsfeldmessung
  • Hess-Schirm-Test
    • Testung der äußeren Augenmuskeln zur Unterscheidung von paretischen Schielen und Begleitschielen
  • Video-, magneto- und elektrookulografische Untersuchungen 
    • bei uneindeutiger klinischer Untersuchung
    • Erlauben genauere Quantifizierung von Augenbewegungsstörungen.

Neurologische Zusatzdiagnostik1,3

  • Blickfolgebewegungen und Vergenz
  • Sakkaden (schnelle Augenbewegungen)
  • Nystagmusprüfung
    • Spontannystagmus (peripher-vestibulär oder zentral)
    • optokinetischer Nystagmus
    • provozierte Nystagmen
  • Vestibulookulärer Reflex (VOR)
  • Lumbalpunktion und Liquordiagnostik
    • z. B. bei peripheren Hirnnervenläsionen (Augenmuskelparesen) zur Abklärung einer entzündlichen Ursache

Bildgebende Untersuchungen

  • Zerebrale Bildgebung3
    • MRT des Schädels, ggf. CT als Initialdiagnostik
    • ggf. inkl. Gefäßdarstellung (CT-A oder MR-A)
    • sofortige Bildgebung bei Okulomotoriusparese mit Pupillenbeteiligung
  • Nachweis möglicher Ursachen

Maßnahmen und Empfehlungen

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung richtet sich nach der Ursache des Schielens bzw. der Doppelbilder.
    • bei akuten Doppelbildern umgehende Diagnostik und Behandlung
    • abhängig von der Ursache häufig Rückbildung der Symptomatik
    • bei bleibender Diplopie Einsatz spezieller Hilfsmittel (z. B. Prismenbrille)

Behandlungsoptionen

  • Nicht-kausale Behandlungsoptionen bei persistierendem Schielen bzw. Doppelbildern
    • Augenbewegungstraining
    • vorübergehende Versorgung mit Mattfolie oder Prismenfolie
    • Anpassung der Brillengläser mit Prismen zur Korrektur
    • Botulinum-Toxin-Injektionen (in antagonisierende Muskeln)
    • chirurgische Eingriffe (Augenmuskeloperationen)
      • Falls längerfristig (> 6–12 Monate) keine Besserung mehr zu verzeichnen ist.

Fahrtauglichkeit

Indikationen zur Überweisung

  • Bei anhaltendem oder wiederkehrendem Schielen oder Doppelbildern Überweisung zu Augenärzt*innen oder Neurolog*innen

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Sofortige Klinikeinweisung bei V. a. Schlaganfall/TIA
  • Akut aufgetretene Doppelbilder und/oder Schielen
  • Doppelbilder und/oder Schielen nach traumatischer Verletzung oder mit Zusatzsymptomen

Illustrationen

Strabismus convergens (Esotropie, Innenschielen) des rechten Auges
Strabismus convergens (Esotropie, Innenschielen) des rechten Auges

Quellen

Literatur

  1. Danchaivijitr C, Kennard C. Diplopia and eye movement disorders. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2004;75 Suppl 4(Suppl 4):iv24‐iv31. doi:10.1136/jnnp.2004.053413 doi.org
  2. Low L, Shah W, MacEwen CJ. Double vision [published correction appears in BMJ. 2016;352:i613]. BMJ. 2015;351:h5385. Published 2015 Nov 18. doi:10.1136/bmj.h5385 doi.org
  3. Margolin E, Lam CTY. Approach to a Patient with Diplopia in the Emergency Department. J Emerg Med. 2018;54(6):799‐806. doi:10.1016/j.jemermed.2017.12.045 doi.org

Autor*innen

  • Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung Neurologie, Hamburg

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