Dermatitis herpetiformis Duhring (DHD)

Zusammenfassung

  • Definition:Dermatitis herpetiformis (DH) ist eine Sonderform der Zöliakie mit vorrangiger Manifestation an der Haut, gekennzeichnet durch chronische, polymorphe, juckende, gruppiert angeordnete Papeln, Bläschen und Quaddeln.
  • Häufigkeit:Seltene Erkrankung, Prävalenz wird auf 10–75/100.000 geschätzt.
  • Symptome:Die Erkrankung tritt häufig plötzlich auf, kann aber auch schleichend beginnen. Kennzeichnend ist der starke bis brennende Juckreiz, vor allem über den Ellenbogen, Knien und am Gesäß.
  • Befunde:Klinisch treten urtikarielle Papeln, Papulovesikel und Bläschen auf.
  • Diagnostik:Eine Bestimmung der IgA-Autoantikörper gegen Gewebstransglutaminase und eine Hautbiopsie sichern die Diagnose.
  • Therapie:Die Behandlung besteht in einer konsequent glutenfreien Diät. Bis die Wirkung der Ernährungsumstellung eintritt, sprechen die Hautsymptome sehr gut auf Dapson an.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Dermatitis herpetiformis (DH) ist eine chronische, polymorphe, juckende, gluteninduzierte Hauterkrankung, die durch subepidermale granuläre IgA-Ablagerungen und einen variablen Grad an Enteropathie gekennzeichnet ist.1
  • Sie ist eine Sonderform der Zöliakie mit vorrangiger Manifestation an der Haut.
  • Erstbeschreiber und Namensgeber war 1884 Dr. Louis Duhring, University of Pennsylvania.2

Häufigkeit

  • Sehr selten, höhere Inzidenz in Skandinavien
  • Prävalenz 10–75 pro 100.000 Einw.1,3
  • Inzidenz: 1,0–3,5 /100.000 Einw./Jahr1,3
  • Geschlecht 
    • Die Dermatitis herpetiformis Duhring tritt bei Männern mittleren Alters etwas häufiger auf als bei Frauen, Verhältnis 1,5:1 (im Gegensatz zur Zöliakie).1
  • Alter: Die Erkrankung tritt vor allem im mittleren Lebensalter auf.

Ätiologie und Pathogenese

  • Ebenso wie bei der Zöliakie kommt es bei der DHD bei genetisch prädisponierten (d. h. HLA-DQ2- und/oder DQ8-positiven) Personen unter einer oralen Glutenexposition zu einer gegen die Gewebstransglutaminase-2 (tTG) gerichteten Antikörperproduktion.4
  • Zusätzlich entstehen aber Antikörper gegen die epidermale Transglutaminase (eTG oder auch TG-3), die als das Hauptantigen der Dermatitis herpetiformis Duhring gilt.4
  • Neben der Verwandtschaft zur Zöliakie besteht eine Assoziation mit Autoimmunkrankheiten wie z. B. Autoimmunthyreoiditis und Typ-1-Diabetes.

Pathogenese

  • Nur teilweise verstanden, wird kontrovers diskutiert.5
  • Ablagerung von Komplexen der epidermalen Transglutaminase (eTG) und gegen eTG gerichtetes IgA an der Basalmembran
    • Führt zu einer Aktivierung von Komplementfaktoren und zur Freisetzung leukozytärer Enzyme (u. a. von Elastasen).
    • Dies wiederum führt zu einer Spalt-und Blasenbildung.5
  • Bei fast allen Patient*innen mit einer Dermatitis herpetiformis Duhring liegt eine Zöliakie als Primärerkrankung vor.
    • Diese ist meist subklinisch (zöliakiespezifische Serologie und Histologie, aber keine klinischen Symptome).
  • Autoantikörper
    • Bei etwa 90 % der Patient*innen Antikörper gegen die tTG (Gewebstransglutaminase)
    • bei 95 % der Patient*innen Antikörper gegen die TG-3 (epidermale Transglutaminase)
  • Bei > 90 % finden sich auch histologische Veränderungen der Dünndarmschleimhaut mit Zottenatrophie.6

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • S99 Hautkrankheit, andere

ICD-10

  • L13 Sonstige bullöse Dermatosen
    • L13.0 Dermatitis herpetiformis [Duhring]

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Leitsymptom und häufigster Grund für die ärztliche Vorstellung ist der brennende Juckreiz.
  • Die Diagnose wird anhand des Exanthems sowie durch eine Hautbiopsie gestellt.

Differenzialdiagnosen

Bullöse Form

Bei nicht-bullöser Form

Anamnese

  • Plötzlicher oder schleichender Beginn möglich
  • Kennzeichnend ist ein starker bis brennender Juckreiz.
  • Prädilektionsstellen sind Streckseiten der Ellenbogen und Knie, auf der Kopfhaut, aber auch im Schulterbereich, an der Stirn, im Brustbereich, am Rücken und Gesäß.
  • Hautausschlag mit in Gruppen angeordneten (herpetiformen) Papeln und Papulovesikeln
  • Darmsymptome können auftreten1, in der Regel ist die Zöliakie-Komponente jedoch subklinisch.
  • Mögliche orale Manifestationen: Mundtrockenheit, saurer Geschmack, Brennen1
  • Bekannte Autoimmunerkrankungen in der Eigenanamnese?1

Klinische Untersuchung

  • Auftreten von juckenden Papeln, Bläschen und Quaddeln vor allem über den Ellenbogen und Knien, am Schultergürtel, in der Glutealregion und auf der Kopfhaut.
    Dermatitis herpetiformis Duhring
    Dermatitis herpetiformis Duhring
  • Polymorpher Hautausschlag mit kleinen, in Gruppen angeordneten Bläschen oder Papeln, ggf. Blasen (leicht erodierend), Krustenbildung sowie Erythem unterschiedlicher Ausprägung
  • Durch den starken Juckreiz sind nur wenige Papeln oder Vesikel intakt. Der dominierende Befund sind Erosionen und Exkoriation.
  • Das klinische Bild und die Schwere der Erkrankung können von Patient*in zu Patient*in sehr verschieden sein.
    Dermatitis herpetiformis Duhring
    Dermatitis herpetiformis Duhring
  • Morphologisch besteht ggf. eine Ähnlichkeit zu bullösen Dermatosen, hierunter auch zum bullösen Pemphigoid, zur linearen IgA-Dermatose und Dermatitis.
  • Auch ein unspezifisches klinisches Bild ohne typische Veränderungen ist möglich.
  • Die Schleimhäute (Mundhöhle) sind selten befallen: Vesikel, Erosionen, makulöse Veränderungen auf Mundschleimhaut oder Zunge.1

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Hautbiopsie1
    • Eine Stanzbiopsie sollte Läsionen sowie angrenzende intakte Haut enthalten und 4–5mm groß sein.
    • typischer histologischer Befund: neutrophile Mikroabszesse in den dermalen Papillen
    • direkte Immunfloureszenzmikroskopie (Goldstandard)
      • Nachweis von intrapapillären granulären IgA-Ablagerungen in den der Läsion benachbarten, gesunden Abschnitten der Haut
  • Ggf. Dünndarmbiopsie zur histologischen Beurteilung einer Zöliakie
    • Lt. Leitlinie soll von DH betroffenen Personen eine gastroenterologische Diagnostik und Beratung angeboten werden.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf Dermatitis herpetiformis Duhring Überweisung in eine dermatologische und gastroenterologische Praxis

Therapie

Therapieziele

  • Krankheitsaktivität in der Haut eindämmen, Leidensdruck verringern.
  • Vorbeugen von Komplikationen, falls eine aktive Zöliakie vorliegt.

Allgemeines zur Therapie

  • Glutenfreie Diät
    • einzig kausale Therapie1
    • Bis sich die Wirkung der Ernährungsumstellung auf die Hautsymptome zeigt, können mehrere Monate bis 2 Jahre vergehen.1
    • Durch eine strikte, glutenfreie Diät bilden sich die IgA-Ablagerungen nachweislich zurück, treten jedoch beim Verzehr von glutenhaltigen Nahrungsmitteln wieder auf.
  • Jodarme Diät: Jodreiche Speisen können die juckenden Hautveränderungen triggern und vorhandene Effloreszenzen verstärken.
  • Dapson
    • Bis die Wirkung der Ernährungsumstellung eintritt und bei akuten Krankheitsschüben, sprechen die Hautsymptome sehr gut auf Dapson an.1
  • Kombinationstherapie1
    • Zu Beginn der Behandlung werden in der Regel Dapson und eine glutenfreie Diät kombiniert. So lässt sich zum einen eine schnelle Symptomlinderung erreichen, zum anderen aber auch eine Langzeitwirkung.
    • Dapson wird allmählich ausgeschlichen und abgesetzt.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Durch eine glutenfreie Diät bilden sich die Hautsymptome zurück und die Veränderungen in der Dünndarmschleimhaut normalisieren sich in der Regel. Dies setzt allerdings voraus, dass die Diät strikt eingehalten wird.

Medikamentöse Therapie

  • Dapson
    • Dapson 50–150 mg/d , max. 300 mg/d
    • Auslassversuch frühestens nach 6 Monaten
    • Hautausschlag und Juckreiz gehen bei dieser Behandlung in der Regel im Laufe von 2–3 Tagen zurück. Manche Patient*innen berichten sogar über eine Verbesserung ihrer Symptome innerhalb von Stunden nach Beginn einer Dapson-Therapie.7
    • Der genaue Wirkmechanismus ist ungeklärt, vermutlich wirkt Dapson dadurch, dass die Leukozyten daran gehindert werden, freie Radikale freizusetzen.
    • Hohe Dosen erhöhen das Risiko von Nebenwirkungen wie hämolytische Anämie und Methämoglobinämie, seltener Agranulozytose.
      • Bei Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel kann es zu einer schweren Hämolyse kommen, bei diesen Patient*innen ist Dapson kontraindiziert. Vor Therapiebeginn daher Bestimmung der Glukose-6-P-Dehydrogenase!1
      • Regelmäßige Blutbildkontrollen sowie Kontrollen der Leber- und Nierenfunktion sind erforderlich.
    • Kontraindikationen  
      • Überempfindlichkeit gegen einen der Bestandteile
      • schwere Anämie
      • Porphyrie
      • schwerer Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel
      • schwere Lebererkrankung
  • Antihistaminika (z. B. Desloratadin), Sulfasalazin oder stark wirksame topische Steroide sind weitaus weniger wirksam und sollten nur bei Kontraindikationen von Dapson eingesetzt werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, die lebenslang besteht. Eine entsprechende Behandlung, die in erster Linie in einer glutenfreien Diät besteht, führt in der Regel dazu, dass die Patient*innen beschwerdefrei sind.

Komplikationen

  • Sowohl die Zöliakie sowie auch die DHD gehen mit einem erhöhten Lymphomrisiko einher. Die Zöliakie weist eine erhöhte Inzidenz des intestinalen T-Zell-Lymphoms auf, die DHD häufiger ein B-Zell-Lymphom.8
  • Die zirkulierenden IgA-TG-Immunkomplexe können sich sowohl in den Nierenglomeruli (mögliche Entwicklung einer IgA-Nephropathie) als auch in läsionaler und auch gesunder Haut (Papillenspitzen, Basalmembran) ablagern.

Prognose

  • Für gewöhnlich gut
  • Die Symptome können innerhalb von 2 Tagen nach dem Absetzen von Dapson und innerhalb von 3 Monaten nach Abbruch der glutenfreien Diät wieder auftreten.1,9

Verlaufskontrolle

  • Bei Therapie mit Dapson regelmäßige Blutuntersuchungen: im 1. Monat wöchentlich, im 2. und 3. Monat 14-tägig, danach alle 3 Monate  
    • großes Blutbild, Leber- und Nierenwerte, Methämoglobin bei Dosen über 150 mg/d1
    • Ggf. ist eine Eisen- und/oder Folsäuresubstitution erforderlich.1

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Über glutenfreie und jodarme Diät
  • Regelmäßige Laborkontrollen unter Therapie mit Dapson

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Dermatitis herpetiformis Duhring: Erosionen und Exkoriationen
Dermatitis herpetiformis Duhring

Quellen

Leitlinien

  • Görög A, Antiga E, Caproni M et al. S2k guidelines (consensus statement) for diagnosis and therapy of dermatitis herpetiformis initiated by the European Academy of Dermatology and Venereology (EADV). Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology: JEADV 2021; 35 (6): 1251–1277. onlinelibrary.wiley.com

Literatur

  1. Görög A, Antiga E, Caproni M et al. S2 kguidelines (consensus statement) for diagnosis and therapy of dermatitis herpetiformis initiated by the European Academy of Dermatology and Venereology (EADV). Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology: JEADV 2021; 35 (6): 1251–1277. onlinelibrary.wiley.com
  2. Duhring LA. Dermatitis herpetiformis. JAMA 1884; III(9): 225-229. doi:10.1001/jama.1884.02390580001001 DOI
  3. Salmi TT, Hervonen K, Kautiainen H, Collin P, Reunala T. Prevalence and incidence of dermatitis herpetiformis: a 40-year prospective study from Finland. Br J Dermatol 2011; 165: 354–359. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. SankariH,HietikkoM,KurppaKetal.IntestinalTG3-andTG2-Specific Plasma Cell Responses in Dermatitis Herpetiformis Patients Undergoing a Gluten Challenge. Nutrients 2020; 12 (2): 467. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Antiga E, Maglie R, Quintarelli L et al. Dermatitis Herpetiformis: Novel Perspectives. Frontiers in immunology 2019; 10: 1290. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Rose C, Bröcker EB, Zillikens D. Clinical, histological and immunpathological findings in 32 patients with dermatitis herpetiformis Duhring. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft = Journal of the German Society of Dermatology: JDDG 2010; 8 (4): 265–270, 271. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Miller JL. Dermatitis herpetiformis. Medscape, last updated Mar 06, 2020. emedicine.medscape.com
  8. Collin P, Salmi TT, Hervonen K, Kaukinen K, Reunala T. Dermatitis herpetiformis: a cutaneous manifestation of coeliac disease.. Ann Med 2017; Feb;49(1): 23-31. doi:10.1080/07853890.2016.1222450 DOI
  9. Cardones AR, Hall RP 3rd. Management of dermatitis herpetiformis. Immunol Allergy Clin North Am 2012; 32:275. PubMed

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren

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