Red Flags und abwendbar gefährliche Verläufe
Red Flags |
Abwendbar gefährlicher Verlauf |
Anhaltender Blutverlust (> 20 min, trotz Abdrücken) Geschätzter Blutverlust > 3 l |
starker Blutverlust, drohender Schock |
Bekannte hämorrhagische Diathese (Gerinnungsstörung, Antikoagulation, Thrombozytenaggregationshemmer, bestehende Anämie, akut im Blutungsbereich voroperierte Patient*innen) |
nur schwer stillbare Blutung, drohender Schock |
Gesichtsschädeltrauma |
Verletzung eines größeren Blutgefäßes, drohender Schock |
Nasenoperation in den letzten 2 Wochen |
Nachblutung |
Hypertonus, RR sys > 180 mmHg |
hypertensive Gefahrensituation, hypertensiver Notfall |
Orthostase |
starker Blutverlust, drohender Schock |
Allgemeine Informationen
Definition
- Blutung aus der Nase (Epistaxis)
- Man unterscheidet Blutungen aus dem vorderen Bereich der Nase, dem Locus Kiesselbachi oder aus dem hinteren Bereich (5–10 % der Fälle).1
- Weitere Informationen finden Sie im Artikel Nasenbluten (Epistaxis).
Häufigkeit
Diagnostische Überlegungen
- Meist tritt Nasenbluten in leichter Form auf und kann mittels einfacher Maßnahmen gestillt werden.
- Tritt häufig rezidivierend auf.
- Beim gesunden Menschen häufigste Ursachen für Nasenbluten:
- Trauma oder
- digitale Manipulation.
- Die Blutung lässt normalerweise innerhalb weniger Minuten nach.
- Nasenbluten kann aber auch im Zusammenhang mit Erkrankungen der Nase und der Nebenhöhlen oder bei Krankheiten mit erhöhter Blutungsneigung auftreten und in seltenen Fällen sogar lebensbedrohlich sein.
- Schwerere Formen bis hin zu lebensbedrohlichen Blutungen können eine stationäre und ggf. operative Therapie erforderlich machen.2
- Die Abgrenzung bei massiven Blutungen zu einer Blutung aus dem Gastrointestinaltrakt kann schwierig sein.
Prädisponierende Faktoren
- Häufige Auslöser sind:
- Nasenbohren
- Traumata
- lokale Infektionen
- Erkrankungen der Nase und Nasennebenhöhlen
- Nebenwirkungen von Medikamenten
- Niedrige Luftfeuchtigkeit
- Trockene kalte Jahreszeit
- Temperatur- und Luftdruckschwankungen
- Allergene
ICD-10
- R04.0 Epistaxis
Differenzialdiagnosen
Traumatische Ursachen
- Schlag/Druck auf die Nase
- Mechanisch (Nasebohren), häufigste Ursache
- Fremdkörper in der Nase
- Iatrogen (nasale Sonde, chirurgische Intervention)2
Lokale Ursachen
- Formstörungen der Nase
- Septumdeviation
- Septumperforation1
- Entzündung der Nasenhöhle/Nebenhöhlen (Rhinosinusitis)
- akut oder chronisch entzündlicher Schleimhautschaden unterschiedlicher Ursache
- Trockene Schleimhaut (Rhinitis sicca)
- Heterogene Gruppe von Krankheitsbildern, die zu trockener Nasenschleimhaut mit teilweise fötider Krustenbildung führt.
- Diagnose durch Inspektion und nasale Endoskopie: trockene Schleimhäute und Krusten4
- Heterogene Gruppe von Krankheitsbildern, die zu trockener Nasenschleimhaut mit teilweise fötider Krustenbildung führt.
- Allergische Rhinitis
- IgE-vermittelte Entzündung der Nasenschleimhaut nach Allergenkontakt
- Bis zu 25 % der Erwachsenen in Deutschland und Europa sind von allergischer Rhinitis betroffen.
- typische Symptome: Niesen, juckende Nase, verstopfte Nase
- Akute Infektionskrankheiten des oberen Respirationstraktes können zu einer Entzündung der Nasenschleimhaut mit Blutungen führen.
- Medikamentöse Rhinitis
- entzündliche Hypertrophie der Nasenschleimhaut mit sporadischen Blutungen2
- Auslösende Medikamente für die medikamentöse Rhinitis können sein:
- Betablocker, ACE-Hemmer, Antihypertensiva, Antipsychotika, orale Kontrazeptiva, lokal abschwellende Nasensprays, intranasale Steroide, Salizylate, PDE-5-Inhibitoren5-6
- Neoplastische Veränderungen
- Hämangiom der Nase
- äußert sich in der Regel im Kindesalter7
- juveniles Nasenrachenangiofibrom
- sehr selten, fast ausschließlich männliche Adoleszenten betroffen8
- malignes Melanom
- Nasopharynxkarzinom
- Epistaxis als Frühsymptom
- prädisponierende Faktoren: Tabakkonsum, Alkoholkonsum, Assoziation mit EBV-Infektionen
- Hämangiom der Nase
Systemische Ursachen
- Hypertonie
- Zum Zeitpunkt der Epistaxis findet man häufig einen erhöhten Blutdruck, ob eine arterielle Hypertonie zu einem erhöhten Risiko für Nasenbluten führt oder das Nasenbluten und die damit verbundene Situation zu einem erhöhten Blutdruck, ist bisher nicht geklärt.9-10
- Erhöhte Blutungsneigung bei:2
- Hämophilie und anderen Blutgerinnungsstörungen
- Leukämie
- Lebererkrankungen, z. B. Zirrhose
- Thrombozytopenie
- Einnahme von Antikoagulanzien
- Morbus Osler (hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie)
- Urämie
- Phäochromozytom mit Blutdruckkrise
- Im Rahmen von allgemeinen degenerativen Gefäßveränderungen kann es bei älteren Menschen zu schweren hinteren Blutungen kommen.
- Idiopathisch – ohne bekannte Ursache11
Nebenwirkungen von Medikamenten
- Überbehandlung mit Antikoagulanzien: Überprüfung des INR-Wertes
- Weitere siehe medikamentöse Rhinitis.
Anamnese
- Beginn und Intensität der Blutung
- Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme (insbesondere Antikoagulanzien)
Klinische Untersuchung
- Bei näherem Patientenkontakt ist auf ausreichenden Selbstschutz durch das Tragen einer Schutzbrille, eines Kittels, von Handschuhen und einer Gesichtsmaske zu achten.2
- Blutdruck und Puls
Labor
- Bei starken Blutungen Messung des Hb
- Bei Verdacht auf eine schwere Grunderkrankung:
- BSG
- Leukozyten
- Thrombozyten
- Differenzialblutbild
- Leberfunktionstests (GGT, AP, GOT, GPT, Bilirubin, CHE, Quick, PTT)
- Kreatinin
- Bei Verdacht auf Blutgerinnungsstörungen Thrombozyten, INR, PTT
Ergänzende Untersuchungen bei Spezialist*in
Endoskopie
- Vordere und hintere Rhinoskopie, um die Blutungsquelle zu bestimmen.
MRT/CT
- Bei klinisch stabilem, nicht stillbarem oder rezidivierendem Nasenbluten zur Abklärung einer Entzündung, nach einem Trauma oder bei Verdacht auf einen Tumor
Angiografie
- Bei unstillbarer Blutung kann eine Angiografie mit Embolisation erfolgen.
Maßnahmen und Empfehlungen
- Therapie siehe Artikel Nasenbluten (Epistaxis).
Indikationen zur Überweisung
- In die HNO-Praxis
- Blutungen, die sich nicht stillen lassen.
- wiederholte schwere Blutungen
- bei Verdacht auf eine schwere Grunderkrankung oder Neubildungen
- Bei Schockzeichen: unverzügliche Krankenhauseinweisung
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Abbildungen

Querschnitt der Nasenhöhle mit typischer Blutungsquelle
Quellen
Literatur
- Womack JP, Kropa J, Jimenez Stabile M. Epistaxis: Outpatient Management. Am Fam Physician. 2018 Aug 15;98(4):240-245. www.aafp.org
- Beck R, Sorge M, Schneider A, Dietz A: Current approaches to epistaxis treatment in primary and secondary care. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 12–22. www.aerzteblatt.de
- Morgan DJ, Kellerman R. Epistaxis: evaluation and treatment. Prim Care. 2014 Mar;41(1):63-73. doi: 10.1016/j.pop.2013.10.007 www.ncbi.nlm.nih.gov
- Hildenbrand T, Weber RK, Brehmer D. Rhinitis sicca, dry nose and atrophic rhinitis: a review of the literature. Eur Arch Otorhinolaryngol 2011; 268: 17-26. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Giannetta E, Feola T, Gianfrilli D, et al.: Is chronic inhibition of phosphodiesterase type 5 cardioprotective and safe? A meta-analysis of randomized controlled trials. BMC Med 2014; 12: 185. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Ramey JT, Bailen E, Lockey RF. Rhinitis medicamentosa. J Investig Allergol Clin Immunol. 2006;16(3):148-55. www.jiaci.org
- Novoa M, Baselga E, Beltran S, Giraldo L, Shahbaz A, Pardo-Hernandez H, Arevalo-Rodriguez I. Interventions for infantile haemangiomas of the skin. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Apr 18;4(4). pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Cortes-Santiago N, Patel K. Review of Pediatric Head and Neck Neoplasms that Raise the Possibility of a Cancer Predisposition Syndrome. Head Neck Pathol. 2021 Mar;15(1):16-24. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Min HJ, Kang H, Choi GJ, Kim KS. Association between Hypertension and Epistaxis: Systematic Review and Meta-analysis. Otolaryngol Head Neck Surg. 2017 Dec;157(6):921-927. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Kikidis D, Tsioufis K, Papanikolaou V, Zerva K, Hantzakos A: Is epistaxis associated with arterial hypertension? A systematic review of the literature. Eur Arch Otorhinolaryngol 2014; 271: 237–43. link.springer.com
- Qureishi A, Burton MJ. Interventions for recurrent idiopathic epistaxis (nosebleeds) in children. Cochrane Database Syst Rev 2012 Sep 12;9:CD004461. www.cochranelibrary.com
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge