Zusammenfassung
- Definition:Kryptosporidiose ist eine durch parasitische Protozoen hervorgerufene Infektion, die die Darmschleimhäute angreift und Diarrhö verursachen kann.
- Häufigkeit:Jährlich ca. 2 Erkrankungsfälle pro 100.000 Einw. Weltweit häufige Ursache von Durchfallerkrankungen.
- Symptome:Der Krankheitsbeginn ist von häufigem, wässrigem Durchfall gekennzeichnet, meist begleitet von Bauchschmerzen.
- Befunde:Bauchschmerzen, evtl. Dehydrierung.
- Diagnostik:Stuhlmikroskopie, ggf. PCR.
- Therapie:Symptomatische Therapie, ggf. Flüssigkeitszufuhr.
Allgemeine Informationen
Definition
- Kryptosporidiose ist eine durch parasitische Protozoen hervorgerufene Infektion, die die Darmschleimhäute angreift und Diarrhö verursachen kann. Der Parasit ist mit Giardia lamblia verwandt.1
- Die Infektion erfolgt in erster Linie durch kontaminiertes Trink- oder Badewasser, fäkal-orale Übertragung möglich.
- Besonders gefährdet, an einer klinisch manifesten Kryptosporidiose zu erkranken, sind:
- HIV-infizierten Personen
- andere immunsupprimierte Personen, z. B. Organtransplantierte
- Kinder im Alter von 6–24 Monaten.
Häufigkeit
- Weltweit häufige Ursache von Durchfallerkrankungen
- In Mitteleuropa werden jährlich ca. 2 Erkrankungsfälle pro 100.000 Einw. gemeldet.
- Kleinkinder und Personen mit einem geschwächten Immunsystem sind vermehrt betroffen, tritt aber auch bei ansonsten Gesunden und in allen Altersgruppen auf.
- In Großbritannien die häufigste Ursache von Protozoeninfektionen des Darms; es werden dort 3.000 bis 6.000 Fälle jährlich gemeldet.2
- In den USA gab es 1993 einen Ausbruch mit über 400.000 Erkrankungen, bei der der Erreger durch Wasser übertragen worden war.
Ätiologie und Pathogenese
- Ursächlich für die Erkrankung ist ein Protozoon der Gattung Cryptosporidium. Das Protozoon ist verwandt mit Giardia lamblia.1
- Es gibt zwei Arten, die von Bedeutung sind:3
- Cryptosporidium hominis, das vermutlich nur beim Menschen zu Infektionen führt.
- Cryptosporidium parvum, das oft beim Rind auftritt, aber auch humanpathogen ist.
- Kryptosporidien sind einzellige Protozoen.1
- Oozysten stellen die übertragbare Form dar und sind sehr widerstandfähig gegen Hitze, Kälte und Desinfektionsmittel (wie z. B. Chlor).3
- Sie können über Monate (bis zu 2 Jahre) infektiös bleiben.
- Ansteckung
- Hauptinfektionsquelle für den Menschen ist Trinkwasser; aber auch kontaminierte Lebensmittel oder verschlucktes Badewasser.
- Kontaktinfektionen durch Exkremente oder sexuellen Kontakt sind möglich.3
Prädisponierende Faktoren
- Bei einem geschwächten Immunsystem (z. B. HIV, AIDS) genügt bereits eine geringe Infektionsdosis.
ICD-10
- A07.2 Kryptosporidiose
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Gastroenteritis mit wässrigem Durchfall bei gleichzeitigem mikroskopischem Nachweis von Cryptosporidium im Stuhl
Differenzialdiagnosen
- Durch Giardia lambia ausgelöste Gastroenteritis (Giardiasis)
- Norovirus-Infektion
- Bakterielle Darminfektionen
Anamnese
- Inkubationszeit von 1–12 Tagen, meist 7–10 Tage (wichtiges Unterscheidungskriterium zu anderen Infektiösen Darmerkrankungen)
- Lang anhaltende wässrige Diarrhö und ggf. Bauchschmerzen
- Oft Ausbrüche mit zahlreichen Erkrankungsfällen, kann aber auch vereinzelt auftreten.
Klinische Untersuchung
- Oft asymptomatischer Verlauf
- Der Parasit kann die Darmschleimhäute angreifen und Diarrhö, Bauchschmerzen, Gewichtsabnahme und Erbrechen verursachen.
- Leichtes Fieber und Appetitlosigkeit sind häufig zusätzliche Symptome.
- Wässrige Diarrhö kann für 1–2 Wochen anhalten, oft länger.
- Ggf. Dehydrierung durch massive Flüssigkeits- und Elektrolytverluste
- Bei Immunschwäche können extraintestinale Manifestationen, wie z. B. sklerosierende Cholangitis oder Pankreatitis auftreten.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Erregernachweis durch mikroskopische Untersuchung des Stuhls mit Nachweis von Oozysten
- Probenahme und Versand der Fäzes zur parasitologischen Untersuchung erfordert eine spezielle Verpackung.
- Ausschluss nur möglich, bei drei negativen Proben an verschiedenen Tagen
- indiziert bei protrahierter, schmerzhafter Diarrhö und gleichzeitig fehlendem Nachweis pathogener Darmbakterien
- Evtl. frühzeitiger, wenn ein starker klinischer Verdacht besteht.
- PCR-Diagnostik ist möglich, bleibt aber Spezial- bzw. Referenzinstituten vorbehalten.
- Untersuchung von engen Kontaktpersonen beim Auftreten von Symptomen
Indikationen zur Klinikeinweisung
- Notwendigkeit einer intravenösen Flüssigkeitstherapie
- Patient*innen mit einem supprimierten Immunsystem sollten regelmäßig stationär überwacht werden.
Therapie
Allgemeines zur Therapie
- Es gibt bisher keine spezifische Therapie, die die Parasiten zuverlässig eradiziert.
- Flüssigkeitssubstitution
- Eine intensivere Therapie kann bei Patient*innen mit Immunsuppression erforderlich sein, im Vordergrund steht auch hier der Flüssigkeitsersatz.
- Ein positiver Nutzen von Antibiotika ist bislang nicht hinreichend belegt.4
Empfehlungen für Patient*innen
- Ausreichend trinken und Elektrolyte substituieren.
- Auf gute Hygiene achten, besonders sorgfältiges Händewaschen nach dem Toilettengang und vor der Zubereitung von Speisen.
Maßnahmen bei Ausbrüchen
- Möglicherweise kontaminiertes Trinkwasser abkochen.
- Behörden informieren.
- Mögliche Übertragungsfaktoren oder Infektionsquellen identifizieren.
Medikamentöse Therapie
- Ein positiver Nutzen von Medikamenten ist bislang nicht hinreichend belegt.4
- Nitazoxanid4
- Reduziert die Zahl der Parasiten und kann nützlich sein bei immunkompetenten Personen.
- Die Möglichkeit für das Vorliegen einer schweren Erkrankung bei immungeschwächten Patient*innen sollte vor Verwendung dieses Medikamentes aber unbedingt berücksichtigt werden.
Prävention
- Bei Verdacht auf kontaminiertes Trinkwasser (z. B. im Falle einer Epidemie) nur abgekochtes Wasser verwenden.
- Gute Hygiene, besonders sorgfältiges Händewaschen nach dem Toilettengang und vor der Zubereitung von Speisen
- Gute Handhygiene auch nach Kontakt mit Haustieren
- Hygienische Vorsichtsmaßnahmen beim Schwimmen und Baden: Möglichst kein Wasser schlucken!
- Oozysten können in Trinkwasseranlagen und Schwimmbädern überleben, da sie resistent gegen Chlor sind.
- Patient*innen mit Diarrhö oder nachgewiesener Kryptosporidiose sollten frühestens 2 Wochen nach Abklingen der Symptome wieder öffentliche bzw. gemeinschaftlich genutzte Schwimmbecken oder Badeanstalten aufsuchen.
- Bei Reisen ins Ausland in Gegenden mit schlechten oder unsicheren hygienischen Bedingungen
- Nur Wasser verwenden, das in verschlossenen Flaschen verkauft wird.
- Membranfilteranlagen, chemische Fällung in Sandfiltern und UV-Bestrahlung sind wirksame Mittel, um Oozysten aus dem Trinkwasser zu entfernen.
Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen/Tätigkeit in Lebensmittelbetrieben
- Ausscheidung von Kryptosporidien-Oozysten sind noch Wochen nach Abklingen der Symptome möglich.
- Schwimmbäder und Badegewässer bis 14 Tage nach Symptomende meiden.
- Bei stationärer Versorgung eigene Toilette und nicht in einem Zimmer mit immunsupprimierten Patient*innen
- Personen, die an einer Kryptosporidiose erkrankt sind oder bei denen der Verdacht auf eine Erkrankung besteht, dürfen nicht in Lebensmittelbetrieben tätig sein.
- Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen von Kindern, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 48 h nach Abklingen der Symptome.
- Bei asymptomatischer protrahierter Ausscheidung und Tätigkeit in der Lebensmittelbranche ggf. Einzelfallentscheidung
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Der Verlauf kann sich mit wässriger Diarrhö über mehrere Wochen erstrecken. Die durchschnittliche Dauer beträgt etwa 12 Tage.2
- Die Inkubationszeit liegt oft bei 1 Woche oder mehr.
- Dies unterscheidet den typischen Verlauf von z. B. Norovirus-Ausbrüchen, die nur eine kurze Inkubationszeit haben.
Komplikationen
- Dehydratation
- Die Spätfolgen einer Infektion sind bislang kaum erforscht.
- Eine Studie beschreibt einen Zusammenhang mit vermehrten Berichten über Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit 2 Monate nach der Infektion.5
Prognose
- Selbstlimitierende Erkrankung mit guter Prognose bei ansonsten gesunden Personen
- Bei geschwächtem Immunsystem, vor allem bei T-Zellen-Immundefekten (maligne Bluterkrankungen und HIV) kann die Infektion chronisch werden.
- Bei Immundefizienz besteht ferner die Gefahr, dass sich der Erreger über den Darmtrakt hinaus ausbreitet, u. a. in Leber und Gallenwege.
Verlaufskontrolle
- Ein spezifisches Follow-up ist in der Regel nicht erforderlich.
- Ein Infektionsrisiko besteht, solange Symptome vorhanden sind.
- Kontrolluntersuchungen des Stuhls sind nicht erforderlich.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Es handelt sich um eine selbstlimitierende Erkrankung mit guter Prognose.
- Eine gute Handhygiene ist wichtig, um eine weitere Ausbreitung der Infektion zu verhindern.
- Das Trinkwasser sollte abgekocht werden, bis die Quelle der Infektion gefunden und beseitigt ist.
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Chen XM, Keithly JS, Paya CV, LaRusso NF. Cryptosporidiosis. N Engl J Med 2002; 346:1723. New England Journal of Medicine
- Davies AP, Chalmers RM. Cryptosporidiosis. Clinical review. BMJ 2009; 339: b4168. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- European Center for Disease Prevention and Control; Cryptosporidiosis (23.08.2021). www.ecdc.europa.eu
- Abubakar II, Aliyu SH, Arumugam C, Hunter PR, Usman N. Prevention and treatment of cryptosporidiosis in immunocompromised patients. Cochrane Database of Systematic Reviews 2007, Issue 1. Art. No.: CD004932. DOI: 10.1002/14651858.CD004932.pub2. DOI
- Hunter PR, Hughes S, Woodhouse S, et al. Health sequele of human cryptosporidiosis in immunecompetent patients. Clin Infect Dis 2004; 39: 504-10. PubMed
Autor*innen
- Linda Mandel, Dr. med., Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Eggenstein