Allgemeine Informationen
Definition
- Haarausfall (Effluvium) und/oder sichtbare Haarlosigkeit (Alopezie) betrifft Männer und Frauen jeden Alters und wirkt sich häufig negativ auf das soziale und psychologische Wohlbefinden aus.1-2
- Die androgenetische Alopezie, die die dominierende Form darstellt, führt bei Männern typischerweise zu Haarverlust im temporofrontalen Bereich und bei Frauen zu einer Ausdünnung des Haars am Scheitel.3
Häufigkeit
- Androgenetische Alopezie kommt bei verschiedenen Ethnien vor und ist am häufigsten bei Europäer*innen.
- Im Alter von 70 Jahren sind über 80 % der europäischen Männer und bis zu 40 % der Frauen von androgenetischer Alopezie betroffen.1
- Bei 5 % setzt der Haarausfall vor dem 20. Lebensjahr ein.
- In der 7. Lebensdekade leiden 10–41 % der Frauen an einem Haarausfall, den sie als kosmetisch störend empfinden.2
- Von einer Alopecia areata sind ca. 2 % der Bevölkerung zu irgendeinem Lebenszeitpunkt betroffen.
- In der Hausarztpraxis betreffen mehr als 95 % der Konsultationen, die aufgrund von Haarausfall erfolgen, Formen ohne Narbenbildung.
Diagnostische Überlegungen
- Es wird zwischen Haarausfall mit und ohne Narbenbildung unterschieden.4
- In den meisten Fällen – auch bei der androgenetischen Alopezie1 – handelt es sich um Haarausfall ohne Narbenbildung.
- Haarausfall mit Narbenbildung ist selten und auf eine Hautverletzung oder eine narbenbildende Hauterkrankung mit permanentem Verlust von Haarfollikeln zurückzuführen.
- Der Haarausfall mit und ohne Narbenbildung kann jeweils weiter in fokalen und diffusen Haarausfall unterteilt werden.
- Die fokale Alopezie ohne Narbenbildung ist in der Regel auf eine Tinea capitis oder Alopecia areata, evtl. eine Trichotillomanie zurückzuführen.5
- Die fokale Alopezie mit Narbenbildung hat vielfältige Ursachen, am häufigsten ist jedoch der diskoide Lupus erythematodes.
- Haarausfall kann durch das Absetzen von Medikamenten, wie etwa Steroiden oder oralen Kontrazeptiva, sowie die Einnahme von H2-Blockern ausgelöst werden.
- Es ist zu unterscheiden zwischen Haarausfall, bei dem das Haar an der Wurzel ausfällt, und Formen, bei denen das Haar selbst bricht.
- Haarbruch kann auf eine mangelhafte Haarpflege, Trichotillomanie, Tinea capitis oder strukturelle Anomalien der Haarfasern zurückzuführen sein.
Normaler Haarwuchs
- Die etwa 100.000 Kopfhaare wachsen etwa 0,3 mm pro Tag oder 1 cm pro Monat.
- Täglich fallen ca. 100 Haare aus.
- Die einzelnen Haare können sich in drei verschiedenen Wachstumsphasen befinden:
- Anagenphase: Es befinden sich stets 85–90 % der Haare in dieser Phase, die etwa 2–6 Jahre dauert und in der die Haare wachsen.
- Katagenphase: Dies ist die Übergangsphase, die durch eine follikuläre Regression gekennzeichnet ist. Etwa 2–3 % der Haare befinden sich in dieser Phase.
- Telogenphase: Etwa 10–15 % der Haare befinden sich in einer Ruhephase von etwa 3 Monaten. Am Ende dieser Phase wird das inaktive oder abgestorbene Haar von der Haut abgestoßen. Im Anschluss wiederholt sich der Zyklus.
Konsultationsgrund
- Haarausfall/Alopezie zählt zu den regelmäßigen Konsultationsgründen in einer Hausarztpraxis.
Abwendbar gefährliche Verläufe
- Chronische Infektionen und Krankheiten der inneren Organe als Ursache des Haarausfalls
ICPC-2
- S23 Haarausfall/Kahlheit
ICD-10
- L63 Alopecia areata
- L64 Alopecia androgenetica
- L65 Sonstiger Haarausfall ohne Narbenbildung
- L66 Narbige Alopezie (Haarausfall mit Narbenbildung)
Differenzialdiagnosen
Androgenetischer Haarausfall
- Siehe Artikel Androgenetische Alopezie.
- Betrifft 70 % aller Männer und 40 % aller Frauen.
- Er ist erblich, der Erbgang ist nach momentanem Kenntnisstand polygen.
- Männlicher Typ: Geheimratsecken und Lichtung im Bereich der Tonsur (Klassifikation Norwood-Hamilton)
Kahlköpfigkeit bei Männern
- Weiblicher Typ: Mittelscheitel-Lichtung (Ludwig-Klassifikation)
- Therapie: Minoxidil topische Lösung ist in 2-prozentiger Lösung für Frauen zugelassen, in 5-prozentiger Lösung oder als Schaum für Männer.
- Nebenwirkungen: Rötung, Schuppung der Kopfhaut, vereinzelt eine Kontaktdermatitis oder vor allem bei Frauen eine Hypertrichose, meist im Schläfenbereich
- Bei Männern ist der 5-Alpha-Reduktasehemmer Finasterid 1 mg zugelassen.
- Nebenwirkungen von Finasterid: (Risiko steigt mit der Dauer der Einnahme)
- Sexuelle Störungen wie erektile Dysfunktion, verringerte Libido und Ejakulationsstörungen, die unbestimmte Zeit anhalten können (länger als 10 Jahre nach Absetzen der Therapie).
- Angst, Depression und Suizidalität
- Aufgrund der schwerwiegenden Nebenwirkungen wird von der Anwendung von Finasterid gegen androgenetische Alopezie abgeraten.
Alopecia areata
- Siehe Artikel Alopecia areata.
- Vermutlich ist diese Form der Alopezie auf eine immunologische Reaktion zurückzuführen, sie kann familiär gehäuft auftreten.
- Sie kommt bei Männern und Frauen in gleicher Häufigkeit vor.
- Ein umschriebener Bereich ist von Haarausfall betroffen, Entzündungen oder Schuppungen liegen nicht vor.
Alopecia areata
- In der Regel ist das Haupthaar betroffen, sie kann aber auch im Bart oder den Augenbrauen vorkommen.
- Die Prognose hängt u. a. von der Anzahl der Herde ab. Vor allem bei zahlreichen Herden und langer Bestandsdauer, Erstmanifestation bereits im Kindesalter, Nagelbeteiligung (Tüpfel- und Sandpapiernägel), atopischer Dermatitis und Autoimmunerkrankung sowie positiver Familienanamnese ist die Prognose schlecht.
- Die Erkrankung kann rezidivierend sein.
- Komorbiditäten sind andere entzündliche und autoimmune Erkrankungen, wie z. B. atopisches Ekzem, Hashimoto-Thyreoiditis, M. Basedow oder Vitiligo.
Lokale Infektionen
- Tinea capitis
- Dabei handelt es sich um eine Pilzinfektion der Kopfhaut, die in der Regel durch die Dermatophyten Microsporum und Trichophyton hervorgerufen wird.
- Diese kommt bei Kindern und in der Pupertät am häufigsten vor.
- Sie tritt typischerweise in Form eines runden Flecks mit Haarausfall auf. Häufig bestehen zudem Schuppungen, ein Erythem und eine zervikale Lymphadenopathie.
- Diagnostik: Viele Pilzarten fluoreszieren unter der Wood-Lampe, jedoch nicht alle. Desweiteren kann ein Hautgeschabsel vom aktiven Rand der Läsion mit Kalilauge versetzt werden, um die Darstellung von Hyphen unter dem Mikroskop zu ermöglichen oder zur Anlage einer Pilzkultur.
- Die Erkrankung wird mit verschiedenen Antimykotika wie etwa Itraconazol, Terbinafin und Fluconazol behandelt (bei Kindern Off-Label-Use).
- Follikulitis
- Die Folliculitis decalvans ist eine hartnäckige Kopfhauterkrankung, die zu einer vernarbenden Destruktion der Haarfollikel führen kann.
- Narbig-atrophe Areale mit entzündlich gerötetem Rand; am Rand finden sich oft Büschel- oder Pinselhaare; oft Superinfektion mit Staphylokokken.
- Folliculitis et perifolliculitis capitis abscedens et suffodiens
- sehr selten; fast nur bei Männern
- halbkugelige, livid entzündliche, haarlose Areale am behaarten Kopf, palpatorisch weich, mit fluktuierendem Inhalt
- Die Folliculitis decalvans ist eine hartnäckige Kopfhauterkrankung, die zu einer vernarbenden Destruktion der Haarfollikel führen kann.
Psychische Störungen
- Trichotillomanie
- Dabei handelt es sich um eine psychische Störung der Impulskontrolle, bei der sich die betroffene Person Haare vom Kopf ausreißt. Sie tritt vorrangig bei Kindern zwischen 8–12 Jahren auf.
Trichotillomanie
- Die Behandlung besteht aus Verhaltenstherapie, ggf. zusätzlich SSRI.
- Die Verteilung des Haarausfalls folgt keinem Muster und hat unregelmäßige Kanten und Verläufe. Es sind deformierte und gebrochene Haare erkennbar.
- Dabei handelt es sich um eine psychische Störung der Impulskontrolle, bei der sich die betroffene Person Haare vom Kopf ausreißt. Sie tritt vorrangig bei Kindern zwischen 8–12 Jahren auf.
- Starker Stress, Anorexia nervosa
Telogeneffluvium
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.6
- Diffuser Haarausfall ca. 3 Monate nach Auftreten eines Triggers, der einen überdurchschnittlichen hohen Wechsel von Haaren in die Telogenphase bewirkt hat.
- Mehr als 25 % der Haare befinden sich in der Telogenphase.
- Auslösende Faktoren – schwere Erkrankung oder erhebliche Belastungen, z. B.:
- größere Operationen
- Trauma
- chronische Systemerkrankungen
- zurückliegende Entbindung
- rascher Gewichtsverlust
- Unterernährung
- hohes Fieber
- Blutungen
- Hormonstörungen, z. B. Hypo- oder Hyperthyreose
- emotionale Belastungen
- Beginn der Einnahme bestimmter Medikamente (siehe auch Medikamente)
- Häufig lässt sich die Ursache nicht eruieren.
- Nach Beseitigung der Ursache kann der Haarausfall noch bis zu 6 Monate andauern.
- bei chronischem Telogeneffluvium: Haarausfall über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten
- Die Behandlung besteht in der Beseitigung des zugrunde liegenden Stressors oder der Korrektur einer etwaigen auslösenden Erkrankung.
- Besteht der Verdacht auf ein arzneimittelinduziertes Telogeneffluvium, sollte das aktuelle Arzneimittel mindestens 3 Monate lang abgesetzt werden, um beurteilen zu können, ob sich der Zustand dadurch bessert.
Anageneffluvium
- Dabei kommt es aufgrund einer Störung der Anagenphase (Wachstumsphase) zu einem fast vollständigen Ausfall der Körperbehaarung.
- Die Hauptursache dafür ist eine Chemotherapie.
- Der zytostatikainduzierte Haarausfall führt innerhalb von 2–3 Monaten nach Beginn der Therapie zu fast vollständigem Haarausfall, der in der Regel 2–6 Monate nach Ende der Therapie vollständig reversibel ist.7
Traumatische Alopezie
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.8
- Traktionsalopezie, die in Folge von traumatischen Haarbehandlungen auftritt.
- Der Haarausfall tritt vor allem im frontalen und temporalen Bereich auf.
- Auslöser sind z. B.:
- Gebrauch von Lockenwicklern oder Thermobürsten
- Haarbehandlungen wie Bleichen, Färben oder Dauerwelle
- sehr straff gespanntes Haar, eingedrehtes Haar, Dreadlocks.
- Durch die rechtzeitige Beseitigung der Ursache für die Haarschädigung (z. B. Änderung der Frisur) kann das Problem in der Regel behoben werden, und das Haarwachstum setzt wieder ein.
- Eine frühzeitige Aufklärung der Betroffenen ist wichtig, da sich bei langfristiger Traktion eine irreversible vernarbende Alopezie bilden kann.
Endokrine Veränderungen/Mangelzustände/Vergiftungen
- Nach einer Entbindung, in der Pubertät, bei Hypo- und Hyperthyreoidismus, Erkrankung der Nebenschilddrüse, Addison-Krankheit, Diabetes mellitus, übermäßiger Androgenproduktion, bei polyzystischem Ovar-Syndrom und Hyperprolaktinämie
- Mangel z. B. an Eisen, Zink, Kupfer9
- Vergiftungen
Medikamente
- Der arzneimittelinduzierte Haarausfall ist typischerweise diffus, führt nicht zur Bildung von Narben und ist durch Absetzen des Arzneimittels reversibel.
- Medikamente können ursächlich für ein Telogeneffluvium sein.
- Davon ausgenommen sind Zytostatika, die ein Anageneffluvium hervorrufen.
- Medikamente, die Haarausfall auslösen können, sind u. a.:6
- Immunsuppressiva, z. B. Azathioprin, Prednison
- Targeted-Tumortherapeutika
- Fibrate wie z. B. Clofibrat, Fenofibrat, Benzfibrat
- Zytostatika
- D-Penicillamin
- H2-Blocker
- Amiodaron
- trizyklische Antidepressiva
- Haloperidol
- Antiepileptika
- Urikostatika (Allopurinol, Probenecid)
- Antihypertensiva (Betablocker, Verapamil, Methyldopa, ACE-Hemmer)
- Antikoagulanzien (Cumarine, Heparin)
- Chinidin
- Indometacin
- hochdosierte Vitamin-A-Analoga
- Thyreostatika
- Androgene
- Cimetidin
- Lithium.
- Medikamente, die bei ihrer Absetzung Haarausfall auslösen können, sind:
- perorale Steroide
- orale Kontrazeptiva.
Schwangerschaft/orale Kontrazeptiva
- Postpartales Effluvium 2–4 Monate nach der Geburt eines Kindes: physiologisch
- gleichzeitiger Übertritt vieler Haare vom Anagen in das Telogen kurz nach der Geburt
- nach 2–4 Monaten entsprechender Haaraufall
- Ein Telogeneffluivum wird auch bei An- oder Absetzen hormoneller Kontrazeptiva beobachtet.
Sekundäre Syphilis
- Siehe Artikel Syphilis.
- Alopezie mit mottenfraßähnlichem Erscheinungsbild kann im Sekundärstadium auftreten.12
Haarausfall mit Narbenbildung
- Dieser ist auf eine Hautverletzung oder eine Hauterkrankung mit permanentem, stark ausgeprägtem Verlust von Haarfollikeln zurückzuführen.
- Die Haarfollikel werden zerstört und verlieren ihre Fähigkeit zur Reparation, sodass der Krankheitsverlauf irreversibel ist.
- Ursachen
- Verletzungen, Brandverletzungen,
- Strahlenschäden,
- Folliculitis decalvans
- Folliculitis et perifolliculitis capitis abscedens et suffodiens
- chronisch diskoider Lupus erythematodes
- Lichen ruber follicularis (Lichen planopilaris)
- postmenopausale frontal fibrosierende Alopezie (Kossard)
- Pseudopelade Brocq
Anamnese
Besonders zu beachten
Übermäßige oder vernachlässigte Haarpflege?
- Kann dadurch das Haar geschädigt werden?
Seit wann besteht der Haarausfall?
- Langsam und zunehmend: wahrscheinlich androgenetischer Haarausfall1
- Plötzlich: wahrscheinlich Telogeneffluvium oder Infektion
Physische oder psychische Traumata?
- Sind dem Haarausfall schwere physische oder psychische Traumata mit Stressreaktion vorausgegangen?
- Wenn ja, wahrscheinlich Telogeneffluvium: Ausschlussdiagnose6
Medikamente?
- Nimmt die betroffene Person Medikamente, die Haarausfall verursachen können, oder hat sie/er solche genommen?
- Arzneimittelinduzierter Haarausfall tritt typischerweise 2–4 Monate nach dem Beginn der Einnahme eines neuen Arzneimittels auf.
- nicht selten 2–4 Monate nach Gabe niedermolekularer Heparine
- bei Frauen: An- oder Absetzen hormoneller Kontrazeptiva
Anzeichen einer systemischen Erkrankung?
- Insbesondere bei endokrinen Erkrankungen
Zeichen für einen Hyperandrogenismus?
- Bei V. a. androgenetischen Haarausfall bei Frauen sollte nach Menstruationsstörungen, dem Vorliegen von polyzystischen Ovarien und nach Infertilität gefragt werden.
- Bei endokrinen Erkrankungen
Gewichtsabnahme?
- Hat die betroffene Person abgenommen oder aus anderem Grund eine sehr strenge Diät gehalten?
Genetik?
- Gibt es in der Familie Fälle von androgenetischem Haarausfall?
Klinische Untersuchung
- Inspektion des behaarten Kopfes: Liegen eine sichtbare Haarminderung (Alopezie) oder ein bestimmtes Haarlichtungsmuster vor?
- Haarausfall mit oder ohne Narbenbildung?
- Bei lokalem Haarausfall sollte nach Hautveränderungen gesucht werden, die auf eine Verletzung, eine Infektion oder eine Hauterkrankung hindeuten können.
- Entzündliche Rötungen und Schuppungen (Psoriasis, Ekzeme?)?
- Bei traumatischem Haarausfall sind ausgerissene Haare zu sehen.
- Bei androgenetischem Haarausfall bei Frauen sollte die Patientin auf weitere Virilisierungszeichen, insbesondere auf starke Gesichts- und Körperbehaarung, untersucht werden.
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
Allgemeines
- Mineralstoffanalysen des Haars haben keinen diagnostischen Informationswert.
- Wird anomaler Haarausfall beklagt, muss zunächst festgestellt werden, ob der Haarausfall tatsächlich anomal ist. Die Betroffenen können versuchen, die pro Tag ausfallenden Haare zu zählen. Weniger als 100 ausgefallene Haare pro Tag sind normal.
- Bei entzündlichen Hautveränderungen Ausschluss einer bakteriellen Infektion oder einer Pilzinfektion
- Bei narbigen Hauterkrankungen kann eine Hautbiopsie als diagnostisches Element zum Nachweis eines Lichen planus oder diskoiden Lupus erythematodes indiziert sein.
- Mögliche Zusatzuntersuchungen sind Zupftest, Mikroskopie, Wachstumstest und Blutuntersuchungen.
Zupftest („Hair Pull Test“)
- In der ärztlichen Praxis kann versucht werden, das Ausmaß des Haarausfalls zu beurteilen, indem an den Schläfen, am Scheitel und am Hinterkopf ein Zupftest durchgeführt wird.
- Dabei ist zu beachten, dass bei diesem Test eine zu geringe Anzahl von Haaren ermittelt wird, falls die Patient*innen sich am selben Tag die Haare gewaschen haben, da sich bei der Wäsche vermutlich einige Haare gelöst haben.
- Zwischen Zeigefinger und Daumen werden etwa 12–20 Haare nahe der Kopfhaut gegriffen, und es wird mäßig stark und gleichmäßig an diesen gezogen.
- Lösen sich mehr als 40 % der Haare, liegt ein anomaler Haarausfall vor. Weniger als 20 % gelten dagegen als normal.
Wuchsgeschwindigkeit
- Die Wuchsgeschwindigkeit kann beurteilt werden, indem eine kleine Stelle rasiert und nach 4 Wochen die Länge des nachgewachsenen Haars gemessen wird.
- Normalerweise sollte das Haar in dieser Zeit etwa 1 cm gewachsen sein.
Laboruntersuchung
- Bei nachvollziehbarem Haarausfall (diffuses Effluvium) sollte als Basisdiagnostik eine Bestimmung von Hämoglobin und Ferritin sowie des TSH-Wertes und eines Entzündungsparameters (BKS oder CRP, Leukozyten) erfolgen.
- Nur bei Verdacht auf Hyperandrogenismus bei Frauen (also bei Vorliegen von Hirsutismus, ovariellen Veränderungen, unregelmäßiger Menstruation, Akne und/oder Infertilität) soll eine Hormondiagnostik erfolgen.
- Nur wenn auch die Klinik für das Vorliegen einer Autoimmun- oder Infektionserkrankung spricht, sind serologische Untersuchungen, z. B. Ausschluss oder Nachweis von Syphilis im Stadium II, HIV und etwaige andere chronische Infektionen oder die Bestimmung von Autoimmunmarkern durchzuführen.
- Bei typischem klinischem Befund einer androgenetischen Alopezie beim Mann ist keine weiterführende Labordiagnostik erforderlich.
Maßnahmen und Empfehlungen
- Behandlung evtl. nachgewiesener Grunderkrankungen
- Bei Verdacht auf eine medikamentöse Ursache ist, wenn möglich, eine Anpassung der Behandlung der Patient*innen vorzunehmen.
- Liegt ein Telogeneffluvium vor, ist es von größter Bedeutung, den Patient*innen zu versichern, dass das Haar wieder nachwachsen wird, in der Regel innerhalb von 6–18 Monaten.
- Frauen mit androgenetischem Haarausfall sollen darüber aufgeklärt werden, dass sie nicht auf die gleiche Weise wie Männer von Kahlheit betroffen sein werden.
- Die Patient*innen sollten schonende Haarpflegemittel verwenden und chemische Behandlungen wie Dauerwelle oder Bleichen vermeiden.
- Die Alopezia hat eine hohe Spontanremissionsrate innerhalb von 6–12 Monaten, bei geringer Ausprägung und geringem Leidensdruck kann zugewartet werden.
Indikationen zur Überweisung
- Bei unklarer Ursache und relevantem Ausmaß der Haarausfalls Überweisung zu Dermatolog*in für ein Trichogramm
- Bei vernarbenden oder atrophisierenden Alopezien zur Probebiopsie
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Androgenetischer Haarausfall

Alopecia areata

Alopecia totalis

Trichotillomanie
Quellen
Leitlinien
- Kanti V, Messenger A, Dobos G. Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men - short version. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2018 Jan;32(1):11-22. www.onlinelibrary.wiley.com
Literatur
- Kanti V, Messenger A, Dobos G. Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men - short version. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2018 Jan;32(1):11-22. onlinelibrary.wiley.com
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- Salazar JC, R. Cruz R. Syphilis infection. BMJ Best practice, zuletzt aktualisiert Nov 4, 2022, letzter Zugriff 2.1.23 bestpractice.bmj.com
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren