Demenzassessment

Allgemeine Informationen

  • Mit Assessment, dem englischen Begriff für „Beurteilung, Einschätzung“, ist im psychosozial-wissenschaftlichen Kontext eine umfassende Beurteilung psychischer, sozialer und/oder alltagsrelevanter Kompetenzen und Ressourcen gemeint.1
  • Bei Hinweisen auf eine Demenzerkrankung erfolgen das Assessment einschließlich Verlaufskontrollen idealerweise in Zusammenarbeit zwischen Hausärzt*in, Patient*in und Angehörigen, Pflegenden der Pflegeeinrichtung und ggf. weiteren Fachspezialist*innen für z. B. Psychiatrie.
  • Ausführliche Erläuterungen zu den einzelnen Elementen der Demenzdiagnostik siehe Artikel Demenzsymptome

Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment

  • Die erste Stufe der Demenzdiagnostik und die Verlaufskontrollen können u. U. im Rahmen eines „hausärztlich-geriatrischen Basisassessments“ erfolgen (Näheres dazu im Artikel Geriatrische Untersuchung).
  • Komplexe kognitive Beeinträchtigungen oder Erschöpfung gelten ab dem 70. Lebensjahr auch bei ansonsten erhaltenen Funktionen als alleinige Begründung für ein hausärztlich-geriatrisches Basisassessment.

Assessmentplan1

Aufklärung und Planung

  • Mögliche Konsequenzen einer Demenzdiagnose
  • Den Wunsch der betroffenen Person zur Intensität der weiteren Diagnostik und Aufklärung respektieren (Recht auf Nicht-Wissen).
  • Die weiteren diagnostischen Schritte mit der betroffenen Person absprechen.
  • Zweistufiges Vorgehen
    1. Bei anamnestischen Hinweisen auf zunehmende kognitive Funktionsstörungen führt eine geschulte MFA der Praxis ein Screeningverfahren durch.
    2. Bestätigt sich der Verdacht auf ein demenzielles Frühsyndrom: Überweisung zur neuropsychologischen Diagnostik (z. B. Gedächtnissprechstunde an einem ambulanten Versorgungszentrum)

Anamnese

  • Eigenanamnese
  • Fremdanamnese
  • Familienanamnese
  • Kognitive Defizite?
  • Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen?
  • Bisheriger Verlauf?

Gespräch mit den Angehörigen

  • Nach Funktionsänderungen in letzter Zeit fragen:
    • veränderte Alltagsfunktionen
    • Funktion und Teilnahme in sozialen Zusammenhängen
    • veränderte Verhaltensweisen: Reizbarkeit, Unruhe, Angst, Passivität

Psychische Exploration

Körperliche Untersuchung

  • Blutdruck und Puls
  • Neurologische Untersuchung
  • Internistische Untersuchung
    • Herzinsuffizienz?
    • Lungenerkrankung?
    • Infektionserkrankung?
    • Andere Erkrankungen?

Kognitive Kurztests

  • Geeignet für die hausärztliche Praxis:
  • Ein negatives Testergebnis schließt ein beginnendes demenzielles Syndrom nicht aus. Im Zweifelsfall sollte eine ausführlichere neuropsychologische Testung erfolgen (Überweisung).

Störfaktoren

  • Folgende Faktoren können zu einer Verzerrung der Test- und Explorationsergebnisse beitragen:
    • sensorische Störungen
    • Aufmerksamkeitsdefizite (z. B. verstärkt durch Umgebungsgeräusche)
    • Schwierigkeiten, die Testfragen und -aufgaben zu verstehen (z. B. wenn zu leise oder zu schnell erklärt wird) oder zu behalten.
    • fehlende Krankheitseinsicht („Fassade aufrecht erhalten"): Fremdanamnese ggf. in Abwesenheit der betroffenen Person
    • Depression: Kann mit kognitiven Defiziten einhergehen (Pseudo-Demenz).

Blutuntersuchungen

Indikationen zur Überweisung

  • Näheres zu den Kriterien siehe Artikel Demenzsymptome.
  • Bei rascher Verschlechterung der kognitiven Leistung und/oder neurologischen Begleitsymptomen: Überweisung zur Neurologie, ggf. stationäre Einweisung

Humangenetische Beratung und Diagnostik

  • Bei Verdacht auf eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung

Information an Hilfsdienste

  • Nur mit Erlaubnis der Betroffenen

Was ist wichtig?1

  • Bei anamnestischen Hinweisen auf ein demenzielles Frühsyndrom: Kurztest und ggf. Überweisung zur neuropsychologischen Diagnostik
  • Je nach Befund weitere Abklärung, z. B. neurologisch, psychiatrisch, internistisch oder humangenetisch

Zusammenfassendes Abschlussgespräch

  • Mit Betroffenen und Angehörigen
  • Geplante diagnostische Maßnahmen erläutern und mit allen an der Versorgung der Erkrankten beteiligten Personen absprechen.
  • Wichtige Themen
    • Informationen über die Diagnose
    • Informationen über die Symptome und die Prognose
    • Bedarf an kommunalen Maßnahmen, z. B. Haushaltshilfe und ambulanter Pflegedienst, Tagespflege in Pflegezentren
    • medikamentöse Behandlung
    • nichtmedikamentöse Behandlungsmaßnahmen
    • Vorsorgevollmacht/Patientenverfügung/Testament
    • Bedarf der Angehörigen an Beistand und Unterstützung, evtl. Teilnahme an Schulungen für pflegende Angehörige
    • Führen von Kraftfahrzeugen (Beurteilung der Fahrtauglichkeit)

Verlaufskontrolle1

Kontrolltermin nach 6 bis 12 Monaten

  • Jedes halbe Jahr
    • somatische Einschätzung
    • Kontrolle der medikamentösen Behandlung
    • Evaluation der Alltagskompetenzen
  • Einmal jährlich
    • kognitive Kurztests, z. B. MMST und Uhrentest
    • Fragen zur Angehörigen-Resilienz und -Belastung
    • Sicherheit zu Hause

Weitere Informationen in Deximed

Aktuelle Diagnosen

Patienteninformationen

Quellen

Literatur

  1. National Institute for Health and Care Excellence (UK). Dementia: Assessment, management and support for people living with dementia and their carers. London: National Institute for Health and Care Excellence (UK); 2018 Jun. PMID: 30011160 PubMed
  2. Livingston G, Huntley J, Sommerlad A et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. Lancet 2020; 396: 413-46. PMID: 32738937 PubMed

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg

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