Erweiterte Maßnahmen zur Herz-Lungen-Wiederbelebung (Advanced Life Support, ALS) bei Kindern

Hintergrund

  • Die schnelle Einleitung von Wiederbelebungsmaßnahmen ist von entscheidender Bedeutung bei Kindern mit Herz-Kreislauf-Stillstand.
  • Eine kardiopulmonale Reanimation sollte bei jeder Person begonnen werden, die nicht reagiert und keine oder eine abnormale Atmung aufweist.
    • Die jährliche Inzidenz des Herz-Kreislauf-Stillstands außerhalb des Krankenhauses beträgt in Europa ca. 67–170/100.000 Einw.
    • Die jährliche Inzidenz des Herzkreislaufstillstands im Krankenhaus beträgt ca. 1,5–2,8/1.000 Einweisungen.
  • Eine rasche Einleitung von Erstmaßnahmen ist nicht nur durch Fachpersonal, sondern auch durch Laien möglich und dringend wünschenswert, siehe hierzu auch Artikel Basismaßnahmen zur Herz-Lungen-Wiederbelebung (Basic Life Support BLS) bei Kindern.
  • Nach Eintreffen eines Notfallteams (im Krankenhaus oder außerhalb) werden die Basismaßnahmen durch erweiterte Maßnahmen der Wiederbelebung ergänzt (Advanced Life Support ALS).
  • Kernpunkte der erweiterten Maßnahmen sind das Vorgehen betreffend:
    • manuelle Defibrillation
    • Atemwegsmanagement
    • Medikamente und ihre Applikation während der Reanimation
    • Behandlung von Arrhythmien

Erweiterte Reanimationsmaßnahmen durch Rettungs- und Pflegepersonal (Advanced Life Support ALS) bei Kindern

ERC-Leitlinie: Praktisches Vorgehen beim Advanced Life Support1

Allgemeines

  • Beginn bzw. Fortfahren mit Maßnahmen des Basic Life Supports
  • Beim Advanced Life Support werden im Team mehrere Interventionen parallel durchgeführt, auch wenn Aktionen im Folgenden abschnittsweise dargestellt werden.
  • In Fällen, in denen es wahrscheinlich schwierig wird, i. v. Zugang zu erhalten, primäre Wahl von i. o. Zugang
  • Spülung nach jeder Medikamentengabe, um Medikament einzuschwemmen

Rhythmusanalyse

  • So bald wie möglich Etablierung von kardialem Monitoring mit EKG-Elektroden oder selbstklebenden Defibrillator-Pads (oder Defibrillationspaddeln)
  • Fortsetzung der Thoraxkompression, während Defibrillator lädt
  • Unterscheidung zwischen schockbaren und nicht-schockbaren Rhythmen
    • Bei Zweifeln soll der Rhythmus als schockbar betrachtet werden.
  • Schockbar
    • pulslose ventrikuläre Tachykardie (pVT)
    • Kammerflimmern (VF)
  • Nicht-schockbar
    • pulslose elektrische Aktivität (PEA)
    • Bradykardie
    • Asystolie

Schockbarer Rhythmus

  • Sobald schockbarer Rhythmus festgestellt wird, soll sofort Defibrillation versucht werden.
  • Schockabgabe mit 4 J/kg KG und sofortiges Fortsetzen der kardiopulmonalen Reanimation für 2 min.
  • Überprüfung des Herzrhythmus alle 2 min (nach letztem Schock) und erneute Schockabgabe (4  J/kg KG), wenn schockbarer Rhythmus anhält.
  • Unmittelbar nach 3. Schock Adrenalin (10 µg/kg KG, max. 1  mg) und Amiodaron (5  mg/kg KG, max. 300  mg) i. v./i. o.
    • Lidocain i. v. (1  mg/kg KG) kann von Ersthelfer*innen, die Anwendung beherrschen, als Alternative zu Amiodaron verwendet werden.
  • Unmittelbar nach 5. Schock zweite Dosis Adrenalin (10 µg/kg KG, max. 1 mg) und Amiodaron (5 mg/kg KG, max. 150  mg), wenn Kind noch schockbaren Rhythmus hat.
    • Danach soll Adrenalin alle 3–5 min wiederholt werden.
  • Bei refraktärem VF/pVT (d.  h. > 5 Defibrillationen erforderlich) Erwägung der Dosiserhöhung der Defibrillation, schrittweise bis zu 8 J/kg KG oder max. 360 J.

Nicht-schockbarer Rhythmus

  • Etablierung von Gefäßzugang und schnellstmögliche Gabe von Adrenalin (10 µg/kg KG, max. 1 mg).
  • Kontinuierliche kardiopulmonale Reanimation mit Rhythmusanalyse alle 2 min
  • Bei persistierendem nicht-schockbarem Rhythmus Wiederholung der Adrenalin-Gabe alle 3–5 min

Beatmung

  • Oxygenierung mit Beutel-Maske-Beatmung mit maximaler inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (100 %)
  • Bei kompetenten Ersthelfer*innen erweiterte Atemwegssicherung (Endotrachealtubus, supraglottischer Atemweg) mit Kapnografie erwägen.
  • Bei Beatmung über Endotrachealtubus asynchrone Beatmung und kontinuierliche Thoraxkompression möglich (nur alle 2 min zur Rhythmusprüfung pausieren)
    • Frequenz der Beatmungen 25/min (Säuglinge), 20/min (>  1 Jahr), 15/min (>  8 Jahre), 10/min (> 12 Jahre)

Reversible Ursachen

  • Frühzeitige Identifizierung und korrekte Behandlung möglicher reversiblen Ursache des Herz-Kreislauf-Stillstands
  • Mnemotechnik 4 H und HITS
    • 4 H 
      • Hypoxie
      • Hypovolämie
      • Hypo- oder Hyperkaliämie/‑kalzämie/‑magnesiämie und Hypoglykämie
      • Hypo- oder Hyperthermie
    • HITS
      • Herzbeuteltamponade
      • Intoxikation
      • Thromboembolie (Herz, Lunge)
      • Spannungspneumothorax

Versorgung nach erfolgreicher Reanimation durch BLS/ALS

ERC-Leitlinie: Postreanimationsbehandlung1

  • Regelmäßige Überprüfung der Patient*innen nach ABCDE-Schema
  • Hypotonie vermeiden unter Verwendung minimal erforderlicher Dosen von parenteralen Flüssigkeiten und vasoaktiven Medikamenten.
  • Vermeidung von Hypo- und Hyperkapnie durch Anpassung Beatmungsfrequenz und -volumen
  • Titrierung der inspiratorischen Sauerstofffraktion mit Ziel-Sauerstoffsättigung von 94–98 %
  • Blutzuckerkontrolle mit Vermeidung von Hypo- und Hyperglykämie
  • Gezieltes Temperaturmanagement mit Vermeidung von Fieber und Einhaltung vordefinierter Temperatur (abhängig von Expertise und Ausstattung der Umgebung)

Quellen

Leitlinien

Literatur

  1. European Resuscitation Council. Guidelines for Resuscitation. Stand 2021. cprguidelines.eu

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt

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