Zusammenfassung
- Definition:Eine Analfissur ist eine radiär verlaufende Läsion im Anoderm distal der Linea dentata.
- Häufigkeit:Häufig.
- Symptome:Schmerzen, Blutung bei Defäkation.
- Befunde:Die Fissuren sind bei einer Untersuchung des Anus in Steinschnittlage in 90 % der Fälle bei 6 Uhr zu sehen.
- Diagnostik:Die Diagnose wird klinisch gestellt, weitere Diagnostik ist in der Regel nicht erforderlich.
- Therapie:Konservative oder operative Behandlung.
Allgemeine Informationen
Definition
- Eine Analfissur ist eine radiär verlaufende, häufig schmerzhafte Läsion im Anoderm distal der Linea dentata.
- Die Fissur ist meist in der hinteren Kommissur lokalisiert.
- Einteilung in akute und chronische Fissuren
- akut: bis zu einer Dauer von 6 Wochen
- chronisch: Krankheitsdauer länger als 6 Wochen
Häufigkeit
- Häufige Erkrankung in allen Altersgruppen, tritt jedoch am häufigsten im Alter von 30–50 Jahren auf.
- Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.
- Lebenszeitrisiko bis zu 8 %1
- Peri- und postpartal gehäuftes Auftreten2
Ätiologie und Pathogenese
- Nicht sicher geklärt. Eine Hypertonie des M. sphincter ani internus mit folgender Ischämie wird angenommen; dadurch Schmerz-
und Entzündungsreiz mit reflektorisch weiter ansteigendem Sphinktertonus.
Primäre Fissuren (ohne zugrunde liegende Erkrankung)
- Faktoren, die den Sphinktertonus erhöhen, werden als Ursache angenommen.
- Obstipation
- harter Stuhlgang
- faserarme Diät
- Adipositas
- Hypothyreose
Sekundäre Fissuren (als Folge einer Grunderkrankung)
- Als Begleitfissuren bei entzündlichen Darmerkrankungen wie M. Crohn, Colitis ulcerosa
- Analkarzinom
- Nach Chemotherapie oder
- Systemischen Infekten (Lues, Tuberkulose) oder
- Bakteriellen, viralen, entzündlichen Erkrankungen
- Medikamentös-toxisch
- Traumatisch
- Iatrogen nach operativen analen Eingriffen
- Der Riss beginnt in der Regel beim oder genau unterhalb vom anorektalen Übergang (Linea anorectalis) und verläuft weiter in distaler Richtung entlang des Analkanals.
Prädisponierende Faktoren
- Verstopfung, faserarme Diät
- Adipositas
- Hypothyreose
ICPC-2
- D95 Analfissur/perianaler Abszess
ICD-10
- K60 Fissur und Fistel in der Anal- und Rektalregion
- K60.0 Akute Analfissur
- K60.1 Chronische Analfissur
- K60.2 Analfissur, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typische Anamnese
- Fissuren im Analkanal
Differenzialdiagnosen
- Analfistel
- Abszess
- Analkarzinom
- Venerische Geschwüre
- Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa
- Perianales Ekzem
- Hämorrhoiden
Anamnese
- Hauptsymptom sind sehr starke Schmerzen, die im Zusammenhang mit der Defäkation auftreten.
- Typisch ist ein „Nachbrennen“ am Ende der Defäkation, das mehrere Minuten, aber auch Stunden anhalten kann.
- Blutungen in Form von frischem Blut auf dem Stuhl, meist geringer als bei Hämorrhoiden.
- Nässen, Juckreiz und lokale Schwellungen können auftreten.
- Nach Auslösern fragen: harter Stuhlgang.
- Zeitraum seit Symptombeginn zur Abgrenzung akute – chronische Analfissur
Klinische Untersuchung
- Bei der Untersuchung der Patient*innen in Steinschnittlage findet sich die Fissur in 90 % der Fälle bei 6 Uhr zwischen Haut und Schleimhaut.
- Eine digitale rektale Untersuchung ist wegen der Schmerzhaftigkeit oft nur nach Applikation einer lokalanästhetischen Salbe möglich.
- Multiple Fissuren und Fissuren in nicht typischer Lage sind verdächtig auf mögliche andere Grunderkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Tuberkulose, Syphilis oder maligne Erkrankungen.
- Bei der chronischen Analfissur zeigt sich häufig:
- hypertrophe Analpapille
- Vorpostenfalte bzw. Wächtermariske
- Ulkus mit Randwall
- freiliegende Fasern des M. sphincter internus.
Weitere Diagnostik
- Bei atypischer Lokalisation: bei anamnestischen Hinweisen stufenweise Diagnostik
- serologische und mikrobiologische Untersuchungen
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Proktoskopie: bei Zweifel an der Verdachtsdiagnose oder Persistenz der Beschwerden über 6–8 Wochen
- Koloskopie/Rektoskopie
- zum Ausschluss einer weiteren analen Blutungsquelle
- bei Verdacht auf entzündliche Darmerkrankungen
- Endosonografie, MRT, Biopsie-Entnahme zur Differenzialdiagnose von kryptogenen Perianalabszessen und -Fisteln sowie
Malignomen
Indikationen zur Überweisung
- Bei ausbleibender Abheilung unter konservativer Behandlung Überweisung zu Proktolog*in
Checkliste zur Überweisung
Analfissur
- Zweck der Überweisung
- Unterstützende Diagnostik? Behandlung? Operation?
- Anamnese
- Wann entstanden die Symptome? Verlauf? Wiederkehrend?
- Schmerzen: Art und Intensität? Zusammenhang mit dem Stuhlgang, Stuhlprobleme?
- Andere relevante Krankheiten? Aktuelle Medikamente?
- Welche Wirkung haben frühere Behandlungen gezeigt?
- Auswirkungen auf die Lebensqualität und die Arbeit?
- Klinische Untersuchung
- Lokaler Status: Lokalisation?
- Rektaluntersuchung: Tumor, Blutung?
- Ergänzende Untersuchungen
- ggf. CRP, BSG, Leukozyten
Therapie
Therapieziele
- Symptome lindern.
- Abheilung der Fissur
- Vermeidung einer therapieinduzierten Inkontinenz
- Senkung des Ruhedruckes und Reduktion von Spasmen des internen Analsphinkters ist Ziel sowohl der konservativen als auch der operativen Behandlung.3-4
Allgemeines zur Therapie
- Die Therapie der akuten Analfissur unterscheidet sich von der der chronischen Analfissur.
- Unter konservativer Therapie Abheilung von 60–90 % der akuten Analfissuren
- Abheilung der chronischen Analfissur unter konservativer Therapie in ca 50 % der Fälle5-6
- Wenn die chronische Analfissur nach 6 Wochen konservativer Therapie nicht ausheilt, sollte eine operative Therapie in Betracht gezogen werden.
- Es soll eine ballaststoffreiche Ernährung, ggf. Nahrungsergänzung mit z. B. zusätzlich Flohsamenschalen durchgeführt werden.
- Sitzbäder können durchgeführt werden und den Patientenkomfort erhöhen; sie haben jedoch keinen Einfluss auf die Heilungsrate.
- Allen Patient*innen soll ein konservativer Therapieversuch über 6 Wochen angeboten werden, bevor eine operative Therapie eingeleitet wird.
- Bei Therapieversagen nach 6–8 Wochen: chirurgische Therapie
Medikamentöse Therapie
- Glyceroltrinitrat
- Lokal applizierte Nitrate wie Gylceryltrinitrat GTN können zur Therapie der chronischen Analfissur verwendet werden. Sie haben eine ähnlich hohe Heilungsrate wie Kalziumantagonisten, aber häufiger Nebenwirkungen, insbesondere Kopfschmerzen.
- Bewirkt eine Relaxation der glatten Muskulatur des spastischen Spinkter ani internus.
- Beispielsweise Glyceroltrinitrat Rektalsalbe 4 mg/g 2 x tgl. lokal auftragen.
- Bei mindestens 30 % der Patient*innen treten Kopfschmerzen und Übelkeit auf. Kann auch lokal brennen.
- Kalziumkanalblocker
- Lokal applizierte Kalziumantagonisten sollten die medikamentöse Erstlinientherapie bei chronischen Analfissuren sein. Ihre Wirksamkeit ist vergleichbar mit der von Nitraten, jedoch haben sie weniger systemische Nebenwirkungen.
- Orale Kalziumantagonisten können ebenfalls zur Therapie verwendet werden. Aufgrund des günstigeren Verhältnisses von Wirkung und Nebenwirkung sollte die topische Anwendung präferiert werden.
- Eine lokale Applikation von Kalziumantagonisten (wie z. B. Nifedipin) sollte für 3–8 Wochen erfolgen.
- Lokale Salben mit Nifedipin und Diltiazem vergleichbar effektiv wie Glyceroltrinitrat, haben aber geringere Nebenwirkungen.5,7
- Orale Kalziumantagonisten: ebenfalls möglich, die topische Anwendung sollte wegen des günstigeren Nebenwirkunsgsprofils bevorzugt werden.
- Rezeptur: Beispielsweise Rp. Hydrophiles Diltiazemhydrochlorid-Gel 2 % ad 50 g, 2 x tgl. eine kleine Menge in den unteren Anus einführen.
- Anwendung 2 x tgl. für 3–8 Wochen
- Botulinumtoxin-Injektionen (Off-Label-Therapie)
- Botulinum-Toxin weist in Metaanalysen geringfügig, aber signifikant höhere Heilungsraten im Vergleich zu GTN und CCA auf. Es kann bei Therapieresistenz auf Kalziumantagonisten mit den Patient*innen als Zweitlinientherapie alternativ zu einem operativen Vorgehen besprochen werden
- Lokale Injektionen: höhere Heilungsraten als Nitroglyzerin und Kalziumantagonisten, aber schmerzhaft und kostenintensiv5,8
- Es bewirkt über eine Hemmung der Acetylcholinausschüttung eine etwa 3-monatige Muskellähmung. In dieser Zeit kann die Fissur dann abheilen.
- Eine Therapie mit Botulinum-Toxin soll bei akuten Fissuren zunächst nicht erfolgen, insbesondere auch im Hinblick auf die hohe (Spontan-)Heilungsrate, die verursachten Kosten, Schmerzen durch die Applikation und die Applikationsrisiken.
- Lokalanästhetische Salbe
- Lokalanästhetika können zur Symptomlinderung appliziert werden. Die Heilungsrate wird hierdurch nicht beeinträchtigt.
- z. B. Cinchocain hydrochlorid 5 mg/g Creme, 2 x tgl.
- Analdilatatoren zur Senkung des Sphinkterdruckes
- Anale Dilatatoren können zur alleinigen konservativen Behandlung oder in Kombination mit sphinkterrelaxierenden Medikamenten eingesetzt werden.
- Der Einsatz von Steroiden sollte Patient*innen mit Nebenerkrankungen, wie einem lokalen Ekzem, vorbehalten bleiben.
Empfehlungen für Patient*innen
- Warme Sitzbäder
- Mindestens 15 min, 3- bis 4-mal täglich und nach Darmentleerungen. Dadurch wird der Schließmuskel entspannt, und die Symptome werden gelindert.9
- Normalisierung der Stuhlkonsistenz durch ballaststoffreiche Ernährung, Flüssigkeitszufuhr, evtl. Macrogol
- Auf gute Analhygiene achten.
Chirurgische Therapie
- Indikation
- chronische Analfissur mit ausbleibender Heilung nach 6–8 Wochen erfolgter konservativer Behandlung oder bei Nebenwirkungen der konservativen Behandlung
- Fissurektomie nach Gabriel
- Botulinum-Toxin kann zusätzlich bei einem operativen Eingriff (Fissurektomie, Advancement-Flap) zur Sphinkterrelaxation appliziert werden.
- Der Advancement-Flap: Deckung der Fissur mit analer Mukosa oder perianaler Haut
- Erstlinientherapie alternativ zur Fissurektomie oder Zweitlinientherapie nach erfolgloser Fissurektomie5
- Laterale interne Sphinkterotomie: Durchtrennung des internen Schließmuskels zur Senkung des Sphinktertonus
- hohe Heilungsrate, aber auch hohe Inkontinenzrate5,8
Prävention
- Stuhlreglulierung
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Prognose
- In einem frühen Stadium heilt die Fissur bei guter Stuhlregulierung meist spontan.
- Je länger die Krankheitsdauer, desto weniger erfolgreich ist die konservative Therapie.6
- Bei medikamentöser Behandlung liegt die Rezidivrate höher als bei chirurgischer Therapie.
Komplikationen
- Rezidiv
- Inkontinenz nach operativer Sphinkterotomie, häufiger bei Frauen
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Analfissur
Quellen
Literatur
- Mapel DW, Schum M, Von Worley A. The epidemiology and treatment of anal fissures in a population-based cohort. BMC Gastroenterol 2014; 14: 129. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Ferdinande K, Dorreman Y, Roelens K, Ceelen W, De Looze D. Anorectal symptoms during pregnancy and postpartum: a prospective cohort study. Colorectal Dis. 2018 Dec;20(12):1109-1116. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Cross KL, Massey EJ, Fowler AL, et al; ACPGBI. The management of anal fissure: ACPGBI position statement. Colorectal Dis. 2008;10(suppl 3):1-7. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Altomare DF, Binda GA, Canuti S, et al. The management of patients with primary chronic anal fissure: a position paper. Tech Coloproctol. 2011;15:135-141. PubMed
- Ebinger SM, Hardt J, Warschkow R, Schmied BM, Herold A, Post S, et al. Operative and medical treatment of chronic anal fissures-a review and network meta-analysis of randomized controlled trials. J Gastroenterol 2017; 52: 663-76. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Emile SH, Elgendy H, Elfeki H, Magdy A, Abdelmawla AA, Abdelnaby M, et al. Does the duration of symptoms of anal fissure impact its response to conservative treatment? A prospective cohort study. Int J Surg 2017; 44: 64-70. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Sahebally SM, Ahmed K, Cerneveciute R, Iqbal A, Walsh SR, Joyce MR. Oral versus topical calcium channel blockers for chronic anal fissure-a systematic review and meta- analysis of randomized controlled trials. Int J Surg 2017; 44: 87-93. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Nelson RL, Manuel D, Gumienny C, Spencer B, Patel K, Schmitt K, et al. A systematic review and meta-analysis of the treatment of anal fissure. Tech Coloproctol 2017; 21: 605- 25. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Tejirian T, Abbas MA. Sitz bath: Where is the evidence? Scientific basis of a common practice. Dis Colon Rectum 2005; 48: 2336-40. PubMed
- Nelson RL, Thomas K, Morgan J, Jones A. Non surgical therapy for anal fissure. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 2. Art. No.: CD003431. DOI: 10.1002/14651858.CD003431.pub3. DOI
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren