Zusammenfassung
- Definition:Follikulitis ist eine meist bakteriell bedingte Entzündung der Haarfollikel. Bei einem Furunkel handelt es sich um eine tief liegende Follikulitis, die zu einem Abszess fortgeschritten ist.
- Häufigkeit:Recht häufig.
- Symptome:Oberflächliche Follikulitiden können überall am Körper lokalisiert sein.
- Befunde:Eitrige papulopustulöse Hautinfektion, ggf. konfluierend.
- Diagnostik:Klinisches Bild, ggf. Abstrich und Antibiogramm.
- Therapie:Bei oberflächlichen Infektionen desinfizierende oder antiseptische Lokalbehandlung. Bei schwereren Entzündungen Antibiose nach Antibiogramm.
Allgemeine Informationen
Definition
- Eine Follikulitis ist eine Entzündung der Haarfollikel (auch Haarbalg oder Haarwurzel genannt).1
- In den meisten Fällen handelt es sich um eine bakterielle Entzündung (Pyodermie).
- Bei einem Furunkel handelt es sich um eine tief liegende Follikulitis, die zu einem Abszess fortgeschritten ist.
- Bei Auftreten mehrerer Furunkel spricht man von Furunkulose.
- Bei einem Karbunkel handelt es sich um eine tief liegende Infektion einer Gruppe von Haarfollikeln. Dadurch bildet sich ein größerer Abszess, bei dem es häufig zu einer Eitersekretion aus mehreren Öffnungen kommt.
- Follikulitiden können auch mykotischer, viraler oder parasitärer Genese sein.1
- Selten nichtinfektiöse Ursachen, z. B.:1
- eosinophile Follikulitis
- Follikulitis decalvans
- Folliculitis et perifolliculitis capitis abscedens et suffodiens.2
Ätiologie und Pathogenese
Infektiöse Follikulitiden
- In der Regel liegt eine Infektion mit Staphylococcus aureus vor.1
- weitere bakterielle Ursachen: Klebsiellen, Enterobacter, Proteus
- Pseudomonas aeruginosa kann nach Ansteckung im Whirlpool für einen bestimmten Typ von Follikulitis ursächlich verantwortlich sein.
- Hidradenitis suppurativa (Acne inversa): eine chronische Follikulitis der intertriginösen Areale unter sekundärer Einbeziehung der apokrinen Schweißdrüsen
- Virale Follikulitiden: Herpes-simplex-Virus, Varizella-Zoster-Virus, Mollusculum contagiosum
- Parasitäre Follikulitis: durch Demodex folliculorum (eine Milbe)
- Follikulitiden zurch Pilze: Dermatophyten: Malassezia furfur und Candida species
- Siehe auch Malassezia-Follikulitis, v. a. bei jungen Männern im Brust- und oberen Rückenbereich.
- Oberflächliche Follikulitiden werden durch ständige Reibung der Haut, eng sitzende Kleidung, Neigung zu vermehrtem Schwitzen und trockener Haut begünstigt.
- Prädilektionsstellen sind das Gesicht (bei Männern der Bartbereich), der Oberkörper, Oberschenkel und der behaarte Kopf.
- Eine Follikulitis – wenn sie mit rezidivierenden oralen Aphthen einhergeht – kann ein Hinweis auf einen M. Behçet sein.
Nichtinfektiöse Follikulitiden
- Folliculitis decalvans: Führt zu vernarbender Destruktion der Haarfollikel der Kopfhaut.2
- Folliculitis et perifolliculitis capitis abscedens et suffodiens: selten, fast nur bei Männern, entzündliche vernarbende Einschmelzungen2
- Pseudofolliculitis barbae (Sycosis barbae) ist eine chronische perifollikuläre Fremdkörperreaktion durch das Aufrollen von Barthaaren.
Prädisponierende Faktoren
- Atopische Hautkrankheit
- Nutzung von Whirlpools
- Diabetes mellitus
- Immundefizienz
- Mangelernährung
- Häufiges Schwitzen und Okklusion
- Seborrhö
- Mechanische Irritation (Rasur)
ICPC-2
- S10 Furunkel/Karbunkel/Abszess
ICD-10
- L02 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel
- L02.0 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel im Gesicht
- L02.1 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel am Hals
- L02.2 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel am Rumpf
- L02.3 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel am Gesäß
- L02.4 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel an Extremitäten
- L02.8 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel an sonstigen Lokalisationen
- L02.9 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel, nicht näher bezeichnet
- L73.1 Pseudofolliculitis barbae
- L73.2 Hidradenitis suppurativa
- L73.8 Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Haarfollikel
- L73.9 Krankheit der Haarfollikel, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- In der Regel klinische Diagnose1
Differenzialdiagnose
- Allergisches Kontaktekzem
- Acne vulgaris
- Impetigo contagiosa
- Pseudofollikulitis barbae: Entzündung, die durch Wiedereintritt des Haares in die Haut entsteht.
- Rosazea, v. a. papulopustulöse Form1
Anamnese
- Effloreszenzen an behaarten Körperregionen
- Oft leichter Juckreiz
- Bei Furunkel oder Karbunkel auch Schmerzen, Fieber, verminderter Allgemeinzustand1
Klinische Untersuchung
- Prädilektionsstellen sind Kopfhaut, Gesicht, Oberkörper, Gesäß oder Oberschenkel, Auftreten jedoch grundsätzlich überall.
- Die häufigsten, durch S. aureus verursachten Follikulitiden finden sich meistens an der Oberlippe und Bartregion.1
- Um die Öffnungen von Haarfollikeln finden sich erythematöse Papeln oder Pusteln, teilweise erodiert oder mit Krusten.1
- Bei Bildung von Furunkeln indurierte, gerötete, schmerzhafte Knoten und Plaques1
- Bei Karbunkeln Fieber und reduzierter Allgemeinzustand
Weitere Diagnostik in der Hausarztpraxis
- CRP und BSG geben Hinweis auf eine evtl. systemische Ausbreitung der Infektion.
- Chronische Krankheiten wie Diabetes mellitus oder Immunschwächen sollten abgeklärt werden.
Diagnostik bei Spezialist*innen
- In der Regel ist keine weitere Diagnostik notwendig.1
- Bei therapieresistentem Verlauf weitere Diagnostik1
- Abstrich zur Bakterienkultur und ggf. virologischer Diagnostik (PCR, Immunfluoreszenverfahren)
- Hautgeschabsel zur mykologischen Untersuchung
- ggf. Hautbiopsie zur Diagnostik nichtinfektiöser Follikulitiden
- Vor einer systemischen Antibiotikagabe sollte möglichst eine kulturelle Erregeranzüchtung nebst Antibiogramm durchgeführt werden.
- Bei rezidivierenden Infektionen mit S. aureus ist ggf. eine Probe aus dem Nasenbereich und der Inguinalregion zu entnehmen.3
Therapie
Therapieziel
- Die Infektion sanieren.
Allgemeines zur Therapie
- In den meisten Fällen handelt es sich bei dem bakteriellen Erreger um Staphylokokken.
- Bei unkomplizierten Infektionen ist eine antibiotische Therapie meist nicht notwendig.
- Oberflächliche Infektionen werden im Allgemeinen durch Reinigung der Haut mit einer antiseptischen oder desinfizierenden Waschlotion und/oder einem lokal anzuwendenden antiseptischen Präparat behandelt, ggf. mit topischem Antibiotikum.
- Für keine der Therapieoptionen besteht ausreichende Evidenz.4
- Infizierter Schorf sollte durch Baden, Waschen oder mit Umschlägen aufgeweicht und entfernt werden.
- tägliche Anwendung von Polyhexanid, Polyvidon-Jod, Octenidin oder Chlorhexidin über 3‒4 Tage als Waschlotion und lokales Wundspray
- z. B. Octenidindihydrochlorid 0,1 g/100 g/Phenoxyethanol 2,0 g/100 g 1 x tgl.
- alternativ oder zusätzlich Benzoylperoxid1
- 2 x tgl. auf die betroffene Region auftragen, bis zur Abheilung.
- Das Tragen lockerer Kleidung wird empfohlen.1
- Lokale Antibiotika werden ggf. zusätzlich empfohlen.,
- Staphylokokkenwirksam sind z. B. Fusidinsäure 2 % und Mupirocin 2 %.5
- Ein unkritischer Einsatz sollte aufgrund der Gefahr der Resistenzbildung vermieden werden.
- Bei Furunkeln und Karbunkeln keine Eigenmanipulation durch Patient*innen, insbesondere im Gesichtsbereich, wegen Gefahr der Thrombose der V. angularis mit septischer Ausschwemmung,
- Inzision und ggf. Drainage eitergefüllter Einzelherde und von Abszessen
- Eine zusätzliche Antibiotikatherapie ist bei ansonsten gesunden Personen dann in der Regel nicht notwendig.,
- Bei größeren Abszessen, kritischen Lokalisationen (v. a. Gesicht), systemischen Infektionszeichen oder Risikofaktoren der Patient*innen erfolgt zusätzlich eine systemische Staphylokokken-wirksame antibiotische Therapie.
- Bei Nasenfurunkel und kompliziertem Krankheitsverlauf stationäre Behandlung und i. v. Antibiose wegen der Gefahr der Thrombose der V. angularis mit fortgeleiteter Sepsis zum Sinus cavernosus
- Beseitigung der prädisponierenden Faktoren
Medikamentöse Behandlung
- Antibiotikatherapie nach Antibiogramm, bei ausgedehntem Befund oder Gesichtsfurunkeln sollte die Behandlung intravenös und stationär erfolgen.
- Empfohlene orale Antibiotika bei Furunkel,
- Cephalosporine der 1. Generation, z. B.:
- Cefalexin 3 x 1.000 mg p. o. oder Cefatroxil 2 x 1.000 mg p. o. für 5‒7 Tage
- Cefazolin i. v. 1 g 1–1–1.
- Flucloxacillin 3 x tgl. 500 mg–1 g p. o.
- Clindamycin 3 x 600 mg für 5‒7 Tage (bei Penicillinallergie)
- Cephalosporine der 1. Generation, z. B.:
Folliculitis decalvans2
- Die Behandlung ist langwierig, Rezidive sind möglich.
- tägliche Kopfwäsche mit keimvermindernden Shampoos
- Clindamycin (300–0–300 mg) und Rifampicin (300–0–300 mg) über 6–12 Wochen – oder –
- Dapson 2 x 50 mg tgl. über mehrere Monate bis Jahre
Folliculitis et perifolliculitis capitis abscedens et suffodiens2
- Absaugung der fluktuierenden Knötchen
- Bei starker Entzündungsaktivität Kombinationstherapie mit systemischen Glukokortikoiden (etwa Methylprednisolon 1 mg/kg Körpergewicht) und Isotretinoin (etwa 0,5 mg/kg Körpergewicht) oder Dapson und Isotretinoin
Whirlpool-Follikulitis
- Eine Pseudomonas-Follikulitis (Whirlpool-Dermatitis) heilt in den meisten Fällen spontan ab, ggf. Antibiose nach Antibiogramm.1
Prävention
- Beseitigung der prädisponierenden Faktoren
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Die unkomplizierte Follikulitis heilt in der Regel folgenfrei ab.
- Bei Rezidiven und schweren Verlaufsformen ist ein Erregernachweis inklusive Antibiogramm anzustreben, das Vorliegen von Methicillin-resistentem S. aureus (MRSA) sollte bedacht werden.
- Bei häufigen Rezidiven abszedierender S.-aureus-Entzündungen bei sonst gesunden Personen sollte mittels PCR auf Panton-Valentine-Leukozidin(PVL)-produzierende Staphylococcus-aureus(PVL-SA)-Stämme getestet werden.6
Komplikationen
- Bei Furunkeln im Gesichtsbereich besteht die Gefahr einer Orbitalphlegmone oder Sinusvenenthrombose.
Prognose
- In der Regel sehr gut
- Bei tiefer liegenden Entzündungen kann es zu Narbenbildung kommen.1
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Furunkel

Follikulitis nach der Rasur

Follikulitis, Unterschenkel

Follikulitis, Gesäß
- Falls Sie nach Krankheitszeichen auf dunkler Haut suchen, siehe Mind the Gap: hier im Besonderen die Bilder über Erythema.
Quellen
Literatur
- Hekmatjah J, Ehsani-Chimeh N, Armstrong AW. Follikulitis, BMJ Best Practice. Last updated Nov 10 2021, letzter Zugriff 5.12.23. bestpractice.bmj.com
- Wolff H, Fischer TW, Blume-Peytavi U: The diagnosis and treatment of hair and scalp diseases. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 377–86. www.aerzteblatt.de
- Durupt F, Mayor L, Bes M, et al. Prevalence of Staphylococcus aureus toxins and nasal carriage in furuncles and impetigo. Br J Dermatol 2007; 157: 1161-7. PubMed
- Lin H-S, Lin P-T, Tsai Y-S, Wang S-H, Chi C-C. Interventions for bacterial folliculitis and boils (furuncles and carbuncles). Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 2. Art. No.: CD013099. www.cochranelibrary.com
- Freeman M, Impetigo. BMJ Best Practice, last updated 10/2020. bestpractice.bmj.com
- Leistner R, Hanitsch LG, Krüger R, Lindner AK, Stegemann MS, Nurjadi D. Skin infections due to Panton-Valentine leucocidin–producing S. aureus. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 775–84. www.aerzteblatt.de
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren