Zusammenfassung
- Definition:Infektion durch Influenzaviren (unterschiedliche Influenza-A-Viren) von Vögeln. Die Übertragung auf den Menschen ist sehr selten.
- Häufigkeit:Normalflora, z. B. bei Wattvögeln. Die Viren können Epidemien auslösen, wenn z. B. Geflügel infiziert wird (Geflügelpest). Sporadisch treten Fälle auf, in denen Menschen durch erkranktes Geflügel infiziert werden.
- Symptome:Fieber und Muskelschmerzen. Beim Menschen kommt es, verglichen mit der saisonalen Grippe, zu einer erhöhten Inzidenz von Lungeninfektionen und zu einer erhöhten Sterblichkeit.
- Befunde:Grippesymptome.
- Diagnostik:Diagnostik bei fiebrigen Erkrankungen nach Kontakt mit erkranktem Geflügel oder anderen Vögeln durch Nasen-Rachen-Abstrich und anschließende PCR.
- Therapie:Symptomatische Therapie wie bei einer saisonalen Grippe, ggf. Neuraminidasehemmer oder bei Notwendigkeit intensivmedizinische Therapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Erkrankung, die durch aviäre Influenzaviren verursacht wird. Es handelt sich um Influenza-A-Viren, die bei Vögeln weit verbreitet sind, am häufigsten bei Enten.1
- Meist infizieren sich die Vögel lediglich untereinander, Übertragungen auf andere Tiere und auf den Menschen sind allerdings in seltenen Fällen möglich.
- Es besteht die Gefahr, dass eine Mutation entsteht, die von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.
Häufigkeit
- Seit 2003 wurden weltweit über 2.600 humane Erkrankungen und 1.100 Todesfälle mit aviärer Influenza nachgewiesen.
- Die meisten Fälle werden im asiatisch-pazifischen Raum registriert.
- Das Virus, das in den Jahren 2003/2004 die Geflügelpest in Asien verursachte, war vom Typ A (H5N1).
- 2013 kam es zum Ausbruch eines neuen Influenza-A-Virus (H7N9) in China und Taiwan.
- Es gibt derzeit weltweit keine Hinweise für eine fortgesetzte Mensch-zu-Mensch-Übertragung mit aviären Influenzaviren.
- Das Influenza-A-Virus (H7N9) ist neu, und daher gibt es keine Immunität in der Bevölkerung.
Pandemie
- Die Virustypen, die in Asien nachgewiesen wurden, werden selten auf den Menschen übertragen, und sie übertragen sich nur selten von Mensch zu Mensch.
- Es wird allgemein angenommen, dass diese Virustypen nicht in der Lage sind, eine weltweite Epidemie (Pandemie) auszulösen.
- Vogelgrippe-Viren können jedoch so mutieren, dass sie theoretisch für und zwischen Menschen übertragbar werden.
- Es wird außerdem befürchtet, dass sich ein gewöhnliches Influenzavirus mit einem Vogelvirus verbindet, und ein völlig neues Virus entsteht, gegen das keine Immunität besteht.
- Im letzten Jahrhundert traten zwei Pandemien auf, bei denen bekannt ist, dass sich das Virus aus einem gewöhnlichen Influenzavirus und einem aviären Influenzavirus gebildet hat.
- Asiatische Grippe 1957–1958
- Hongkong-Grippe 1968–1970
Ätiologie und Pathogenese
- Das Vogelgrippe-Virus ist ein Influenza-A-Virus.
- Vogelgrippe-Viren treten in zahlreichen Varianten auf. Sie sind besonders bei Enten und allgemein bei Wattvögeln verbreitet. Das Virus und die Vögel sind gut aneinander angepasst, und die Vögel werden selten krank.
- Durch Infektion zwischen den Vögeln, über Kot oder Atemwegssekrete, kann sich das Virus auf Vogelarten ausbreiten, die keine natürliche Resistenz besitzen, und bei diesen schwere Erkrankungen verursachen.
- Mit H und N werden die beiden wichtigsten Eiweiße auf der Hülle des Influenzavirus, Hämagglutinin und Neuraminidase, abgekürzt.
- Bei Vögeln finden sich die Subtypen H1 bis H16.
- Die meisten Infektionen wurden bislang durch die Subtypen A(H7N9) und A(H5N1) verursacht, es wurden aber auch andere aviäre Influenzaviren beim Menschen nachgewiesen (u. a. A[H5N6], A[H9N2]).
- Wenn die Viren auf andere Tierarten übertragen werden, z. B. auf Hühner, können sie schwere Krankheiten verursachen und sich schnell in einem Tierbestand ausbreiten.
- Zwei Subtypen der aviären Influenza (H5 und H7) sind dafür bekannt, schwere Krankheiten zu verursachen, wenn der Bestand eines Geflügelbetriebes infiziert wird. Eine solche Infektion wird Geflügelpest genannt und kann innerhalb weniger Tage den gesamten Bestand eines Betriebes töten.
- Nach bisherigen Erfahrungen scheint es nur bei engem Kontakt mit erkranktem oder verendetem Geflügel sowie deren Produkten oder Ausscheidungen zur Übertragung der Viren vom Tier auf den Menschen zu kommen.
- Vermutlich sind für die Ansteckung große Virusmengen notwendig.
- Infektionen zwischen Menschen kommen nur in Ausnahmefällen vor.
Prädisponierende Faktoren
- Kontakt mit Tieren, die durch die Vogelgrippe erkrankt sind.
- Kontakt mit toten Vögeln oder Kot von Vögeln, die infiziert sind.
ICD-10
- U69.21! Influenza A/H5N1 Epidemie [Vogelgrippe]
- J10 Grippe durch saisonale nachgewiesene Influenzaviren
- J10.1 Grippe mit sonstigen Manifestationen an den Atemwegen, saisonale Influenzaviren nachgewiesen
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Grippesymptome nach Kontakt mit erkrankten Tieren
- Die Diagnose wird durch den Nachweis von Viren des gleichen genetischen Typs bei Menschen und erkrankten Tieren bestätigt.
Differenzialdiagnosen
- Saisonale Grippe
- Andere Fiebererkrankungen
Anamnese und klinische Untersuchung
- Grippesymptome nach Kontakt mit erkrankten Tieren in Ländern, in denen die Vogelgrippe auftritt.
- Zusätzlich oft typische Symptome wie bei einer saisonalen Grippe: Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und reduzierter Allgemeinzustand.
- Klinisch tritt bei Menschen als erstes Symptom meist Fieber auf, begleitet oder gefolgt von respiratorischen Symptomen wie Husten und Atemnot.
- Auch gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und insbesondere Durchfall können auftreten.
- Nicht selten gehen diese sogar den respiratorischen Symptomen voraus.
- Typische Symptome der saisonalen Influenza-Infektion wie Hals-, Kopf- und Muskelschmerzen können vorkommen.
Labor
- Laborchemisch findet sich häufig eine Leuko-, Lympho- und Thrombozytopenie.
- Speziallabore für Influenzaviren haben etablierte Testverfahren, mit denen Influenzaviren zuverlässig und innerhalb weniger Stunden nach Eingang der Probe mit einem sog. Real-Time-PCR-Verfahren nachgewiesen werden können.
- Ob es sich bei einem nicht als humanes saisonales Influenza A-Virus subtypisierbares Virus um ein aviäres oder porcines Virus handelt, wird ebenfalls überprüft.
- Als Material zur Testung eignet sich, wie sonst bei Influenza-Erkrankungen auch, ein Rachen- oder Nasenabstrich.
Therapie
Therapieziele
- Einen Ausbruch isolieren und stoppen, um eine Ausbreitung zu verhindern.
- Frühestmögliche Therapie bei Betroffenen zur Verhinderung von Komplikationen
Allgemeines zur Therapie
- Abgesehen von präventiven Impfstoffen gibt es keine wirksame Therapie gegen das Influenzavirus.
- Zur Vogelgrippe bei Menschen gibt es kaum Erfahrungen.
- Die Therapiemöglichkeiten sind begrenzt.
Medikamentöse Therapie
Neuraminidasehemmer
- Die sog. Neuraminidasehemmer, Oseltamivir und Zanamivir, sind sowohl gegen die saisonale humane Influenza als auch gegen aviäre Influenza A(H5N1)- und A(H7N9)-Viren und porcine Influenzaviren eingeschränkt wirksam.
- Frühzeitige Behandlung
- Die Behandlung sollte so früh wie möglich beginnen: innerhalb von 2 Tagen, nachdem die Grippesymptome aufgetreten sind.
- Da die meisten Erkrankungen mit aviärer Influenza einen schweren Krankheitsverlauf haben, empfiehlt die WHO den Einsatz der antiviralen Therapie.
Weitere Therapien
- Nichtinvasive oder invasive Beatmung bei respiratorischer Insuffizienz
- Intensivmedizinische Behandlung
- Ggf. antibiotische Therapie zur Vermeidung sekundärer bakterieller Pneumonien
- Supportive Behandlungsverfahren (Bronchodilatation, Volumengabe, Antipyretika)
Prävention
- Eine Pandemie kann überraschend auftreten, sodass nicht genügend Zeit bleibt, um einen Impfstoff zu entwickeln.
- Generell wird davon abgeraten, kranke oder verendete (Wild-)Vögel bzw. (Wild-)Tiere zu berühren.
- Wenn ein Kontakt mit Wildvögeln oder infiziertem Geflügel z. B. aus beruflichen Gründen nicht vermieden werden kann, sollten adäquate Schutzmaßnahmen getroffen werden, um das Risiko einer Übertragung auf den Menschen zu minimieren.
- Besondere Vorsichts- und Schutzmaßnahmen werden für Personen empfohlen, die vor, während oder zur Bewältigung eines Ausbruchs durch hoch pathogene aviäre Influenza engen Kontakt zu den erkrankten oder verendeten Vögeln hatten oder haben können.
- Die Empfehlungen werden von den zuständigen Gesundheitsbehörden vor Ort in Kooperation mit den Veterinärbehörden umgesetzt.
- Ein erhöhtes Risiko für die Allgemeinbevölkerung besteht nicht.
- Postexpositionsprophylaxe:
- Oseltamivir kann das Risiko, an einer Infektion nach Kontakt mit Influenzaviren vermindern. Wirkung auf Komplikationsrate nicht belegt.
- Zulassung: In Ausnahmesituationen zur Prophylaxe während einer Influenzaepidemie bei besonders durch Virusgrippe gefährdeten Personen, wenn Diskrepanz zwischen zirkulierenden und den im Impfstoff enthaltenen Virusstämmen besteht und bei einer pandemischen Situation.
Verlauf
- Die kleinen Ausbrüche, die bei Menschen aufgetreten sind, deuten darauf hin, dass Erkrankungen mit der aviären Influenza der Typen A (H5N1) und A (H7N9) häufiger zu schweren Lungeninfektionen führen und mit einer höheren Letalität verbunden sind als Erkrankungen mit der saisonalen Grippe.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Vogelgrippe
Quellen
Literatur
- The Writing Committee of the World Health Organization (WHO) Consultation on Human Influenza A/H5. Avian influenza A (H5N1) infection in humans. N Engl J Med 2005; 353: 1374-85. PubMed
Autor*innen
- Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster
- Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München