Schwerhörigkeit bei älteren Menschen (Presbyakusis)

Schwerhörigkeit betrifft über die Hälfte aller Personen über 85 Jahren und ein Drittel aller Personen über 60 Jahren.

Die mit dem Lebensalter zunehmende Schwerhörigkeit ist sehr weit verbreitet. Schätzungen zufolge liegt bei über der Hälfte aller Personen über 85 Jahren und bei rund einem Drittel aller Personen über 60 Jahren irgendeine Form von Schwerhörigkeit vor. Mit der Zeit führt die bereits erlebte Lärmbelastung zu einer verschleißbedingten Schädigung der Hörschnecke im Innenohr (Cochlea).

Als Hauptursachen einer solchen Schwerhörigkeit gelten ausdauernde Lärmbelastung und erbliche Faktoren. Die volle Funktionalität des Gehörs kann aber auch durch andere Faktoren beeinträchtigt sein, wie z. B. zu viel Ohrenschmalz.

Ein Hörverlust, dem eine Schädigung des Innenohrs zugrunde liegt, lässt sich nicht behandeln. Dies heißt aber keinesfalls, dass Sie in einer geräuschlosen Welt leben müssen. Im Gegenteil stehen zahlreiche Hilfsmittel zur Verfügung, mit denen sich das Hörvermögen verbessern lässt.

Symptome

Bei nachlassendem Gehör nehmen Sie Geräusche und Gesprochenes meist gedämpft, dumpf und in immer schlechterer Qualität wahr. Insbesondere bei lauten Hintergrundgeräuschen, z. B. in größeren Gruppen, hören Sie Töne und Gespräche immer schlechter. Immer öfter bitten Sie Ihre Mitmenschen, langsamer, deutlicher und lauter zu sprechen. Um Fernseh- und Radiosendungen gut folgen zu können, müssen Sie die Lautstärke immer höher einstellen. Sie versuchen, Gespräche mit anderen Menschen zu meiden und ziehen sich vielleicht mehr und mehr zurück.

Ursache

Töne entstehen, wenn Schallwellen auf die Organe im Innenohr treffen. Im Ohr lösen die Schallwellen Vibrationen aus. Diese werden in Signale umgewandelt, die von den Nerven an das Gehirn weitergeleitet und dort als Ton wahrgenommen werden. Das Ohr besteht im Wesentlichen aus den drei Hauptbereichen Außenohr, Mittelohr und Innenohr. Die Schallwellen gelangen durch das Außenohr zum Trommelfell und versetzen dieses in Schwingung. Auf ihrem Weg in das Innenohr werden diese Vibrationen vom Trommelfell und drei kleinen Knöchelchen im Mittelohr (Hammer, Amboss und Steigbügel) verstärkt. Die Vibrationen setzen sich in die Flüssigkeit in der Cochlea oder Hörschnecke fort, bei der es sich um ein schneckenförmiges Organ im Innenohr handelt. Im Inneren der Hörschnecke befinden sich Nervenzellen, an denen Tausende winziger Härchen befestigt sind. Diese setzen die Vibrationen in elektrische Signale um, die schließlich an das Gehirn weitergeleitet werden. Da verschiedene Geräusche auch verschiedene Schwingungen verursachen, unterscheiden sich auch die jeweils an das Gehirn gesendeten Signale. Nur dadurch ist es uns möglich, einzelne Töne voneinander zu unterscheiden.

Das Hörvermögen kann auch nachlassen, wenn sich so viel Ohrenschmalz im Gehörgang ansammelt, dass die Schallwellen nicht richtig weitergeleitet werden. Im Hinblick auf alle Altersgruppen gehört Ohrenschmalz sogar zu den häufigsten Ursachen von Schwerhörigkeit. In den meisten Fällen von Schwerhörigkeit liegt eine Schädigung im Bereich der Hörschnecke vor. Die winzigen Härchen in der Hörschnecke brechen oder verbiegen sich, Nervenzellen sterben ab. Wenn nun Nervenzellen oder Härchen beschädigt sind oder fehlen, werden die elektrischen Signale nicht mehr so effektiv wie früher an das Gehirn übertragen – das Gehör lässt nach. Die Wahrnehmung hoher Töne ist zunehmend erschwert. Es wird zunehmend schwierig, in einer lauten Umgebung einzelne Wörter zu verstehen.

Weitere mögliche Ursachen von Schwerhörigkeit sind Ohrenentzündungen, Veränderungen im Knochengewebe des Ohrs sowie Tumoren im Außen- oder Mittelohr, wobei diese Ursachen sehr viel seltener vorliegen. Auch ein gerissenes Trommelfell kann einen Hörverlust auslösen.

Risikofaktoren 

Faktoren, die zur Schädigung oder zum Verlust von Haar- und Nervenzellen im Innenohr führen können:

  • Alter. Mit den Jahren kann der normale Verschleiß, der sich durch die ständige Übertragung des Schalls einstellt, die Zellen im Innenohr schädigen.
  • Starker Lärm. Erhebliche Lärmbelastung im Beruf, z. B. im Baugewerbe oder in der Industrie. Erhebliche Lärmbelastung aus anderen Quellen, wie z. B. laute Musik, Motorräder oder Schusswaffen. All diese Geräusche können zu einer Schädigung des Innenohrs beitragen.
  • Veranlagung. Auch eine genetische Veranlagung kann zu einem altersbedingten Nachlassen des Gehörs führen.
  • Bestimmte Medikamente. Manche Medikamente, wie z. B. das Antibiotikum Gentamicin, können das Innenohr schädigen. Auch die Einnahme von Acetylsalicylsäure in sehr hoher Dosierung bewirkt manchmal eine vorübergehende Veränderung des Gehörs, die sich z. B. als Tinnitus oder Hörverlust zeigen kann.
  • Bestimmte Erkrankungen. Hohes Fieber, wie es z. B. bei einer Hirnhautentzündung auftritt, kann das Innenohr schädigen.

Wann sollten Sie einen Arzt aufsuchen?

Suchen Sie ärztlichen Rat, wenn Ihr Gehör nachlässt. Zu den klassischen Verdachtsmomenten gehört, dass Sie insbesondere bei lauten Hintergrundgeräuschen Gesprächen nicht mehr so gut folgen können, Geräusche gedämpft wahrnehmen oder immer wieder die Lautstärke am Fernseher oder Radio erhöhen müssen.

Diagnostik

Um Ihr Gehör zu messen und das Ausmaß einer eventuellen Schwerhörigkeit festzustellen, ist ein Hörtest erforderlich. Hierbei kommt zunächst der sogenannte Flüstertest zum Einsatz. Dabei wird ein Ohr abgedeckt und geprüft, inwieweit Sie in unterschiedlicher Lautstärke gesprochene Wörter wiederholen können. Danach wird das andere Ohr abgedeckt und der Test erneut durchgeführt.

Eine gründlichere Untersuchung ist mit sogenannten audiometrischen Verfahren möglich. Dabei werden bestimmte Töne über Kopfhörer direkt in je ein Ohr geleitet. Bei der Audiometrie werden Töne in verschiedenen Frequenzen eingespielt, und Sie geben an, wann Sie den Ton hören. Alle Töne werden so lange mit sinkender Lautstärke wiederholt, bis festgestellt ist, welche Lautstärke Sie nicht mehr wahrnehmen.

Therapie

Wenn der Hörverlust auf eine Schädigung des Innenohrs zurückzuführen ist, können die Tonsignale durch ein Hörgerät verstärkt und das Hörvermögen dadurch verbessert werden. Wenn Ohrenschmalz für Ihr nachlassendes Gehör verantwortlich ist, wird dieses bei einer professionellen Ohrenreinigung in der Arztpraxis entfernt. Bei stark ausgeprägter Schwerhörigkeit kann auch ein sogenanntes Cochlea-Implantat eingesetzt werden, das allerdings in erster Linie bei schwer hörgeschädigten Kindern zum Einsatz kommt.

  • Entfernung von Ohrenschmalz. Ohrenschmalz ist eine häufige Ursache von Schwerhörigkeit. In der Arztpraxis kann störendes Ohrenschmalz aufgeweicht und ggf. herausgespült oder abgesaugt werden.
  • Hörgerät. Ein Hörgeräteakustiker erläutert Ihnen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Systeme, empfiehlt Ihnen ein passendes Gerät und stellt dieses individuell ein. Ein Hörgerät kann zwar nicht jede Form der Schwerhörigkeit beheben, bei vielen Patienten aber eine erhebliche Besserung bewirken.
    Ein Hörgerät besteht aus verschiedenen Teilen: Ein Mikrofon erfasst die Geräusche in Ihrer Umgebung. Ein Verstärker verstärkt die in das Innenohr weitergeleiteten Schallwellen. Eine Batterie stellt die Stromversorgung des Geräts sicher. Der verstärkte Ton trägt zur Stimulation der Nervenzellen in der Hörschnecke bei und bewirkt dadurch, dass Sie wieder besser hören. Es dauert eine Weile, sich an ein Hörgerät zu gewöhnen. Da der von Ihnen wahrgenommene Ton verstärkt ist, unterscheidet er sich von Ihrer bisherigen Tonwahrnehmung. Vielleicht müssen Sie mehrere Geräte ausprobieren, um das optimal für Sie geeignete zu finden. Hörgeräte sind in den verschiedensten Größen, Formen und Designs erhältlich. Manche werden mit einem kleinen Röhrchen hinter dem Ohr befestigt, das den Ton im Gehörgang verstärkt. Andere befinden sich im Außenohr und verschließen den Gehörgang.

Vorbeugende Maßnahmen

Die folgenden Maßnahmen können dazu beitragen, lärmbedingte Schädigungen möglichst gering zu halten:

  • Schützen Sie Ihre Ohren am Arbeitsplatz. Ein spezieller Gehörschutz, der wie ein Kopfhörer aussieht, kann die Lärmbelastung auf einen akzeptablen Pegel senken und Ihre Ohren vor Schäden schützen. Auch Ohrenstöpsel aus Kunststoff oder Gummi können Ihre Ohren wirksam vor Lärm schützen.
  • Lassen Sie Ihr Gehör testen. Wenn Sie an Ihrem Arbeitsplatz erheblichen Lärmbelastungen ausgesetzt sind, können regelmäßige Hörtests sinnvoll sein. Wenn Sie sich regelmäßig testen lassen, können eventuelle Hörschäden rechtzeitig erkannt werden. Manchmal sind Patienten auch stärker motiviert, einer weiteren Schädigung vorzubeugen, wenn ein bereits eingetretener Hörverlust festgestellt wird.
  • Meiden Sie Freizeitaktivitäten, die das Gehör schädigen können. Hören Sie Musik nicht zu laut und tragen Sie einen Gehörschutz, wenn Sie laute Maschinen bedienen oder im Schießsport aktiv sind.

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Autoren

  • Philipp Ollenschläger, Medizinjournalist, Köln

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References

Based on professional document Schwerhörigkeit bei Älteren (Presbyakusis). References are shown below.

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