Barrett-Ösophagus

Zusammenfassung

  • Definition:Intestinale Metaplasie im distalen Ösophagus infolge einer chronischen gastroösophagealen Refluxkrankheit.
  • Häufigkeit:Prävalenz in der allgemeinen Bevölkerung 1–2 %, bei Patient*innen mit Refluxkrankheit 3–12 %. Prävalenz steigt mit dem Alter, Männer häufiger betroffen als Frauen.
  • Symptome:Symptome der Refluxkrankheit.
  • Diagnostik:Die Diagnose wird mittels hochauflösender Videoendoskopie und Biopsien gestellt.
  • Therapie:Bei Barrett-Schleimhaut ohne Neoplasie Verlaufskontrolle. Bei Patient*innen mit niedriggradiger oder hochgradiger intraepithelialer Neoplasie endoskopische Therapie (Radiofrequenzablation, endoskopische Resektion).

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der Barrett-Ösophagus ist eine Präkanzerose charakterisiert durch:1-2
    • den histologischen Nachweis einer spezialisierten intestinalen Metaplasie (Zylinderepithel mit Becherzellen) im distalen Ösophagus
    • Länge der Metaplasiezunge ≥ 10 mm
    • Assoziation mit der chronischen gastrointestinalen Refluxkrankheit (GERD).

Terminologie

  • Erstbeschreibung durch den britischen Chirurgen Norman Barrett3

Häufigkeit

  • Prävalenz
    • Die Häufigkeit des Barrett-Ösophagus hat in den vergangenen Jahren zugenommen.4-5
    • In der Allgemeinbevölkerung sind ca. 1–2 % der Erwachsenen betroffen.6-7
    • Patient*innen mit chronischen Refluxsymptomen weisen zu ca. 3–12 % einen Barrett-Ösophagus auf.1,8
    • Das Risiko für eine Progression zum Karzinom ist geringer als früher gedacht mit ca. 0,1–2 % pro Jahr (5–10 %/Jahr bei High-Grade-Neoplasien).
  • Alter
    • Die Prävalenz steigt mit dem Alter.4
    • Kinder sind selten betroffen.4
  • Geschlecht
    • Männer sind ca. 2- bis 3-mal häufiger betroffen als Frauen.4
  • Ethnische Zugehörigkeit
    • selten bei afrikanischer oder asiatischer Abstammung4

Pathogenese

  • Die Pathogenese des Barrett-Ösophagus ist noch unvollständig geklärt.9
  • Sie wird heute als multifaktorieller Prozess verstanden.6
    • chemische Trigger
    • immunologische Veränderungen
    • strukturelle Veränderungen
    • genetische Faktoren
  • Die Erkrankung vom Barrett-Ösophagus zum Adenokarzinom verläuft in mehreren Schritten:10
    • Barrett-Ösophagus ohne Neoplasie
    • Barrett-Ösophagus mit Low-Grade-intraepithelialer Neoplasie (LGIN)
    • Barrett-Ösophagus mit High-Grade-intraepithelialer Neoplasie (HGIN)
    • intramukosales Karzinom
    • invasives Karzinom.
  • Der Barrett-Ösophagus ist vermutlich die einzige Vorläufererkrankung für ein Adenokarzinom des Ösophagus.10

Prädisponierende Faktoren

  • Risikofaktoren für einen Barrett-Ösophagus:4
  • Neben prädisponierenden wurden auch verschiedene protektive Faktoren identifiziert:4,11
    • obst- und gemüsereiche Ernährung
    • Helicobacter-Infektion, vermutlich aufgrund der geringeren Säureproduktion
    • NSAR
    • Statine.

ICPC-2

  • D84 Speiseröhrenerkrankung

ICD-10

  • K22.1 Ösophagusulkus
  • K22.7 Barrett-Ösophagus

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose Barrett-Ösophagus erfordert eine Endoskopie mit Biopsien.1-2
    • Metaplasiezunge ≥ 10 mm
      • endoskopisch zungenförmige, nach proximal reichende, rötliche, der Magenschleimhaut ähnelnde Schleimhautausläufer im distalen Ösophagus
    • histologischer Nachweis von Zylinderepithel mit Becherzellen

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Indikationen zur Überweisung

  • Ein allgemeines Screening bei Patient*innen mit GERD ist nicht empfohlen.2
  • Bei GERD-Patient*innen mit längerfristig hohem PPI-Bedarf sollte die Indikation zur Endoskopie aber großzügig gestellt werden.
  • Desweiteren auch bei Patient*innen mit mehreren prädisponierenden Faktoren oder Alarmsymptomen

Endoskopische Diagnostik 

  • Für die Inspektion der z. T. subtilen Läsionen mit hochauflösender Videoendoskopie sollten sich Untersucher*innen ausreichend Zeit nehmen.
  • Die Darstellung des Oberflächenreliefs kann durch klassische (z. B. mit Essigsäure) oder virtuelle (z. B. „Blue Light Imaging“) chromoendoskopische Verfahren verbessert werden.
  • Auffällige Areale sollten im Zweifel biopsiert werden.
  • Bei florider Refluxösophagitis wird zur besseren histologischen Beurteilbarkeit vor Biopsie eine 4-wöchige PPI-Therapie vorgeschaltet.

Endoskopie und Biopsie

 

  • Bei mehrjährig bestehenden Refluxbeschwerden sollte eine Endoskopie zur Aufdeckung eines Barrett-Ösophagus erfolgen.
  • Als Standard für die endoskopische Diagnostik bei Patient*innen mit Barrett-Ösophagus gilt die hochauflösende Videoendoskopie.
  • Bei endoskopischem Verdacht oder bereits gesichertem Barrett-Ösophagus soll eine gezielte Biopsie aller suspekten Areale und anschließende 4-Quadranten-Biopsie alle 1–2 cm erfolgen.
  • Bei Nachweis entzündlicher Veränderungen sollte vor Biopsieentnahme eine 4-wöchige PPI-Therapie erfolgen.

Therapie

Therapieziel

Allgemeines zur Therapie

  • Behandlungsoptionen sind:
    • nicht-endoskopische Therapie
      • Allgemeinmaßnahmen
      • medikamentöse Therapie
    • endoskopische Therapie
      • Radiofrequenzablation
      • endoskopische Resektion.
  • Eine Fundoplikatio kann zwar bei schwerer Refluxkrankheit indiziert sein, für einen karzinompräventiven Effekt bei Barrett-Ösophagus gibt es aber keine ausreichende Evidenz und daher keine Empfehlung.1,12-13

Nicht-endoskopische Therapie

Allgemeinmaßnahmen

  • Maßnahmen, die einen günstigen Effekt auf die Progression eines Barrett-Ösophagus haben:6

Medikamentöse Therapie

  • Eine medikamentöse Behandlung mit Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) ist indiziert, wenn bei Patient*innen mit Barrett-Ösophagus gleichzeitig Refluxbeschwerden und/oder eine Ösophagitis vorliegen.
    • z. B. Pantoprazol 40 mg 1 x tgl.
  • Zur Frage einer medikamentösen Karzinomprophylaxe mit PPI, NSAR, ASS oder Statinen liegen widersprüchliche Studienergebnisse vor.14
  • Eine generelle Empfehlung zur medikamentösen Prävention wird in den aktuellen Leitlinien daher nicht gegeben.1

Endoskopische Therapie

  • Die Therapie richtet sich nach der histologischen Klassifikation des Barrett-Ösophagus.15
  • Eine Barrettschleimhaut ohne neoplastische Veränderungen kann verlaufskontrolliert werden, bei niedriggradiger (LGIN) oder hochgradiger (HGIN) intraepithelialer Neoplasie ergibt sich hingegen die Indikation zur endoskopischen Therapie.1-2
  • Die endoskopische Therapie sollte in erfahrenen Zentren mit Verfügbarkeit aller diagnostischen und therapeutischen Verfahren einschließlich Ösophaguschirurgie erfolgen.
  • Metaplasie:
    • Eine endoskopische Therapie/Ablation von nichtneoplastischer Barrettschleimhaut soll nicht erfolgen.
  • Niedriggradige intraepitheliale Neoplasie (LGIN):
    • Bei Nachweis einer LGIN im Barrett-Ösophagus, die durch Referenzpatholog*innen zu bestätigen ist, und bei Vorliegen sichtbarer Veränderungen soll die endoskopische Resektion erfolgen.
    • Eine Radiofrequenzablation des gesamten Barrett Segments zur Verhinderung einer Progression kann erfolgen.
  • Hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN):
    • Bei Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder eines mukosalen Karzinoms im Barrett-Ösophagus soll eine endoskopische Resektion erfolgen, da hierdurch neben der Therapie auch ein Staging der Läsion mit der Frage der Tiefeninfiltration erfolgt.
    • Nach erfolgreicher Resektion von Neoplasien im Barrett-Ösophagus soll der nichtneoplastische Barrett-Ösophagus abladiert werden, um die Rate an metachronen Neoplasien zu senken.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Bei Radiofrequenzablationen Komplikationen bei 6,5–9 % der Patient*innen (z. B. Stenosen)
  • Seltene, aber kritische Komplikation der endoskopischen Resektion ist die Ösophagusperforation.

Prognose und Komplikationen

  • Bei Barrett-Ösophagus ohne Dysplasie ist das Risiko für die Entstehung einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie (HGIN) gering mit 0,12–0,33 % pro Jahr.16
  • Bei Vorliegen einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie (LGIN) beträgt die jährliche Progressionsrate zu einer HGIN oder zu einem Adenokarzinom ca. 9 %.
  • HGIN und ein intramukosales Karzinom sind histologisch nicht immer zu unterscheiden, auch bei einem intramukosalen Karzinom besteht aber praktisch kein lymphogenes oder hämatogenes Metastasierungsrisiko.,
  • Infiltriert das Karzinom die Submukosa, besteht die Indikation zur operativen Ösophagusresektion (bei bestimmter Niedrigrisikogruppe auch endoskopische Resektion möglich).

Verlaufskontrolle

  • Das Überwachungsregime ist Gegenstand der Diskussion mit unterschiedlichen Empfehlungen in internationalen Leitlinien.1-2 Im Folgenden die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie:

Keine intraepitheliale Neoplasie

  • Kontrolle nach 1 Jahr, bei Bestätigung kann alle 3–4 Jahre eine Kontroll-ÖGD erfolgen.

Niedriggradige intraepitheliale Neopasie (LGIN)

  • Bei Nachweis einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie im Barrett-Ösophagus, die durch Referenzpatholog*innen bestätigt wird, ohne makroskopisch sichtbare Veränderungen in der Barrettschleimhaut sollen Verlaufskontrollen nach 6 Monaten und dann jährlich erfolgen (alternativ kann eine Radiofrequenzablation durchgeführt werden).
  • Bei makroskopisch sichtbaren Läsionen endoskopische Therapie

Hochgradige intraepitheliale Neoplasien (HGIN)

  • Nach erfolgreicher endoskopischer Resektion und Rest-Barrettablation sollten Kontrollendoskopien nach 3 Monaten, dann für 2 Jahre halbjährlich und danach jährlich erfolgen.

Patienteninformationen 

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Short Barett.jpg
Short Barrett (Metaplasie bis zu 3 cm Länge) (mit freundlicher Genehmigung von endoskopiebilder.de, Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH, Hamburg)

Quellen

Leitlinien

  • European Society of Gastrointestinal Endoscopy. Endoscopic management of Barrett's esophagus: Position Statement, Stand 2017. www.esge.com
  • American College of Gastroenterology. ACG Clinical Guideline: Diagnosis and Management of Barrett's Esophagus, Stand 2022. journals.lww.com

Literatur

  1. American College of Gastroenterology. ACG Clinical Guideline: Diagnosis and Management of Barrett's Esophagus, Stand 2022. journals.lww.com
  2. European Society of Gastrointestinal Endoscopy. Endoscopic management of Barrett's esophagus: Position Statement. www.esge.com
  3. Barrett N. The lower esophagus lined by columnar epithelium. Surgery 1957; 41: 881-894. pmid:13442856 PubMed
  4. Spechler S, Souza R. Barrett's esophagus. N Engl J Med. 2014;371:836-845. PMID: 25162890. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Spechler S. Barrett esophagus and risk of esophageal cancer: a clinical review. JAMA. 2013;310:627-36. PMID: 23942681. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Labenz J, Koop H, Tannapfel A, et al. The epidemiology, diagnosis and treatment of Barrett carcinoma. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 224-234. doi:10.3238/arztebl.2015.0224 DOI
  7. Ronkainen J, Aro P, Storskrubb P, et al. Prevalence of Barrett's esophagus in the general population: an endoscopic study. Gastroenterology 2005; 129: 1825-1831. doi:10.1053/j.gastro.2005.08.053 DOI
  8. Qumseya B, Bukkanan A, Gendy S, et al. Systematic review and meta-analysis of prevalence and risk factors for Barrett's esophagus. Gastrointest Endosc 2019; 90: 707-717. doi:10.1016/j.gie.2019.05.030 DOI
  9. Que J, Garman K, Souza R, et al. Pathogenesis and Cells of Origin of Barrett's Esophagus. Gastroenterology 2019; 157: 349–364. doi:10.1053/j.gastro.2019.03.072 DOI
  10. Kolb J, Wani S. Endoscopic Management of Barrett's Esophagus. Dig Dis Scu 2022. doi:10.1007/s10620-022-07395-x DOI
  11. Shaheen NJ, Richter JE. Barret's oesophagus (Seminar). Lancet 2009; 373: 850-61. PubMed
  12. De Jonge P, Spaander M, Bruno M, et al. Acid suppression and surgical therapy for Barrett's oesophagus. Best Pract Res Clin Gastroenterol 2015;29:139-50. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  13. Wassenaar EB, Oelschlager BK. Effect of medical and surgical treatment of Barrett's metaplasia. World J Gastroenterol 2010; 16: 3773-9. PubMed
  14. Singh S, Garg S, Singh P, et al. Acid-suppressive medications and risk of oesophageal adenocarcinoma in patients with Barrett's oesophagus: a systematic review and meta-analysis. Gut. 2014;63:1229-37. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  15. Blevins CH, Iyer PG. Endoscopic therapy for Barrett's oesophagus. Best PractRes Clin Gastroenterol 2015;29:167-77. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  16. Hvid-Jensen F, Pedersen L, Drewes AM, Sørensen HT, Funch-Jensen P. Incidence of adenocarcinoma among patients with Barrett's esophagus. N Engl J Med. 2011 Oct 13;365(15):1375-83. PMID: 21995385. PubMed

Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.

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