Kopfverletzungen, Akutbehandlung

Allgemeine Informationen

Schweregrad

Klassifikation des SHT nach der Glasgow Coma Scale (GCS)

  • International geläufige Klassifikation des Schädel-Hirn-Traumas in drei Schweregrade anhand der Bewusstseinsstörung nach der Glasgow Coma Scale
  • Leichtes Schädel-Hirn-Trauma (I°)
    • GCS-Score 13–15
    • früher und z. T. noch geläufig: Gehirnerschütterung bzw. Commotio cerebri
  • Mittelgradiges Schädel-Hirn-Trauma (II°)
    • GCS-Score 9–12
  • Schweres Schädel-Hirn-Trauma (III°)
    • GCS-Score 3–8

Klassifikation des SHT nach Morphologie1

Erstversorgung am Unfallort

Anamnese

  • Unfall- bzw. Verletzungsgeschehen
    • Art, Mechanismus und Intensität der Gewalteinwirkung
  • Vorerkrankungen und Risikofaktoren (z. B. medikamentöse Antikoagulation)
  • Subjektive Symptome bei Schädel-Hirn-Trauma
    • Kopfschmerzen
    • Schwindel und Benommenheit
    • Übelkeit
    • Schwäche und Müdigkeit
    • Hörminderung
    • Sehstörungen und Doppelbilder
    • Licht- und Lärmempfindlichkeit

Untersuchung

Erstuntersuchung am Unfallort

  • Allgemeine Untersuchung nach Schwere der Verletzung
    • Vitalparameter (Puls, Atmung, Sauerstoffsättigung und Blutdruck)
    • Untersuchung auf Begleitverletzungen (Body-Check mit Thorax, Abdomen, Wirbelsäule)
  • Objektive Verletzungszeichen
    • Schwellung
    • Blutung
    • Riss- oder Platzwunde
    • Deformitäten
    • Austritt von Blut, Liquor oder Hirngewebe

Neurologische Untersuchung

  • Folgende Parameter sollen erfasst und dokumentiert werden:
    • Glasgow Coma Scale
    • Bewusstseinsstörung oder Bewusstlosigkeit
    • Pupillenfunktion
    • Spontanmotorik, insbesondere Seitendifferenz
  • Hinweise auf Schädigung des Nervensystems
    • Amnesie
    • Bewusstseinsstörungen
    • Erbrechen
    • Lähmungen
    • Sprachstörungen
    • Krampfanfälle
  • Regelmäßige Kontrollen von Bewusstseinslage, Pupillenfunktion und Glasgow Coma Scale zur frühzeitigen Erkennung einer klinischen Verschlechterung

Zeichen einer lebensbedrohlichen Situation nach SHT

  • Pupillenerweiterung, gestörte Pupillenreaktion auf Licht
  • Hemiparese
  • Beuge- und Strecksynergismen
  • Kardiopulmonale Instabilität

Prähospitale Therapie1

Erstversorgung nach xABCDE-Schema

  • „Stop the Bleed“ (STB)
    • Stillung aktiver Blutungen, sofern zugänglich
    • manuelle Kompression, Kompressionsverband
    • Verwendung von Wundauflagen (z. B. Chitosan) empfohlen
    • Aktive Blutungen sollen, sofern zugänglich, gestillt werden.
  • Sicherung der Vitalfunktionen
    • Monitoring von Blutdruck, Herzfrequenz, Atmung, Sauerstoffsättigung

Atmung

  • Indikation zur endotrachealen Intubation und Beatmung bei insuffizienter Spontanatmung oder bei Bewusstlosigkeit (Anhaltsgröße GCS < 9)
  • Endotracheale Intubation
    • oft schwieriger Atemweg, u. a. aufgrund einer fehlenden Überstreckung der HWS (instabile Wirbelsäulenfraktur)
    • Einsatz der Videolaryngoskopie empfehlenswert
  • Normoxie anstreben (arterielle Sauerstoffsättigung ≥ 90 %)

Blutdruck

  • Arterielle Normotonie anstreben (systolischer Blutdruck ≥ 90 mmHg).

Temperatur

  • Normothermie anstreben, ggf. mit aktivem Wärmerhalt.

Analgosedierung

  • Keine eindeutige Empfehlung zu Analgosedierung und Relaxierung.
    • Vorteil der besseren kardiopulmonalen Versorgung
    • Nachteil der eingeschränkten neurologischen Beurteilbarkeit
  • Die Entscheidung liegt im Ermessen der versorgenden Notärzt*innen.

Hirnprotektive Therapie

  • Durchführung bei Zeichen eines stark erhöhten intrakraniellen Druckes (ICP) oder einer Einklemmungssituation (Pupillenerweiterung, Strecksynergismen, Streckreaktion auf Schmerzreiz, progrediente Bewusstseinstrübung)
    • kurzzeitige Senkung des ICP möglich, jedoch keine Evidenz in der Prähospitalphase
  • Hyperventilation
    • Richtwert 20 Atemzüge/min bei Erwachsenen
  • Hypertone Kochsalzlösung
  • Mannitol
    • gehört nicht zur üblichen Ausstattung auf Rettungsmitteln.
  • Oberkörperhochlagerung auf 30 Grad (wirksam bei extrem hohen ICP-Werten)

Transport

  • Bis zum Ausschluss einer begleitenden instabilen Wirbelsäulenfraktur Immobilisierung der HWS mit Zervikalstütze und/oder Vakuummatratze
  • Perforierende Objekte belassen.
  • Herausgeschlagene Zähne feucht lagern und zur Replantation mitführen.

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Notfallmäßige Krankenhauseinweisung bei folgenden Symptomen nach Kopfverletzung:,
    • Koma oder Bewusstseinstrübung
    • Amnesie
    • andere neurologische Störungen
    • Krampfanfall
    • klinische Zeichen oder röntgenologischer Nachweis einer Schädelfraktur
    • V. a. penetrierende Verletzungen
    • V. a. nasale oder otogene Liquorfistel
    • Erbrechen (zeitlicher Zusammenhang zur Gewalteinwirkung)
    • Gerinnungsstörung
      • Fremdanamnese
      • Pass zur Antikoagulanzienbehandlung
      • nicht sistierende Blutung aus oberflächlichen Verletzungen usw.
    • bei Kindern zusätzlich
      • bei starken andauernden Kopfschmerzen
      • bei Verdacht auf Kindesmisshandlung mit Wiederholungsgefahr
      • im Zweifel, z. B. bei kindlicher Verhaltensänderung aus elterlicher Sicht (insbesondere bei Kindern < 24 Monate)
  • Wahl der Zielklinik
    • notfallmäßige Einlieferung primär in ein geeignetes Traumazentrum
    • Verfügbarkeit einer ständigen CT-Bildgebung
    • Verfügbarkeit einer neurochirurgische Versorgungsmöglichkeit
  • Wahl des Rettungsmittels
    • Die Luftrettung sollte bei Verfügbarkeit zur prähospitalen Versorgung Schwerverletzter primär eingesetzt werden.

Weitere Informationen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Haydel MJ. Assessment of traumatic brain injury, acute, BMJ Best Practice, Last reviewed: 6 Mar 2023 (abgerufen am 05.04.2023). bestpractice.bmj.com

Autor

  • Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung Neurologie, Hamburg

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