Chronische lymphatische Leukämie (CLL)

Zusammenfassung

  • Definition:Indolentes B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, das durch einen leukämischen Verlauf charakterisiert ist. Im peripheren Blut kann eine monoklonale B-Zell-Population von definitionsgemäß > 5 × 109 Zellen/l mit CLL-Phänotyp nachgewiesen werden.
  • Häufigkeit:Häufigste Leukämieform, jährliche Inzidenz 3–5/100.000. Mittleres Erkrankungsalter bei Männern 72, bei Frauen 75 Jahre.
  • Symptome:Viele Patient*innen sind zum Diagnosezeitpunkt asymptomatisch. Ansonsten Lymphknotenschwellungen, abdominelles Druckgefühl, Abgeschlagenheit, evtl. B-Symptomatik.
  • Befunde:Schmerzlose Lymphknotenschwellungen zervikal, axillär und inguinal, Hepatosplenomegalie. Anämie, Blutungszeichen (Thrombozytopenie) bei fortgeschrittener Erkrankung.
  • Diagnostik:Zur Diagnosestellung genügt im Allgemeinen periphere Blutentnahme mit Differenzialblutbild, Blutausstrich und Immunphänotypisierung.
  • Therapie:Stadieneinteilung nach Binet vor Therapieentscheidung. Bei asymptomatischen Patient*innen im Binet-Stadium A oder B „Watch and Wait“. Ansonsten bei Behandlungsindikation individualisierte Therapie abhängig von Fitness, Alter und genetischen Risikofaktoren. Zur Verfügung stehen Chemotherapeutika, CD-20-Antikörper und sog. zielgerichtete Substanzen wie Ibrutinib. Allogene Stammzelltransplantation nur noch selten indiziert.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Indolentes B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, das durch einen leukämischen Verlauf charakterisiert ist.
    • im peripheren Blut auftretende monoklonale B-Zell-Population von definitionsgemäß > 5 × 109 Zellen/l mit CLL-Phänotyp
  • Vor dem Übergang in die chronisch-lymphatische Leukämie (CLL) besteht eine Phase mit monoklonaler B-Lymphozytose (MBL).
    • Bei MBL besteht definitionsgemäß eine klonale B-Zell-Population ≤ 5 × 109 Zellen/l im Blut ohne sonstigen Anhalt für lymphoproliferative Erkrankung.
    • MBL ist fakultative Präneoplasie für eine CLL und findet sich relativ häufig in der Allgemeinbevölkerung (0,5–5 %), steigende Prävalenz mit dem Alter.
    • Risiko der Progression in CLL im Mittel ca. 1 %/Jahr, abhängig von der Zellzahl

Häufigkeit

  • Häufigste Leukämie in den westlichen Industriestaaten
  • Inzidenz
    • jährliche Inzidenz 3–5/100.000
  • Geschlechterverhältnis
    • Verhältnis Männer zu Frauen ca. 2:1
  • Altersverteilung
    • im Allgemeinen Erkrankung des höheren Alters
      • mittleres Erkrankungsalter bei Männern 72 Jahre
      • mittleres Erkrankungsalter bei Frauen 75 Jahre
    • Ca. 10 % der Patient*innen sind < 55 Jahre.1
      • in den vergangenen Jahren häufiger auch bei jüngeren Patient*innen diagnostiziert wegen zunehmender Anzahl von Routinelaboruntersuchungen
  • Anteil an Krebserkrankungen
    • Anteil von ca. 1 % an allen invasiven Krebsneuerkrankungen
    • Anteil von 30 % an allen Leukämien
    • Anteil von 10 % an allen Non-Hodgkin-Lymphomen

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Ätiologie bislang nicht geklärt
  • Genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen.
    • Kinder von CLL-Patient*innen haben ein erhöhtes Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome.
    • selten in Asien

Pathogenese

  • CLL charakterisiert durch Proliferation und Akkumulation von reifen B-Zellen
  • Zentrale Elemente der Pathogenese sind:
    • Inhibition von Apoptose
    • Dysregulation der Proliferation.
  • Im Lauf der Erkrankung kommt es zu schrittweisen, akkumulierenden genetischen Veränderungen mit Mutationen und Chromosomenanomalien, die die Proliferation begünstigen bzw. die Apoptose verhindern.,
  • Mutationen und Chromosomenalterationen machen die CLL im Verlauf aggressiver und führen zu Therapieresistenz.2 

Prädisponierende Faktoren

  • Erworben
    • organische Lösungsmittel, z. B. Benzol nach deutscher Berufskrankheiten-Verordnung (Nr. 1318)
    • vermehrter Kontakt zu Herbiziden/Pestiziden
    • Hepatitis C
    • Neigung zu allergischen Erkrankungen
    • Vielzahl von Atemwegsinfekten in der Anamnese
  • Hereditär
    • 8,5-fach erhöhtes Risiko bei Verwandten 1. Grades von CLL-Patient*innen

ICD-10

  • C91.1 Chronische lymphatische Leukämie vom B-Zell-Typ [CLL]

Diagnostik

  • Zur Diagnosestellung genügt in der Regel eine periphere Blutentnahme (Differenzialblutbild, Blutausstrich, Immunphänotypisierung)
  • Patient*innen bei Diagnose häufig beschwerdefrei, Diagnosestellung im Rahmen von Blutuntersuchungen aus anderer Indikation
  • Bei einer ätiologisch nicht anderweitig erklärbaren persistierenden Lymphozytose (> 50 % der Leukozyten oder > 5 G/l entsprechend 5.000/μl) und/oder einer Lymphadenopathie und/oder Splenomegalie und/oder Autoimmunzytopenie soll eine CLL-Diagnostik durchgeführt werden.
  • Folgende Untersuchungsverfahren sollen bei der Initialdiagnostik der CLL zur Anwendung kommen:

Diagnostische Kriterien

  • Diagnose einer CLL, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
  1. Zellzahl: > 5 × 109 klonale B-Lymphozyten/l (> 5.000 Zellen/μl) im peripheren Blut über mindestens 3 Monate
  2. Blutausstrich: Vorherrschen kleiner, morphologisch reif wirkender Lymphozyten
  3. Immunphänotypisierung: Koexpression der B-Zell-Antigene CD19, CD20, und CD23 mit dem T-Zell-Antigen CD5
    • Nachweis der Monoklonalität der Lymphozyten durch Erfassung der Leichtkettenrestriktion (nur Kappa- oder Lambda-Leichtketten werden exprimiert)

Differenzialdiagnosen

  • Die häufigsten Differenzialdiagnosen sind:
    • monoklonale B-Lymphozytose
    • reaktive Lymphozytose (virale Infekte, Kollagenosen)
    • andere, leukämisch verlaufende Lymphome (follikuläres Lymphom, lymphoplasmozytisches Lymphom, Marginalzonenlymphom, Mantelzell-Lymphom, B-Prolymphozyten-Leukämie (B-PLL)
    • Haarzell-Leukämie

Anamnese

  • Ca. 25–50 % der Patient*innen sind asymptomatisch zum Zeitpunkt der Diagnose!3
  • Symptome
    • Allgemeinsymptome
      • Abgeschlagenheit
      • Leistungsschwäche
      • Müdigkeit
      • B-Symptomatik (ca. 20 %): Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust > 10 % in den letzten 6 Monaten
    • Lymphknotenschwellungen vor allem
      • zervikal
      • axillär
      • inguinal
    • Reizhusten, Dyspnoe (bei thorakalen Lymphknoten)
    • Druckgefühl im Bereich von Milz und/oder Leber (50 %)
    • erhöhte Infektanfälligkeit
  • Familienangehörige mit CLL?
  • Zurückliegende Malignome und deren Therapie?
  • Exposition gegenüber Chemikalien (z. B. Benzol) oder radioaktiver Strahlung?

Klinische Untersuchung

  • Lymphknotenschwellungen bei ca. 80 % der symptomatischen Patient*innen3
    • Lymphknoten zumeist
      • schmerzlos
      • einige Zentimeter groß
      • mittelhart
      • verschieblich
  • Hepatosplenomegalie (ca. 50 %)
  • Evtl. Blässe (Anämie
  • Evtl. Blutungszeichen (Thrombozytopenie)
    • ca. 10 % der Patient*innen initial mit Anämie und/oder Thrombozytopenie

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Blutuntersuchung

Screening

  • Ein routinemäßiges Screening auf CLL wird weder für die Allgemeinbevölkerung noch für Verwandte von CLL-Patient*innen empfohlen.1

Sonografie Abdomen

  • im Rahmen der Initialdiagnostik nicht unbedingt erforderlich
  • Hepatosplenomegalie, Lymphknotenvergrößerung
    • Lymphknoten > 1 cm werden als vergrößert gewertet.
    • Milz wird bis 12 cm als nicht pathologisch vergrößert bewertet.

Diagnostik bei Spezialist*innen

Labor: Immunphänotypisierung

  • Für den Nachweise einer CLL soll eine Immunphänotypisierung durchgeführt werden.
    • Expression von CD19 und CD23
    • Koexpression von CD5
    • schwache oder fehlende Expression von CD20, CD79b, FMC7
    • Monoklonalität von Igκ oder Igλ
  • Aus der absoluten Lymphozytenzahl im Blutbild und dem relativen Anteil monoklonaler B-Zellen in der Immunphänotypisierung ergibt sich die absolute Zahl monoklonaler B-Zellen.
  • CLL liegt vor bei > 5 × 109 monoklonaler B-Zellen/l (entspricht 5.000/μl).

Laboruntersuchungen vor Therapieeinleitung

  • Genetische Analysen (mit entscheidend für Therapieauswahl)
    • Chromosomen-Deletion 17p13 
    • TP53-Mutation
    • IGHV-Mutation
  • Weitere Laboruntersuchungen, z. B. quantitative Bestimmung der Immunglobuline bei Verdacht auf Immundefizienz, Beta-2-Mikroglobulin (prognostischer Parameter)

Knochenmarkaspirat und/oder Biopsie

  • In der Regel zur Diagnosestellung nicht erforderlich
    • Option bei nicht eindeutiger Immunphänotypisierung
  • Evtl. im Krankheitsverlauf zur Beurteilung unklarer Zytopenien bzw. der Remissionsqualität

Lymphknotenbiopsie

  • Im Allgemeinen für die Diagnose nicht erforderlich
    • Option bei nicht eindeutiger Immunphänotypisierung
  • Indiziert bei:
    • fehlender leukämischer Ausschwemmung
    • V. a. Transformation in aggressives Lymphom (Richter-Syndrom).

Bildgebung

  • Eine Schnittbildgebung ist in der Initialdiagnostik normalerweise nicht erforderlich.
  • Die Stadieneinteilung erfolgt ohne Bildgebung.
  • Sonografie Abdomen
    • vor Therapieeinleitung empfohlen: Milz, Leber, Lymphknoten
    • Lymphknoten > 1 cm werden als vergrößert gewertet (während und nach Behandlung gelten nur Lymphknoten > 1,5 cm als vergrößert)
  • Computertomografie (CT)
    • nur bei speziellen Fragestellungen (z. B. mediastinaler Befall, abdomineller Lymphknotenbulk) oder im Rahmen klinischer Studien

Stadieneinteilung

  • Stadieneinteilung nach Binet oder Rai ist bei CLL wichtig zur:
    • Prognoseabschätzung
    • Evaluierung der Behandlungsindikation
  • Sowohl Einteilung nach Binet als auch nach Rai einfach durchzuführen (keine Bildgebung nötig).
  • In Europa vorwiegend Einteilung nach Binet

Stadieneinteilung nach Binet

  • Bestimmung von Hb und Thrombozyten
  • Beurteilung von 5 Lymphregionen
    • Lymphknoten uni- oder bilateral zervikal
    • Lymphknoten uni- oder bilateral axillär
    • Lymphknoten uni- oder bilateral inguinal
    • Milz
    • Leber
  • Siehe Tabelle CLL-Stadieneinteilung nach Binet.
  • Bei Erstdiagnose befinden sich:
    • 60 % im Stadium A
    • 30 % im Stadium B
    • 10 % im Stadium C

Indikationen zur Überweisung

  • Zur Abklärung und ggf. Therapieentscheidung bei Verdacht auf CLL

Therapie

Therapieziele

  • CLL ist in den meisten Fällen nicht heilbar, daher sind die Therapieziele im Allgemeinen:1
    • Verlängerung der Lebenszeit
    • Verbesserung der Lebensqualität
  • Eine allogene Stammzelltransplantation ist die potenziell kurative Therapie für einige wenige Patient*innen.

Allgemeines zur Therapie

Allgemeine Prinzipien

  • Eine frühzeitige Therapie bei asymptomatischen Patient*innen verlängert das Überleben nicht.
  • Eine Therapie soll daher erst begonnen werden beim Auftreten von:2
    • ausgeprägten Zeichen der Knochenmarkverdrängung oder
    • krankheitsbedingten Symptomen wie B-Symptomatik oder Fatigue

Asymptomatische vs. symptomatische Patient*innen

  • Bei asymptomatischen Hochrisikopatient*innen sollte mit der Watch-&-Wait-Strategie fortgefahren werden.
  • Bei nur mäßiggradiger Thrombopenie oder Anämie kann trotz Vorliegen eines Stadiums Binet C noch weiter abgewartet werden, wenn sich die Werte hierbei in den kurzfristigeren Kontrolluntersuchungen stabil halten.
  • Während die Hepatomegalie allein in der Regel keine Therapieindikation darstellt, kann eine ausgeprägte Splenomegalie mit einer Milzvergrößerung > 6 cm unter dem Rippenbogen eine Therapieindikation darstellen.
  • Sofern allein B-Symptome als Indikation für den Therapiebeginn vorhanden sind, soll eine differenzialdiagnostische Abwägung, insbesondere von Infektionen bzw. gastrointestinalen, endokrinologischen und metabolischen Erkrankungen, erfolgen.
  • Eine Therapie sollte begonnen werden, wenn Nachtschweiß länger als 1 Monat besteht und für die Patient*innen Leidensdruck verursacht.

Behandlungsindikationen

  • CLL Binet A und B, keine aktive Erkrankung: „Watch and Wait“, bis die Erkrankung symptomatisch wird.
  • CLL Binet A und B, aktive Erkrankung: Therapie
  • CLL Binet C: Therapie
  • Kriterien für eine aktive Erkrankung
    1. Auftreten/Verschlechterung einer Knochenmarksinsuffizienz
    2. ausgeprägte (> 10 cm) oder progrediente Lymphknotenschwellungen
    3. ausgeprägte (> 6 cm) oder progrediente Splenomegalie
    4. progrediente Lymphozytose (bei Patient*innen mit > 30.000 Lymphozyten/µl)
      • > 50 % Zunahme innerhalb von 2 Monaten
      • Verdoppelungszeit der Lymphozyten < 6 Monate
    5. Allgemeinsymptome
    6. autoimmune Anämie oder Thrombozytopenie, resistent gegen Steroidbehandlung

Evaluierung des Behandlungserfolgs

Behandlungsstrategie

  • Behandlung sollte möglichst im Rahmen klinischer Studien erfolgen.
  • Für Behandlungsindikation und Wahl der spezifischen Therapie stehen im Vordergrund.
    • Binet-Stadium und klinische Symptome
    • körperliche Fitness und Komorbidität – Einteilung anhand Cumulative Illness Rating Scale CIRS (14 Organkategorien, Punktwert 0–44):
      • fitte Patient*innen („Go go“), CIRS ≤6
      • unfitte Patient*innen („Slow go“), CIRS >6
      • gebrechliche Patient*innen („No go“).
    • zytogenetische und molekulargenetische Risikofaktoren (v. a. del(17p), TP53-Mutation)
  • Das Alter spielt mit einem Cut-off von 65 Jahren für bestimmte Therapieschemata auch eine Rolle, tritt als Kriterium per se aber heutzutage eher in den Hintergrund.
    • Die Therapiewahl soll sich an der Komorbidität und weniger am kalendarischen Alter orientieren.
  • Im Vergleich zu früher gibt es heutzutage andere Strategien der Behandlungsintensität.
    • früher: allmähliche medikamentöse Eskalation passend zum chronisch-rezidivierenden Verlauf
    • heute: von Anfang an möglichst effektive Therapie

Eingesetzte Substanzen

  • Etablierte Wirkstoffe in der Behandlung der CLL sind:

Chemotherapeutika

  • Chlorambucil: Alkylans
  • Bendamustin: Alkylans
  • Fludarabin: Purinanalogon
  • Cyclophosphamid: Alkylans

Antikörper

  • Rituximab: CD-20-Antikörper
  • Obinutuzumab: CD-20-Antikörper
  • Alemtuzumab: CD-52-Antikörper

Zielgerichtete Substanzen

  • Ibrutinib: Tyrosinkinase-Inhibitor
  • Idelalisib: PI3K-Inhibitor
  • Venetoclax: Bcl-2-Inhibitor

Erstlinienbehandlung2

Fitte Patient*innen („Go go“)

  • Ohne del(17p)/TP53-Mutation  
    • FCR-Schema: Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab4,  BR-Schema v. a. bei Patient*innen > 65 Jahre: Bendamustin5, Rituximab 
      • BR ist weniger toxisch als FCR.6
  • Mit del(17p)/TP53-Mutation
    • Ibrutinib7
    • Venetoclax8 oder Idelalisib + Rituximab (bei Kontraindikationen bezüglich Ibrutinib)

Unfitte Patient*innen („Slow go“)

  • Ohne del(17p)/TP53-Mutation
    • Chlorambucil + Obinutuzumab oder
    • Ibrutinib
  • Mit del(17p)/TP53-Mutation
    • Ibrutinib
    • bei Kontraindikationen bezüglich Ibrutinib: Venetoclax, Idelalisib + Rituximab

Gebrechliche Patient*innen („No go“)

  • Supportive Therapie
  • Im Einzelfall auch antineoplastische Medikation mit Steroiden, Chlorambucil, Bendamustin, Ibrutinib, Venetoclax oder Anti-CD20 Antikörpern

Zweitlinienbehandlung

  • Auftreten eines Rezidivs definiert durch:
    • Wiederauftreten von vergrößerten Lymphknoten und/oder
    • Anstieg der Lymphozyten > 5 × 109/l (>5000/μl)
  • Evtl. auch knochenmarkinfiltrationsbedingte Anämie, Thrombozytopenie oder Neutropenie als Hinweis auf Rezidiv
  • Auch Zweitlinientherapie möglichst im Rahmen klinischer Studien
  • Vor Einleitung einer Rezidivtherapie erneute Diagnostik hinsichtlich genetischer Risikofaktoren
  • Bei Spätrezidiven > 3 Jahre nach der Erstlinienbehandlung ist eine Wiederholung der Erstlinientherapie möglich (sofern keine neue TP53-Aberration).
  • Bei Frührezidiven < 3 Jahren nach Erstlinienbehandlung Wechsel auf andere Behandlungsoptionen
    • Ibrutinib
    • Idelalisib9 + Rituximab
    • Venetoclax + Rituximab
    • u. a.

Allogene Stammzelltransplantation

  • Aufgrund der neuen Therapiemöglichkeiten nur noch selten allogene Stammzelltransplantation2
  • Option in Hochrisikosituationen, z. B. bei Resistenz gegen Chemoimmuntherapien 

Palliativbehandlung

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Infektionen
    • im Verlauf häufig Infektionskomplikationen (Abnahme der Immunglobulin-Konzentrationen, weitere Mechanismen eines erworbenen Immundefizits)
    • Unter bestimmten Bedingungen (schwere, rezidivierende Infekte, ineffektive antimikrobielle Therapie) kann eine prophylaktische Immunglobulingabe erwogen werden.
  • Autoimmunzytopenie
    • Beinhaltet autoimmunhämolytische Anämie (7–10 %), Autoimmunthrombozytopenie (1–5 %), Pure Red Cell Anemia (< 1 %) und Autoimmunneutropenie (< 1 %).
    • Behandlungsmöglichkeiten
      • vor allem Kortikosteroide, Immunglobulin
      • Rituximab, Immunsuppressiva
      • Splenektomie
  • Übergang in hochmalignes Lymphom mit ungünstiger Prognose (Richter-Transformation)
  • Sekundärmalignome
    • Risiko 2- bis 7-fach erhöht

Verlauf und Prognose

  • Am wichtigsten für die Prognoseabschätzung ist die klassische Stadieneinteilung mit folgenden Werten für das mediane Überleben:
    • Binet A: > 11,5 Jahre
    • Binet B: > 8,6 Jahre
    • Binet C: 7 Jahre
  • Durch Prognosescores kann der Verlauf ergänzend eingeschätzt werden, da es auch innerhalb eines klinischen Stadiums zu unterschiedlichen Verläufen kommen kann.
  • Der internationale Prognoseindex CLL-IPI berücksichtigt verschiedene klinische und molekularbiologische Variablen:
    • TP53 deletiert oder mutiert: 4 Punkte
    • IGHV unmutiert: 2 Punkte
    • Serum-Beta-2-Mikroglobulin > 3,5 mg/l: 2 Punkte
    • klinisches Stadium Binet B–C: 1 Punkt
    • Alter > 65 Jahre: 1 Punkt
  •  Auf Basis des CLL-IPI ergibt sich folgendes Gesamtüberleben nach 5 Jahren:
    • niedriges Risiko (0–1 Punkte) 93 %
    • mittleres Risiko (2–3 Punkte) 79 %
    • hohes Risiko (4–6 Punkte) 63 %
    • sehr hohes Risiko (7 – 10 Punkte) 23,3 %

Verlaufskontrolle

  • Hausärztliche und fachhämatologische Verlaufskontrollen in Absprache mit dem hämatologischen Zentrum
  • Verlaufskontrollen sollten im Abstand von 3–6 Monaten durchgeführt werden:
    • Blutbilduntersuchung, CRP, LDH
    • klinische Untersuchung von Lymphknoten, Leber und Milz
      • Radiologische Untersuchungen mit CT/MRT bei Patient*innen in Remission sind in der Regel nicht erforderlich.
    • Besonders geachtet werden sollte auf:
      • Infektionen
      • Auftreten von Autoimmunzytopenien
      • schnelle Lymphknotenvergrößerungen
      • B-Symptome und/oder eine Erhöhung der LDH (evtl. Hinweis für Rezidiv, Transformation in hochmalignes Lymphom = Richter-Syndrom)
    • Impfungen

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Trotz der Diagnose „Leukämie“ können Betroffene viele Jahre lang ein normales Leben leben.

Patienteninformationen in Deximed

Lindernde Behandlung bei fortgeschrittener Krebserkrankung

Illustrationen

Blutausstrich von Patient*innen mit chronischer lymphatischer Leukämie (40-fache Vergrößerung)
Blutausstrich von Patient*innen mit chronischer lymphatischer Leukämie (100-fache Vergrößerung)

Quellen

Leitlinien

  • European Society for Medical Oncology. Chronic Lymphocytic Leukaemia: Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Stand 2020. www.esmo.org

Literatur

  1. Eichhorst B, Robak T, Montserrat E, et al. Chronic Lymphocytic Leukaemia: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2021; 32: 23-33. doi:10.1016/j.annonc.2020.09.019 DOI
  2. von Tresckow J, Eichhorst B, Bahlo J, et al. The treatment of chronic lymphatic leukemia. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 41-46. doi:10.3238/arztebl.2019.0041 DOI
  3. Chisti M. Chronic Lymphocytic Leukemia (CLL). Medscape, updated Oct 02, 2020. Zugriff 20.02.21. emedicine.medscape.com
  4. Hallek M, Fischer K, Fingerle-Rowson G, et al.. Addition of rituximab to fludarabine and cyclophosphamide in patients with chronic lymphocytic leukaemia: a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet 2010; 376: 1164-74. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Vidal L, Gafter-Gvili A, Gurion R, et al. Bendamustine for patients with indolent B cell lymphoid malignancies including chronic lymphocytic leukaemia. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 9. Art. No.: CD009045. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Eichhorst B, Fink AM, Bahlo J et al. First-line chemoimmunotherapy with bendamustine and rituximab versus fludarabine, cyclophosphamide, and rituximab in patients with advanced chronic lymphocytic leukaemia (CLL10): an international, open-label, randomised, phase 3, non-inferiority trial. Lancet Oncol 2016 Jul; 17(7): 928-942. pmid:27216274 PubMed
  7. Byrd JC, Brown JR, O`Brien S, et al. Ibrutinib versus Ofatumumab in Previously Treated Chronic Lymphoid Leukemia. N Engl J Med 2014 May 31. www.nejm.org
  8. Jain N, Keating M, Thompson P et al. Ibrutinib and Venetoclax for First-Line Treatment of CLL. N Engl J Med 2019; 380: 2095-2103. pmid:31141631. www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Furman R, M.D., Sharman J, Coutre S, et al. Idelalisib and Rituximab in Relapsed Chronic Lymphocytic Leukemia. N Engl J Med 2014; 370: 997-1007. doi:10.1056/NEJMoa1315226 DOI

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.

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