West-Nil-Fieber

Zusammenfassung

  • Definition:Infektion verursacht durch das West-Nil-Virus, das durch Mückenstiche übertragen wird.
  • Häufigkeit:Weltweit, zunehmend auch in Europa.
  • Symptome:80 % der Infizierten asymptomatisch, ca. 20 % zeigen eine vorübergehende grippeähnliche Erkrankung, während < 1 % eine schwere Hirn- oder Hirnhautentzündung entwickeln.
  • Befunde:Evtl.makulopapulöses Exanthem, generalisierte Lymphadenopathie. Bei einer Meningoenzephalitis kommt es zu Fieber, Kopfschmerzen, Nackensteife, Bewusstseinsveränderungen, Krampfanfällen, schlaffen Lähmungen. 
  • Diagnostik:Virusnachweis, Immunserologie.
  • Therapie:Symptomatische Therapie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • West-Nil-Fieber ist eine in verschiedenen Regionen der Welt endemisch vorkommende Zoonose.
  • Sie wird von Mücken übertragen, die sich an Vögeln infiziert haben.
  • Die Infektion kann klinisch völlig unauffällig verlaufen, über grippeähnliche Symptome mit Fieber und Exanthem bis hin zu einer Enzephalitis sind verschiedene klinische Ausprägungen möglich.

Häufigkeit

  • Das West-Nil-Virus wurde erstmals im Jahr 1937 im West-Nil-Distrikt (Uganda) identifiziert, kommt inzwischen weltweit vor, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß.
  • Durch die Klimaerwärmung breitet sich das Virus zunehmend auf sonst kühlere Gegenden aus.
  • In Europa wurden für 2017 208 Fälle registriert, die meisten davon in Rumänien und Italien, davon verliefen 25 letal.1

Ätiologie und Pathogenese

  • Das West-Nil-Virus gehört serologisch zur Gruppe der Flaviviridae, der gleichen Gruppe wie das Japanische‒Enzephalitis-Virus und das Dengue-Virus.
  • Die Erkrankung ist eine Zoonose, Wildvögel sind die Hauptwirte für das Virus, Mücken können das Virus aber auch auf Säugetiere übertragen.
  • Das Virus wird durch Mückenstiche (vor allem Culex-, aber auch Aedes- und Mansonia-Arten) auf den Menschen übertragen.
  • Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch erfolgt normalerweise nicht.
    • Eine Übertragung ist jedoch durch Bluttransfusionen, Organtransplantationen oder während der Schwangerschaft möglich.
    • West-Nil-Virus wurde auch in Muttermilch nachgewiesen.2
  • Die Inkubationszeit beträgt 2–14 Tage.
  • Ca. 80 % der Infektionen verlaufen asymptomatisch.
  • Bei ca. 20 % der Infizierten kommt es zu grippeähnlichen Symptomen.
  • Manchmal tritt ein stammbetontes makulopapulöses Exanthem auf. 
  • Selten (ca. 1 %) kommt es zu ZNS-Komplikationen wie Enzephalitis, Meningoenzephalitisepileptische Anfällen oder Polyradikulitis (West Nile Neuroinvasive Disease, WNND).
  • In den meisten Fällen heilt die Infektion folgenlos aus, nach Enzephalitis kann es zu neurologischen Folgeschäden kommen, und die Letalität bei Enzephalitis beträgt 15–40 %.

Prädisponierende Faktoren

  • Aufenthalt in endemischen Gebieten, v. a. in den Sommermonaten
  • Reiserückkehrer
  • Mückenstiche
  • Die Schwere der Erkrankung steigt mit dem Alter und mangelnder Immunkompetenz.

ICD-10

  • A92.3 West-Nil-Virusinfektion

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Verdacht auf eine West-Nil-Virus-Infektion besteht bei:
    • örtlichen Häufungen von Patienten mit unklarem Fieber mit oder ohne Exanthem
    • Aufenthalt in Endemiegebieten (Reiserückkehrer)
    • ätiologisch unklarer Enzephalitis, vor allem im Sommer oder Spätsommer.
  • Die Diagnose erfolgt durch spezifischen Antikörpertest oder Virusnachweis und sollte möglichst in Speziallaboren durchgeführt werden. 

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Klinische Untersuchung

  • Fieber
  • Generalisierte Lymphadenopathie
  • Neurologische Befunde bei Enzephalitis/Meningoenzephalitis (1 % der infizierten Personen)
  • Makulopapulöser Ausschlag bei ungefähr der Hälfte der symptomatisch Erkrankten, der sich vom Stamm zum Kopf und zu den Gliedmaßen ausbreitet. 

Ergänzende Untersuchungen

  • Bei Enzephalitis können MRT und EEG indiziert sein.

Labor

  • Nachweis von viraler RNA durch RT-PCR oder Antikörpernachweis (IgM und IgG) im Vollblut, Serum oder Liquor
    • Vor allem im ELISA treten Kreuzreaktionen mit anderen Anti-Flavivirus- Antikörpern (FSME, Gelbfieber, Dengue, St.-Louis-Enzephalitis u. a.) auf.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf Enzephalitis/Meningoenzephalitis oder bei stark reduziertem Allgemeinzustand
  • Patienten mit akuten viralen Enzephalitiden sollten auf der Intensivstation
    betreut werden.

Therapie

Therapieziele

  • Neurologische Folgeschäden und Tod verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Symptomatische Behandlung
  • Es gibt keine spezifische antivirale Therapie.
  • Die rasche Diagnosestellung und Einleitung entsprechender Therapiemaßnahmen bei Meningoenzephalitis haben einen großen Einfluss auf das Überleben und das Ausmaß bleibender Hirnschäden.

Medikamentöse Therapie

  • Es gibt keine spezifische Behandlung gegen die Erkrankung.
  • Die blande Virusmeningitis soll symptomatisch antipyretisch und analgetisch
    behandelt werden.

Prävention

  • Es steht kein humaner Impfstoff zur Verfügung.
    • Für Pferde in betroffenen Gebieten sind aktuell drei Impfstoffe zugelassen.
  • Schutz vor Mückenstichen besonders abends und nachts durch langärmelige Kleidung, Moskitonetze und Repellents.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Inkubationszeit bei Menschen beträgt üblicherweise 2–6 Tage, kann aber bis zu 14 Tage dauern.
  • Etwa 25 % der Infizierten zeigen leichte grippeähnliche Symptome mit 3- bis 6-tägiger Dauer.
  • Eine schwere Enzephalitis/Meningoenzephalitis wird in etwa 1 % der Fälle festgestellt.
  • In den meisten Fällen heilt die Infektion folgenlos aus.
  • Nach Enzephalitis kann es zu neurologischen Folgeschäden kommen.
  • Die Letalität bei Enzephalitis beträgt 15–40 %.

Komplikationen

  • Schwere Fälle von Enzephalitis/Meningoenzephalitis können tödlich sein, vor allem in der ältesten Patientengruppe und bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem.
  • Anhaltende neurologische Symptome wie Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, geschwächte Gedächtnisleistung und Müdigkeit (Fatigue), Depressionen oder Persönlichkeitsveränderungen können auftreten.
  • In seltenen Fällen kommt es zu Entzündungen des Herzens, der Niere oder der Leber.4

Prognose

  • Die Prognose ist gut, wenn es nicht zu einer Enzephalitis kommt, d. h. in mehr als 99 % der Fälle.
  • Neurologische Folgeschäden können nach einer Enzephalitis auftreten.
  • Die Letalität bei Enzephalitis beträgt 15–40 % und betrifft vor allem ältere Patienten. 

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Präventivmaßnahmen gegen Mückenstiche
  • Bei Patienten mit subklinischem Verlauf ohne Enzephalitis ist keine zusätzliche Überwachung oder Einschränkung erforderlich.
  • Die Krankheit wird nicht von Mensch zu Mensch übertragen.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. European Centre for Disease Prevention and Control. West Nile fever maps. Zugriff 10.10.2019 ecdc.europa.eu
  2. Mann TZ et al.: Breast milk transmission of flaviviruses in the context of Zika virus: A systematic review. Paediatr Perinat Epidemiol. 2018;32(4):358-368 www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Centers for Disease Control and Prevention, National Center for Emerging and Zoonotic Infectious Diseases. September 2019 www.cdc.gov
  4. Murray K, Walker C, Herrington E. Persistent infection with West Nile virus years after initial infection. J Infect Dis 2010; 201: 2-4. PubMed

Autoren

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge

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