Subklinische Hyperthyreose

Zusammenfassung

  • Definition:Erniedrigtes TSH, aber FT3 und FT4 im Normbereich.
  • Häufigkeit:Prävalenz bei asymptomatischen Personen ca. 2 %.
  • Symptome:Es können typische Symptome einer Hyperthyreose auftreten.
  • Befunde:Der klinische Befund ist in der Regel normal, es ist jedoch auf eine Struma zu achten.
  • Diagnostik:TSH, FT4; Schilddrüsenantikörper; Sonografie der Schilddrüse.
  • Prognose:Nur ein geringer Teil der Patient*innen entwickelt eine manifeste Hyperthyreose. Die subklinische Hyperthyreose wird jedoch als Risikofaktor für die Entwicklung von Osteoporose und Vorhofflimmern angesehen.
  • Therapie:Die meisten Patient*innen benötigen keine Therapie. Eine Therapieindikation ist immer dann sorgfältig zu prüfen, wenn die TSH-Werte unter 0,1 mIU/l erniedrigt sind, da für diese Patientengruppe die Evidenz für nachteilige gesundheitliche Effekte am größten ist. 

Allgemeine Informationen

Definition

  • Manifeste Hyperthyreose
    • supprimiertes TSH sowie ein erhöhtes FT4 und/oder FT3
  • Latente Hyperthyreose
    • supprimiertes TSH und FT3 und FT4 im Normbereich
    • Einteilung nach Schweregrad1
      • Grad 1: niedriges, aber noch nachweisbares TSH (TSH 0,1–0,39 mIU/l)
      • Grad 2: So stark erniedrigt, dass TSH nicht mehr nachweisbar ist (TSH < 0,1 mIU/l).
  • Die subklinische Hyperthyreose ist primär eine Labordiagnose, und ihre Relevanz ist umstritten. Nicht alle Patient*innen, bei denen ein derartiger Befund vorliegt, müssen zwingend an einer zugrunde liegenden Schilddrüsenerkrankung leiden2, und lediglich bei einer geringen Zahl entwickelt sich eine klinisch manifeste Hyperthyreose.3-4

Häufigkeit

  • Angaben für Europa aus einer Metaanalyse (subklinische und manifeste Hyperthyreosen)5
    • jährliche Inzidenz: 51 Fälle pro 100.000 Personen 
    • Prävalenz: 0,75–1,72 %
  • Angaben aus einer Stichprobe von 3.941 asymptomatischen Personen in Deutschland6
    • Prävalenz manifeste Hyperthyreose: 0,4 %
    • Prävalenz subklinische Hyperthyreose: 1,8 %

Ätiologie und Pathogenese

Endogene Ursachen

  • Die zwei wesentlichen thyrogenen Ursachen für eine subklinische Hyperthyreose sind autonome Funktionsstörungen der Schilddrüse und der Morbus Basedow.
    • Die Entwicklung einer (subklinischen) Hyperthyreose beim Morbus Basedow oder einer Thyreoiditis ist häufig akut bis subakut, beim autonomen Adenom ist der Verlauf deutlich langsamer und meist auch milder.
  • Im 1. Schwangerschaftstrimenon ist eine subklinische Hyperthyreose physiologisch.
    • HCG (humanes Choriongonadotropin) hat eine schwach TSH-ähnliche Wirkung auf die Schilddrüse, was zur erhöhten T4-Produktion und TSH-Suppression führt.
    • Aufgrund dieser HCG-Wirkung ist der TSH-Normbereich im 1. Trimenon niedriger als im späteren Schwangerschaftsverlauf.
  • Im Verlauf einer Thyreoiditis können ebenfalls Phasen einer subklinischen Hyperthyreose vorkommen.

Exogene Ursachen

  • Die insgesamt häufigste Ursache für eine subklinische Hyperthyreose ist eine zu hoch eingestellte Schilddrüsenhormontherapie.
  • Einnahme von hohen Joddosen über Nahrung, Nahrungsergänzungsmitteln oder jodhaltigen Medikamenten wie Amiodaron

ICPC-2

  • T85 Hyperthyreose / Thyreotoxische Krise

ICD-10

  • E05.8 Sonstige Hyperthyreose
  • E05.9 Hyperthyreose, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose wird bei erniedrigtem oder nicht nachweisbarem TSH und gleichzeitig normalen Werten für die freien Schilddrüsenhormone freies Trijodthyronin (FT3) und freies Thyroxin (FT4) gestellt.
  • Da die häufigste Ursache eine Überdosierung von Schilddrüsenhormonen ist, nimmt die Medikamentenanamnese eine wichtige Rolle ein.

Differenzialdiagnosen

  • Medikamente, die die TSH-Produktion (bei initial normalen peripheren Hormonen) drosseln und somit eine Hyperthyreose vortäuschen können, sind u. a.: 
    • Dopamin und Dopaminagonisten
    • Serotoninantagonisten
    • Somatostatin, Octreotide
    • Morphin und Morphinderivate
    • Glukokortikoide
    • Heparin.
  • Bei Patient*innen, die wegen einer Hyperthyreose mit Thyreostatika behandelt wurden, kann noch mehrere Monate danach ein erniedrigter oder supprimierter TSH-Wert vorliegen.7
    • Insbesondere beim Morbus Basedow finden sich lange stark supprimierte TSH-Werte, hier erfolgt die Therapiekontrolle über Bestimmung von FT4 und TRAK.

Anamnese

  • Bei einem Teil der Patient*innen können trotz normwertiger Schilddrüsenhormone Anzeichen einer Hyperthyreose bestehen.
    • Dazu zählen z. B. Palpitationen, ein erhöhter Puls, vermehrtes Schwitzen, Nervosität und Wärmeintoleranz.
  • Detaillierte Medikamentenanamnese mit Frage nach Einnahme von:

Klinische Untersuchung

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Diagnostik bei Spezialist*innen

Szintigrafie

  • Die Szintigrafie eignet sich zur Darstellung des Ausmaßes der Möglichkeit der Schilddrüse bzw. lokalisierter Areale, Jod aus dem Blut aufzunehmen.
    • Gemessen wird der Radiojod- und der Tc-99m-Uptake, die als Äquivalent für die Jodid-Clearance gelten.
  • Indikationen für eine Szintigrafie
    • Knoten ≥ 1 cm
    • V. a. fokale oder diffuse Autonomie bei Hyperthyreose
    • diagnostisch unklare Fälle in der Abklärung eines M. Basedow (DD lymphozytäre Thyreoiditis oder Marine-Lenhart-Syndrom: M. Basedow und gleichzeitig autonomes Adenom)
      • insbesondere hilfreich bei TRAK-negativem M. Basedow
    • zur Dokumentation des Therapieerfolgs einer definitiven Therapie (OP, Radiojod)
    • ektop gelegenes SD-Gewebe
    • konnatale Hypothyreose

Therapie

Therapieziele

  • Komplikationen bei Patient*innen mit erhöhtem Risiko vorbeugen.
  • Entwicklung einer manifesten Hyperthyreose nicht übersehen.

Allgemeines zur Therapie

  • Bei einer Thyroxinübersubstitution wird die Dosis reduziert (Ausnahme: Z. n. Schilddrüsenkarzinom, wo eine Suppression von evtl. noch vorhandenem Schilddrüsengewebe erwünscht ist).
  • Bei V. a. zugrunde liegende endogene Ursache, aber ohne Symptome oder Anzeichen einer manifesten Hyperthyreose, wird eine Behandlung nur unter Abwägung der individuellen Patientensituation empfohlen.4
  • Eine Therapieindikation ist immer dann sorgfältig zu prüfen, wenn die TSH-Werte unter 0,1 mIU/l erniedrigt sind, da für diese Patientengruppe die Evidenz für nachteilige gesundheitliche Effekte am größten ist.
  • Amerikanische Leitlinien-Empfehlungen (ATA/AACE Guidelines)8
    • Zur Verhinderung von Vorhofflimmern und Osteoporose wird eine Behandlung bei supprimiertem (nicht mehr nachweisbarem) TSH favorisiert bei:
      • symptomatischen Patient*innen
      • Alter > 65 Jahre
      • postmenopausalen Frauen 
      • Patient*innen mit kardiovaskulären Risikofaktoren, Herzerkrankungen oder Osteoporose
    • Zur Verhinderung von Vorhofflimmern wird eine Behandlung bei erniedrigtem, aber nachweisbarem TSH empfohlen bei:
      • symptomatischen Patient*innen
      • Alter > 65 Jahre
      • postmenopausalen Frauen
      • Patient*innen mit bestehenden Herzerkrankungen.
  • Vorhofflimmern
    • Bei der Thyreostatika-Therapie beträgt die NNT 4,2, d. h. es müssen 4,2 Patient*innen mit subklinischer Hyperthyreose behandelt werden, um innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren die Entwicklung eines Vorhofflimmerns bei 1 Patient*in zu verhindern.9
  • Osteoporose
    • Die Knochendichte wird bei lang andauernder subklinischer Hyperthyreose geringer und das Risiko für osteoporosebedingte Frakturen steigt an.

Behandlungsmöglichkeiten

  • Die Therapieoptionen entsprechen denen der manifesten Hyperthyreose.
    • Thyreostatika-Therapie
    • Radiojodtherapie
    • (partielle) Thyreoidektomie 

Medikamentöse Therapie

  • Exogene subklinische Hyperthyreose
    • Die Thyroxin-Dosis ist zu senken, und die Laborwerte sind zu kontrollieren.
  • Endogene subklinische Hyperthyreose
    • Falls eine Behandlung indiziert ist, sind die gleichen Behandlungsprinzipien wie bei der klinischen Hyperthyreose zu befolgen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • In 1–5 % pro Jahr geht eine subklinische in eine manifeste Hyperthyreose über.
    • Besonders für ältere Patient*innen und Patient*innen mit multinodösen Strumen ist das Risiko für eine manifeste Hyperthyreose im weiteren Verlauf erhöht.
    • Außerdem ist das Risiko bei Patient*innen mit vollständig supprimiertem (nicht mehr nachweisbarem) TSH höher als bei Patient*innen, bei denen TSH noch nachweisbar ist.10
      • Diese Konstellation findet sich häufiger beim Morbus Basedow als bei autonomen Adenomen.
  • Im Rahmen einer schottischen Studie wurden 2.024 Patient*innen mit subklinischer Hyperthyreose (TSH unterhalb des Referenzbereichs) über einen Zeitraum von 7 Jahren hinweg beobachtet.11
    • Die meisten Patient*innen (63 %) blieben ohne Behandlung stabil in der subklinischen Hyperthyreose, einige wurden wieder euthyreot (36 %) und nur sehr wenige (0,7 %) entwickelten eine manifeste Hyperthyreose.

Komplikationen

  • Entwicklung einer manifesten Hyperthyreose
  • Vorhofflimmern
    • Bei Patient*innen über 60 Jahren, die an einer subklinischen Hyperthyreose leiden, wurde bezogen auf einen Zeitraum von 10 Jahren ein um das 3-Fache erhöhtes Risiko zur Entwicklung eines Vorhofflimmerns festgestellt.12-13
    • Die kumulative Inzidenz des Vorhofflimmerns nach 10 Jahren lag bei Patient*innen mit einem supprimierten TSH-Wert bei 28 % und in der Gruppe mit normalem TSH bei 11 %.12
  •  Osteoporose
    • Im Rahmen einer Metaanalyse prospektiver Kohortenstudien wurde ein Zusammenhang zwischen einer subklinischen Hyperthyreose und einem erhöhten Risiko von Hüft- und sonstigen Frakturen festgestellt (verglichen mit euthyreoten Patient*innen HR von 1,6 für Hüftfrakturen).14
    • Dieser Zusammenhang stellte sich bei Patient*innen mit einem nicht mehr nachweisbaren TSH-Wert am deutlichsten dar.
  • Mortalität
    • Bisherige Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich einer erhöhten Mortalität bei einer subklinischen Hyperthyreose.
    • Die bislang größte Studie mit über 50.000 Proband*innen zeigte eine erhöhte Mortalität (Hazard Ratio 1,24), insbesondere durch kardiovaskuläre Ereignisse.15

Prognose

  • Ein geringer Teil der Betroffenen entwickelt eine manifeste Hyperthyreose und muss behandelt werden.
  • Verglichen mit euthyreoten Kontrollgruppen besteht bei Patient*innen mit subklinischer Hyperthyreose ein erhöhtes Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen und Osteoporose.

Verlaufskontrolle

  • Bei einer Normalisierung des TSH-Spiegels wird auf weitere Maßnahmen verzichtet.
  • Bestätigt sich die subklinische Hyperthyreose in Kontrollmessungen, wird abhängig von den Beschwerden und Vorerkrankungen der Patient*innen und dem Ausmaß der TSH-Reduktion ein Therapieversuch oder ein abwartendes Verhalten unter Laborkontrollen vereinbart. 

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • European Thyroid Association. Guideline for the Management of Graves' Hyperthyroidism. Stand 2018. www.pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  • Hyperthyroidism and Other Causes of Thyrotoxicosis: Management Guidelines of the American Thyroid Association and American Association of Clinical Endocrinologists. Stand 2011. www.aace.com

Literatur

  1. Biondi B, Bartalena L, Cooper DS, et al. The 2015 european thyroid association guidelines on diagnosis and treatment of endogenous subclinical hyperthyroidism. Eur Thyroid J 2015; 4(3): 149-63. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Wilson GR, Curry RW. Subclinical thyroid disease. Am Fam Physician 2005; 72: 1517-24. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. U.S Preventive Services Task Force. Screening for thyroid disease: recommendation statement. Ann Intern Med. 2015 May 5;162(9):641-50. doi: 10.7326/M15-0483. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Feller M, Snel M, Moutzouri E, et al. Association of thyroid hormone therapy with quality of life and thyroid-related symptoms in patients with subclinical hypothyroidism. A systematic review and meta-analysis. JAMA. 2018;320(13):1349-1359. doi: 10.1001/jama.2018.13770 jamanetwork.com
  5. Garmendia Madariaga A, Santos Palacios S, et al. The incidence and prevalence of thyroid dysfunction in Europe: a meta-analysis. J Clin Endocrinol Metab 2014; 99: 923-31. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Völzke H, Lüdemann J, Robinson DM, et al. The prevalence of undiagnosed thyroid disorders in a previously iodine-deficient area. Thyroid 2003; 13: 803-10. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Kahaly GJ, Bartalena L, Hegedüs L, et al. 2018 European Thyroid Association Guideline for the Management of Graves' Hyperthyroidism. Eur Thyroid J 2018; 7(4): 167-86. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Bahn RS, Burch HB, Cooper DS, et al. Hyperthyroidism and Other Causes of Thyrotoxicosis: Management Guidelines of the American Thyroid Association and American Association of Clinical Endocrinologists. Endocrine Practice 2011; 17: 456-520. pro.aace.com
  9. Helfand M, Redfern CC. American College of Physicans. Clinical guideline, part 2. Screening for thyroid disease: an update published correction appears in Ann Intern Med 1999; 230: 246. Ann Intern Med 1998; 129: 144-58. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Donangelo I, Braunstein GD. Update on subclinical hyperthyroidism. Am Fam Physician 2011; 83: 933-8. www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Vadiveloo T et al. The Thyroid Epidemiology, Audit, and Research Study (TEARS): the natural history of endogenous subclinical hyperthyroidism. J Clin Endocrinol Metab. 2011 Jan;96(1):E1-8. doi: 10.1210/jc.2010-0854. Epub 2010 Oct 6 www.ncbi.nlm.nih.gov
  12. Sawin CT, Geller A, Wolf PA, et al. Low serum thyrotropin concentrations as a risk factor for atrial fibrillation in older patients. N Engl J Med 1994; 331: 1249-52. New England Journal of Medicine
  13. Cappola AR, Fried LP, Arnold AM, et al. Thyroid status, cardiovascular risk, and mortality in older adults. JAMA 2006; 295: 1033-41. PubMed
  14. Blum MR, Bauer DC, Collet T-H, et al. Subclinical thyroid dysfunction and fracture risk. A meta-analysis. JAMA 2015; 313: 2055-65. doi:10.1001/jama.2015.5161 DOI
  15. Collet TH, Gussekloo J, Bauer DC et al. Subclinical hyperthyroidism and the risk of coronary heart disease and mortality. Arch Intern Med 2012; 172: 799-809. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin

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