Mykoplasmen-Pneumonie

Zusammenfassung

  • Definition:Lungenentzündung durch Mycoplasma pneumoniae, ein zellwandloses Bakterium.
  • Häufigkeit:Ursache für ca. 10 % der ambulant erworbenen Pneumonien.
  • Symptome:Langsame Symptomentwicklung mit häufig mildem Verlauf, kennzeichnend ist ein hartnäckiger Husten.
  • Befunde:Häufig unauffälliger Auskultationsbefund.
  • Diagnostik:Nasen-Rachen-Abstrich mit Nachweis der Mykoplasmen mittels PCR.
  • Therapie:Mittel der Wahl ist Doxycyclin, alternativ Makrolide oder Fluorochinolone.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Lungenentzündung durch Mycoplasma pneumoniae, ein zellwandloses, gramnegatives Bakterium
  • M. pneumoniae ist Verursacher von verschiedenen Atemwegsinfektionen, neben der Pneumonie auch von Infekten der oberen Atemwege und Tracheobronchitis.1
  • Gehört historisch zur Gruppe der sog. „atypischen“ Pneumonien.
    • Die Bezeichnung wird im Alltag immer noch verwendet, heutzutage sollten Pneumonien aber anders klassifiziert werden (ambulant erworben, nosokomial erworben oder Pneumonie unter schwerer Immunsuppression).

Häufigkeit

  • Inzidenz
    • M. pneumoniae verursacht ca. 10 % der ambulant erworbenen Pneumonien.
    • Die Inzidenz schwankt in Zyklen von 5–7 Jahren.
  • Alter
    • Am häufigsten erkranken Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
  • Geschlechtsverteilung
    • kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern2
  • Jahreszeitliches Auftreten
    • Infektionen gehäuft im Sommer und Frühherbst3

Ätiologie und Pathogenese

Erreger

  • Mykoplasmen sind sehr kleine Bakterien ohne starre Zellwand, daher auch nicht in der Gramfärbung darstellbar.
  • Ubiquitäres Vorkommen, kolonisieren Pflanzen, Tiere und Menschen
  • M. pneumoniae ist eine von mehr als 12 Arten der Gattung Mykoplasma, die beim Menschen identifiziert wurden.
  • Fakultativ pathogene Erreger, asymptomatische Kolonisation ist möglich.
  • Primär resistent gegen alle Beta-Laktame

Übertragung

  • Übertragung durch Inhalation infektiöser Tröpfchen
  • Relativ hohe Kontagiösität, Infektionen bei bis zu 40 % der Haushaltskontakte eines Indexpatienten beschrieben
  • Epidemische Ausbreitung möglich, in Schulen und Militärlagern kann die Prävalenz bis zu 70 % betragen.

Pathogenese

  • Anlagerung an die Oberfläche von Epithelien
  • Durch Anhaften am Flimmerepithel des Respirationstrakts Ziliostase mit gestörter mukoziliärer Clearance
  • Proinflammatorische Stimulation durch Exotoxin
  • Zellschädigung durch neutrophile Immunantwort
  • Autoimmune Prozesse wahrscheinlich Ursache von extrapulmonalen Komplikationen

Klinik

  • Infektionen häufig inapparent
  • Inkubationszeit 12–20 Tage
  • Langsamer Symptombeginn
  • Bei Kleinkindern, sofern nicht asymptomatisch, meist als milde Infektion des oberen Respirationstrakts
  • Im Schulkind- und Erwachsenenalter dominieren bei symptomatischem Verlauf Infektionen der unteren Atemwege (Bronchitis, Pneumonie).
  • Meistens eher milder klinischer Verlauf1 
    • Bei schwerer Pneumonie finden sich Mykoplasmen selten als Erreger.
  • Mögliche extrapulmonale Manifestationen

Disponierende Faktoren

  • Umgebung mit zahlreichen engen Kontakten

ICPC-2

  • A78 Infektionskrankheit IKA
  • R81 Lungenentzündung

ICD-10

  • J15.7 Pneumonie durch Mycoplasma pneumoniae

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Es gibt keine für Mykoplasmen spezifische klinische, röntgenologische oder laborchemische Charakteristik.
  • Diagnosestellung durch Nachweis im Labor

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Häufig subakuter Verlauf mit allmählicher Symptomentwicklung
  • Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen
  • Fieber (hohes Fieber selten)
  • Hartnäckiger Husten, kann über Wochen persistieren.
    •  evtl. thorakale Schmerzen durch starkes Husten
  • Halsschmerzen, Ohrenschmerzen
  • Selten Atemnot

Klinische Untersuchung

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Labor

  • Bei Patient*innen mit leichtgradigen, ambulant behandelbaren Pneumonien ist eine mikrobiologische Diagnostik in der Regel nicht erforderlich.
Basislabor
  • Entzündungsparameter
    • CRP, BSG meist leicht erhöht3
      • Können bei schwerem Verlauf deutlich erhöht sein.3
    • häufig normale Leukozyten
      • bei schwererem Verlauf auch Leukozytose
  • LDH
    • Kann bei schwerem Verlauf erhöht sein.3
Nachweis von Mykoplasmen
  • PCR
    • heutzutage Methode der Wahl
    • Nasopharynxabstrich zur Materialgewinnung
  • Serologie
    • heutzutage von nachrangiger Bedeutung
    • Serologien zu Beginn der Erkrankung und im Verlauf: IgM zu Beginn meist noch negativ, Serokonversion nach 1–2 Wochen
  • Kultur
    • Erregeranzucht schwierig und zeitaufwendig (6–15 Tage)
Nachweis von Kälteagglutinine
  • Vorkommen bei ca. 50 % der Patient*innen

Röntgen-Thorax

  • Typischerweise interstitielles Infiltrat mit retikulonodulärem Muster
  • Evtl. Pleuraerguss (5–20 %)

Indikationen zur Überweisung

  • Wird hauptsächlich in der Hausarztpraxis behandelt.

Therapie

Therapieziele

  • Ausheilung der Infektion
  • Verkürzen des Krankheitsverlaufs

Allgemeines zur Therapie

  • Häufig milder, selbstlimitierender Verlauf
  • Zu den Prinzipien der kalkulierten antibiotischen Therapie von Pneumonien siehe Artikel Pneumonie.
  • Bei selteneren schweren Verläufen möglichst Erregernachweis mit gezielter antibiotischer Behandlung

Gezielte antibiotische Therapie bei Mykoplasmen-Nachweis

  • Betalaktam-Antibiotika sind unwirksam.
  • Mittel der Wahl bei Erwachsenen und Kindern ab 9 Jahren ist Doxycylin.,
    • Doxycyclin: 1 x 200 mg über 5–7 Tage
    • Unter 9 Jahren gibt es keine Behandlung mit eindeutig gesicherter Wirksamkeit, eingesetzt werden Clarithromycin oder Erythromycin.4
  • Alternativen
    • Makrolide
      • Azithromycin 1 x 500 mg über 3 Tage (oder 5-Tages-Schema mit 500 mg an Tag 1 und 250 mg an den Tagen 2–5)
      • Clarithromycin 2 x 250 mg (bei schweren Infektionen 2 x 500 mg) über 5–7 Tage
    • Fluorchinolone
      • Moxifloxacin 1 x 400 mg über 5–7 Tage
      • Levofloxacin 1–2 x 500 mg über 5–7 Tage
      • Bei Einsatz von Fluorchinolonen ist wegen Toxizitäten das Nutzen-/Risikoverhältnis abzuwägen:
        • Vermeidung des Einsatzes bei Sportler*innen
        • Vermeidung des Einsatzes bei Patient*innen in hohem Alter (> 80 Jahre), insbesondere bei eingeschränkter Hirnleistung
        • Vermeidung des Einsatzes bei gleichzeitiger systemischer Steroidtherapie
        • Vermeidung des Einsatzes bei Patient*innen mit Aortenaneurysma
        • besondere Vorsicht bei schwerer kardialer Komorbidität (Monitoring)

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Trotz überwiegend mildem Verlauf sind im Einzelfall auch schwere Komplikationen möglich:1

Verlauf und Prognose

  • Überwiegend milder Verlauf mit sehr guter Prognose
  • Einzelne schwere Verläufe sind aber möglich, wobei eindeutige patientenabhängige Risikofaktoren bisher nicht identifiziert werden konnten.
  • Letalität bei Mykoplasmenpneumonie äußerst niedrig

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Thibodeau KP, Viera AJ. Atypical pathogens and challenges in community-acquired pneumonia. Am Fam Physician 2004; 69: 1699-706. PubMed
  2. Bono M. Mycoplasmal Pneumonia. Medscape, updated Dec 28, 2018. emedicine.medscape.com
  3. Waites K, Xiao L, Liu Y, et al. Mycoplasma pneumoniae from the Respiratory Tract and Beyond. Clin Microbiol Rev 2017; 30: 747-809. doi:10.1128/CMR.00114-16 DOI
  4. Gardiner SJ, Gavranich JB, Chang AB. Antibiotics for community-acquired lower respiratory tract infections secondary to Mycoplasma pneumoniae in children. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Jan 8;1:CD004875. DOI: 10.1002/14651858.CD004875.pub5 DOI

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.

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