Addison-Krise

Zusammenfassung

  • Definition:Krisenhafte Nebenniereninsuffizienz mit Verschlechterung des Allgemeinzustandes bis zum Schock.
  • Häufigkeit:Ca. 10 Fälle pro 100 Patientenjahre bei Patient*innen mit primärer oder sekundärer Nebenniereninsuffizienz.
  • Symptome:Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen, abdominelle Beschwerden, Bewusstseinsstörung.
  • Befunde:Klinisch Hypotonie, Exsikkose, Fieber, Bewusstseinsstörung bis zum Koma. Im Labor Hyponatriämie, Hyperkaliämie, Hypoglykämie.
  • Diagnostik:Diagnosestellung erfolgt in der Gesamtschau aus 1. Vorgeschichte (bekannte Nebenniereninsuffizienz oder langfristige Kortikoidtherapie in Kombination mit aktuellen Auslösern wie Infektionen/Stress), 2. Klinik/Labor und 3. raschem klinischem Ansprechen auf Kortikoidgabe.
  • Therapie:Entscheidend ist die rasche Gabe von Hydrokortison. Volumenersatz.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Es gibt derzeit keine allgemein gültige Definition der Addison-Krise.1
  • Zustand eines akuten Kortisolmangels durch erhöhten Bedarf
  • Eine der aktuell verwendeten Definitionen fordert folgende Kriterien:2
    1. massive Einschränkung des Allgemeinbefindens mit Vorliegen von zumindest zwei der folgenden Symptome/Befunde:
    2. Parenterale Glukokortikoidgabe führt zu klinischer Besserung.
  • Der Begriff „Addison-Krise" wird meist synonym für alle krisenhaften Nebenniereninsuffizienzen verwandt, streng genommen bezieht er sich nur auf die primäre Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison).

Häufigkeit

  • Auf die Gesamtbevölkerung bezogen selten, bei Patient*innen mit Nebennierenrindeninsuffizienz nicht ungewöhnlich
  • Ca. 10 Fälle pro 100 Patientenjahre bei Patient*innen mit primärer oder sekundärer Nebenniereninsuffizienz3-4

Ätiologie und Pathogenese

  • Zur Ätiologie der primären und sekundären Nebenniereninsuffizienz siehe den Artikel Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison).
  • Eine Addison-Krise kann auftreten:
    • mehrheitlich infolge einer unzureichenden Anpassung einer Kortikoidsubstitution an einen erhöhten Bedarf
    • als Erstmanifestation einer bislang nicht bekannten Nebenniereninsuffizienz.
      • In ca. der Hälfte der Fälle wird eine vorbestehende chronische Nebenniereninsuffizienz erst im Rahmen einer Krise retrospektiv erkannt.
  • Die Ausbildung einer Addison-Krise entsteht durch Ausfall zweier wichtiger Hormonwirkungen:
    • Kortisol
      • Stresshormon
      • wichtige Funktion bei der Immunabwehr
    • Aldosteron
      • essenziell für den Wasser- und Elektrolythaushalt
  • Auslöser einer Addison-Krise sind:
    • Substitutionsfehler bei bekannter Nebennieren- oder Hypophyseninsuffizienz
    • Resorptionsstörung der oralen Substitutionstherapie bei Magen-Darm-Erkrankungen
    • Störung der Therapieadhärenz
    • plötzlich erhöhter Kortisolbedarf
      • Stress
      • Infektion
      • Trauma
      • Operation
  • Für einige Situationen mit erhöhtem Hormonbedarf werden folgende relative Häufigkeiten angegeben:4-5
    • gastrointestinaler Infekt (22–33 %)
    • sonstige fieberhafte Infekte (17–24 %)
    • Operationen (7–16 %)
    • intensive körperliche Aktivität (7–8 %)
    • psychischer Stress (4–6 %)

ICD-10

  • E27.2 Addison-Krise

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Mitentscheidend ist, eine Addison-Krise in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen.
  • Die Diagnose ergibt sich aus der Kombination aus:
    1. Risikosituation für erhöhten Kortikoidbedarf, insbesondere bei Patient*innen mit
      • bekannter Nebenniereninsuffizienz
      • chronischer Therapie mit Glukokortikoiden
    2. klinischer Symptomatik und Laborkonstellation mit mindestens zwei der folgenden Symptome/Zeichen:
  • Ergänzend erfolgt die Diagnosestellung ex iuvantibus, d. h. nach erfolgreicher Behandlung durch Hydrocortisongabe.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Klinische Untersuchung

  • Hypotonie bis zum Schock
  • Exsikkose
  • Abdominelle Abwehrspannung
  • Febrile Temperatur
  • Bewusstseinsminderung bis zum Koma
  • Hyperpigmentierung (beim M. Addison, typischerweise Bereiche ohne Sonnenexposition wie Hautfalten der Handflächen)

Ergänzende Untersuchungen im Krankenhaus

Labor

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Eine Addison-Krise erfordert eine schnellstmögliche Einweisung ins Krankenhaus.

Therapie

Therapieziele

  • Stabilisierung der Vitalfunktionen
  • Ausreichende Kortikoidsubstitution

Allgemeines zur Therapie

  • Zwei Kernelemente der Behandlung:
    1. Prognose hängt primär von der Verfügbarkeit von Kortisol (= Hydrocortison) ab, rasche Substitution ist die wichtigste therapeutische Maßnahme.
    2. adäquate Volumenzufuhr zur Behandlung der Hypotonie.
  • Ernsthafte Nebenwirkungen einer probatorischen Hydrocortisongabe sind nicht zu erwarten.
  • In einer kritischen Situation kann notfalls jedes Glukokortikoid in jeder Applikationsform (p. o., rektal, i. v, i. m.) verabreicht werden.4

Spezielle Therapie

  • Behandlung der Addison-Krise unter intensivmedizinischem Monitoring

Intravenöse Zufuhr von Glukokortikoiden

  • 100 mg Hydrocortison i. v. als Bolus
    • gefolgt von 100–300 mg/d als Dauerinfusion
  • Nach Stabilisierung Oralisierung und schrittweise Dosissenkung auf Erhaltungsdosis von 15–25 mg/d (2/3 morgens, 1/3 6–8 h später)
  • Zusätzlich 0,05–0,1 mg Fludrokortison/d bei Unterschreitung einer täglichen Hydrocortisondosis von 50 mg (bei primärer Nebennierenrindeninsuffizienz)

Intravenöse Flüssigkeitsgabe

  • Volumenersatz mit 0,9-prozentiger NaCl-Lösung und 5-prozentiger Glukoselösung

Supportive Maßnahmen

  • Engmaschige Elektrolytkontrollen (insbesondere Natrium, Kalium, Glukose) und ggf. Ausgleich
  • Thrombembolieprophylaxe
  • Ulkusprophylaxe
  • Behandlung auslösender Erkrankungen (z. B. antimikrobielle Therapie bei Infektionen)

Prophylaxe der Addison-Krise 

  • Zur Vermeidung von Addison-Krisen sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:4
    • Ausstellung eines Notfallausweises
    • Schulung von Patient*innen und Angehörigen
      • Symptome einer Addison-Krise
      • Dosisanpassung in Stresssituationen
      • typische Stresssituationen (Fieber, Trauma, Operation)
      • Erbrechen und Durchfall als dringende Indikation für Notfallmedikation
    • Verschreibung einer Hydrocortison-„Notfallausrüstung" (z. B. 100 mg Hydrocortison), Schulung in der Eigeninjektion

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

Verlauf und Prognose

  • Unbehandelt beträgt die Mortalität nahezu 100 %.
  • Unter Behandlung beträgt die Mortalitätsrate ca. 0,5–2,5 %.3,6
  • Bei adäquater Behandlung erholen sich die meisten Patient*innen innerhalb von Minuten bis Stunden.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Rushworth R, Torpy D, Falhammar H. Adrenal Crisis. N Engl J Med 2019; 381: 852-861. doi:10.1056/NEJMra1807486 DOI
  2. Allolio B. Adrenal crisis. Eur J Endocrinol 2015; 172: R115–R124. doi:10.1530/EJE-14-0824 DOI
  3. Amrein K, Martucci G, Hahner S. Understanding adrenal crisis. Intensive Care Med 2018; 44: 652-655. doi:10.1007/s00134-017-4954-2 DOI
  4. Quinkler M, Beuschlein F, Hahner S, et al. Adrenal cortical insufficiency—a life threatening illness with multiple etiologies. Dtsch Arztebl Int 2013; 110: 882-888. doi:10.3238/arztebl.2013.0882 DOI
  5. Hahner S, Loeffler M, Bleicken B, et al. Epidemiology of adrenal crisis in chronic adrenal insufficiency: the need for new prevention strategies. Eur J Endocrinol 2010; 162: 597-602. doi:10.1530/EJE-09-0884 DOI
  6. Kirkland L. Adrenal crisis. Medscape, updated Mar 12, 2020. Zugriff 08.11.21. emedicine.medscape.com

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i.Br.

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