Zwerchfellverletzungen

Zusammenfassung

  • Definition:Verletzung oder Ruptur des Zwerchfells (Diaphragma).
  • Häufigkeit:Tritt bei weniger als 2 % der stumpfen Traumata auf.
  • Symptome:Atemnot, Schmerzen in der Brust und Bauchschmerzen; ggf. verzögertes Auftreten.
  • Befunde:Je nach Ursache sehr variabel, ggf. reduzierte Atemgeräusche auf der betroffenen Seite, evtl. Darmgeräusche im Thorax.
  • Diagnostik:Röntgen-Thorax, Abdomen-CT, ggf. Laparoskopie.
  • Therapie:Operation.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Lazeration oder Ruptur des Zwerchfells (Diaphragma) durch stumpfes oder penetrierendes Trauma1
  • Isolierte Zwerchfellverletzungen sind selten. Häufig liegen weitere Verletzungen im Abdomen und Thorax vor.

Häufigkeit

  • Bei weniger als 2 % der stumpfen Traumata kommt es zur Verletzung des Zwerchfells.
  • 90 % der Zwerchfellverletzungen sind auf Autounfälle zurückzuführen.
  • Penetrierende Traumata sind selten.

Ätiologie und Pathogenese

  • Zwerchfellverletzungen sind meist auf schwere stumpfe oder penetrierende Traumata im Bereich von Thorax oder Abdomen zurückzuführen.
  • Bei stumpfen Traumata 
    • plötzlicher Anstieg des intraabdominellen Drucks
    • meist bei Verkehrsunfällen mit seitlichem Aufprall oder Stürzen aus großer Höhe
    • Die Zwerchfellverletzungen sind oft umfangreich und posterolateral lokalisiert.
    • Die meisten Verletzungen sind linksseitig aufgrund der rechtsseitigen protektiven Wirkung der Leber (Verhältnis 2–3:1).
    • Rechtsseitige Verletzungen stehen im Zusammenhang mit gravierenderen Komplikationen und führen häufiger zum Tod.
  • Bei penetrierenden Verletzungen
    • Die initialen Verletzungen sind oft kleiner, neigen jedoch dazu, sich zu vergrößern.
  • Seltener bei spontanen Brustwandrupturen
    • Beispielsweise bei Rippenserienbrüchen bei starkem Husten und ausgeprägter Osteoporose. Liegen diese Verletzungen im Bereich des Zwerchfellansatzes, kann es hier zu Läsionen kommen.
  • Zwerchfellverletzungen können zur Herniation der abdominalen Organe führen.
    • Inkarzeration, Strangulation und eine Ruptur des Darms sind möglich.
    • Es kann zur Zwerchfellparalyse kommen.
    • Zu den weiteren potenziellen Komplikationen zählen eine mechanische Kompression der intrathorakalen Brustorgane, Spannungspneumothorax und Herzbeuteltamponade.
  • 60–80 % der Verletzungen stehen mit anderen intraabdominalen oder intrathorakalen Verletzungen in Verbindung (siehe die Artikel Abdominaltraumata und Thoraxtrauma).1

Prädisponierende Faktoren

  • Stumpfe und penetrierende Traumata im Bereich des Thorax oder Abdomens
  • Die meisten Verletzungen sind auf Autounfälle zurückzuführen.

ICD-10

  • S27.81 Verletzung in weiteren spezifizierten intrathorakalen Organen (Diaphragma)

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose erfolgt meist im Rahmen einer weitreichenden Polytraumadiagnostik.
  • Die endgültige Diagnose wird u. U. erst bei operativen Eingriffen wie Laparotomie oder -skopie gestellt.
  • Die Verletzung kann leicht übersehen und erst Monate bis Jahre später entdeckt werden.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Stumpfes oder penetrierende Trauma in der Anamnese
  • Unspezifische Symptome wie Dyspnoe, Abdominal- oder Thoraxschmerz2
  • Meist stehen die Auswirkungen schwerwiegender Begleitverletzungen im Vordergrund.
  • Bei verzögerter Diagnosestellung ggf. deutlich subtilere Symptome

Klinische Untersuchung

  • Die Diagnose ist schwierig und wird oft übersehen.
  • Reduzierte Atemgeräusche auf der betroffenen Seite
  • Darmgeräusche in der thorakalen Auskultation
  • Abdominelle Abwehrspannung
  • Tracheale Deviation
  • Instabilität des Thorax sowie Krepitationen bei Rippenfrakturen

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Bei einem entsprechenden akuten Traumamechanismus und instabilen Patient*innen steht die Durchführung einer strukturierten körperlichen Untersuchung (Bodycheck) und Erhaltung der Vitalfunktionen im Vordergrund.
  • Bei stabilen Patient*innen kann eine Sonografie von Abdomen und Rippen weitere Erkenntnisse liefern, ein sicherer Ausschluss einer Zwerchfellverletzung ist allerdings nicht möglich.

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Große Verletzungen (z. B. bei Herniation von Abdominalorganen) können meist durch ein Röntgen-Thorax erkannt werden, kleinere Läsionen werden oft übersehen.
  • Eine Abdomen-CT weist eine deutlich höhere Sensitivität auf.3
  • Die endgültige Diagnosesicherung kann in einigen Fällen erst durch eine Laparoskopie oder -tomie erfolgen.2,4

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Bei Verdachtsdiagnose sollte eine Akuteinweisung erfolgen.

Therapie

Therapieziele

  • Akute und sekundäre Komplikationen verhindern.
  • Assoziierte Verletzungen behandeln.

Allgemeines zur Therapie

  • Behandlungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung von Ventilation und Zirkulation können erforderlich sein.
  • Sehr kleine Zwerchfellverletzungen können spontan abheilen, normalerweise ist aber eine Operation erforderlich.

Medikamentöse Therapie

  • Eine spezifische medikamentöse Therapie ist nicht indiziert.

Operative Therapie

  • Eine traumatische Zwerchfellruptur sollte bei Erkennung im Rahmen der Erstdiagnostik und/oder intraoperativen Feststellung zügig verschlossen werden.
  • Der Defekt wird chirurgisch verschlossen. Normalerweise wird er im Rahmen einer Laparotomie mit nicht resorbierbarem Faden vernäht.
  • Bei intrathorakalen Komplikationen, z. B. bei einer chronischen Herniation der abdominellen Organe, ist eine Thorakotomie erforderlich.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Durch kontinuierliche Thoraxexkursionen können kleinere Läsionen sukzessive einreißen und sich vergrößern.
  • Der unbehandelte Verlauf wird in drei Phasen unterteilt:
    1. Phase: akute Verletzung
    2. Phase: allmähliche Herniation der abdominalen Organe durch den Zwerchfelldefekt
    3. Phase: Inkarzeration, Strangulation und evtl. Ruptur des Darms, mechanische Kompression der intrathorakalen Organe mit Spannungspneumothorax und evtl. Herzbeuteltamponade

Komplikationen

  • Zwerchfellverletzungen können zur Herniation der abdominalen Organe führen. Inkarzeration, Strangulation und eine Ruptur des Darms sind möglich.2
  • Zu den weiteren potenziellen Komplikationen zählen eine mechanische Kompression der intrathorakalen Brustorgane, Spannungspneumothorax und Herzbeuteltamponade.
  • 60–80 % der Zwerchfellverletzungen sind mit oftmals gravierenderen intraabdominalen oder intrathorakalen Verletzungen assoziiert.

Prognose

  • Die Letalität bei Patient*innen mit Zwerchfellverletzungen liegt Angaben zufolge bei 5–20 %, meist erliegen die Betroffenen allerdings den assoziierten Verletzungen.5
  • Bei isolierten Zwerchfellverletzungen, die schnell behandelt werden, ist die Prognose gut.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Die Prognose ist bei einer frühen operativen Therapie in der Regel gut, sofern keine weiteren gravierenden Verletzungen vorliegen.

Quellen

Literatur

  1. Welsford M. Diaphragmatic injuries. Medscape, last updated Oct 08, 2015. emedicine.medscape.com
  2. Lee K, Kashyap S, Atherton NS. Diaphragm Injury. [Updated 2022 Jul 26]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Cremonini C, Lewis MR, Jakob D, Benjamin ER, et al. Diagnosing penetrating diaphragmatic injuries: CT scan is valuable but not reliable. Injury. 2022 Jan;53(1):116-121. www.sciencedirect.com
  4. Leung VA, Patlas MN, Reid S, Coates A, Nicolaou S. Imaging of Traumatic Diaphragmatic Rupture: Evaluation of Diagnostic Accuracy at a Level 1 Trauma Centre. Can Assoc Radiol J. 2015; 66(4):310-7. PubMed
  5. Fair KA, Gordon NT, Barbosa RR, et al. Traumatic diaphragmatic injury in the American College of Surgeons National Trauma Data Bank: a new examination of a rare diagnosis. Am J Surg. 2015;209(5):864–869. www.americanjournalofsurgery.com

Autor*innen

  • Bonnie Stahn, Dr. med, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg

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