Zusammenfassung
- Definition:Extrapulmonale Manifestation der Tuberkulose mit Befall der Lymphknoten (Lymphknotentuberkulose).
- Häufigkeit:Inzidenz der Tuberkulose ca. 5 pro 100.000 Einw. pro Jahr. Die Lymphknoten sind mit etwa 15 % der Fälle die häufigste extrapulmonale Manifestation.
- Symptome:Schwellung der Lymphknoten, meist am Hals mit weiteren Symptomen einer Tuberkulose (Husten, Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß).
- Befunde:Meist submandibuläre und zervikale Lymphadenopathie mit livider Verfärbung und kaum Druckdolenz.
- Diagnostik:Labordiagnostik, bildgebende Untersuchungen, Histologie und Erregerdiagnostik (Mikroskopie, Kultur).
- Therapie:Die Standardtherapie der Tuberkulose ist Therapie der 1. Wahl.
Allgemeine Informationen
Definition
- Aktive Tuberkulose mit Befall der Lymphknoten (Lymphknotentuberkulose)
- Manifestation meist als zervikale Lymphadenopathie1
- seltener mediastinal, abdominal, axillär, inguinal oder multilokulär
Häufigkeit
- Inzidenz der Tuberkulose in Mitteleuropa ca. 5 pro 100.000 Einw. pro Jahr
- Häufigkeitsgipfel bei jungen Erwachsenen (20–40 Jahre)1-2
- Männer sind häufiger betroffen als Frauen (ca. 2:1).3
- Tuberkulöse Lymphadenitis ist mit ca. 15 % die häufigste extrapulmonale Manifestation.
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
- Erreger
- Tuberkulose wird durch Bakterien der Familie Mycobacteriaceae (M. tuberculosis, M. bovis, M. africanum, M. microti) verursacht.
- obligat aerobe, stäbchenförmige, säurefeste Bakterium
- Der Wirt für M. tuberculosis, M. africanum und M. canetti ist der Mensch.
- M. tuberculosis ist der häufigste Erreger einer tuberkulösen Lymphadenitis.4
- M. bovis war ein historisch häufiger Erreger, der jedoch durch Pasteurisierung und Impfungen unter Rindern nahezu eliminiert wurde.4
- Ansteckung
- Ansteckung in der Regel aerogen als Tröpfcheninfektion
- Ausstoß der Bakterien v. a. beim Husten und Niesen und offener Lungentuberkulose (= Krankheitsherd hat Anschluss an die Luftwege)
- Bei extrapulmonaler Manifestation der Tuberkulose (z. B. Lymphknoten) besteht kein Infektionsrisiko (Ausnahme: Fistelbildung).
Manifestation der tuberkulösen Lymphadenitis
- Durch hämatogene oder lymphogene Streuung ist prinzipiell ein Befall jedes Organs (mit oder ohne Lungenbefund) durch Tuberkulose möglich.3
- Pulmonale Manifestation (Lungentuberkulose) in rund 71 % der Fälle
- davon 86 % als offene (infektiöse) Form
- Extrapulmonale Manifestationen der Tuberkulose insgesamt in etwa 29 %
- Lymphknotenbefall (Lymphadenitis) in ca. 15 %4
ICD-10
- A18 Tuberkulose sonstiger Organe
- A18.2 Tuberkulöse Erkrankung in den peripheren Lymphknoten
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Klinischer Befund einer Lymphadenopathie
- Erregerdiagnostik zum Nachweis der Tuberkulose
- z. B. mittels Histologie, Mikrobiologie, Kultur
Differenzialdiagnosen
- Infektiöse Mononukleose
- Syphilis
- Toxoplasmose
- Katzenkratzkrankheit
- HIV-Infektion
- Maligne Lymphome
- Metastasen
- Sarkoidose
- Unspezifische reaktive Hyperplasie
- Castleman-Krankheit4
- Hypertrophie der Lymphknoten mit angiofollikulärer Lymphhyperplasie
- Siehe auch Lymphadenopathie bei Erwachsenen.
Anamnese
Lymphadenopathie
- Zeitlicher Verlauf (Beginn, Progredienz)
- langsam progrediente Lymphadenopathie > 3 Wochen verdächtig4
- Ausbreitung der Lymphknotenschwellung
- Schmerzhaftigkeit (spontan, auf Druck)
Begleitsymptome
- Husten mit Auswurf (> 3 Wochen anhaltender)
- Gewichtsabnahme und Verschlechterung des Allgemeinzustands
- Fieber und Nachtschweiß
Grunderkrankungen und Risikofaktoren
- Kontakt zu Erkrankten mit Tuberkulose
- Grunderkrankungen und Medikamenteneinnahme
- Reise- bzw. Fluchtanamnese
- Tierkontakt
Klinische Untersuchung
Allgemeine körperliche Untersuchung
- Allgemeinzustand
- Vitalparameter
- Gewicht
- Kardiopulmonale Untersuchung
- Zeichen von Atemnot
- Auskultation der Lunge (Atemgeräusche)
Untersuchung der Lymphknoten
- Lokalisation
- Inspektion
- sichtbare Schwellung, Rötung
- typischerweise livide verfärbte Lymphknotenschwellung
- Palpation
- Größe, Verschieblichkeit, Konsistenz, Druckschmerz
- typischerweise keine bis wenig Druckschmerzhaftigkeit4
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Labordiagnostik
- Standardlabor
- Serologie
- HIV-Serologie nach Beratung und Einwilligung
- bei entsprechenden Hinweisen ggf. Hepatitis-Serologie
Immunologische Tests auf Tuberkulose
- Interferon-Gamma-Tests (Interferon-Gamma-Release-Assay, IGRA)
- Blutprobe zum Nachweis des tuberkulosespezifischen Antigens
- zwei Bluttests verfügbar (Interferonnachweis mittels ELISA und ELISPOT-Verfahren)
- Spezifität wesentlich höher (98–99 %) als beim Tuberkulintest
- Unterscheidung zwischen einer Ansteckung durch M.-tuberculosis-Komplexe und einer Ansteckung mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien oder den Antigenen einer BCG-Impfung
- Sensitivität wird in Studien mit 70–97 % angegeben, je nach verwendetem Test und untersuchter Population (la).
- Tuberkulin-Hauttest (THT, Mendel-Mantoux-Test)
- Der Test basiert auf intrakutaner Injektion von Tuberkulin.
- bei aktiver Erkrankung häufig stark positiv
- sowohl falsch positive (z. B. nach BCG-Impfung) als auch falsch negative (z. B. bei AIDS aufgrund der reduzierten zellulären Immunität) Ergebnisse
- Sensitivität ca. 80 %
- Spezifität ca. 70 %
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bildgebende Diagnostik
- CT oder MRT
- Sonografie
- Lymphknoten hypertroph, meist echoarm, z. T. zentrale Einschmelzung, im Verlauf Verkalkungen
- Rö-Thorax in 2 Ebenen bei Hinweisen auf Lungentuberkulose
Probengewinnung
- Biopsie oder Exzision abhängig von Lokalisation und Ausmaß der Lymphadenopathie
- Feinnadelbiopsie bzw. -aspiration5
- unter CT- oder Ultraschallkontrolle (auch: endobronchialer oder ösophagealer Ultraschall)
- weniger invasiv als Exzision4
- Gefahr der Ausbreitung und Fistelbildung
- Lymphknoten-Exzision5
- hohe Sensitivität (ca. 80 %)4
Erregernachweis
- Nachweis von Mykobakterien mittels Mikroskopie, Kultur oder Molekularbiologie in Punktions- bzw. Biopsieproben
- Mikroskopie
- Nachweis säurefester Stäbchen
- nicht-respiratorische Proben häufig bakterienarm und daher falsch-negativ
- Kultur
- Bakterienkulturen in Flüssig- und auf Festmedien
- Kultivierungszeit in der Regel 1–3 Wochen
- notwendig zur Resistenzbestimmung
- Molekularbiologischer Nachweis
- Nachweis mittels PCR in Untersuchungsmaterial ist schnell und sensitiv.
- positives Ergebnis auch bei nicht vermehrungsfähigen Bakterien (z. B. unter Therapie)
- In Einzelfällen Sequenzierung zur molekularen Typisierung
Umgebungsuntersuchung
- Untersuchung der Kontaktpersonen einer an Tuberkulose erkrankten Person zur Verhinderung einer weiteren Tuberkulose-Ausbreitung
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf die Erkrankung
Therapie
Therapieziele
- Kurative Therapie der Tuberkulose-Infektion
- Vermeidung von Komplikationen
- Verhinderung von Ansteckung bei infektiöser (offener) Lungentuberkulose
Allgemeines zur Therapie
- Therapie der Wahl ist die Standardtherapie der Tuberkulose.
- auch nach chirurgischer Exzision betroffener Lymphknoten
- Abhängig vom Verlauf ggf. zusätzlich chirurgische Interventionen notwendig
- z. B. Inzision, Abszessdrainage, Exzisionen
Medikamentöse Therapie
Standardtherapie
- Zur Vermeidung von Resistenzentwicklung grundsätzlich Kombinationsbehandlung3,6
- Standardbehandlung bei Erwachsenen Viererkombination aus:
- Isoniazid (INH)
- Rifampicin (RMP)
- Pyrazinamid (PZA)
- Ethambutol (EMB)
- Therapiedauer bei Erwachsenen von 6 Monaten
- Im Falle von Resistenzen oder Unverträglichkeiten Einsatz von Medikamenten der Nicht-Standardtherapie (früher: Zweitrangmedikamente)
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Unbehandelt verläuft die Lymphadenitis langsam progredient.4
- Unter Therapie initial Vergrößerung der Lymphknoten in den ersten Wochen und Monaten möglich (ca. 20%)4
- Risiko für Ansteckung
- extrapulmonale Tuberkulose (z. B. Lymphknoten, Harnwege, Knochen, Gelenke, Verdauungsorgane) stellt kein Infektionsrisiko dar.
- Ausnahme: Freisetzung von Erregern durch Fistelbildung
Komplikationen
- Fistelbildung (erhöhtes Risiko nach Biopsie)
- Progress trotz antituberkulöser Therapie
- Weitere Organmanifestationen der Tuberkulose (z. B. Lunge, ZNS)
- Tuberkulose mit Poly- oder Multiresistenz4
Prognose
- Gute Prognose bei frühzeitiger und adäquater Behandlung
- Therapieerfolg in 84,3 % der Fälle in einer retrospektiven dänischen Studie5
- Prognose abhängig von der Lokalisation
- bei mediastinaler Lymphadenitis in der Regel adäquate Rückbildung
- bei zervikaler Lymphadenitis z. T. protrahierte Verläufe und Komplikationen (Fistelbildung, Progress)
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Lymphknotentuberkulose
Quellen
Literatur
- Geldmacher H, Taube C, Kroeger C, et al. Assessment of lymph node tuberculosis in northern Germany: a clinical review. Chest 2002; 121:1177. PubMed
- Perlman DC, D'Amico R, Salomon N. Mycobacterial Infections of the Head and Neck. Curr Infect Dis Rep 2001; 3:233. PubMed
- WHO Global Tuberculosis Programme. Global tuberculosis report 2021. 14.10.2021 (abgerufen am 10.06.2022). www.who.int
- Fontanilla JM, Barnes A, von Reyn CF. Current diagnosis and management of peripheral tuberculous lymphadenitis. Clin Infect Dis. 2011;53(6):555-562. doi:10.1093/cid/cir454 doi.org
- Mathiasen VD, Andersen PH, Johansen IS, Lillebaek T, Wejse C. Clinical features of tuberculous lymphadenitis in a low-incidence country. Int J Infect Dis. 2020;98:366-371. doi:10.1016/j.ijid.2020.07.011 doi.org
- World Health Organization. Global tuberculosis control: epidemiology, strategy, financing. Report No.WHO/HTM/TB/2009.426. Geneva: WHO; 2009. reliefweb.int
Autor*innen
- Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung Neurologie, Hamburg