Was sind Verhaltensstörungen?
Ein Verhalten wird als gestört bezeichnet, wenn es mehr als sechs Monate angehalten hat. Das Verhalten muss deutlich so sein, dass es sozialen Erwartungen bei Kindern dieses Alters nicht entspricht und Normen nicht erfüllt. Dies kann sich auf verschiedene Weise äußern. Häufig ist das Kind sehr stur, reizbar und wild.
Weitere typische Verhaltensweisen sind Raufen, Lügen, Stehlen und Schuleschwänzen. Kinder mit einer solchen Störung haben ein negatives Verhalten, das sich durch Aggressivität, Trotz und Mobbing ausdrückt. Eine Verhaltensstörung unterscheidet sich von den üblichen Streichen und vom aufsässigen Verhalten der Jugendlichen; sie ist schwerwiegender. In besonders gravierenden Fällen kann es sogar zu grober Sachbeschädigung, Gewalt gegen Tiere und Menschen, Einbruch oder Raub, Brandstiftung und Drogenmissbrauch kommen.
Etwa 5 % aller Kinder haben eine Verhaltensstörung; dabei sind Jungen 4-mal häufiger betroffen als Mädchen. Verhaltensstörungen treten häufiger in Städten als auf dem Land auf und sind eher in den unteren sozialen Schichten anzutreffen. Die Erkrankung verteilt sich in etwa gleich auf alle Altersgruppen, zeigt sich aber bei Jugendlichen oftmals deutlicher und schwerwiegender.
Ursache
Warum manche Kinder eine Verhaltensstörung entwickeln, ist vermutlich auf eine Kombination aus angeborenen Faktoren und dem familiären Umfeld zurückzuführen. Als Risikofaktoren gelten Hyperaktivität oder Depression, ein schwieriges Temperament, Lern- oder Schulprobleme, ein geringes Selbstwertgefühl und mangelhafte soziale Fähigkeiten. Bei Letzterem besteht vor allem eine Tendenz, die Handlungen anderer fehlzuinterpretieren und als feindlich zu erachten.
Auch die Verhältnisse innerhalb der Familie können für die Entwicklung einer solchen Störung von Bedeutung sein. Beispiele für solche Gegebenheiten sind die psychische Gesundheit der Eltern, deren Kriminalität oder Alkoholmissbrauch. Das Kind kann auch in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn es Konflikte zwischen den Eltern gibt und das Zuhause keine Wärme und Stabilität vermittelt. Auch eine sehr strenge oder inkonsequente Erziehung kann negative Auswirkungen haben.
Diagnostik
Der Arzt studiert die Krankengeschichte des Kindes und verwendet in der Regel mehrere Quellen. Dabei kommt vor allem der Entwicklung des Kindes besondere Bedeutung zu sowie dem Verhalten gegenüber anderen. Die Diagnose wird anhand der Krankheitsgeschichte sowie durch Untersuchungen und Gespräche mit dem Kind gestellt.
Zudem können weitere Tests bei einem Spezialisten sinnvoll sein. Dabei geht es um die Untersuchung verschiedener Funktionen und Fähigkeiten, wie Intelligenztest, neurologische Untersuchungen, bei denen die Reflexe und die Kraft in Armen und Beinen sowie Sinneseindrücke und Augenbewegungen getestet werden, und andere Tests, mit denen sich nachweisen lässt, ob das Nervensystem eventuell nicht voll entwickelt ist. Darüber hinaus kann eine sonderpädagogische Untersuchung des Kindes indiziert sein.
Bei einer eventuellen psychologischen/psychiatrischen Beurteilung wird Wert auf die Fähigkeit gelegt, sich in die Situation anderer einzufühlen, sowie auf die Faktoren Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein für das eigene Handeln, die Beziehung mit Gleichaltrigen und auf die Fähigkeit, Schuld zu empfinden. Andere Elemente bei der Beurteilung sind Gemütslage, Selbstwertgefühl, Impulskontrolle, Verfolgungsgedanken und der Missbrauch von Alkohol/Drogen.
Therapie
Ziel der Behandlung ist es, die normale Entwicklung des Kindes zu fördern und die Weiterentwicklung weg von gesellschaftlichen Normen und Regeln zu verhindern. Die Therapie sollte möglichst früh einsetzen, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Wünschenswert ist die Behandlung im eigenen Umfeld des Kindes. Hinsichtlich einer medikamentösen Behandlung besteht Unsicherheit bezüglich der Wirksamkeit.
Des Weiteren kann eine Familientherapie indiziert sein, bei der die Eltern beim Umgang mit ihren eigenen Problemen unterstützt werden, damit sie sich besser um das Kind kümmern können. Sie werden zudem in Erziehungsfragen beraten und lernen, wie sie einen besseren Kontakt zu ihrem Kind bekommen können.
Darüber hinaus stehen unterstützende Kontakte und soziale Hilfsmaßnahmen zur Verfügung, durch die die Angehörigen entlastet werden. In schweren Fällen von mangelnder Fürsorge wird das Kind in Pflege gegeben.
Die institutionelle Therapie ist nur in schwerwiegenden Fällen indiziert, wenn Verfahren erforderlich sind, die außerhalb einer Einrichtung nicht durchgeführt werden können. Die maximale Dauer beträgt dann ein Jahr. Sie ist ratsam, wenn das Setzen von Grenzen Probleme bereitet und vor allem, wenn Suizidgefahr oder die Gefahr einer Selbstverletzung besteht. Die Behandlung in einer Einrichtung kann zudem dann sinnvoll sein, wenn andere Therapieformen keinen Erfolg brachten oder wenn die Person außer an den Symptomen der Verhaltensstörung auch an einer schweren Krankheit leidet.
Prognose
Kinder mit schweren Verhaltensstörungen leiden im Erwachsenenalter häufig an psychischen Problemen. Für eine gute Prognose ist es wichtig, das Hauptaugenmerk auf die Stärken des Kindes zu legen, ein gutes Netzwerk rund um das Kind zu schaffen und dafür zu sorgen, dass das Kind eine positive Beziehung zu mindestens einem stabilen Erwachsenen hat. Die Fähigkeit zum Kontakt mit Menschen im Allgemeinen ist ebenfalls wichtig.
Weitere Informationen
- Verhaltensstörungen – für ärztliches Personal
Autoren
- Philipp Ollenschläger, Medizinjournalist, Köln
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References
Based on professional document Störungen des Sozialverhaltens. References are shown below.
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