Zusammenfassung
- Definition:Seltene, hochansteckende, meldepflichtige, zoonotische Infektionskrankheit verursacht durch das Marburg-Virus. Es handelt sich um eine hämorrhagische Fiebererkrankung.
- Häufigkeit:Die Marburg-Viruskrankheit tritt meist in Form sporadischer Epidemien in Afrika auf. Seit dem ersten Ausbruch im Jahr 1967 wurden ca. 473 Fälle berichtet.
- Symptome:Initial meist unspezifisch wie Fieber, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Diarrhö und Erbrechen. Im weiteren Verlauf evtl. Hämorrhagien, Ikterus, Exanthem und neurologische Symptome.
- Diagnostik:Der Nachweis des Virus erfolgt direkt über RT-PCR, Zellkultur oder ELISA oder indirekt über Antikörperdiagnostik.
- Therapie:Supportiv. Eine spezifische antivirale Therapie oder ein Vakzin existiert bislang nicht.
Allgemeine Informationen
Definition
- Die Marburg-Viruskrankheit ist ein hämorrhagisches Fieber, das durch ein Einzelstrang-RNA-Virus aus der Familie der Filoviren ausgelöst wird.
- Der Krankheitsverlauf ist oft schwer mit hohem Fieber und Hämorrhagien bis hin zu Schock und Tod. Die Fallsterblichkeitsrate ist hoch.1
Häufigkeit
- Die Erkrankung tritt heutzutage selten und in Form sporadischer Epidemien in Afrika auf.
- Sie wurde erstmals 1967 beschrieben, als es zeitgleich in Marburg und Frankfurt sowie in Belgrad zu Ausbrüchen kam.2
- Seither gab es, neben zwei größeren Epidemien im Kongo (1998–2000) und in Angola (2004–2005), vereinzelt Fälle vor allem in Uganda, aber auch in Südafrika, Russland und Kenia.2-3
- Im August 2021 wurde erneut ein tödlich verlaufender Fall aus Guinea gemeldet.4
- Im Juli 2022 kam es zu zwei tödlichen Fällen in Ghana. 5
- Bislang wurden insgesamt 473 Fälle berichtet.3
- Die Fallsterblichkeit bewegt sich zwischen 23 und 88 %, je nach vorhandenen Therapiemöglichkeiten.6
Ätiologie und Pathogenese
- Das Marburg-Virus ist ein Einzelstrang-RNA-Virus, das – wie das Ebola-Virus – zur Gruppe der Filoviren gehört.
- Das natürliche Reservoir für das Marburg-Virus scheint der Nilflughund (Rosettus aegytiacus) zu sein.7
- Der Transmissionsweg von Tier zu Mensch ist nicht abschließend geklärt, wahrscheinlich aber über kontaminierten Speichel, Aerosole, Faeces und Urin.6,8
- Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt durch:2,8-9
- direkten Kontakt (verletzte Haut oder Schleimhaut) mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten von Infizierten
- kontaminierte Gegenstände
- Samenflüssigkeit eines Mannes nach durchgemachter Marburg-Viruserkrankung.
- Nach dem initialen Befall von Makrophagen und dendritischen Zellen erfolgt die Verbreitung über Lymphknoten und die Blutbahn in verschiedene Organe, wo es zu einer exzessiven Gewebsnekrose kommt.10
ICD-10
- A98.3 Marburg-Viruskrankheit
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Spezifisches klinisches Bild (hämorrhagische Verlaufsform) oder unspezifisches klinisches Bild (Fieber oder krankheitsbedingter Tod) plus laborchemischer Virusnachweis
- Für differenzierte Falldefinitionen siehe WHO: Case definition recommendations for Ebola or Marbug Virus Diseases.
Differenzialdiagnosen
- Hämorrhagisches Fieber aus anderen Ursachen:
- Ebola-Infektion
- Lassa-Fieber
- hämorrhagisches Dengue-Fieber
- Gelbfieber
- Rift-Valley-Fieber
- Krim-Kongo-Fieber
- Nephropathia epidemica
- Malaria
- Typhus abdominalis
- Shigellen-Infektion
Anamnese
- Kontakt zu infizierten Personen oder zu Nilflughunden und deren Exkrementen in den letzten 21 Tagen
- Die Inkubationszeit beträgt 3–21 Tage.2
- Abrupter Beginn mit mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Müdigkeit2
- Ab dem 3. Tag möglicherweise wässrige Diarrhö, Bauchkrämpfe, Übelkeit und Erbrechen, zwischen dem 2. und 7. Tag ggf. makulopapulöses Exanthem2
- Oft schwerwiegende Hämorrhagien ab dem 5.–7. Tag mit Blutungen aus Mund, Nase, Vagina, an Punktionsstellen sowie Frischblut im Stuhl und im Erbrochenen2
- Durch die Affektion des zentralen Nervensystems kann es zu Verwirrtheitszuständen, Delir oder Aggressivität kommen.2
- Im Verlauf Ikterus durch Leberaffektion
- Spät im Verlauf ggf. Orchitis2
Klinische Untersuchung
- Aufgrund der initial unspezifischen Symptome ist eine auf die klinische Untersuchung basierte Diagnose schwierig.
- Mögliche klinische Befunde sind:
- Fieber
- Blutungsneigung, Blut im Stuhl oder im Erbrochenen
- makulopapulöses Exanthem
- Ikterus
- Verwirrtheit, Delir
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Der Virusnachweis erfolgt direkt durch:
- Antigennachweis (z. B. ELISA)
- Erregerisolierung (kulturell)
- Nukleinsäurenachweis (z. B. PCR)
- Oder indirekt durch:
- IgM-Antikörpernachweis (z. B. ELISA, IFT)
- IgG-Antikörpernachweis (später im Krankheitsverlauf)
- Die Labordiagnostik muss in einem Speziallabor erfolgen.
- Vorschriften für den Umgang mit hochinfektiösem Untersuchungsmaterial und dessen Transport sind zu beachten.
Therapie
Therapieziele
- Aggressive supportive Therapie, um Schock und Tod zu verhindern.
- Die Ausbreitung der Krankheit verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Es gibt derzeit keine spezifische antivirale Therapie.
- Der Fokus liegt auf der supportiven Therapie mittels Volumen- und Elektrolytersatz, Antipyrese sowie Blutungskontrolle und Aufrechterhaltung des Kreislaufs.
- Spezifische antivirale Therapien und Impfstoffe befinden sich in Entwicklung.2
Weitere Therapien
- Bereits bei dem Verdacht auf eine Erkrankung Sofortmaßnahmen im Zusammenwirken mit den Gesundheitsbehörden, strenge Isolierung in einer Spezialeinheit und krankenhaushygienisches Regime nach den Regeln für hochinfektiöse Erreger.
- Sekundärinfektionen sollen durch strenge Hygienemaßnahmen vermieden werden.
- Im Umfeld von Erkrankten sind aktive Fallsuche sowie das Ermitteln und die Absonderung mit klinischer Überwachung von Kontaktpersonen notwendig.
Prävention
- Derzeit gibt es keinen Impfstoff gegen das Marburg-Virus. Es befinden sich allerdings mehrere Impfstoffe in klinischen Studien.11
- Während eines Ausbruchs wird von Reisen in das betroffene Gebiet abgeraten.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Nach einer Inkubationszeit von 3–21 Tagen initial unspezifisches Krankheitsbild mit grippeähnlichen Symptomen
- Im weiteren Verlauf zunehmende Krankheitsschwere mit der Gefahr des hämorrhagischen Schocks bis hin zum Tod
Prognose und Komplikationen
- Die Erkrankung verläuft oft letal mit einer Fallsterblichkeitsrate von durchschnittlich 50 %.2
- Bei den Überlebenden kommt es im Verlauf häufig zu Myalgien, Arthralgien, Asthenie und Psychosen.12
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Reisen in Gebiete vermeiden, in denen es aktuelle Berichte über Epidemien gibt.
- Kontaktvermeidung mit Affen oder Fledermäusen in betroffenen Gebieten
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Brauburger K, Hume AJ, Muhlberger E, et al. Forty-five years of Marburg virus research. Viruses. 2012;4(10):1878-1927. PubMed
- World Health Organization. Fact Sheet. Marburg virus disease. August 2021. www.who.int
- Centers for Disease Control and Prevention. History of Marburg Virus Disease (MVD) Outbreaks. Stand August 2022. www.cdc.gov
- World Health Organization. Disease Outbreak News. Marburg virus disease - Guinea. August 2021. www.who.int
- World Health Organization. Disease Outbreak News. Marburg virus disease - Ghana. Juli 2022. www.who.int
- Marburg virus disease: A summary for clinicians. Int J Infect Dis. 2020 Oct; 99: 233–242. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Oral Shedding Of Marburg Virus In Experimentally Infected Egyptian Fruit Bats (Rosettus Aegypiacus). J Wildl Dis. 2015 Jan; 51(1): 113–124. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Centers for Disease Control and Prevention. Marburg Virus Disease/Transmission. Stand August 2022. www.cdc.gov
- Persistent Marburg Virus Infection in the Testes of Nonhuman Primate Survivors. Cell Host Microbe. 2018 Sep 12;24(3):405-416.e3. www.cell.com
- Filovirus pathogenesis and immune evasion: insights from Ebola virus and Marburg virus. Nat Rev Microbiol. 2015 Nov; 13(11): 663–676. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Vaccines against Ebola virus and Marburg virus: recent advances and promising candidates. Hum Vaccines & Immunotherapeutics. 2019;15(10):2359-77. www.tandfonline.com
- Clinical aspects of Marburg hemorrhagic fever. Future Virol. 2011 Sep;6(9):1091-1106. www.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Christina Weingartner, Dr. med., Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, München