Akute Zervizitis

Zusammenfassung

  • Definition:Sexuell übertragbare Infektion des Zylinderepithels der Zervix. Verursacht u. a. durch Chlamydien, Gonokokken, Mykoplasmen, Herpes-genitalis-Viren, A-Streptokokken oder humane Papillomaviren.
  • Häufigkeit:Eine Chlamydien-Infektion ist die häufigste bakterielle sexuell übertragbare Infektion. Gonorrhö ist seltener.
  • Symptome:Sowohl Chlamydien-Erkrankungen als auch Gonorrhö verlaufen bei ca. 50 % symptomfrei. Die häufigsten Symptome sind Ausfluss, Dysurie und Blutungsstörungen.
  • Befunde:Die Zervix kann normal bis tiefrot, ödematös und leicht verletzlich sein, evtl. mit mukopurulentem Sekret aus dem äußeren Muttermund. Bei Herpes sind Vesikel und Läsionen zu sehen.
  • Diagnostik:Probenmaterial wird aus der Zervix oder den Läsionen entnommen. Evtl. Mikroskopie des Ausflusses und Zytologie für den Nachweis von HPV. CRP bei Verdacht auf eine Pelvic Inflammatory Disease (PID).
  • Therapie:Behandelt wird meist mit Antibiotika, wenn ein Infektionsverdacht besteht oder dieser bestätigt wurde. Identifizierung der Ansteckungsquelle sowie Partnerbehandlung nicht vergessen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Infektion des zervikalen Zylinderepithels durch Bakterien oder Viren
  • Ursächlich sind Chlamydien oder Gonokokken oder Mykoplasmen, selten Herpes-Viren, A-Streptokokken oder humane Papillomaviren.
  • Sexuell übertragbare Infektion
  • Kann symptomatisch und häufig akut verlaufen, evtl. asymptomatisch.

Häufigkeit

  • Inzidenzen von bis zu 20 % bei jungen, sexuell aktiven Frauen werden beschrieben.

Chlamydien

  • Sind die häufigste Ursache für die Zervizitis bei sexuell aktiven Frauen unter 25 Jahren.
  • Die Chlamydien-Infektion ist die häufigste bakterielle sexuell übertragbare Infektion weltweit.
    • Betroffen von genitalen Chlamydien-Infektionen sind überwiegend Frauen zwischen 16 und 19 Jahren und Männer zwischen 20 und 24 Jahren.
    • Geschätzt werden bis zu 300 unerkannte jährliche Neuerkrankungen pro 100.000 Einw.

Gonorrhö (Tripper, Morbus Neisser)

  • Europaweit die zweithäufigste STI
  • Infektionszahlen erneut mit steigender Tendenz in den letzten Jahren, nachdem sie viele Jahre rückläufig waren.
    • Dies geht auch auf eine Verbesserung des Beratungs- und Testangebots zurück.
  • Die Gonorrhö verläuft bei rund 15 % der Frauen und rund 3 % der Männer asymptomatisch.

Mykoplasmen

  • Kommen häufig vor, deren Bedeutung für eine Zervizitis ist jedoch nicht ausreichend geklärt.

Ätiologie und Pathogenese

  • Sexuell übertragbare Bakterien oder Viren, die die Zervix infizieren und auch zu einer aszendierenden Infektion (Pelvic Inflammatory Disease, PID) führen können.
  • Chlamydia trachomatis verursachen mehr als 2/3 aller akuten Zervizitis-Fälle.
  • Neisseria gonorrhoeae: gramnegative aerobe Diplokokken (Gonokokken)
  • Möglicherweise Mycoplasma hominis
    • Mycoplasma genitalium und Ureaplasma urealyticum verursachen Urethritiden, weniger sicher ist jedoch, ob sie Zervizitiden verursachen.
  • Herpes-genitalis-Viren, selten
  • A-Streptokokken, selten
  • Humane Papillomaviren (HPV)

Begünstigende Faktoren

  • Viele Sexualpartner*innen
  • Alter unter 25 Jahren
  • Mangelnde Kondomverwendung
  • Frauen, die die Pille einnehmen, sind häufiger Trägerinnen von Chlamydia trachomatis, die Infektion verläuft bei ihnen jedoch milder.

ICD-10

  • A56 Sonstige durch Geschlechtsverkehr übertragene Chlamydienkrankheiten
    • A56.0 Chlamydieninfektion des unteren Urogenitaltraktes
  • A54 Gonokokkeninfektion
    • A54.0 Gonokokkeninfektion des unteren Urogenitaltraktes ohne periurethralen Abszess oder Abszess der Glandulae urethrales
  • N72 Entzündliche Krankheit der Cervix uteri

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Nachgewiesene pathogene Mikroben in der Zervix
  • Chlamydia trachomatis Serovare D–K
    • Kommen intrazellulär vor, sind mittels Nukleinsäureamplifikationstechniken (NAT) oder Erregeranzucht aus Abstrich oder Urin nachweisbar.
  • Gonokokken
    • Kommen auf allen Schleimhäuten vor, durch Kultur oder mittels PCR.
    • Abstrichtupfer mit Kohle und Stuart-Medium bei Versendung
    • spezielle Transportmedien aufgrund der hohen Empfindlichkeit erforderlich
  • Herpes-Virus
    • Kann durch Kultur nachgewiesen werden.
  • Humane Papillomaviren
    • Sind durch Zytologie nachweisbar.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Chlamydien
    • Rund 50 % aller Frauen haben keine Symptome.
    • Die häufigsten Symptome sind Ausfluss, Dysurie und Blutungsstörungen.
  • Gonorrhö
    • oft asymptomatisch, über 50 %
    • Die häufigsten Symptome sind Ausfluss (eitriger Fluor) und Dysurie.
      • Gonorrhö führt oft zu stärkeren Symptomen als eine Chlamydien-Infektion.
  • Herpes-Virus
    • Kann akute Beschwerden mit Ausfluss und Schmerzen verursachen, in sehr vielen Fällen treten jedoch keine spezifischen Symptome auf.
  • HP-Virus
    • Wird oft zufällig bei einem zytologischen Screening nachgewiesen. Verursacht keine typischen Symptome.

Klinische Untersuchung

  • Gynäkologische Untersuchung durch Gynäkolog*in

Ergänzende Untersuchungen bei Gynäkolog*in

  • Klinische Untersuchung 
    • Die Zervix kann sich von nahezu normal bis tiefrot, ödematös und leicht verletzlich, evtl. mit mukopurulentem Sekret aus dem äußeren Muttermund präsentieren.
    • Untersuchung bei Verdacht auf PID
      • Schmerzempfindlichkeit und/oder Raumforderung im Bereich der Adnexe, evtl. druckempfindlicher Uterus
  • Schwangerschaftstest bei Unsicherheit
    • Eine Schwangerschaft führt bereits zu einer geröteten und veränderten Oberfläche der Zervix.
  • Abstrich für NAT (Nukleinsäure-Amplifikationstests)
    • aus Zervix und auch aus Urethra, evtl. Anus
  • Gonorrhö-Abstrich auf geeignetem Medium, in erster Linie aus der Zervix
  • Trichomoniasis: Mikroskopie des Ausflusses
  • Evtl. Virusabstrich bei Verdacht auf Herpes
  • Evtl. Zytologie zum Nachweis von HPV
  • CRP, falls auch Allgemeinsymptome vorliegen und Verdacht auf eine PID besteht.
  • Bei positivem Erregernachweis für C. trachomatis und/oder N. gonorrhoeae Untersuchung auch auf andere sexuell übertragbare Infektionen (z. B. HIV und Syphilis)1

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf Zervizitis zur gynäkologischen Untersuchung und Behandlung

Therapie

Therapieziele

  • Behandlung der Patientinnen und Sexualpartner*innen zur Verhinderung einer weiteren Erregerausbreitung sowie zur Vorbeugung von Komplikationen (insbesondere hinsichtlich Sterilität)

Allgemeines zur Therapie

  • Bei akuten Beschwerden sollte die Behandlung noch vor dem Ergebnis der Kultur(en) beginnen.
  • Bei chronischen Beschwerden sollten die Laborergebnisse abgewartet werden.

Medikamentöse Therapie

Chlamydien

  • Doxycyclin: 2 x 100 mg p. o. über 7 Tage 
  • Alternativen 
    • Azithromycin 1 g2 oder 1,5 g p. o. als Einmaldosis
      • Azithromycin sollte möglichst vermieden werden, da es Resistenzen fördert.
      • Ausnahme: Bei zu erwartender schlechter Compliance bei mehrtägigem Regime sollte es wegen Einmalgabe dennoch bevorzugt werden.
    • Levofloxacin 500 mg 1 x tgl. p. o. für 7 Tage2
    • Schwangere und Stillende
      • Azithromycin 1 g oder 1,5 g als Einmaldosis (Off-Label-Use in der Schwangerschaft)
      • Erythromycin: 4 x 500 mg p. o. über 7 Tage
      • Schwangere mit einer akuten aszendierenden Infektion sollten im Krankenhaus behandelt werden.
  • Exponierte Partner*innen sollten unabhängig vom Laborergebnis behandelt werden.
  • Die Patientinnen sollten nach Beginn der Behandlung und nach abgeschlossener Behandlung der Partner*innen 7 Tage lang keinen Geschlechtsverkehr haben.3

Gonorrhö – vor dem Vorliegen der Laborergebnisse

  • Unkomplizierte urogenitale Gonorrhö
    • Ceftriaxon 1-2 g i. v./i. m. als Einmaldosis zusammen mit Azithromycin 1,5 g p. o. einmalig
      • falls i. m und i. v. Gabe nicht möglich: Cefixim 800 mg p. o. + Azithromycin 1,5 g p. o. einmalig
      • Die Kombination mit Doxycyclin ist zu erwägen, da Koinfektionen mit Chlamydien regelmäßig vorkommen.
  • Alternativen bei bekannter Empfindlichkeit und nach Resistenzbestimmung – Monotherapie mit:
    • Ciprofloxacin 500 mg p. o. als Einmaldosis – oder –
    • Azithromycin p. o. 2 mg als Einmaldosis – oder –
    • Ofloxacin 400 mg p. o. als Einmaldosis
    • Doxycyclin 100 mg 2 x tgl. p.o. über 7 Tage
    • Ceftriaxon 1–2 g i. v. oder i. m. als Einmaldosis
    • Cefixim 800 mg p. o. als Einmaldosis oder 2 x 400 mg p. o. im Abstand von 8–12 Stunden
  • Bei gegebener Empfindlichkeit sollte auf Cephalosporine und Azithromycin zugunsten anderer o. g. Alternativen verzichtet werden zur Vorbeugung einer Resistenzentwicklung gegenüber diesen Erstrang-Antibiotika.
    • Zusätzliche Voraussetzungen für diese Monotherapien sind der Ausschluss von Koinfektionen und gegebene Patientenadhärenz.
  • Schwangere und Stillende
    • Ceftriaxon 1 g i. v. oder i. m. als Einmaldosis
    • Azithromycin ist in der Schwangerschaft nicht zugelassen.

Trichomoniasis

  • Bei nicht schwangeren Frauen sollten alle Infektionen unabhängig von Symptomen behandelt werden.
  • In der Schwangerschaft ist die Gabe von Metronidazol off label.
  • Die Dosierungsempfehlungen gelten für Schwangere und Nichtschwangere gleichermaßen.
  • Partnerbehandlung: Um einen Ping-Pong-Effekt zu vermeiden, sollte die Partner*innen ebenfalls immer behandelt werden.
  • Dosis
    • Metronidazol 2 g p. o. als Einmaltherapie – oder –
    • Metronidazol 2 x 500 mg p. o. über 7 Tage
    • bei Therapieversagen bzw. beim Rezidiv: Metronidazol 1 x 2 g p. o. über 7–10 Tage

Virusinfektionen

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Behandlung ist sowohl bei Chlamydien als auch bei Gonorrhö effektiv.
  • Ein Therapieversagen bei Gonorrhö kann resistenzbedingt sein.
    • Vor der Therapie sollte ein Abstrich für eine Kultur genommen werden.

Komplikationen

Chlamydien

  • Endometritis
  • Salpingitis (10–15 % der Zervizitis-Patientinnen)
  • Salpingitis kann zu tubarer Infertilität führen.
  • Peritonitis
  • Perihepatitis und Fitz-Hugh-Curtis-Syndrom (Adhäsionen zwischen Leber und vorderer Bauchwand)
  • Genetisch prädisponierte Patientinnen können Morbus Reiter entwickeln.
  • Infizierte Neugeborene können an Konjunktivitis und Pneumonie erkranken.

Gonorrhö

  • Endometritis tritt bei rund 50 % auf; die Symptome sind Blutungsstörungen und Empfindlichkeit über dem Uterus.
  • Salpingitis bei 10–15 %
  • Peritonitis
  • Perihepatitis und Fitz-Hugh-Curtis-Syndrom (Adhäsionen zwischen Leber und vorderer Bauchwand)
  • Konjunktivitis
  • Disseminierte gonorrhoische Infektion (DGI) (Bakteriämie, Monoarthritis und Dermatitis)
  • Chronische Unterbauchschmerzen

Prognose

  • Die Prognose bei einer unkomplizierten Zervizitis ist gut.
  • Bei aszendierender Infektion mit PID und verzögertem Behandlungsbeginn sind weitreichende Folgen möglich:

Verlaufskontrolle

  • Gonorrhö
    • Kontrolle erforderlich. NAT Kontrolle nach zwei Wochen. Bei persistierenden Symptomen Klinik/Kultur bereits nach drei bis sieben Tagen.
  • In Deutschland sind Infektionen mit Chlamydien und Gonokokken nicht meldepflichtig. Eine Ausnahme bildet das Bundesland Sachsen (Labormeldepflicht für Chlamydien und Gonorrhö).
  • Chlamydien
    • Therapiekontrolle nicht unbedingt erforderlich (außer bei Serovaren L1–3 -> Lymphogranuloma venerum bzw. Proktokolitis)
    • wenn Therapiekontrolle, dann nicht vor 6 Wochen nach Therapiebeginn mittels NAT

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patientinnen informieren?

  • Die Zervizitis ist eine sexuell ansteckende Krankheit.
  • Meist handelt es sich um eine Chlamydien-Infektion.
  • Oft sind nur wenige bis keine Symptome vorhanden; wenn symptomatisch: häufig erhöhter Ausfluss und Dysurie.
  • Eine Zervizitis sollte auch bei fehlenden Symptomen unbedingt behandelt werden, da die Infektion auf innere Geschlechtsorgane übergreifen und zu Sterilität führen kann.
  • Sowohl die Frau als auch ihre Sexualpartner*innen müssen mit Antibiotika behandelt werden.
  • Eine neu festgestellte Chlamydien-Infektion muss nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einem Partnerwechsel sein.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Wagenlehner FME, Brockmeyer NH, Discher T, Friese K, Wichelhaus TA. The presentation, diagnosis and treatment of sexually transmitted infections. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 11–22. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0011. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Division of STD Prevention, National Center for HIV/AIDS, Viral Hepatitis, STD, and TB Prevention, Centers for Disease Control and Prevention. Chlamydial infections. Sexually Transmitted Diseases Treatment Guidelines, 2021. www.cdc.gov
  3. Kalwij S, Macintosh M, Baraitser P. Screening and treatment of Chlamydia trachomatis infections. Clinical review. BMJ 2010; 340: c1915. BMJ (DOI)
  4. Gradison M. Pelvic inflammatory disease. Am Fam Physician, 2012 Apr 15;85(8):791-6. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren

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